Segeln ist viel mehr für mich als der reine Sport – es ist Philosophie und Lebensaufgabe. Auf meinem Weg durch die Welt des Segelsports habe ich viel erlebt, aber noch mehr gelernt: durch den Umgang mit meinen Mitseglern einerseits und viel Technik sowie Tricks andererseits.
Diese Erfahrungen, meine Tipps und Tricks mögen auf diesem Weg auch allen anderen Segelenthusiasten zugutekommen und ihnen dabei helfen, ihre Möglichkeiten in unserem komplexen Sport noch weiter auszuschöpfen.
Auch wenn ich kein idealtypischer Fahrtensegler bin, so segle ich doch immer nach dem einfachen Ansatz: Was beim Regattasegeln funktioniert und die eigene Leistung sowie die von Boot und Ausrüstung optimiert, das funktioniert auch beim Fahrtensegeln. Was andersherum eher schwierig wäre. Viele meiner Freunde, die früher intensiv Regatten gesegelt und jetzt mit Familie oder Partner zum Fahrtensegeln konvertiert sind, werden mir da beipflichten.
Außerdem finde ich, dass das Segeln auf einer im Rahmen der individuellen Möglichkeiten gut optimierten Fahrtenyacht mehr Spaß macht als auf einer Baustelle, wo man nicht weiß, was einem als Nächstes um die Ohren fliegen könnte.
Schiffe bieten ein weites Feld für Optimierungsansätze. Manchmal ist man schon zufrieden, wenn der Mast überhaupt steht und die Segel angeschlagen sind. Mir persönlich reicht das allerdings nicht.
Ich sehe es so: Je mehr man sich mit der Technik des eigenen Bootes auseinandersetzt und potenzielle Probleme gelöst hat, desto intensiver kann man sich darauf konzentrieren, effektiver und besser mit dem Material zu agieren und maximale Freude daran zu haben.
Man kann besser bei allen Bedingungen steuern, besser die Segel trimmen und ein Auge dafür entwickeln, was richtig und was nicht ganz korrekt ist. In dieser Serie möchten wir ein Angebot machen, sich intensiver mit dem eigenen Schiff zu beschäftigen und am Ende mehr persönlichen Segelspaß daraus zu generieren.
Wer sein Boot unter allen Bedingungen beherrscht, der wird auf See auch mehr Sicherheit für sich und sein Team empfinden und problemloser von Hafen zu Hafen segeln können. Eine gute Vorbereitung und das Wissen über das eigene Material, den Mast, die Segel und das Verhalten des Schiffes geben ein gutes Gefühl. Das ist für mich ein essenzieller Aspekt beim Segeln.
Betrachten wir einmal die wichtigsten Komponenten, die ein besseres und sicheres Segeln ermöglichen: Im Fokus stehen als Erstes der Mast und sein stehendes Gut. Bevor der Mast ins Boot geht, sind natürlich alle Aufhängungen, alle Walzterminals und auch die Wantenspanner auf Verschleiß zu kontrollieren. Rostige Walzterminals an den Wanten zeigen oftmals das Ende der Lebensdauer an und könnten einem die komplette Saison vermiesen. Einen gebrochenen Mast zu ersetzen kann sehr lange dauern. Und das nur, weil man in der Detailarbeit nicht genügend Sorgfalt hat walten lassen.
Ist man in diesem Bereich unerfahren oder unsicher, sollte man einen erfahrenen Rigger draufschauen lassen. Diese Investition kann die Nerven schonen und Ärger ersparen. In England sagt man: Rust never sleeps – der Rost schläft nie.
Die Wantenspanner werden komplett auseinandergeschraubt und gut gefettet. Dabei wird kontrolliert, ob das Gewinde frisst. Ein fressendes Gewinde wird beim Spannunggeben nicht mehr besser. Kupferpaste tut ihm ziemlich gut. Es funktionieren aber auch andere Mittel wie hochwertige, für Gewinde geeignete Fette. Beim Zusammenbau der Spanner empfiehlt es sich, darauf zu achten, dass beide Gewinde gleichzeitig fassen.
Bei der Mastkontrolle zu Saisonbeginn sollte man auch die Antennen und die Kabel im Mast überprüfen. Die meisten Yachten haben mittlerweile AIS, und das ist auch gut so. Ein schwaches Signal ist oftmals auf Beschädigungen an Kabel oder Antenne zurückzuführen.
Die Installation des Windgebers ist für mich auch ein wichtiger Punkt, um die Elektronik sinnvoll zu nutzen. Natürlich muss man nicht so weit gehen, wie ich es normalerweise tue. Aber man könnte.
Ich richte den Mast auf seinen Lagerböcken gerade auf der Achterkante aus, peile mit einem Laser den Mast entlang und richte den Windgeber auf Basis dieser Linie aus. Ein Baumarkt-Laser reicht dafür aus. Am besten geeignet sind solche mit grünen Linien – die sind besser zu sehen.
