Einwintern ohne MastlegenWinterlager mit stehendem Mast – Pro und Contra

Morten Strauch

 · 01.10.2025

Mastenwald an Land. Ein Bild, das auch in Deutschland immer häufiger zu sehen ist
Foto: Anders Dahl
Das Winterlager mit stehendem Mast erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit unter deutschen Seglern. Was dafür spricht – und was dagegen

Jedes Jahr die gleiche Qual. Nicht nur, dass die Saison schon wieder viel zu früh vorbei ist und das Gefühl entsteht, zu wenig auf dem Wasser gewesen zu sein. Obendrauf kommen noch das lästige Mastlegen, das Auskranen und das Einwintern des Bootes. Im Frühjahr dann die Rolle rückwärts. Bekanntermaßen hat Corona so viele Menschen aufs Wasser getrieben, dass nicht nur die Häfen aus allen Nähten platzen, sondern folgerichtig auch die Winterlager. Einen warmen Hallenplatz zu ergattern ist daher so realistisch, wie einen Liegeplatz am Bodensee angeboten zu bekommen. Im Freilager findet sich dagegen oft noch ein Plätzchen, wo das Boot gut gekühlt überwintern kann. Und das Bootsbudget schont es ebenfalls.

Nun hat sich in den letzten Jahren auch in Deutschland ein Trend manifestiert, der in Skandinavien, Holland oder am Mittelmeer längst Usus ist: den Mast einfach stehen zu lassen, wenn das Schiff an Land verholt und in den Winterschlaf versetzt wird.

Winterlager mit stehendem Mast hat einige Vorteile

Die Vorteile liegen auf der Hand: Neben dem geringeren Aufwand beim Ein- und Auswintern und der Verwendung einer eventuell vorhandenen Winterpersenning, die den Baum als Auflage nutzt, können sich Eigner zudem über noch mehr Kostenersparnis freuen. Zusätzlich fällt das Risiko weg, dass beim Kranen des Mastes etwas schiefgeht.

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Immer mehr Hafenbetreiber haben auf die gestiegene Nachfrage reagiert und bieten neben der Hallenlagerung beide Optionen für das Freilager an. Den Betreibern mögen dadurch zwar Einnahmen durch das Legen und Stellen der Masten sowie deren Lagerung entgehen, aber in Zeiten von akutem Fachpersonalmangel lassen sich so wenigstens viele Schiffe in kürzerer Zeit abwickeln. Trotzdem ist das an Land mit Mast stehende Boot unter vielen Eignern in Deutschland verpönt.

Wer Zeit seines Seglerlebens jedes Jahr selbst sein Rigg gelegt und im Mastenlager verstaut hat, für den ist das Stehenlassen wohl eher ein Zeichen von Faulheit. Unbestritten ist die Tatsache, dass die Windlast auf den Mast auch zu mehr Druck auf den Rumpf führt und dieser nicht wie im Wasser ausgeglichen werden kann. Dort hat das Boot die Möglichkeit, sich zu neigen und mit den Festmachern zu arbeiten, während es an Land starr im Bock steht und somit enormen Kräften ausgesetzt ist.

Ein stehender Mast bedeutet Windlast, die das Boot nicht ausgleichen kann

Dazu Uwe Gräfer, Sachverständiger für Sportboote und Schiffbau: „Wir haben jedes Jahr Schadensfälle durch Winterlager mit stehendem Mast zu vermelden, die eindeutig darauf zurückzuführen sind, dass die Windlast auf das Rigg dazu führt, dass die Pallhölzer den Rumpf eindrücken. Ich habe massive Fahrtenschiffe begutachten müssen, die davon betroffen waren.“

Der Mast inklusive der Drähte, Fallen und der eventuell noch angeschlagenen Rollfock komme schnell auf ein paar zusätzliche Quadratmeter Windangriffsfläche, die mit der entsprechenden Höhe einen enormen Hebeldruck auf den Rumpf ausüben würden. Das könne auch zur Folge haben, dass Boote verrutschen oder aus dem Bock kippen, so Gräfer weiter. Sein eigenes Schiff würde der Sachverständige lieber den Winter über im Wasser lassen als an Land mit gestelltem Mast. „Allein die Vibrationen im Rigg, die sich auf den ganzen Rumpf übertragen, sind eine Belastung für das Material. Findet dies das ganze Jahr über statt, ist das ein permanenter Stress für das Boot, insbesondere dann, wenn es an Land keine Wechsellasten mehr hat und nicht ausweichen kann.“

