BekleidungDecathlon hat neues Profi-Ölzeug mit Vendée-Globe-Sieger entwickelt

Fabian Boerger

 · 05.11.2024

Das neue Ölzeug ist besonders flexibel und strapazierfähig.
Foto: Decathlon
Decathlon hat mit dem Vendée-Sieger Yannick Bestaven ein Ölzeug für den Profibereich entwickelt – die Offshore Pro Serie. Wir waren bei der Präsentation in La Rochelle vor Ort und haben den Profiskipper dazu interviewt.

Decathlon bietet Sportartikel für alle an. Egal ob Skistiefel für den Winterurlaub, die Isomatte fürs Camping oder der neue Sattel fürs Mountainbike – das Motto lautet: große Auswahl zu günstigen Preisen. Dies gilt auch für Ölzeug und Segelbekleidung, die das Unternehmen seit einigen Jahren im Sortiment hat. Besonders bei Einsteigern und Freizeitsegeln findet dieses Konzept Anklang.

Jetzt scheint das französische Unternehmen eine neue Richtung einzuschlagen. Zusammen mit Yannick Bestaven, dem Gewinner der letzten Vendée Globe, hat die Decathlon-Marke Tribord eine Profi-Serie entwickelt. Das ist überraschend, da Produkte für den professionellen Bereich bisher nicht zum Kerngeschäft der Marke gehörten.

Offshore Pro Serie: Ein Decathlon-Ölzeug von und für Profi-Skipper

Drei Jahre lang haben sie daran gearbeitet und erste Prototypen unter realen Bedingungen getestet. Bestaven trug einen der insgesamt zehn Prototypen beim Transat Jacques Vabre 2021. Ein weiterer wurde bei der Route du Rhum eingesetzt. Das Besondere an dem Ölzeug: Es ist für den professionellen Offshore-Bereich zugeschnitten und laut Hersteller besonders wasserdicht und strapazierfähig. Zusammen mit Bestaven arbeiteten zehn weitere Profiskipper aus verschiedenen Offshore-Bootsklassen – darunter Class 40, Figaro und Mini 6.50 – an der Entwicklung mit. Das Unternehmen gibt an, dass bisher etwa 43.000 Seemeilen mit dem Ölzeug zurückgelegt wurden. Bald werden weitere 24.000 Seemeilen hinzukommen, da Yannick Bestaven bei der nächsten Vendée ausschließlich die Offshore Pro Serie tragen wird.

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Ein Bollwerk gegen schlechtes Wetter

Mitte Oktober hat das Unternehmen die Offshore Pro Serie Journalistinnen und Journalisten vorgestellt und ins Sailing-Lab in La Rochelle eingeladen. Dort, im Herzen einer der größten Marinas Europas, werden seit 2021 Produkte für den Segelsport entwickelt und getestet. Auch die neue Offshore Pro Serie wurde dort auf den Prüfstand gestellt. Sie besteht aus insgesamt fünf Produkten: vom Smock als äußerster Schicht über eine Latzhose, ein leichteres, hochflexibles Spraytop bis hin zu Unterziehjacke und -hose (>> hier erhältlich). Alles ist dabei, was als Bollwerk gegen schlechtes Wetter dient.

Der Smock – allen Wassern gewappnet

Der Smock besteht aus drei Schichten. Die äußere Schicht ist ein robuster und wasserabweisender Stoff. In der Mitte liegt eine wasserdichte und atmungsaktive Membran, die von einem gewebten Mull – einem leichten, weitmaschigen Baumwollstoff – geschützt wird und angenehm auf der Haut liegt. Die Nähte sind von innen mit wasserdichtem Tape versiegelt, das bei 530 Grad Celsius und mit vier Bar aufgepresst wird.

