Hauke Schmidt
· 12.07.2023
Die Orbit-Winschen kommen in drei Größen als 20er, 30er und 40er und sind allesamt selbstholend. Die beiden großen Modelle besitzen eine Quicktrim genannte Funktion, mit der sich die Schot oder das Fall fieren lässt, ohne die Leine von der Winsch zu nehmen. Um den Quicktrim zu aktivieren, wird die obere Winschabdeckung leicht entgegen der Wickelrichtung gedreht, dadurch kuppelt der Selftailer aus und die Schot kann per Hand gefiert werden. Lässt man den Winschkopf los, schnappt die Kupplung wieder ein und die Winsch arbeitet normal – soweit die Theorie.
Um zu testen, wie sich die Konstruktion in der Praxis schlägt, haben wir eine 40er-Orbit-Winsch auf einer J/88 montiert, und zwar anstelle der serienmäßigen Aufbauwinden von Harken. Das größte Hindernis dabei ist der unterschiedliche Lochkreis zwischen Ronstan und Harken. Für den Test konnten wir zum Glück eine von Ronstan gefertigte Universal-Adapterplatte nutzen. Leider wird es den Adapter nicht als Serienprodukt geben. Aus Platzgründen lassen sich die Winschen darauf nur mit M5-Schrauben befestigen, zum Ausnutzen der vollen Arbeitslast sind aber M6-Bolzen vorgesehen. Für den dauerhaften Wechsel wird man also nicht um das Bohren neuer Löcher herumkommen.
Nachdem die Winsch montiert war, galt es, die Quicktrim-Funktion zu aktivieren. Ab Werk ist die Kupplung des Selftailers fest gesetzt, und die Winschen arbeiten wie herkömmliche Zweigang-Varianten. Um mit der Winsch fieren zu können, muss aber lediglich der Arm des Selftailers abgenommen und eine kleine Schraube herausgedreht werden.
Da die Kraftuntersetzung der 40er-Orbit-Winschen fast der Serienausstattung mit 35er-Harken-Performa-Winschen entspricht, war beim Setzen des Segels kein großer Unterschied zu merken. Es ging lediglich etwas leichter, wodurch wir prompt zu viel Zug aufs Fall gekurbelt haben. Also gleich den Quicktrim testen: Ein Dreh an der Kappe, und schon lässt sich das Fall ein paar Zentimeter fieren und die überschüssige Spannung abbauen. Erfreulich dabei: Wenn man die Kappe loslässt, fasst der Selftailer fast augenblicklich. Es besteht also kaum die Gefahr, dass zu viel Leine durchrutscht.
Einmaliges Entlasten der Fallspannung ist das eine, beim Einsatz an der Genua oder Gennakerschot wird die Mechanik aber deutlich stärker gefordert, da hier wesentlich öfter und mit längeren Wegen getrimmt wird. Besonders in Kombination mit dem Gennaker waren wir skeptisch, wie sich das Quicktrim-System schlägt. Tatsächlich erwies sich die Funktion dabei als noch praktischer als am Fall.
Da zum Fieren weder die Schot aus dem Selftailer genommen noch die Kurbel abgenommen werden muss, entsteht ein sehr flüssiger Ablauf zwischen Überdruck ablassen und Dichtwinschen. Dabei ist auch der direkte erste Gang der Orbit-Winschen von Vorteil. Bei wenig Last lässt sich die Schot so schnell einholen, ohne dass jemand von der Winsch abziehen muss.
Die Quicktrim-Kupplung ist die herausragendste Neuerung, aber auch die restliche Konstruktion ist sehr vielversprechend. Ronstan nutzt bei der Gestaltung der Trommel und der Auslegung des Getriebes sowie der Lagerung die Erfahrungen von Andersen. Der dänische Hersteller ist für seine extrem effizienten und langlebigen Edelstahlwinschen bekannt und gehört seit 2010 zu Ronstan. Daher ist es kein Wunder, dass die Orbit-Winschen ebenfalls in Dänemark montiert werden. Im Gegensatz zu den Andersen-Modellen sind Basis und Trommel aus Aluminium gefräst, wodurch die Winschen sehr leicht sind. Die 40er-Ausführung soll lediglich 3,1 Kilogramm wiegen, das sind 700 Gramm weniger, als eine Harken Performa 40 auf die Waage bringt.
Damit die Trommel auch unter Last leicht dreht, sind die Winschen nicht nur mit Walzenlagern ausgestattet, sondern besitzen auch zusätzliche Kugellager, die die axialen Kräfte durch von unten einlaufendes Tauwerk aufnehmen. Die Oberfläche der Trommel ist ähnlich wie die der von Andersen bekannten Power-Rips gestaltet und soll sehr tauwerksschonend sein. Ein weiterer Vorteil der vertikalen Rippen ist, dass die Wicklungen der Leine leicht nach oben rutschen können, das erhöht den Wirkungsgrad der Winsch und sorgt für gleichmäßiges Fieren.
Um die Wischen zu öffnen, muss lediglich ein kleiner Schieber betätigt werden, anschließend lässt ich der Selftailer-Arm entriegeln und abnehmen. Auf diese Weise lässt sich auch die Position des Arms ohne Werkzeug verstellen. Nachdem der Arm abgenommen wurde, kann die Trommel abgehoben werden und Getriebe und Lagerung sind zugänglich. Dabei muss lediglich auf eine Abdeckscheibe geachtet werden. Die Lagerung besteht aus einem großen Kugellager zur Aufnahme der Axial-Lasten und einem Walzenlager, beide sind so konstruiert, dass keine Kugeln oder Walze herausfallen können. Zum weiteren Zerlegen wird die Hauptwelle nach oben gezogen, die Sperrklinken sitzen in der Welle und können nicht verloren gehen. Danach können auch die restlichen Zahnräder aus der Basis genommen werden. Erfreulich dabei: Die Konstruktion ist sehr einfach und besteht neben der Trommel aus gerade einmal zehn Einzelteilen, daher kann man beim späteren Zusammenbau praktisch nichts falsch machen.
Ronstan versteckt die Info derzeit noch etwas in den FAQs, aber nach Auskunft des deutschen Importeurs Peter Kohlhoff, der die Orbit-Winschen bereits auf Lager hat, wird es für die 30er- und 40er-Modelle auch Elektroantriebe geben, die sich wie bei Andersen unter die Winsch montieren lassen. Die 20er-Orbit-Winsch kostet 709 Euro, für die 40er sind 1.325 Euro fällig.
Bei der elektrisch angetriebenen Harken Rewind kann die Drehrichtung per Kippschalter gewechselt und so auch unter Last gefiert werden. Das Ganze elektrisch, der Antrieb sitzt unter der Winde. Preis Harken 46 2-Speed Rewind: 7.850 Euro.
Die Powerwinsch verfügt über einen in die Trommel integrierten Motor und ein wartungsfreies Planetengetriebe. Der deutsche Hersteller MSM hat auch ein Modell, bei dem sich die Schot per Knopfdruck fieren lässt. Preis auf Anfrage.
Die Sicherung der Kurbel von Ronstan ist einhändig bedienbar, eine Funktion, die auch Harken und Lewmar bieten. Das Modell ist sehr gut verarbeitet, der Schalter funktioniert intuitiv. Preis ab 170 Euro.
Die Winschkurbel Flipper des italienischen Herstellers Easysea kann dank zweier Gelenke gefaltet werden. So muss sie in Manövern nicht von der Winsch genommen werden und kann generell ohne zu stören auf der Winsch bleiben. Preis 250 Euro.