RatgeberWie Sie das Interieur ihrer Segelyacht modernisieren können

Hauke Schmidt

 · 06.10.2023

Holz-Höhle: Obwohl Beleuchtung und Polster erneuert wurden, versprüht der Ausbau den Charme der 80er Jahre
Foto: YACHT/N. Günter
So wird aus der Zeitkapsel ein frisches Interieur: Der Griff zur Farbe schreckt viele ab. Dabei lassen sich verblüffende Effekte erzielen. Eine Anleitung zum Ausprobieren – ganz ohne Nebenwirkungen

Geschmäcker sind nicht nur verschieden, sie verändern sich zudem im Laufe der Zeit. Wie ein Blick auf die Neuerscheinungen der letzten Jahre deutlich macht, gilt das auch für den Innenausbau von Yachten. Kaum eine Werft, die nicht ein helles Interieur im Angebot hat. Selbst skandinavische Bootsbauer wie Hallberg-Rassy, X-Yachts oder Faurby bieten längst mehr als das traditionelle Mahagoni und Teak.

Ganz anders sieht es auf dem Gebrauchtbootmarkt aus, dort dominiert dunkles Holz. Je nach Werft und Preisklasse der Yacht sind die Furniere exzellent verarbeitet und von heute kaum noch bezahlbarer Qualität. Doch was für den einen schiffige Geborgenheit ausstrahlt, wird von anderen als höhlenartig und altbacken empfunden. Hinzu kommt, dass die dunklen Farbtöne den nach heutigen Verhältnissen knappen Innenraum der älteren Yachten optisch weiter schrumpfen.

Interieur verändern Maßnahmen zur Modernisierung

Mit welchen Designmaßnahmen sich solche Holzhöhlen modernisieren lassen, hat die im Konstruktionsbüro Judel/Vrolijk & Co in Bremerhaven ansässige Interieur-Designerin Ann Cathrein Jacobsen gegenüber der YACHT im April 2022 erläutert. Von ihr stammen auch die Tipps zum Einsatz von Farben und Linien.

Doch das theoretische Wissen um die Möglichkeiten ist kein Garant für eine erfolgreiche Umsetzung am eigenen Schiff. Wenn der Zahn der Zeit oder erbarmungsloser Regattaeinsatz Spuren hinterlassen hat, fällt es leicht, dem abgewetzten Holz zu Leibe zu rücken. Anders sieht es bei gepflegten Interieurs aus. Die Vorstellung, das edle Furnier hinter einer Farbschicht verschwinden zu lassen, hemmt viele Eigner.

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Ist der Farbwechsel eine gute Idee?

Zumal ein Zurück in der Regel nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich ist. Genau in dieser Ausgangssituation befand sich auch Andreas Woyda. Der Bootsbaumeister ist Leiter der Anwendungstechnik bei Vosschemie und Eigner einer 36 Jahre alten LM 290 Mermaid. „Das Interieur war sehr gut in Schuss und super verarbeitet, da überlegt man sich zweimal, ob der Farbwechsel eine gute Idee ist“, so Woyda. Der extrem holzlastige Ausbau ist jedoch auch ein Paradebeispiel für den Stil der späten siebziger und achtziger Jahre. Daher ist es trotz der relativ großen Aufbaufenster und einer Luke vergleichsweise dunkel unter Deck.

In den letzten Jahren hatte Woyda bereits die Polster erneuert und versucht, die Atmosphäre mit einem helleren Boden moderner zu gestalten. „Die originalen Bodenbretter hatten Wasserschäden und waren nicht zu retten, daher habe ich sie ersetzt. Das Laminat aus dem Baumarkt passt aber nicht recht zum wertigen Holzausbau und brachte nicht den gewünschten Modernisierungseffekt“, so Woyda weiter. Daher sollte eine umfangreichere Frischzellenkur folgen, die wir in der nächsten Zeit begleiten werden. Jeder handwerklich halbwegs begabte Eigner sollte die Arbeiten selbst durchführen können.

Und zwar in einem normalen Winterlager. Materialien oder Arbeitsweisen, die Spezialwerkzeuge oder eine staubfreie Umgebung erfordern, scheiden damit von vornherein aus. Statt zu lackieren, soll beispielsweise eine Resopalbeschichtung zum Einsatz kommen. Außerdem sollen Kosten und Zeitaufwand im Rahmen bleiben. Keine leichte Aufgabe, denn die Liste der Veränderungswünsche war lang: helle Schotten, neuer Boden, zusätzliche Decksluke und eine erweiterte LED-Beleuchtung standen zur Wahl, wobei nicht mehr als 5.000 Euro investiert werden sollten. Den Zeitbedarf schätzte Woyda auf rund 100 Stunden, das entspricht bei motiviertem Einsatz etwa sechs Wochenenden. Die Arbeiten lassen aber auch Stück für Stück erledigen.