Neopren aus Japan als Lösung

Große Aufmerksamkeit wurde den Manschetten an Hals und Armen gewidmet, um sie trocken und angenehm zu halten. Dafür kam spezielles Neopren zum Einsatz. Ziel war es, das Eindringen von Wasser ins Ölzeug zu verhindern. Zudem ist die Haut am Hals besonders dünn und empfindlich. Die Lösung bot Yamamoto-Neopren, eine neue, sehr flexible und leichte Neopren-Variante aus Japan. Es wird aus hochwertigem, kalksteinbasiertem Neopren gefertigt und soll diese Anforderungen erfüllen.

Die Neoprenmanschette am Hals dichtet den Smock nach oben hin ab. Ein hoher Kragen, der bis zu den Ohren reicht, umschließt diese Manschette. Dieser Kragen lässt sich vor dem Gesicht wegklappen und mit einem Klettverschluss am Hinterkopf fixieren. Falls Wasser in den Kragen eindringt, verhindert die darunterliegende Neoprenmanschette, dass es ins Innere gelangt. Drei kleine Abflusslöcher auf der Brust sorgen dafür, dass das Wasser ablaufen kann. Diese Kombination aus hohem Kragen und Neo-Manschette macht es fast unmöglich, dass Wasser über den Kopf-Bereich eindringen kann.

Eine Besonderheit – die Kapuze

Zusätzlich zur Kombination aus Kragen und Hals-Manschette ist die Kapuze eine Besonderheit des Ölzeugs. Sie stellt eine Mischung aus einer Sonnenmütze und einem Südwester dar, die durch einen flexiblen Stoff zu einer Kapuze verbunden wird. Diese Gestaltung ist stilistisch speziell, bringt aber Vorteile mit sich. Sie sitzt fest am Kopf, bietet Sonnenschutz und bewegt sich mit dem Kopf mit – man schaut also nicht in die Kapuze hinein.

Außerdem hat der Smock keine Reißverschlüsse, was zur Langlebigkeit beitragen soll. Zusätzlich verfügt er auf Höhe des Bauchs über eine durchgängige, mit Fleece gefütterte Tasche für die Hände.

Der Smock kostet 550 Euro und ist bei Decathlon erhältlich.


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Die Bib – mit speziellem Abrieb-Schutz

Die Bib, also die dazugehörige Latzhose, besteht aus den gleichen wasserfesten und robusten Materialien wie der Smock. Eine Ausnahme bildet der Oberkörperbereich. Etwas oberhalb der Hüfte wurde ein elastischer und flexibler Stoff verwendet, ähnlich dem eines Lycra-Shirts. Dies sorgt für eine hohe Beweglichkeit des Oberkörpers, was bei der Arbeit an den Winschen vorteilhaft ist.

An den stark beanspruchten Körperstellen - Gesäß, Knie und Oberschenkel - sind auf der Bib aber auch auf der Rückseite des Smocks zusätzliche Schutzschichten vernäht, die leicht gepolstert sind. Diese sollen das Material vor übermäßigem Abrieb schützen, etwa beim Krabbeln und Rutschen über das Grip-Deck. Das ist vor allem bei der neuesten Generationen der Imocas notwendig. Statt durch die Welle zu segeln, fliegen sie hinüber und krachen in die nächste. Der aufrechte Gang wird dabei schnell zur Herausforderung. Allerdings machen die Schoner die betroffenen Bereiche steifer als den restlichen Stoff. Dies ist zwar effektiv, aber auch gewöhnungsbedürftig.


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Darüber hinaus gibt es auf Höhe des rechten Oberschenkels eine breite Tasche mit einer kleineren, mit Gummizug gesicherten Innentasche. Praktisch ist auch eine kleine Schlaufe am unteren Rücken, mit der die Hose aufgehängt werden kann. Man merkt, es wurde mitgedacht. Der praktische Einsatz stand offensichtlich im Vordergrund.

Ein einfacher Schnitt, aber zielgerichtet

Der Schnitt des Ölzeugs berücksichtigt maßgeblich die Bewegungsfreiheit. Besonders im Schrittbereich und unter den Achseln sorgt das Design für ausreichend Luft, sodass man sich frei bewegen kann. Gleichzeitig gibt es diverse Verstellmöglichkeiten, die dafür sorgen, dass das Ölzeug locker sitzt, aber nicht zu weit vom Körper absteht und damit keine Angriffsfläche für Wind und Wellen bietet.