Einmal ausgerichtet, ist es sinnvoll, die Einbauposition zu markieren, damit der Geber dann künftig nach dem Mastsetzen in luftiger Höhe einfach installiert werden kann, ohne dass die aufwändig erarbeitete Position verstellt wird.
Warum ist dieser Aufwand so wichtig? Ganz einfach: Es gibt später weniger Probleme beim Kalibrieren der Anlage, weil dabei kein Einbaufehler ausgeglichen wird.
Dass der Geber fest mit dem Mast verbunden sein muss, versteht sich von selbst. Ich bin auch schon mit Yachten gesegelt, auf denen der Geber oben im Masttopp bei jeder Wende herumwackelte. Da kann man die Anlage auch gleich ausschalten. Wie bei jedem Computerprogramm gilt auch hier: Müll rein – Müll raus. Nur wenn ein Programm mit sauberen Daten gespeist wird, kann es solche auch produzieren.
Das Rigg soll gerade im Boot stehen. Das ist für das Segelverhalten und den Segeltrimm fundamental wichtig”
Wer sich für die Arbeit mit dem Laser entscheidet, kann direkt die Position der Salinge kontrollieren, besonders bei Riggs mit gepfeilten Salingen ist deren Symmetrie für den Trimm mitentscheidend.
Sollte kein Laser zur Hand sein, hilft ein gutes Augenmaß weiter. In jedem Fall aber lohnt es sich, die Position des Windgebers zu überprüfen.
Viele Anlagen auf Yachten bieten zudem sehr einfache Kalibrierungsprozesse, mit deren Hilfe man die Einbaufehler eliminieren kann. Hier gilt aber die Grundregel: Je hochwertiger die Anlage, umso sorgfältiger sollte man die Installation der jeweiligen Komponenten kontrollieren.
Ein Speedometer beispielsweise, das nicht genau mittig eingebaut ist, wird auf dem einen Bug zwangsläufig anders anzeigen als auf dem anderen. Das liegt dann nicht am Können des Steuermanns oder der Steuerfrau, sondern leider eben am Material oder besser: dessen Einbau.
Je sorgfältiger ich meine Komponenten und ihre Funktionalität überprüfe, umso mehr kann ich mich also auf das Verbessern der eigenen Fähigkeiten und die Freude am Segeln konzentrieren.
Beim Maststellen haben Eigner und Eignerinnen oft nicht die Zeit und die Muße, das Rigg sauber einzustellen. Im Club ist es vielleicht eine konzertierte Aktion, und die Zeit am Mastenkran ist für jedes Boot limitiert. Auch auf einer Werft ist das Team froh, wenn der Mast steht und das Boot den Platz fürs nächste freimachen kann.
Die Feineinstellung erfolgt beim Riggtrimm auf dem Liegeplatz. Das kann und sollte man nun in Ruhe machen, denn auch hierbei ist es sinnvoll, sich Zeit zu nehmen, um die einzelnen Schritte abzuarbeiten.
Der erste: Das Rigg soll gerade im Boot stehen. Das ist für das Segelverhalten und den Segeltrimm fundamental wichtig. Wenn der Mast weiter zu einer Seite steht, müsste der Vorsegeltrimm ja auf dem einen Bug anders ausfallen als auf dem anderen.
Für professionelle Teams ist es eine Grundvoraussetzung sicherzustellen, dass das Rigg lotrecht im Schiff steht. Ich habe das im America’s Cup miterlebt. Da ging es um Millimeter. Das Konzept basierte darauf, Kiel, Ruder und Mast in eine Flucht zu bekommen. Ein Laser war dabei wenig hilfreich, denn bei einem an Land stehenden Cup-Boot befand sich der Masttopp in 40 Meter Höhe.
Wir richteten das Boot auf seinem Lagerbock mit Hilfe einer Schlauchwaage aus, um es zu nivellieren. Dann nahmen wir einen Theodoliten zu Hilfe, um vom Kiel aus einen entfernten Punkt vor dem Schiff zu bestimmen. An diesen Punkt wurde der Theodolit verbracht und ausgerichtet. Nun konnten wir von hier aus genau auf die exakte Mitte des Kiels peilen und hatten damit unsere Bezugspunkte.
Mit Hilfe des Theodoliten konnten wir vertikal entlang des Kiels nach oben bis in den Masttopp schwenken. Der Kiel und die exakte Mitte des Mastes sollten im Idealfall auf ein und derselben Linie liegen. War das nicht der Fall, wurde nachgetrimmt, bis Mast und Kiel im Einklang waren.