Entscheidung für einen neuen Stil

Die größte Herausforderung bei der Umgestaltung ist das Festlegen des neuen Stils für die Schapps und Schotten. Die Frage, wie viel Weiß nötig ist und ob der veränderte Ausbau möglicherweise zu kalt wirkt, ist für Ungeübte schwer zu beantworten. Sich im Vorfeld ausgiebig mit Fotos entsprechender Interieurs zu beschäftigen ist da eine Hilfe.

Wesentlich besser geht es mit einer Simulation am eigenen Boot. Die Idee dazu kam uns spontan beim Ortstermin: Warum nicht versuchen, die Oberflächen provisorisch mit weißem Papier zu kaschieren? Dafür sind allerdings einige Quadratmeter Material nötig, und zwar möglichst am Stück und faltenfrei.

Fündig wurden wir in der Tapetenabteilung des nahe gelegenen Baumarktes, und zwar in Form einer einfachen Vliestapete. Das Material ist fein strukturiert, besitzt aber eine glatte, seidenmatte Rückseite, die der Anmutung einer matten Lackierung oder Beschichtung sehr nahekommt. Je nach Hersteller sind die Rollen 53 bis 75 Zentimeter breit und enthalten zwischen 7,5 und 20 Quadratmeter Material. Mehr als ausreichend, um die Holzoberflächen des Salons mehrfach abzudecken. Preiswert ist die Tapete allemal, es müssen weniger als 20 Euro investiert werden.

Probelauf

Bleibt die Frage, wie man das Vlies aufs Holz bekommt, und zwar so, dass es sich genauso schnell und rückstandslos wieder entfernen lässt. Wenn die Kaschierung nur ein paar Stunden halten soll, genügt doppelseitiges Teppichklebeband. Daraus werden kleine Quadrate mit etwa einem Zentimeter Kantenlänge geschnitten. Diese platziert man an den Ecken der abzuklebenden Holzflächen und entlang der Kanten, wobei ein Abstand von etwa 20 Zentimetern genügt, um das Vlies zu fixieren. In der Fläche sind in der Regel keine zusätzlichen Klebepunkte nötig.

Der Nachteil: Bei längerer Einwirkzeit verbindet sich der Kleber mitunter dauerhaft mit dem Untergrund. Wer die Tapete länger installiert lassen will, beispielsweise, um am nächsten Wochenende weiterzumachen, sollte darauf achten, dass sich das verwendete Klebeband wieder rückstandsfrei entfernen lässt. Entsprechendes Material ist im Papierfachhandel erhältlich.

Simple Methode mit Effekt für neues Interieur

Das Provisorium liefert bessere Eindrücke als jede dreidimensionale Simulation im Computer. So simpel die Methode wirken mag, der Effekt ist enorm. Bereits nach einer halben Stunde hatten wir eine Seite des Salons inklusive der Pantry umgestaltet und konnten die Wirkung begutachten. Dabei ist die einfache Tapetenlösung jeder Fotomontage weit überlegen.

Da man sich im Schiff frei bewegen kann, sind alle Blickwinkel möglich, und selbst die veränderte Wirkung der Innenbeleuchtung nebst Schattenwurf entspricht dem späteren Effekt. Derartige Eindrücke können selbst aufwändige 3D-Computersimulationen nicht realitätsnäher vermitteln. Wobei die Technik für ältere Yachten sowieso kaum in Frage kommt. Ein nachträglicher 3D-Scan ist zwar möglich, wird in der Praxis aber nur partiell angewendet. Beispielsweise um Schablonen für Decksbeläge zu erstellen. Einen kompletten Innenraum zu erfassen und die Oberflächen samt Beleuchtung im Rechner nachzubilden ist aber ungleich aufwändiger.

Digitale Entwürfe für das Interieur erstellen lassen

Besser sieht es aus, wenn das Interieur der Yacht bereits am Computer entworfen wurde, denn dann sind die entsprechenden Details in der Regel schon digital vorhanden. In diesem Fall kann man beim Designbüro anfragen und sich angepasste Entwürfe erstellen lassen. Das dürfte sich allerdings erst lohnen, wenn nicht nur die Farben, sondern auch die Position der Einbauten geändert werden soll.

Die von uns angewandte Tapeten-Methode ist aber nicht nur unter Kosten-Aspekten unschlagbar, sie ist auch vielseitig. Unterschiedliche Designvarianten, zum Beispiel vollständig weiße Schotten oder eine horizontale Teilung, lassen sich mit wenig Aufwand testen.

Sogar mit der Farbe kann gespielt werden, dabei sollte man die Farbpalette der Resopalplatten im Hinterkopf haben. Prinzipiell lassen sich die Platten zwar in beliebigen Farben lackieren, die dafür nötigen Arbeiten sollte man aber nicht vernachlässigen. Außerdem ist der Lack lange nicht so robust wie die maschinell erstellte Resopal­oberfläche.

