Für die einen ist die Wintersaison eine erzwungene Pause, eine nicht enden wollende trostlose Abstinenz vom Segeln. Für die anderen ist es die Zeit des Tüftelns, Bastelns, der Verwirklichung im Sommer gesponnener Träume. Und mancher bezeichnet den Winter schlicht als Vereinszeit. Denn nirgends sind die Beziehungen zu Mitgliedern des eigenen Clubs oder zu Nachbarn enger als im Winterlager, vor allem in der Halle. Dort sind sie fast jedes Wochenende anzutreffen, während im Sommer die Begegnungen durch unterschiedliche Törnziele und Liegezeiten eher zufällig erfolgen und von ungewisser Dauer sind.
So ist die Wahl der Art des Winterlagers oft nicht nur von praktischen Gesichtspunkten geprägt, auch die sozialen Aspekte können eine Rolle spielen.
Für langjährige Eigner, die ihre Yacht vielleicht sogar mit Hallenplatz übernommen haben, wird sich die Frage nach dem bevorzugten Winterlager kaum stellen, zumindest so lange die Hallengebühr gezahlt werden kann und keine größeren Umbauten anstehen. Und so lange es keinen Bedarf für eine Horizonterweiterung im Wortsinne gibt. Denn das Winterlager ist auch ein limitierender Faktor, was die Größe des Reviers betrifft. Viele Anbieter haben feste Kran- und Slipzeiten. Dann ist es egal, ob man im Ruhestand ist und alle Zeit der Welt hat. Das Boot muss raus, der Zeitpunkt der Heimkehr ist quasi vertraglich festgelegt. Im kommenden Frühjahr beginnt der Törn wieder an derselben Stelle wie zuvor.
Wer also neue Reviere mit der eigenen Yacht erkunden will, sollte die Vor- und Nachteile der Überwinterungsmöglichkeiten erneut abwägen. Denn bleibt das Boot den Winter über dort liegen, wo der Sommertörn endete, kann dieser im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Ein Platz im Freilager ist auch im Ausland fast immer zu bekommen, und handelt es sich um eine Kunststoffyacht, die nicht viel mehr als einen Ölwechsel und neues Antifouling braucht, können ein oder zwei Jahre an einem anderen Platz ganz neue Perspektiven eröffnen.
Sind dazu noch umfangreichere Umbauten oder Erneuerungen geplant, etwa ein Teakdeck, kann sich ein langer Törn gen Osten lohnen, um diese Arbeiten in Polen oder dem Baltikum ausführen zu lassen und die Werftzeit mit dem Winterlager zu kombinieren.
Wer erstmals vor der Entscheidung steht, welches Winterlager gesucht werden soll, sei es als Neueigner oder beim Wechsel der Yacht, oder wer das Budget für das Hobby kürzen muss, steht vor einer schwierigen Entscheidung. In der Halle, beim professionellen Anbieter oder beim Bauern überwintern? Das Boot im Freilager, im Wasser oder auf dem eigenen Grundstück über die dunklen Monate bringen? Dabei spielen nicht nur die Kosten eine Rolle, sondern auch praktische Erwägungen.
Deshalb ist zunächst einmal wichtig, den tatsächlichen Bedarf, völlig unabhängig vom Budget, zu ermitteln. Was soll, was muss am Boot gearbeitet werden? Sind es größere Maßnahmen, die auch durch Fremdfirmen erledigt werden oder bestimmte Temperaturen erfordern?
Nur durch eine genaue Bedarfsanalyse können die Kosten genau kalkuliert werden. Dafür sollte man die verschiedenen Angebote gründlich vergleichen: Gibt es versteckte Nebenkosten oder Restriktionen wie Müllgebühren, Kosten für die Rumpfwäsche, den Lagerbock oder das Mastlager? Dürfen überhaupt Fremdfirmen angeheuert werden oder nur solche, mit denen der Betreiber Verträge hat? Was ist, wenn die Lagerzeit wegen verzögerter Arbeiten überschritten wird? Wie sieht die Versicherungslage aus?