Ich gebe zu, dass diese Methode für den Fahrtensegelsport recht aufwändig ist. Ich habe das Prozedere vor allem beschrieben, um zu beleuchten, worauf es ankommt.
Um zu kontrollieren, ob der Mast wirklich gerade im Boot steht – unabhängig vom Rumpf und den Längen der Wanten, denn auch hier können Fehler beim Ablängen und Walzen der Terminals passieren –, gibt es einen Trick, der wirklich gut funktioniert: Ich nehme eine Federwaage zu Hilfe. Es kann auch eine andere Waage sein, solange sie sich unter Spannung gut ablesen lässt.
Ich befestige die Waage für den Riggtrimm am Großfall. Im Idealfall ist dessen Rollenkasten mittig in den Mast gebaut. Nun messe ich die Spannung, das Gewicht meines Großfalls auf einen fixen Punkt an den Püttingsbeschlägen, und zwar an gleicher Stelle auf beiden Seiten. Die meisten Serienyachten sind ja heute sehr genau gebaut, und es gibt keine Unterschiede von Seite zu Seite.
Das Achterstag ist bei diesem Prozess nur leicht angezogen. Wir konzentrieren uns auf die seitliche Biegung des Mastes. Ist die Spannung unterschiedlich, steht der Mast nicht mittig. Messe ich zum Beispiel zehn Kilogramm auf Steuerbord und fünf Kilogramm auf der Backbordseite, neigt sich mein Mast nach Backbord. Jetzt gilt es, einen Ausgleich zu schaffen durch das Verstellen der Wantenspanner.
Auf unserem Boot drehe ich den Spanner auf der Steuerbordseite um einige Umdrehungen fester und löse die gleichen Umdrehungen auf der Backbordseite. Zwischendurch messe ich immer mal wieder mit der Federwaage nach, um zu kontrollieren, ob die Spannung schon auf beiden Seiten gleich ist.
Sollte bereits zu viel Spannung auf den Oberwanten sein und das Rigg hat – wie auf den meisten modernen Schiffen – gepfeilte Salinge, ziehe ich das Achterstag etwas an – die Spannung auf den Oberwanten geht dadurch leicht runter, und die Spanner lassen sich geschmeidiger andrehen. So wird auch vermieden, dass die Gewinde fressen.
Ist die Spannung ausgeglichen, folgt der Kontrollblick nach oben. Wahrscheinlich ist nun festzustellen, dass der Mast eine S-Kurve hat und mit den übrigen Wanten gerade getrimmt werden muss – zwar steht mein Masttopp jetzt mittig, aber die Zwischenwanten passen noch nicht zur Kurve.
Im Performance-Bereich sind wir auch im Deutschen dazu übergegangen, die Wanten simpler und wie in der gängigen englischen Bordsprache zu bezeichnen. Die Wanten, die seitlich an den Mast gehen, sind die Diagonals, also die D’s. Die Vertikalen sind die V’s. Von unten geht es bei der Nummer 1 los. Die Bezeichnung geht immer vom Deck zur ersten Saling, dann zur zweiten und, falls vorhanden, zur dritten.
Das klassische Unterwant wird zu D1, das Mittelwant von der ersten Saling unter die zweite Saling am Mast zu D2 und so weiter. Das Oberwant ist das V1 und wird von der zweiten Saling zum V1/D3 – auf modernen Regattayachten sind die Wanten unterteilt an den Salingenden in Beschlägen verschraubt und nicht durchgehend wie auf vielen Fahrtenyachten.
Nun geht es daran, den Mast geradezuziehen und dabei einen eventuellen S-Schlag zu beseitigen. Dafür peile ich entlang der Nut auf der Rückseite und fokussiere auf die Ansatzpunkte, die Beschläge der jeweiligen Unter- und Zwischenwanten oder die D’s.
Ich drehe auf der einen Seite los und die gleichen Umdrehungen auf der anderen Seite an. Das sollte Schritt für Schritt erfolgen. Zwischendurch kontrolliere ich immer wieder die seitliche Kurve des Mastes. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, bei dem mein Mast seitlich gerade ist, wenn ich entlang der Nut nach oben peile.
Steht dann der Mast mit handwarm angesetzten Wantenspannern wirklich lotrecht im Boot, wird aber nicht sofort Spannung auf das Rigg gebracht.
Zuvor sollte noch der Mastfall kontrolliert werden. Zwar kann es auf Yachten mit Rollanlagen sehr aufwändig werden, den Mastfall zu verändern, doch überprüfen sollte man ihn trotzdem.
Der Mastfall hat großen Einfluss auf die Balance des Bootes und wirkt sich auf den Ruderdruck sowie auf die Position der Holepunkte der Vorsegel aus. Ein gängiger Mastfall einer Fahrtenyacht kann bei ein bis eineinhalb Grad liegen – das aber nur als Annäherungswert.