Problemstellen erkennen

Das Erkennen von Problemstellen und Unstimmigkeiten ist einer der wichtigsten Aspekte der Simulation. In unserem Fall war das beispielsweise der Übergang vom Schott zur bereits weißen Decksverkleidung, die einen leicht anderen Farbton hat. Damit ist es frühzeitig möglich, ansprechende Lösungen zu entwickeln oder auch zusätzliche Lackierarbeiten einzukalkulieren.

Gleiches gilt für optische Unstimmigkeiten mit vorhandenen Ausbaudetails. Bei der Mermaid betraf das die messingfarbenen Leselampen und die Haltefüße des Teakhandlaufs. Zusammen mit den weißen Schotten und Schapps wirkten die schiffigen Beschläge plötzlich wie Fremdkörper, die dringend einer Modernisierung bedurften und auf die Arbeitsliste wanderten.

Die kürzlich angeschafften dunkelblauen Polster fügten sich dagegen gut in das weiße Design ein. Sie kommen sogar wesentlich besser zur Geltung und geben dem Interieur eine edle Note.

Erkenntnisse erzielen

Am Ende des Tages war klar, dass die Schotten bis auf die Umleimer vollflächig weiß werden, wobei der Türrahmen und die Abdeckungen des Winkellaminats als Teakelemente erhalten bleiben. Der Übergang zur GFK-Verkleidung des Aufbaus und des Seitendecks wird mit einer schmalen Teakleiste kaschiert. Die Paneele der Deckenverkleidung werden weiß, wobei anstelle einer Beschichtung auf Lack zurückgegriffen wird. Andernfalls lassen sich die Paneele nicht mehr mit den aufgesetzten Holzleisten montieren. Die Leisten bleiben als Kontrast erhalten, sie sollen den Salon optisch strecken.

Auf Schapps und den Fronten der Pantry werden die Füllungen weiß beschichtet, und das Schott zum Cockpit erhält ebenfalls eine weiße Oberfläche. Im Gegenzug bekommen die Bodenbretter wieder eine schiffige Optik aus Teak mit hellen Adern, allerdings in Form von robustem Kunststofflaminat.

Im Vorschiff und unter den Schapps ist die LM bereits mit indirekter LED-Beleuchtung nachgerüstet. Diese lässt sich aber nicht dimmen, außerdem kann keine der vorhandenen Lichtquellen vom Niedergang aus geschaltet werden.

Weitere Maßnahmen zur Modernisierung folgen

Bei Dunkelheit muss erst ins Schiff geklettert werden, um Licht zu machen, das ist unkomfortabel. Daher werden wir eine regelbare LED-Bodenbeleuchtung installieren, die sich aktivieren lässt, bevor man die Niedergangstreppe betritt. Ebenfalls verbesserungswürdig sind die Lichtverhältnisse in der Pantry. Die bisherige Beleuchtung stammt noch aus den achtziger Jahren und taucht Herd und Arbeitsfläche nur in einen trüben Schein. Auch dort besteht Handlungsbedarf.


Video Interieur modernisieren


So gehen Sie mit Kontrast und Linien um

Meistens sind in älteren Yachten dunkle Holzarten und Tönungen vorherrschend. Dominieren diese zu sehr den Innenraum, kann es helfen, bestimmte Flächen hell zu lackieren oder zu folieren, um einen lichteren Gesamteindruck zu schaffen oder bestimmte Be­reiche mittels eines Hell-Dunkel-Kontrastes zu betonen.

Diese Hell-Dunkel-Verteilung beeinflusst auch insgesamt die Raum­wirkung. Sie kann einen Raum kürzer, schmaler oder niedriger wirken lassen oder die jeweils gegenteilige Wirkung erzielen. Um etwa die Decke zu heben, sollte diese heller sein als die Wände. Mit dunklen, hölzernen Decken lässt sich kaum ein lichter Gesamt­eindruck erzielen. Gerade beim Kajütdach wird sich eine weiße Lackierung also sehr deutlich bemerkbar machen. Aber auch Linienverläufe können für diese Zwecke eingesetzt werden, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Nur Weiß bietet keinen Halt: Im neutral gehaltenen Raum findet das Auge keinen Ruhepunkt, der  Salon wirkt zudem breiter als lang
Foto: Judel/Vrolijk

So finden Sie die richtigen Proportionen

Große, gleichmäßig gestaltete Flächen können nicht nur langweilig anmuten, sondern auch zu dominant. Schon ein simpler Materialmix, etwa aus hölzernen Flächenanteilen und weiß lackierten, kann einen enormen Effekt bewirken, wenn er richtig angewendet wird. Normalerweise hilft eine Halbierung der Fläche, nur ist damit nicht die Hälfte des Flächeninhaltes gemeint, sondern die optische Hälfte, die ganz woanders liegen kann. Zusätzlich können große Flächen durch Fugen geteilt werden.

Nur Holz allein kann schwer wirken: Ein komplett hölzernes Schott mag bei entsprechendem Furnier schön aussehen, es erscheint jedoch auch insgesamt schwerer als ein weißes
Foto: Judel/Vrolijk

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