Das Seglerleben von YACHT-Leser Benno Lensdorf prägen zwei schlimme Geschehnisse: „Tod auf dem Wasser. Beide Male war es ein Herzstillstand bei älteren Seglern“, schreibt er an die Redaktion. Seine Frau und er fragten sich seither: „Was ist, wenn so etwas auf See eintritt?“ Sie kauften schließlich einen Defibrillator für den Bordgebrauch, denn sie sind sich „ganz sicher, dass die beiden Situationen nicht hätten tödlich enden müssen, hätte es damals schon diese Geräte gegeben“.
So wie Benno Lensdorf mag es vielen Seglern gehen, rangiert doch in der Liste der häufigsten Todesursachen in Deutschland der akute Herzinfarkt laut der Deutschen Herzstiftung auf Platz vier. Besonders oft trifft er Menschen ab 65, aber schon ab 45 Jahren steigt das Risiko – besonders bei Männern. Ein Risikoprofil, das in etwa der demografischen Zusammensetzung der Wassersportler entspricht. Zudem können auch andere Faktoren wie ein Blitzeinschlag oder eine schwere Verletzung am Oberkörper einen plötzlichen Herzstillstand verursachen.
Ist das schon an Land ein Szenario, bei dem für eine Rettung viele Komponenten rasch ineinandergreifen müssen, wird es auf See ungleich schwieriger: Es kann lange dauern, bis Rettung eintrifft. Wiederbelebungsmaßnahmen müssen daher unmittelbar nach einem Notruf per Telefon oder Funk über Kanal 16 beginnen. Ein Notfallsanitäter der Seenotretter kann dabei über Funk oder Telefon fachlich unterstützen.
Holger Schwalbe, ärztlicher Leiter der Seenotretter, betont: „Jeder kann Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen. Wichtig ist der Impuls, helfen zu wollen. Wenn man sich nicht sicher ist, ob der zusammengebrochene Mensch wirklich einen Herzstillstand hat, einfach mit einer Herzdruckmassage beginnen. Wenn er sich dann wehrt, weiß man: Er lebt.“
Nicht jeder Herzinfarkt führt zum Herzstillstand. Zeigt der Betroffene die klassischen Symptome eines Infarkts und ist er bei Bewusstsein, ist schnellstens medizinische Hilfe gefragt. Ein automatisierter externer Defibrillator (kurz AED oder Defi) kann dann nichts ausrichten. Er ist ausschließlich für einen Anwendungsfall gedacht: Herzstillstand mit Kammerflimmern. Der Kreislauf steht still, der Mensch ist bewusstlos, zeigt keine Reaktion auf Ansprache und atmet nicht. Sein Herz vibriert dabei in einem chaotischen Muster und pumpt kein Blut mehr durch den Körper. Das Gehirn wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt.
Rasend schnell kann das fatale Folgen haben, wie Peter Tassani-Prell, ärztlicher Direktor im Deutschen Herzzentrum, erklärt: „Die Toleranz des Gehirns für Sauerstoffmangel sind drei Minuten. Danach kann es zu Gehirnschäden kommen. Und auch wegen des Herzens selbst muss man schnell handeln. Denn je länger das Kammerflimmern am Herzmuskel ist, desto schwieriger wird es, das zu unterbrechen.“
Die schnelle Defibrillation des Herzens kann das herrschende Chaos stoppen und das Herz wieder in seinen Rhythmus bringen. Dieselben Symptome kann auch eine Asystolie zeigen: ein Herzstillstand mit einer Nulllinie auf dem EKG, die nicht mit einem Elektroschock durch einen Defibrillator aufgehoben werden kann. „Der Laie kann den Unterschied zwischen Asystolie und Kammerflimmern nicht erkennen“, erläutert Tassani-Prell. Das übernimmt der AED. „Er detektiert mit einem EKG, ob Kammerflimmern vorliegt. Nur dann, wenn es vorliegt, lädt er sich auf und gibt den Schock ab“, erklärt der Arzt. Eine Fehlbedienung, bei der jemand versehentlich „geschockt“ wird, ist also praktisch ausgeschlossen.
