RiggtrimmAchterstag trimmen – Spannersysteme verstehen und optimieren

Hauke Schmidt

 · 16.08.2023

Achterstag-Trimm: Die unscheinbare Talje hat großen Einfluss auf Segelkomfort und Leistung einer Yacht
Foto: Yacht / M. Amme
Details: Schon kleine Veränderungen an Stag und Spanner verbessern den Segelkomfort und den Trimm des Riggs – eine Übersicht
Je nach Riggtyp steuert das Achterstag Vorstagsspannung und Mastbiegung. Damit wird es zu einem der wichtigsten Trimmutensilien. Welche Systeme es gibt und wie sie sich optimieren lassen

Kaum eine Trimmfunktion kann das Segelverhalten einer Yacht so stark verändern wie die Einstellung des Achterstags. Selbst auf toppgetakelten Booten mit ihren wenig trimmfreundlichen Riggs hat eine Änderung der Achterstagsspannung komplexe Änderungen der Segelprofile zur Folge. Wobei hauptsächlich das Vorsegel betroffen ist.

Erhöht man die Spannug am Heck, so steigt auch der Zug auf das Vorstag. Das wiederum hat zur Folge, dass das Vorliek der Genua weniger stark durchhängt. Die Profiltiefe des Segels nimmt ab, und die Anströmkante wird flacher. Derart getrimmt, erzeugt das Vorsegel nicht nur weniger Krängung, es lässt sich auch höher am Wind segeln, wobei allerdings genauer gesteuert werden muss.

Ganz nebenbei funktioniert die Rollreffanlage umso besser, je weniger das Vorstag durchhängt. Gerade bei starkem Wind sollte das Achterstag also möglichst gut dichtgesetzt sein.

Bewertung

Achterstag: Wie viel Spannung nötig ist

Umgekehrt sorgt geringere Achterstag­s­spannung für ein volleres Vorsegel, das bei leichtem und mittlerem Wind besser durch die Welle zieht mit einfacherem Steuern an der Kreuz, da die Anströmkante runder ist und die Strömung weniger schnell abreißt – eine Einstellung, die auch für das Steuern durch den Autopiloten Vorteile bringt.

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Als Anhaltspunkt für die erforderlichen Trimmkräfte dient die Bruchlast des Drahtes. Die Grundlast des Achterstags sollte etwa 15 Prozent der Bruchlast betragen. Für ein 7-Millimeter-Rigg entspricht das ungefähr 620 Kilogramm. Die maximale Spannung liegt bei etwa 30 Prozent der Bruchlast, in unserem Beispiel für eine 31-Fuß-Yacht also um die 1,2 Tonnen.

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Solche Kräfte lassen sich am einfachsten mit Gewinde- oder Kurbelspannern erreichen. Taljensysteme sollten mindestens 32-fach untersetzt sein. Die Rechnung macht aber auch deutlich, dass auf größeren Schiffen schnell sehr hohe Lasten bewältigt werden müssen, sodass ab 40 Fuß in der Regel Hydrauliksysteme gefragt sind.

Die Biege machen: Mastkurve einstellen

Für das Großsegel ändert sich auf topp­geriggten Yachten kaum etwas. Zusätzliche Spannung auf dem Achterstag erhöht zwar den Stauchdruck auf den Mast; da dieser in der Regel von den vorderen und hinteren Unterwanten fixiert ist, kann sich das Rohr aber kaum biegen, weshalb auch das Großsegelprofil nahezu unverändert bleibt. Erst mit einem verstellbaren Babystag kann die Mastkurve getrimmt werden.

Noch größen Einfluss auf den Trimm hat das Achterstag bei Partialriggs, das heißt: Der Anschlagpunkt des Vorstags liegt unterhalb des Achterstags. Das Spektrum reicht von der 3/4-Takelung des Folkeboots über die in den achtziger und neunziger Jahren beliebte 7/8-Takelung bis zur momentan verbreiteten 9/10-Variante. Bei diesen Riggs sorgt der mehr oder minder große Abstand zwischen Masttopp und Vorstag für ein Biegemoment; zusätzlicher Zug auf dem Achterstag erhöht somit nicht nur die Vorstagsspannung, sondern verändert auch die Mastkurve.