Je größer die Yacht, desto teurer das Mastlegen

Nun werden Yachten meist nicht auf dem offenen Acker abgestellt, sondern im Lee der großen Lagerhallen, und es gibt durchaus Möglichkeiten, die mastentragenden Schiffe zusätzlich zu stabilisieren. Die Yachtwerft Heiligenhafen benutzt dafür schon seit 15 Jahren überdimensionierte Lagerböcke, die sechs anstatt vier seitliche Auflagen haben. Große, tiefe Boote werden zudem über die Klampen mit Leinen im Boden verankert. Gleichwohl hat sich der Wind laut Geschäftsführer Urs Weisel gedreht: „Wir stellen mittlerweile nur noch in Ausnahmefällen die Boote mit stehendem Mast ins Winterlager, da wir den Eignern davon ganz klar abraten. Wir haben aber auch einen großen Vercharterer als Kunden, der mit 60 aufgeriggten Booten das Frei­lager nutzt. Aus Kostengründen sollen die Masten stehen bleiben.“

Durchaus nachvollziehbar bei der Masse an Yachten, wenn allein die Pauschale für das Legen und Stellen des Riggs sowie das Mastenlager pro Schiff mit 400 Euro zu Buche schlägt. Kann oder möchte der Kunde die Vorbereitung für das Riggen nicht übernehmen, treibt das je nach Bootsgröße die Preise in die Höhe. Aufgrund der anfallenden Arbeitsstunden können für ein 42-Fuß-Schiff Zusatzkosten von 2.000 bis 3.000 Euro allein für Ab- und Aufriggen hinzukommen. Bei den längeren Riggs der teils weit größeren Schiffe kommt auch der Mastenkran nicht mehr mit, und ein Spezialkran muss geordert werden. Gut, wer eine besonders große Yacht besitzt, muss sich nicht darüber wundern, dass alles rund ums Boot entsprechend teurer wird: Segel, Persenninge, Liegeplatz, Wartung und Winterlager.

Mastlegen ist auch für die Wartung wichtig

Apropos Wartung: Ein ordentlicher Mastencheck geht nach Meinung von Dirk Hilcken vom Versicherungsmakler Pantaenius am besten bei gelegtem Rigg. „Wir haben doch alle Möglichkeiten bei uns in Nord­europa, das Rigg vernünftig zu legen, zu lagern und somit auch bestmöglich zu inspizieren – warum sollten wir das nicht nutzen? Draußen auf See kann ein Problem mit dem Mast ganz schnell dramatische Konsequenzen hervorrufen. Daher gehört eine ordentliche Wartung des Bootes inklusive des gesamten Riggs an Land zur Grundvoraussetzung der guten Seemannschaft. Der Mast auf einem Segelboot ist ganz klar eine Lebensversicherung, bei der nicht am falschen Ende gespart werden sollte.“

Der Mast ist eine Lebensversicherung, bei der nicht am falschen Ende gespart werden sollte” (Dirk Hilcken, Pantaenius)

Für Autos, insbesondere für Neuwagen und Leasing-Fahrzeuge, gibt es Inspektions- und Wartungspläne, die vorgeben, wann verschleißanfällige Komponenten ausgewechselt werden müssen. Zusätzlich guckt der TÜV alle paar Jahre drunter. Bei Booten gibt es all das nicht, sondern es liegt alles in der Eigenverantwortung des Eigners. Für Hilcken gehört neben dem Check von Seeventilen oder der Sicherheitsausrüstung auch die sachgemäße Winterlagerung des Schiffs zum Prozedere für jede Yacht, die im Frühling in die Saison startet. In der Kaskoversicherung gibt es laut Branchenprimus Pantaenius jedoch keine Unterschiede, ob ein Boot mit gelegtem oder stehendem Mast im Freilager steht.

Nur bei grober Fahrlässigkeit in Bezug auf den Lagerplatz und die Sicherung des Schiffs könnte es passieren, dass die Versicherung nicht greift, wenn es zu Schäden im Winterlager kommt. Dem Eigner müsste allerdings bewiesen werden, „dass wissentlich in einen Schaden gegangen wurde“, wie es im Fachjargon heißt. In so einem Fall hätte das Gericht das letzte Wort, jedoch gilt die Erbringung eines Vollbeweises einer groben Fahrlässigkeit in diesem Zusammenhang als höchst unwahrscheinlich.

Wer zahlt, wenn die Yacht im Sturm umkippt?