So empfiehlt auch Schwalbe: „Befindet sich in der Nähe ein AED, sollte man ihn unbedingt benutzen. Wenn es optimal läuft, übernimmt das Herz wieder das Kommando.“
Grundsätzlich sollte der Oberkörper des Betroffenen dabei trocken sein, damit die Elektroden halten. Auch eine trockene Umgebung wäre optimal, lässt sich aber an Bord nicht immer gewährleisten. Liegt die betroffene Person in einer Wasserlache, kann der Stromstoß zu Verbrennungen führen – die aber in dem Fall wohl das kleinere Übel sind. Die Helfer hingegen dürfen dann aber auf keinen Fall in derselben Pfütze stehen, sie bekommen sonst ebenfalls ungewollt einen Stromstoß.
Aber: „Der Defi allein ist nicht das Allheilmittel“, mahnt Tassani- Prell. „Wichtiger ist ein guter Erste-Hilfe-Kurs, wie ihn speziell für Segler zum Beispiel der Verein Trans Ocean anbietet.“ Denn einerlei, was die Ursache für den Herzstillstand ist – die Herzdruckmassage oder Herz-Lungen- Wiederbelebung ist der wichtigste Teil der Rettungskette.
Dabei wird der Brustkorb circa zweimal pro Sekunde nach unten gedrückt und wieder entlastet. So fließt das Blut weiter durch den Körper und versorgt das Gehirn mit Sauerstoff. Wenn dann dank Herzdruckmassage und Defibrillator das Herz erfolgreich wieder in einen stabilen Rhythmus gebracht wurde, ist der Notfall nicht vorbei. Es gilt: Nach dem Schock ist vor der Klinik!
Der Herzmuskel ist geschädigt, und vor allem die Ursache muss behandelt werden – schnellstmöglich sind daher Rettungswagen oder -boote sowie eine professionelle medizinische Versorgung gefragt.
Wie viele Sportboote überhaupt einen Defi an Bord haben, ist nicht bekannt; die Anzahl dürfte sehr gering sein. Das bestätigt Doris Graf von der Firma Medisol, die unter anderem Geräte eigens für den maritimen Bereich anbietet. „Wir haben fast ausschließlich Kunden aus der gewerblichen Schifffahrt“, erläutert sie, Sportbooteigner gehörten allenfalls sporadisch zu ihrer Kundschaft.
Alle Rettungsboote und -kreuzer der Seenotretter hingegen haben einen AED an Bord, und die Retter werden regelmäßig in der Wiederbelebung geschult. Zu circa 100 medizinischen Notfällen auf See werden sie jährlich gerufen, und etwa fünf- bis zehnmal müssen sie dabei Personen wiederbeleben. Rein statistisch betrachtet sind das verschwindend wenige Fälle, die am Sinn eines privaten Bord-Defibrillators zweifeln lassen. Dennoch gilt vielleicht auch hier, wie bei der sonstigen Sicherheitsausstattung auf Booten: Haben ist besser als brauchen.
An Land werden indes immer mehr AED installiert, wie Defi-Apps und -Online-Karten zeigen, besonders an belebteren Orten. Dazu zählen auch Häfen. So hat der Lübecker Yacht-Club (LYC) im Außenbereich zwei Defis installiert und einige Mitglieder in der Anwendung geschult. „Bisher ist bei uns kein derartiger Notfall eingetroffen, aber es kann ja jeden treffen – ob jung oder alt“, erzählt Petra Röttger von der Geschäftsstelle des Vereins.
Gerade in entlegeneren Marinas und kleineren Klubhäfen sind AED indes eher rar gesät. Das ist kritisch. Denn gleichzeitig ist gerade dort auch nicht immer damit zu rechnen, dass der Rettungsdienst mit einem AED zügig eintrifft und auf das Gelände oder den Steg gelangt, sind diese doch häufig mit Schranken versehen oder abgeschlossen. Große Entfernungen und unerwartete Hindernisse können also im Zweifel mit über Leben oder Tod entscheiden.