Das hat Folgen für das Großsegel. Am größten sind die Auswirkungen bei 7/8-Riggs mit neutral stehenden, also nicht gewinkelten Salingen. Setzt man das Achterstag an, so wandert der Masttopp nach hinten, und das Achterliek des Großsegels öffnet. Gleichzeitig biegt der mittlere Teil des Mastes nach vorn und zieht das Segel flacher. Das ist optimal, um bei mehr Wind Druck aus dem Boot zu nehmen, ohne gleich reffen zu müssen. Mit einer richtig dimensionierten Talje funktioniert das so gut, dass auch Böen ausgetrimmt werden können.

Bei gepfeilten Salingen erübrigen sich die Backstagen

Da die Vorstagsspannung bei dieser Art Rigg von den Backstagen übernommen wird und das Achterstag nur den Mast biegt, sind die nötigen Trimmkräfte deutlich geringer. Auf einem 35-Fuß-Boot sollten 400 Kilogramm Maximalzug genügen. Dieser lässt sich bereits mit einer Untersetzung im Verhältnis von 12:1 erreichen.

Anders verhält es sich, wenn die Salinge gepfeilt sind. In dieser Konfiguration wird die Vorstagsspannung von den Oberwanten und dem Achterstag übernommen. Zusätzlich wird der Mast auf Salingshöhe durch die achteren Unterwanten gehalten. Dadurch erübrigen sich die Backstagen; der Mast kann aber auch nicht so einfach gebogen werden, und es sind stärker untersetzte Ach­terstagsspanner nötig.

Rückt das Vorstag zusätzlich ein Stück nach oben, entsteht die zurzeit beliebte 9/ 10-Takelung, ein Kompromiss aus Topp- und 7/8-Rigg. Das Achterstag übernimmt einen größeren Teil der Vorstagsspannung, womit der Durchhang auch ohne Back­stagen gut kontrolliert werden kann. Im Gegenzug führt der kürzere Hebel dazu, dass die Mastbiegung nicht so leicht verstellt werden kann wie bei einem 7/8-Rigg. Das Achterstag beeinflusst allerdings das Groß­segelprofil, und gegenüber einer Topptakelung entfällt das dort zum Trimmen nötige Babystag.

Achterstagverstellung mit Taljensystem

Zudem steigt der Bedienkomfort: Mit einem Zug am Achterstag werden Vor- und Großsegel gleichzeitig flacher, und es kann sehr bequem Druck aus dem Boot genommen werden.

Allerdings treten in der 9/10-Konfigu­ration auch deutlich größere Kräfte auf. Auf Yachten um 37 Fuß sollte etwa eine Tonne auf das Stag gegeben werden können. Geht man davon aus, dass per Hand mit zirka 30 Kilogramm an einer Leine gezogen werden kann, ergeben sich Untersetzungen von mindestens 32:1. Da unweigerlich Reibungsverluste auftreten, ist eine 48:1-Variante die komfortablere Wahl.

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Derart starke Taljensysteme lassen sich am besten mit mehreren Klappläufern realisieren, beispielsweise drei Kaskaden und eine Sechsfach-Talje. Der Vorteil dabei: Jede Kaskade verdoppelt die Kraft und halbiert gleichzeitig die nötige Bruchlast der darunter angeschlagenen Blöcke. Das Achterstag einer 37-Fuß-Yacht dürfte auf etwa vier Tonnen Bruchlast ausgelegt sein. Die muss der oberste Block mindestens verkraften. Schon in der nächsten Stufe genügen zwei Tonnen, und die Sechsfach-Talje benötigt nur noch 500 Kilogramm Bruchlast – ein Wert, den praktisch alle gängigen Dreifachblöcke mit 50er- oder 60er-Scheiben erreichen.

Kauschen oder Blöcke für das Achterstag-Spannersystem?

Umso mehr spielt die Lagerung der Umlenker eine Rolle. Wer komfortabel trimmen will, sollte zumindest bei der Sechsfach-Talje kugelgelagerte Varianten verwenden. Für die höher belasteten Kaskaden kommen in der Regel nur Gleitlager oder sehr kostspielige Hochlastblöcke in Frage.

