America’s CupSo realistisch ist das Lego-Modell wirklich

Max Gasser

 · 10.10.2024

Das Lego-Modell aufgebaut in der YACHT-Redaktion in Hamburg
Foto: YACHT/L. Bolle
AC75 “Taihoro”: Lego-Modell und Realität im Vergleich
Mit dem neuseeländischen AC75-Modell aus Lego Technic kommt die Komplexität und Innovation der America's-Cup-Yachten in die Zimmer der Fans. Die „Taihoro“-Replik weist dabei einige technische Details auf, die auch im anstehenden Match gegen Ineos Britannia entscheidend sein werden – mit einem kleinen Makel

Als der dänische Klemmbaustein-Riese Lego im August eine Miniatur einer aktuellen America’s-Cup-Yacht auf den Markt brachte, war die Resonanz in der Fangemeinde des legendären Segelwettbewerbs riesig. Noch nie hatte es zuvor ein solches Technic-Modell wie das des AC75 vom Emirates Team New Zealand gegeben.

Das Set mit der Nummer 42174 will durch eine Vielzahl technischer Details aus der Realität überzeugen. Dazu zählt der wie auf der Rennyacht drehbare Mast, das per Traveller trimmbare Großsegel aus zwei einzelnen Häuten sowie die einstellbare Selbstwendefock. Eine Besonderheit der aktuellen Cup-Yachten sticht allerdings besonders hervor: die Foils. Beim Herzstück der über 100-Stundenkilometer-schnellen Racer scheute Lego keine Kosten und Mühen und stattete diese mit Pneumatik aus. So lassen sich die Foilarme einzeln auf- und abbewegen, wie es vor Barcelona während der Manöver passiert.

37. America’s Cup: Auch Lego integriert Radfahrer

Wer den 37. America’s Cup verfolgt, weiß, dass sich derlei druckbasierte Systeme tatsächlich an Bord der Cupper befinden. Im Gegensatz zur vergangenen Ausgabe vor Auckland werden dafür jedoch keine klassischen Grinder eingesetzt. Stattdessen sorgen vier Radfahrer mit teils schier unglaublichen Leistungswerten für die benötigte Energie. Im Modell muss zwar von Hand am Gestell des Modells gekurbelt werden, die Pedale sind in den Sidepod-Cockpits allerdings tatsächlich angedeutet und bewegen sich. Das damit wohl am realistischsten erscheinende Detail des Lego-Technic-Modells bildet dennoch in keiner Weise die Realität ab.

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Denn tatsächlich erfolgt lediglich der Segeltrimm über die an Bord generierte Energie. “Die Radfahrer treiben Pumpen unter dem Deck an und steuern die Einstellung der Segel”, erklärt Scott Barnesm, leitender Hydraulik-Ingenieur bei den Verteidigern vom Emirates Team New Zealand. Die Foils und ihre je rund eine halbe Tonne schweren Arme werden unterdessen vollständig batteriebetrieben. Beim Foilarm und seiner Hydraulik handelt es sich um eine One-Design-Komponente, die es den Teams ermöglicht, ungefähr alle 15 Sekunden zu wenden oder zu halsen. So lange benötigt das System, um ausreichend Druck aufzubauen.

Auch der Flight-Controller an Bord ist auf eine batteriebetriebene Hydraulik angewiesen. Um in allen erdenklichen Situationen in optimaler Fluglage und Höhe zu segeln, müssen die Klappen am Ruder und an den Hauptfoils entsprechend arbeiten. Damit wird Hydraulik zum entscheidenden Baustein für Erfolg auf der Regattabahn. Ob die detailgetreue Umsetzung dieser Funktionen auch für das Lego-Modell entscheidend gewesen wäre, muss wohl jeder Fan für sich entscheiden, wünschenswert wäre es gewesen.

Wie in der Realität: America’s Cupper nicht günstig

Über den Aufbau-Prozess gibt es derweil wenig zu beklagen. Die detaillierte und gut durchdachte Bauanleitung ermöglicht es auch Baumeistern unterhalb der vorgeschlagenen Altersempfehlung von 18 Jahren, den Hightech-Segler zu konstruieren, ohne dabei den Bauspaß für geübte Lego-Begeisterte zu trüben. Stattdessen bietet das Set eine gute Abwechslung und steigert sich in seiner Komplexität. Etwas mühselig ist lediglich das optionale Aufbringen der zahlreichen Sponsoren-Sticker sowie das Verbauen der Pneumatikschläuche. Das Endprodukt nach etwa drei bis vier Stunden Bauzeit ist ein optisch ansprechendes Modell, das die Dimension und das Design des neuseeländischen AC75 eindrucksvoll darstellt.

Der 22,86 Meter lange und fünf Meter breite “Taihoro” misst in der Lego-Technic-Nachbildung 56 auf 12 Zentimeter (33 cm bei beidseitig ausgeklappten Foilarmen). Der Mast des 962-teiligen Sets ist 68 Zentimeter hoch, das Rigg des Originals ragt 26,5 Meter in die Höhe. Ursprünglich für 120 Euro angeboten, ist das Modell bei Amazon derzeit für 87,99 Euro zu haben. Unabhängig vom Ausgang des am Samstag startenden America’s Cup Match gegen Ben Ainslies Louis-Vuitton-Cup-Sieger von Ineos Britannia, eignet sich das Modell somit hervorragend als Ausstellungsstück für jeden Cup- und Lego-Enthusiasten. Auch als Geschenk beispielsweise zu Weihnachten unter dem Tannenbaum dürfte die AC75-Replik aus Klemmbausteinen eine gute Figur machen.

Auch “Luna Rossa” bald aus Lego zu kaufen?

Es ist dabei eines der wenigen Bootsmodelle im Sortiment des 2023 weltweit umsatzstärksten Spielwarenherstellers. Tüftler kreieren dagegen immer wieder Rennyachten, auch aus den klassischen eckigen Bausteinen. So unter anderem auch der damals 16-jährige Tobias Sprung, der nach Boris Herrmanns erster Vendée-Globe-Teilnahme aus 1964 Teilen ein Modell der "Seaexplorer" im Maßstab 1:45 konstruierte. Dieses reichte er bei Lego Ideas ein, wo aktuell auch die im 37. America’s Cup bereits ausgeschiedene “Luna Rossa” zu finden ist.

Ideas ist eine Plattform, auf der Lego-Fans eigene Entwürfe für neue Sets einreichen können. Andere Nutzer haben dann die Möglichkeit, diese Vorschläge zu unterstützen. Wenn ein Entwurf innerhalb eines festgelegten Zeitraums 10.000 Unterstützer erreicht, wird er von einem Lego-Review-Team geprüft. Dieses Team entscheidet dann, ob das vorgeschlagene Set in die Produktion geht und offiziell von LEGO herausgebracht wird. Rund 8.500 Stimmen fehlen noch, bis auch Luna Rossa Prada Pirellis AC75 in Produktion gehen könnte. Allerdings ist dabei zu beachten, dass Lego möglicherweise die Rechte an bestimmten Marken oder Namen erwerben muss, was den Prozess komplizierter machen könnte.

Gänzlich unabhängig davon konstruierten und bauten auch Winny Hohensee und Karl Kühmstedt ihr extravagantes Lego-Modell. Die X-362 aus 9.114 Einzelteilen war unter anderem auf der vergangenen boot Düsseldorf zu sehen.


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