Zur Bedarfsanalyse gehört auch die richtige Kalkulation der Fahrzeiten und -kosten. Das vermeintlich günstigere Scheunenlager beim Bauern kann auf die Dauer teurer werden als die Halle direkt am Hafen und in Wohnungsnähe, wenn dafür längere Fahrten nötig sind. Auch die im Winter verkürzte Tageslichtzeit ist ein wichtiges Argument. Unter Bootsplanen und unter Rümpfen, auch in der Halle, ist es meist schummrig. Fehlt ausreichende Beleuchtung, verkürzen sich mit den längeren Anfahrten die Arbeitszeiten bei Tageslicht.
Auch der richtige Zeitpunkt spielt eine Rolle. Bei Erscheinen dieses Heftes ist die Saison nur noch wenige Wochen kurz. Wenn es am Ende keine Panikentscheidung sein soll, muss sie jetzt erfolgen – in aller Ruhe.
Ein Platz unterm Dach steht auf der Wunschliste vieler Eigner. Er bietet die meisten Vorteile
Ein Platz in einer modernen Halle ist das beste Winterlager für eine Kunststoffyacht. Sie wird nicht mehr den Witterungseinflüssen ausgesetzt wie Temperaturschwankungen, Wind oder UV-Strahlen. So altert sie deutlich langsamer als ein Boot unter freiem Himmel, außerdem werden viele Arbeiten deutlich vereinfacht. Es reicht meist eine dünne Folie oder Plane als Staubschutz, oft kann sie sogar entfallen, da viele Hallenordnungen Schleifarbeiten nur mit Absaugung gestatten. Die Edelvariante dieser Unterbringung sind beheizte Hallen. Anstriche aller Art oder Klebearbeiten können unabhängig von der Temperatur den ganzen Winter über erfolgen. Doch Achtung beim Vertragsstudium. Frostsicher bedeutet zwar meist beheizt, jedoch nicht warm. Es wird nur sichergestellt, dass die Temperatur in der Halle nicht unter den Gefrierpunkt sinkt. Dann muss etwa die Motorkühlung nicht frostsicher eingewintert werden. Zweistellige Werte jedoch, wie sie für das Abbinden vieler Farben und Lacke oder für das sichere Vernetzen von Epoxid nötig sind, dürfen nicht zwingend erwartet werden.
Der Preis ist das größte Minus beim beheizten Hallenlager. Da kommen für eine Zehn-Meter-Yacht schnell mehrere Tausend Euro zusammen. Unbeheizt wird es etwa 25 Prozent billiger, das Freilager kostet nur rund die Hälfte. Doch es gibt auch andere Nachteile. Einige Hallenbetreiber sind hinsichtlich der Arbeitszeiten sehr restriktiv, verbieten gar Eigenleistungen. Außerdem werden die Boote oft extrem dicht gestellt, was manchen Arbeitsgang wie das Polieren auf Deckshöhe unmöglich machen kann. Zudem sind unbeheizte Hallen im Frühjahr wahre Kühlschränke. Die Eisenkiele kühlen nachts stark ab und verhindern am Tag die Erwärmung. Auf ihnen kondensiert auch die Luftfeuchtigkeit, sodass Anstriche meist lange warten müssen. Auch sind sehr dichte und trockene Hallen für Holzboote, außer zum Lackieren, nicht zu empfehlen. Das Holz will „atmen“, benötigt Luftfeuchtigkeit.
Stellplätze im Freilager sind gut zu bekommen und günstig. Dafür ist die Yacht ungeschützt
Ein Platz im Freilager ist wesentlich leichter zu bekommen als einer in der Halle. Zudem kostet er nur rund die Hälfte einer vergleichbaren Fläche unterm Dach. Doch damit müssen viele Nachteile in Kauf genommen werden.
Bei Kunststoffyachten ist ein Schutz vor der Witterung zwar nicht zwingend nötig, für den Werterhalt und gegen Verdrecken aber zu empfehlen. Das Beste ist ein eigenes Zelt mit fester PVC-Plane, da es den Winddruck vom Rumpf nimmt. Das kostet aber schnell einen vierstelligen Betrag. Eine Plane direkt über dem Boot reicht auch, sie bietet jedoch eine enorme Windangriffsfläche, was den Druck auf die Pratzen erhöht. Diese sollten also möglichst großflächig ausfallen, um sich nicht in den Rumpf zu drücken. Gegenüber dem Hallenlager erfordert das Freilager mehr Kontrolle, zum einen, ob die Beplanung nach Stürmen noch sitzt, zum anderen wegen der hohen Einbruchsgefahr. Freilager sind für Diebe eben besser zugänglich als abschließbare Hallen. Zudem sollte für eine ausreichende Belüftung nicht das gesamte Schiff verrammelt werden, was wiederum Einbrüche erleichtert. Und nicht zuletzt: Arbeitsgemeinschaften wie in der Halle bilden sich im Freilager nicht so leicht.