Es sei ein einfacher, aber zielgerichteter Schnitt, sagt Produkt-Manager Néhémie Westphal. Step eins sei gewesen, die Wasserbeständigkeit zu garantieren; bei Step zwei ging es wiederum um die richtige Balance zwischen Stoff und Shape, so Westphal. Über 150 Einzelteile werden für ein Kleidungsstück zusammengenäht.

Im Raining-Room, einem Wellen- und Regen-Simulator, wurde die Offshore Pro Serie von Decathlon ausgiebig getestet. 450 Liter können so pro Stunde pro Quadratmeter auf das Produkt einprasseln.
Foto: YACHT/ Fabian Boerger
Das neue Ölzeug von Decathlon wurde im Tribord Sailing Lab in La Rochelle entwickelt.

Decathlon entwickelt Spraytop und Unterzieh-Kleidung

Das Ölzeug wird durch ein leichteres und flexibleres Spraytop ergänzt, das besonders bei höheren Temperaturen eine effektive Alternative darstellt. Obwohl es etwas weniger wasserbeständig ist, wiegt es nur 600 Gramm und besteht aus sehr flexiblem Material. Die Bündchen an Armen und Hals sind identisch mit denen des Ölzeugs. Der Saum ist ebenfalls aus Neopren gefertigt, lässt sich über Klettverschlüsse einstellen und schließt eng um die Hüfte. Da es auf den gleichen Lösungen wie das Ölzeug basiert, war die Entwicklungszeit dieses Produkts deutlich kürzer, erklärt Produkt-Manager Westphal.

Merinowolle, warm und wohlig

Decathlon bietet zusätzlich zur äußeren Schicht eine zweite Haut in Form einer dünnen Jacke und einer Latzhose zum Unterziehen an. Diese Kleidung soll wärmen, Feuchtigkeit ableiten und gleichzeitig angenehm auf der Haut liegen. Der Schlüssel dazu ist neuseeländische Schafswolle. Sowohl bei der Jacke als auch bei der Hose ist im Inneren eine Schicht Merinowolle eingearbeitet. Diese sorgt für Wärme, absorbiert Gerüche besser und hält die Wärme möglichst lange. An stark schwitzenden Körperstellen wie der Wirbelsäule und den Achseln wird statt Merino ein atmungsaktiver Stoff verwendet.

Die Jacke hat einen niedrigen Kragen, sodass sie leicht unter das Ölzeug passt. Die Unterzieh-Bib verfügt über einen vertikalen Reißverschluss an der Brust und einen horizontalen auf Hüfthöhe. Dadurch kann man sich schnell fürs Geschäft ausziehen, ohne alle Schichten ablegen zu müssen.

Fazit Decathlon-Ölzeug - überzeugend und durchdacht

Alles in allem macht das Offshore Pro Ölzeug einen soliden, gut verarbeiteten und widerstandsfähigen Eindruck. Wie wasserdicht und stabil das Material letztendlich ist, müssen weitere Praxistests zeigen. Dennoch überzeugt das Produkt durch viele durchdachte und praxisorientierte Details. So sind die Kniepolster, der „doppelte Kragen“ sowie die flexible Kapuze clever gestaltet und ideal für den Einsatz unter extremen Bedingungen. Insgesamt dürfte das Ölzeug die meisten Anforderungen professioneller Hochseesegler vollständig erfüllen. Für den durchschnittlichen Ostseesegler ist die Offshore Pro Serie vermutlich überdimensioniert. Doch auch für sie sind das Spraytop oder die Unterziehkleidung eine kostengünstige Wahl.