Bei jedem Schiff wird der für die verschiedenen Windbereiche ideale Mastfall sehr unterschiedlich ausfallen, doch für One-Design-Klassen wie beispielsweise eine X-35 oder eine Swan 45 gibt es Standardwerte für Riggspannung und Mastfall, die sich über Jahre als optimal herausgestellt haben.
Das Messen selbst ist recht einfach. Man zieht mit dem Großfall ein Maßband in den Mast und misst die Länge vom Topp zu einem Fixpunkt an der Mastnut. Dann wird das Maßband gegen eine dünne Leine getauscht, an der man ein möglichst schweres Lot befestigt. Nun wird die Distanz vom Fixpunkt an der Mastnut im rechten Winkel zum Lot gemessen. Aus trigonometrischer Berechnung ergibt sich der Mastfall.
Die Messungen nimmt man am besten bei Flaute und ohne Bewegung an Deck vor, sodass das Lot ruhig bleiben kann. Ist es unruhig, kann es helfen, das Lot in eine gefüllte Pütz zu hängen.
Ist festzustellen, dass der Mast zu aufrecht steht oder sogar nach vorn geneigt ist, muss er mehr Mastfall bekommen. Deshalb erfolgt dieser Schritt, bevor das Rigg auf Spannung gebracht wird. Wenn das Boot nach achtern gepfeilte Salinge hat, würde sich die Riggspannung beim Verlängern des Vorstages wieder verringern.
Steht der Mast gerade, geht es daran, das Rigg auf die nötige Spannung zu bringen, das ist wichtig für Trimm und Sicherheit. Man beginnt mit den Oberwanten.
1x19-Draht ist der gängigste Draht auf Fahrtenyachten. Um bei diesem Draht die richtige Spannung zu erzeugen, ist die klassische Zollstock-Methode am besten geeignet. Die Ausgangsvoraussetzung dabei ist, dass ein 1x19-Draht auf einer Länge von zwei Metern bei jedem Millimeter, den er gereckt wird, mit fünf Prozent seiner Bruchlast belastet wird – unabhängig vom Durchmesser. Unsere Wanten wollen wir auf 15 Prozent der Bruchlast anspannen.
Der Zollstock wird mit einer Lücke zur Oberkante des Walzterminals von um die fünf Millimeter an die Wanten getapt – das ist mein Bezugspunkt Null. Den Abstand messe ich mit einer Schieblehre.
Nun drehe ich den Spanner auf der Backbordseite an, bis der Abstand zwischen Null und der Unterkante des Zollstocks 1,5 Millimeter beträgt.
Dann ziehe ich den Steuerbord-Spanner an, bis ich drei Millimeter Abstand zwischen meinen Bezugspunkt Null und die Unterkante des Zollstocks gebracht habe. Somit habe ich meine Oberwanten auf die Spannung von 15 Prozent ihrer Bruchlast gebracht, und das Rigg steht sicher.
Der Riggtrimm ist grundsätzlich erst abgeschlossen, wenn ich mit meinem Boot gesegelt habe. Denn erst mit Druck im Rigg kann ich erkennen, ob alle D’s die richtige Spannung haben und meine seitliche Kurve des Mastes gleichmäßig verläuft und zum Großsegel passt.
Beim Segeln am Wind werde ich zudem feststellen, ob mein Schiff die richtige Balance hat, denn die ist auch abhängig vom Mastfall. Bei einer Radsteuerung können Markierungen mit Tape befestigt werden – und zwar bei drei und bei fünf Grad Ruder- lage. Viele Boote haben Selbststeueranlagen, deren Geber anzeigt, wo das Ruderblatt steht. Hat man das nicht, kann auch über den Quadranten gemessen werden, wo sich die drei und die fünf Grad befinden.
Bei Pinnensteuerung ist das schwieriger, aber ebenso möglich. Ist der Ruderwinkel der Pinne einmal ausgemessen, können Marken an den Pinnenausleger aufgebracht werden, der im rechten Winkel zur Pinne bei drei und fünf Grad zum Beispiel in Deckung mit dem Schanzkleid oder einem anderen Punkt zur Orientierung liegt.
Erst mit Druck im Rigg kann ich feststellen, ob die seitliche Kurve des Mastes gleichmäßig verläuft und zum Großsegel passt”
Wenn ich mit meinem Schiff am Wind segele und bei mittlerem Wind einen Ruderdruck von um die drei Grad habe, ist es in guter Balance. Fünf Grad wären schon viel Ruderdruck, unter drei Grad auch noch in Ordnung.
Auf diese Weise habe ich mindestens eine gute Orientierung, in welchem Bereich ich mich befinde, und darauf kommt es an: zu wissen, dass mein Boot so gut getrimmt ist, dass ich es mit Freude segeln kann.