Kleinere Vereine scheuen zudem vielleicht die Kosten. Ein AED schlägt schließlich mit etwa 1.200 bis 3.000 Euro zu Buche. Hinzu kommen gegebenenfalls Kosten für einen klimatisierten Schrank sowie Ausgaben von etwa 100 bis 200 Euro jährlich für Wartung, Ersatz-Elektroden und -Batterien.
Die Kosten müssen aber gar nicht die Vereinskasse belasten. „Wir sind durch den Newsletter der örtlichen Sparkassenstiftung darauf aufmerksam geworden, dass die Anschaffung gefördert wird“, erläutert Petra Röttger. Es gibt zwar keine bundesweite, flächendeckende Förderung für Defibrillatoren. Gemeinnützige Vereine haben aber gute Chancen, wie der LYC die Anschaffungskosten ganz oder teilweise erstattet zu bekommen – von Stiftungen und Serviceclubs, den Gemeinden oder örtlichen Firmen. Prinzipiell ist die Chance auf eine Förderung am größten, wenn der AED öffentlich zugänglich ist. Danach ist zu hoffen, dass er nie benötigt wird.
Der Defibrillator ist ein wichtiger Teil des Rettungsschemas, wenn plötzlich das Herz stillsteht. Anwender müssen ihn nur öffnen, dann erklärt das Gerät, was zu tun ist. Grundsätzlich kann jeder Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen. Der einzige Fehler ist, nichts zu tun! Elementar wichtig ist die Herzdruckmassage. Jeder Segler sollte sie beherrschen und bei einer Bewusstlosigkeit mit Atemstillstand sofort anwenden. Sie darf erst unterbrochen werden, wenn der Defibrillator zum Einsatz kommt.
Atmet die Person, reagiert sie auf Ansprache? Wenn nicht, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit ein Herzstillstand vor.
Vor allen weiteren Maßnahmen an Land den Notruf 112 wählen, auf See ein „Mayday“ über Kanal 16 absetzen.
Sofort mit der Herzdruckmassage beginnen und nur unterbrechen, wenn der Defibrillator zum Einsatz kommt.
Idealerweise bedient eine dritte Person den Defi. Der Sprachcomputer im Gerät erteilt alle weiteren Anweisungen.
Im Notfall, wenn jede Sekunde zählt, sollte der Defibrillator schnellstens zur Hand sein. Oft sieht man Geräte, die hinter verschlossenen Türen, etwa im Hafenmeisterbüro oder dem Waschhaus, untergebracht sind. Dort sind sie gut vor Witterungseinflüssen und auch Vandalismus geschützt, im Zweifel aber vergehen wertvolle Minuten, bis das Gerät gefunden und einsatzbereit ist.
Unverschlossen und griffbereit an der Außenwand eines zentral gelegenen Klubhauses kann der Defibrillator neben den Wassersportlern auch Passanten schnelle Hilfe sein. Idealerweise ist ein weiterer direkt am Steg angebracht. Bei der Außeninstallation müssen die Geräte vor Witterungseinflüssen bewahrt werden: Wird die Gelstruktur der Elektroden im Winter zu kalt, kann sie nicht mehr kleben. Zudem sind in den Geräten Lithium-Batterien verbaut, die – wie beim Handy – bei Kälte schnell an Leistung verlieren. Auch im Sommer können die Elektroden und Batterien leiden.
Die Defibrillatoren brauchen zudem eine bestimmte Betriebs- beziehungsweise Lagertemperatur, die je nach Hersteller unterschiedlich sein kann. Daher ist bei einer Installation im Außenbereich ein Außenwandkasten Pflicht, der im Winter beheizt und im Sommer belüftet wird. Dafür wird ein permanenter Stromanschluss benötigt. Entsprechend sollten die Geräte auch an Bord stets außerhalb direkter Sonneneinstrahlung oder aber frostgefährdeter Bereiche aufbewahrt werden.
Ähnlich einer Rettungsweste sollten auch Defis regelmäßig gewartet werden. Die meisten Geräte haben Kontrollfenster, die die Funktionstüchtigkeit insbesondere der Batterien anzeigen. Schwächeln sie, lassen sie sich jederzeit gegen neue tauschen.