Auch die Marke Decathlon hat hohe Erwartungen an die neue Ölzeug-Serie: Produktmanager Néhémie Westphal äußerte sich dazu folgendermaßen:

„Es geht um das Image für die Marke, aber es geht auch darum, weiter an der Wasserbeständigkeit unserer Materialen zu forschen. Wenn uns das im Pro-Bereich gelungen ist, können wir das auf andere Bereiche übertragen.“

Umso genauer werden die beteiligten Entwickler wohl die Weltumrundung von Bestaven verfolgen und insbesondere die Kleidung im Auge behalten - und wie sie den Strapazen standgehalten hat.


Vor Ort anprobieren, online bestellen

Seit Anfang Oktober sind die Produkte der Decathlon Offshore Pro Serie erhältlich. Allerdings führen nur bestimmte Filialen diese Artikel zur Ansicht. In diesen Geschäften gibt es Testprodukte zum Anprobieren. Wer die Produkte kaufen möchte, muss sie online bestellen – entweder direkt im Geschäft oder von zuhause aus.

Das kostet die Offshore Pro-Serie:

Die Bib bietet viel Bewegungsfreiheit im Bereich des Oberkörpers.
Foto: Decathlon

Interview: Bestaven über die Zusammenarbeit mit Decathlon

Vor seiner Abreise trafen wir den erfahrenen Skipper in Les Sables-D’Olonne und sprachen mit ihm über seine Kooperation mit Decathlon und die Offshore Pro Serie.

Yannick Besatven ist Profiskipper und segelt aktuell für das Team Maitre Coq. 2021 gewann er die Vendée Globe. Zuvor hatte er bereits mehrere Transat-Rennen für sich entscheiden können.Foto: YACHT/ Fabian BoergerYannick Besatven ist Profiskipper und segelt aktuell für das Team Maitre Coq. 2021 gewann er die Vendée Globe. Zuvor hatte er bereits mehrere Transat-Rennen für sich entscheiden können.

YACHT: Yannick, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Decathlon?

Bestaven: “Naja, das ergab sich ein wenig von selbst. Kurz nachdem ich von der vergangenen Vendée zurückkehrte, öffnete Decathlon das Sailing Lab in La Rochelle. Das war unmittelbar in der Nähe meines Wohnorts; wir waren quasi Nachbarn. Ich wollte mit einer französischen Marke zusammenarbeiten und sie hatten Interesse, ein Produkt fürs Offshore Racing zu entwickeln. Es passte einfach.”

Drei Jahre habt ihr zusammengearbeitet. Ist das Ergebnis gelungen?

“Das kann ich erst bei der Rückkehr sagen. Aber ich vertraue sehr auf die Zusammenarbeit und auf die Produkte, die wir entwickelt haben. Deshalb habe ich zum Beispiel nur dieses Ölzeug an Bord.”

Wie würdest du die Zusammenarbeit beschreiben?

„Die war wirklich gut. Ich habe viel kritisiert, und sie haben immer Lösungen gefunden. Sie haben jede Menge Know-how – und den Raining Room (ein Regen- und Wellensimulator von der Größe einer Autowaschanlage, Anm. d. Red.). Sie haben das Zeug, um so eine Ausrüstung zu entwickeln.“

Kann das Ölzeug mit den renommierten Marken mithalten?

“Es gibt sicherlich Marken, die mehr Erfahrung haben. Aber ich glaube, Decathlon hat einen Punkt erreicht, an dem sie auf einem Level mit den bekannten Marken stehen. Ich bin sicher, dass immer mehr Skipper auf die Produkte zurückgreifen werden. Decathlon hat professionelle Produkte zu interessanten Preisen. Das ist ein großes Plus.”

Wo spürt man den Bestaven-Einfluss am meisten?

“Eine Besonderheit ist sicherlich die Kapuze. Sie ist so gestaltet, dass sie der Bewegung des Kopfes folgt und so die Sicht nicht einschränkt. Auch die Hose ist besonders. Das Material ist sehr leicht, gleichzeitig sehr widerstandsfähig. Das sind Lösungen, die auch in alpinen Sportarten Anwendung finden.”

YACHT: Vielen Dank für das Gespräch.

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