Wer bei Sturm einen Domino-Effekt auslöst, muss nicht automatisch die Schäden der anderen zahlen. Ab gewissen Windstärken wird von höherer Gewalt ausgegangen und nicht vom Verschulden des Nachbarn durch unsachgemäße Lagerung. Im Englischen wird das vielsagend „Act of God“, also ein Akt Gottes genannt, vor dem sich niemand schützen kann.

Dazu Dirk Hilcken: „Im Bootsbereich haben wir die Verschuldenshaftung, nicht wie im Kfz-Bereich die Gefährdenshaftung. Würden Autos im Sturm aufeinanderkippen, dann müssten laut Gesetz die Haftpflichtversicherer zahlen. Bei Schiffen dagegen muss bewiesen sein, dass der Eigner etwas Fahrlässiges getan oder unterlassen hat, damit jemand anderes einen Anspruch stellen kann. Bei Sturmschäden greift daher in der Regel die eigene Kaskoversicherung, was viele Eigner nur schwer nachvollziehen können, da es nicht in das eigene Rechtsempfinden passt. Autos gelten laut Gesetz als besonders gefährliche Einbringung in den Verkehr, weshalb der Eigentümer haftet – bei Booten gilt das aber nicht.“

Den Versicherungen kann es am Ende egal sein, ob mehr und mehr Eigner ihre Riggs stehen lassen und dadurch mehr Schäden entstehen. Kommt es tatsächlich zu höheren Schadensquoten, wird die Prämien­erhöhung naturgemäß von der Versicherungsgemeinschaft getragen. Bisher kann Pantaenius jedoch nicht bestätigen, dass es einen merklichen Anstieg des Schadenaufkommens aufgrund gestellter Winterlagermasten in Deutschland gibt. Und auch zur Situation in unserem westlichen Nachbarland Holland, wo es traditionell immer sehr viele Boote gibt, deren Eigner aufs Abriggen verzichten, kann der Versicherer keine Angaben machen, da es an verlässlichen Daten mangelt.

Gestellte Masten sind in den Niederlanden üblich

Aber was sagen die Niederländer selbst dazu? Ein großer Hafenbetreiber mit mehreren Standorten wollte sich auf Anfrage der YACHT nicht dazu äußern. Mit den deutschen Experten wolle man sich lieber nicht streiten, so die lapidare Auskunft am Telefon. Ist es die Sorge vor der berüchtigten deutschen Besserwisserei? Rieks Buiten­huis vom Sailcentre Makkum gibt sich dagegen auskunftsfreudiger, selbst wenn eine gewisse Vorsicht auch hier erkennbar ist. „Wir kontrollieren vor einem Sturm, während des Sturms und nach dem Sturm die Schiffe. Man sieht schon, dass die Yachten mit stehendem Mast unruhiger sind als die abgeriggten Boote. Ich empfehle meinen Kunden daher immer, den Mast zu legen, aber viele wollen das einfach nicht. Wir richten uns nach dem Kundenwunsch, es sei denn, die Rümpfe sind schon morsch, sodass sich die Böcke da durchdrücken würden.“

Alte Riggs sind bei Starkwind generell ein Risiko – ganz egal, ob an Land oder auf See” (Rieks Buitenhuis, Sailcentre Makkum)

Laut Buitenhuis gibt es einige Häfen, in denen die Masten runtergenommen werden, aber nur, wenn der Eigner alles dafür vorbereitet hat. Im Frühjahr wird der Mast wieder gestellt, aber nicht von Fachleuten getrimmt und gesichert. „Da geht manchmal auch altes, verschlissenes Material wieder rauf. Alte Riggs sind bei Starkwind generell ein Risiko – ob an Land oder auf See!“

Die Deutschen müssen erst überzeugt werden, dass es auch mit stehendem Mast geht

Völlig entspannt gibt sich dagegen Hafenmeister Claus Boisen von der Marina Minde in Süddänemark, wohin es zahlreiche deutsche Dauerlieger verschlagen hat. „Von 100 Booten in unserem Freilager in Toft steht die Hälfte mit Mast. Die Tendenz ist weiter steigend, aber es war hier schon immer so üblich, genau wie in vielen anderen Ländern. Die Deutschen müssen erst langsam davon überzeugt werden, dass es auch so funktionieren kann. Aufgrund von stehenden Masten hatten wir bisher keine belegbaren Schäden. 2013 hatten wir mit ‚Allan‘ einen Orkan in Dänemark, der mit 195 Stundenkilometern über uns hinwegfegte. Das war so extrem, dass es egal war, ob die Riggs standen oder nicht – da fiel alles um.“

2013 hatten wir einen Orkan, der mit 195 km/h über uns hinwegfegte. Es war egal, ob die Riggs standen oder nicht – da fiel alles um” (Claus Boisen, Marina Minde)