Die Windlast ist einer der Hauptgründe, die gegen ein Überwintern mit stehendem Mast sprechen. Das ständige Arbeiten gegen die Leepratzen kann zu Delaminationen an den Auflageflächen oder zu Bruch führen. Außerdem lässt sich ein stehendes Rigg nicht so gründlich auf Schäden kontrollieren. Kommt es deshalb zu Bruch, relativiert sich die gesparte Gebühr für den Mastkran und die Zeitersparnis schnell. Außerdem ist eine passende Plane bei stehendem Rigg aufwändiger herzustellen und teurer. Und nicht zuletzt verkürzt sich die Lebensdauer der Drähte. Sie dehnen sich unter Last auch im Winter, müssen im Frühjahr nachgespannt werden, also doppelt so oft wie sonst, was die empfohlenen 15 Jahre nahezu halbiert.
Neben dem Preis ist der schnelle Zugriff einer der Hauptvorteile des Bootslagers zu Hause
Das Bootslager auf dem eigenen Grundstück, ob unter freiem Himmel, im Zelt oder in einem Extra-Anbau, ist nicht nur die billigste, weil kostenlose Variante. Wer seine Yacht vor der Haustür stehen hat, kann auch wesentlich effektiver daran arbeiten, als wenn erst jedes Mal lange Fahrten zum Winterlager notwendig sind. So kann nicht nur an den Wochenenden, sondern auch nach Feierabend lackiert, geschliffen und poliert werden. Benötigte Werkzeuge sind immer griffbereit, und die Regeln, nach denen gearbeitet wird, sind selbstbestimmt. Es müssen nicht die Bedürfnisse der anderen Eigner, wie etwa im Hallenlager, berücksichtigt werden. Ist das Boot von der Außenwelt durch Planen oder ein Zelt abgeschirmt, kann es stauben und drecken, und niemanden stört es, außer vielleicht die Nachbarn. Mit ihnen kann es aber wegen Lärm, Geruchsbelästigung oder einfach durch die veränderte Optik manchmal auch Neid, zu Ärger kommen.
Wenn sich ein Nachbar gestört fühlt, hat man meist schlechte Karten. Ein weiterer Nachteil ist das einsame Arbeiten. Kein schneller Rat eines Vereinskollegen, kein Bierchen mit Schnack in der Hallenecke, keine helfende Hand bei schweren Lasten.
“Das Bootslager im eigenen Garten stellt ein Risiko dar, wenn es sich um ein Wohngebiet handelt. Weder Baubehörde noch Nachbarn müssen das dulden. Nach dem Baurecht handelt es sich um eine genehmigungsbedürftige, bauliche Nebenanlage. Gegen das unzulässige Einrichten eines Boots-Winterlagers können daher die sich gestört fühlenden Nachbarn vorgehen. Aber auch die zuständige Baubehörde kann handeln. Deshalb vor dem Abstellen des Schiffes das Einverständnis der Nachbarn einholen. Ob die Behörde dann noch gegen den Eigner vorgeht, ist fraglich.”
Bis spät in den Herbst oder schon früh im Jahr kann segeln, wer sein Boot im Wasser lässt. Das Mastlegen und -stellen entfällt.
Die Liste der Nachteile ist lang. Wenn es keine Trocknungsphase an Land gibt, steigt die Osmosegefahr rapide. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb auch im Mittelmeer die Yachten zunehmend an Land überwintern. Dazu Stürme, im Norden Eis- und Frostgefahr. Auch ein angeblich günstiger Preis relativiert sich oft. Viele Liegeplatzanbieter nehmen ähnliche Gebühren wie im Sommer. Dort, wo es günstiger scheint, nicht selten die Hälfte vom Saisonpreis, können Serviceaufschläge hinzukommen, etwa für die Leinenkontrolle. Auch das Kranen fällt an, für den Antifoulinganstrich.