Kauschen sind zwar günstiger, erzeugen aber deutlich mehr Reibung und sollten daher nur als oberste Umlenkung verwendet werden. Das ist auch beim Aufrüsten eines bestehenden Taljensystems zu beachten. Dazu ein Beispiel: Vorhanden ist eine Vierfach-Talje mit einem Klappläufer. Um die Untersetzung zu erhöhen, kann die Talje gegen eine Sechsfach-Version getauscht werden; damit steigt die Gesamtübersetzung von 8 auf 12:1. Vorteil: Das bestehende Stag samt Klappläufer bleibt unverändert. Dafür müssen zwei Dreifachblöcke angeschafft werden, und zwei zusätzliche Umlenkungen erhöhen die Reibung.

Schert man stattdessen eine zusätzliche Kaskade ein, so verdoppelt sich die Gesamt­übersetzung auf 16:1, wobei nur eine zusätzliche Umlenkung die Reibung erhöht. Um das Bruchlastgefüge nicht zu stören, sollte der neue Block direkt über der bestehenden Talje eingefügt werden. Allerdings müssen dazu die Längen des Achterstags und des bisherigen Klappläufers angepasst werden. Wählt man an dieser Stelle eine Kausch, so kann deren Reibung den Gewinn der zusätzlichen Stufe zunichte machen.

Möglichst leichte und schnelle Verstellung ist wichtig für den Achterstag-Trimm

Wer das volle Potenzial seines Bootes nutzen will, muss die Achterstagsspannung an die Wind- und Wetterbedingungen anpassen können.

Für toppgeriggte Yachten genügt dazu in der Regel ein Spindel- oder Kurbelspanner, denn der Vorstagsdurchhang ist außer bei Leichtwind immer hinderlich, und sei es nur, weil die Rollanlage schwergängig wird und sich die Genua bei zunehmendem Wind nicht vernünftig reffen lässt. Schnelle Spannungsänderungen sind nicht zwingend nötig, es geht eher darum, das Rigg nach dem Segeln wieder zu entlasten.

Bei allen anderen Riggtypen beeinflusst das Achterstag auch den Großsegeltrimm; es sollte sich möglichst leicht und schnell verstellen lassen. Ein Tourenskipper wird zwar auf einem Kurs mit wechselnden Einfallswinkeln nicht nach dem Abfallen schlagartig die Spannung aus dem Rigg nehmen, um sie beim nächsten Anluven genauso zügig wieder einzustellen.

Wenn aber das Reffen durch einen ein­fachen Zug am Achterstag hinausgezögert werden kann und das Boot zudem schneller und höher segelt, steigert das nicht nur den Spaß an Pinne oder Rad, sondern erhöht den Segelkomfort für die ganze Crew.


Die verschiedenen Riggtypen richtig trimmen

Topp-Rigg

  • Der Zug auf dem Achterstag beeinflusst den Durchhang des Vorstags und die  maximale Höhe am Wind
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Das Achterstag hält den Mast und wird immer dicht gefahren. Der Zug sollte je nach Wind­bedingungen zwischen 15 und 30 Prozent der Bruchlast liegen. Durch die unterschied­lichen Angriffswinkel zwischen Achter- und Vorstag bekommt Letzteres in der Regel 30 bis 40 Prozent mehr Zug, als der Spanner am Heck liefert.

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Bei Toppriggs bestimmt das Achterstag die Vorstagsspannung und damit das Profil des Vorsegels. Dazu sind relativ hohe Lasten zu bewältigen. Der Trimm muss in der Regel aber nur langsam verändert werden. Ideal für mechanische Spanner; ab 35 Fuß aufwärts kann auch ein Hydraulikzylinder interessant sein, damit kann das Stag sehr bequem verstellt werden. Taljenlösungen sind möglich, müssen aber stark untersetzt sein. Beim Einsatz hochwertiger Blöcke sind sie kaum günstiger als ein einfacher Spanner mit Faltgriffen.


9/10-Rigg

  • Profil und Twist des Großsegels sowie die Vorstagsspannung werden  gleichzeitig verändert
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Durch die gepfeilten Salinge wird der Mast von den Wanten gehalten. Das Achterstag biegt den Mast und erhöht gleich­zeitig die Vorstagsspannung. Die mögliche Mastkurve wird von den Unterwanten begrenzt. Damit keine negative Kurve entsteht, darf das Achterstag beim Segeln nicht komplett gelöst werden.