Bezüglich der Mastinspektion rät Boisen seinen Kunden, jedes zweite Jahr den Mast zu legen, um diesen gründlich prüfen zu können. „Wir haben aber auch einen Steiger, mit dem wir im Frühling hochfahren können, um Terminals, Kabel­anschlüsse oder Salinge zu inspizieren. Das geht viel besser, als von einem wackligen Bootsmannsstuhl aus arbeiten zu müssen.“

Darauf sollte man beim Winterlager mit stehendem Mast achten

Worauf es zu achten gilt, wenn man mit stehendem Mast einwintert, da sind sich alle Hafenbetreiber einig. Vibrationen im Rigg durch schlagende Fallen sind so gut es geht zu vermeiden, weshalb die Leinen sehr gut abgebunden werden sollten. Nicht nur, dass die Vibrationen in den Rumpf laufen und zu Verschleiß führen, der Krach zwischen den Lagerhallen wäre auch kaum auszuhalten. Ideal wäre es sogar, die Fallen durch eingezogene Pilotleinen zu tauschen, damit diese über den Winter nicht verspaken. Auf gar keinen Fall sollte jedoch das Großfall oder ein anderes genutzt werden, um den Mast am Boden in Luv zu verankern, wenn sich ein Sturm ankündigt. Rigg und Rumpf würden dann gegeneinander arbeiten.

Um besonders die tiefen Boote mit einer größeren Windangriffsfläche vor Starkwinden zu schützen, können aber Leinen von den Klampen zu im Boden eingelassenen Halteringen oder Betonblöcken geführt werden. Ein weiterer Kniff, der sich auch in der Riggfibel des Mastenherstellers Seldén findet, ist, dass die Wanten leicht gelöst werden. Dadurch werden die Spanner etwas bewegt und rotten nicht so schnell fest. Wichtig ist zudem das sorgfältige Einplanen, was mit stehendem Mast etwas komplizierter ist.

Maßgeschneiderte Persenning oder gar keine Plane

Auf billige Baumarktplane sollte dabei verzichtet werden, denn die hält den Belastungen fast nie stand und trägt flatternderweise zu möglichen Schäden bei. Am besten ist die maßgeschneiderte Winterpersenning vom Segelmacher, auf der sich keine Wassersäcke bilden. Und: Sie sollte nicht über die Reling gespannt werden. Sonst laufen die Relingsstützen Gefahr, nach innen gedrückt zu werden, wofür sie konstruktionsbedingt nicht ausgelegt sind.

Auch die Keile, auf denen das Schiff aufgestützt ist, sollten beim Abspannen der Plane nicht mit einbezogen werden, denn fängt das Tuch doch einmal an zu flattern, könnte es zur fatalen Kettenreaktion kommen: Die Keile werden von der Abspannleine rausgeschlagen, das Boot verliert seinen Halt und kippt aus dem Winterlagerbock – womöglich auf ein anderes, das wiederum auf ein weiteres kippt. Der berühmte Schmetterlingseffekt, ausgelöst durch eine kleine Unachtsamkeit.

Ist man zu spät dran mit der Beauftragung der Persenning, sollte im Zweifelsfall lieber einmal ganz darauf verzichtet werden. Dann muss im Frühjahr zwar ordentlich mit Bootsshampoo geschrubbt werden, was gegebenenfalls aber das weitaus kleinere Übel ist.

Viele Experten raten dringend davon ab, mit stehendem Mast ins Winterlager zu gehen

Sie liefern dafür starke Argumente. Bei der Masse an Schiffen, die im Ausland aufge­riggt überwintern und wo es auch keinen Beweis dafür gibt, dass dies zu einer deutlich erhöhten Schadensquote führt, stellt sich schon die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aller Bedenken. Fakt ist jedenfalls laut Dirk Hilcken, dass die durchschnittlichen Schäden im Winter höher sind als in den Sommermonaten, auch wenn die Schadensfrequenz geringer ist. Lagerhallenbrände und Einbrüche zählen neben Sturmschäden zu den Hauptursachen.

Die Entscheidung, wie das eigene Boot eingewintert werden soll, liegt natürlich bei jedem selbst. Wer darüber nachdenkt, sollte eine Alternative ins Kalkül ziehen: Am günstigsten ist das Überwintern im Wasser, was dank spezieller Gefrierschutz-Systeme auch in unseren Gefilden möglich ist. Das Schadenspotenzial ist dort geringer, was bestehen bleibt, ist jedoch der aufwändi­gere Mastcheck.


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