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Die gepfeilten Salinge erhöhen die Längssteifigkeit des Riggs. Da das Achterstag zudem mit relativ kurzem Hebel über dem Vorstag angreift, ist ein kräftiger Spanner gefordert, um den Mast zu biegen. Schon auf einer 37-Fuß-Yacht kann bis zu einer Tonne Zug nötig sein. Die Biegung verändert Profil und Twist des Großsegels, daher sollte sie sich schnell an Wind- oder Kurs­änderungen anpassen lassen. Je nach Bootsgröße sind Taljensystemen mit Untersetzungen von 24 bis 48:1 oder eine Hydraulik erste Wahl.


7/8-Rigg

  • Nur das Großsegel wird mit dem Heckstag getrimmt. Für die Vorstagsspannung sorgen Backstagen oder Wanten
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7/8-Riggs sind in der Regel sehr flexibel. Das Achterstag biegt den Mast. Die Vorstagsspannung wird mit den Back­stagen oder bei gepfeilten Salingen von den Oberwanten kontrolliert. Der Trimm des zentralen Heckstags hat kaum Einfluss auf den Durchhang des Vorstags.

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Dank des langen Hebels zwischen Masttopp und Vor­stagsbeschlag lässt sich die Mastkurve mit wenig Kraft verändern. Für eine 35-Fuß-Yacht genügt in der Regel eine Talje mit einem Klappläufer und einer Untersetzung von 8 oder 12:1, um das Großsegelprofil bequem an unterschiedliche Windbedingungen anzupassen. Da vergleichsweise viel Weg nötig ist, sind Kurbelspanner ungeeignet. Hydrauliklösungen sind zwar möglich, aufgrund der relativ geringen Lasten aber erst auf sehr großen Booten sinnvoll


Das richtige Achterstag-Spannersystem für jedes Schiff und jeden Anspruch

Hydraulische Integralspanner

Test Najad 395 AC Ellös 2018 Redakteur Jochen Rieker
Fotos YACHT / Nils GünterFoto: YACHT/N. Günter

Hydraulische Integralspanner sind sehr kräftig und lassen sich einfach montieren. Pumpe, Ölvorrat und Zylinder stecken in einem Gehäuse. Das Manometer zeigt den Zug auf dem Stag. Per Ventil kann es schnell entlastet werden. Preise für 6-Milli­meter-Stagen ab 2.200 Euro


Kurbelspanner

Thema: Reffen, Redakteure: Hauke Schmidt, Lasse Johannsen, Kieler Förde, 28.07.08Foto: M. Amme

Kurbelspanner sind für Stagen von 6 bis 10 Millimeter Durchmesser geeignet und liefern etwa drei Tonnen Zugkraft. Zum Entlasten muss ebenfalls gekurbelt werden – daher sind sie zum aktiven Trimmen nicht optimal. Die Preise starten bei etwa 700 Euro


Spanner mit Ausklappgriff

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Spanner mit Ausklappgriffen sind vergleichsweise günstig und auch für dünnere Drähte zu haben. Eine Variante für 6-Millimeter-Draht kostet etwa 350 Euro. Für toppgeriggte Yachten durchaus eine Option und deutlich besser als ein­fache Wantenspanner


Taljensystem

©Nico KraussFoto: YACHT/Nico Krauss

Mit Taljen lassen sich Unter­setzungen bis 48:1 einfach erreichen. Um die Reibung gering zu halten, sollten Klappläufer eingesetzt werden. In jeder Kaskade kann die Arbeitslast der Blöcke angepasst werden, was die Kosten senkt. Trotzdem kostet ein 48er-System etwa 800 Euro


Dyneema statt Draht? Das richtige Material fürs Achterstag

Einfachgeflechte aus Dyneema-SK78-Fasern bieten bei gleichem Durch­messer bereits eine höhere Bruchlast als Draht, wiegen aber nur ein Zehntel. Wobei der Gewichtsvorteil des konfektionierten Stags noch zunimmt, da die Metallterminals durch Spleiße ersetzt werden. Um die Dehnung zu minimieren, kann es sinnvoll sein, das Tauwerk eine Nummer dicker zu wählen. Alternativ bieten sich Spezialgeflechte wie das extrem reckarme Ultrawire von Maffioli oder das STS Ocean 5000 von Teufelberger an. Diese können sogar dünner ausfallen. Gegen das typische Brummen von textilen Stagen hilft ein Gummistropp, der um die letzten Meter gewickelt wird. Um die UV-Beständigkeit muss man sich bei Dyneema wenig Sorgen machen, und mechanisch sind beschichtete Geflechte ebenfalls robust genug.


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