Pascal Schürmann
· 07.02.2022
Besenrichtlinie, Beweislastumkehr, Nämlichkeitspapier: In Zusammenhang mit der Versteuerung von Booten existieren jede Menge Halbwahrheiten. Wir klären auf
Viele Eigner glauben, sie müssten bei einer Zoll- oder Polizeikontrolle belegen können, dass ihr Boot EU-versteuert ist. Insbesondere Besitzern älterer oder gebraucht gekaufter Schiffe bereitet dies regelmäßig Unbehagen. Vor allem, wenn keinerlei Rechnungen oder andere Belege mehr vorhanden sind, mit denen sich beweisen ließe, dass einst die Mehrwertsteuer korrekt bezahlt worden ist.
Manch potenziellen Käufer hält es sogar davon ab, ein gebrauchtes Boot zu kaufen, wenn der Verkäufer keine Rechnungsbelege beibringen kann. Doch ist das wirklich ein Grund, auf die Anschaffung eines ansonsten vielleicht perfekten Schiffs zu verzichten?
Was kann man tun, wenn keine Rechnungen mehr vorhanden sind? Und warum darf man sich bei deutlich älteren Schiffen längst nicht mehr darauf berufen, dass es ja vor 1985 gebaut wurde, also angeblich gar keine Nachweispflicht mehr besteht – Stichwort Besenrichtlinie? Und schließlich: Was ist, wenn das Schiff deutsche oder gar EU-Gewässer verlassen hat? Wie lange darf man in die Ferne segeln – oder auch nur im Mittelmeer beispielsweise von Griechenland in die Türkei –, ohne dass es bei der Rückkehr Ärger mit dem Steuernachweis gibt?
Wer auf all diese und viele weitere Fragen verlässliche Antworten im Internet sucht, stößt selten auf wirklich korrekte Informationen. Im Gegenteil kursieren im Web, in den sozialen Medien, aber auch auf den Stegen oder an den Tresen der Clubbars jede Menge Halbwahrheiten.
Der unter anderem auf Sportbootrecht spezialisierte Rechtsanwalt Benyamin H. K. Tanis von der Kieler Kanzlei Tanis | von der Mosel berichtet, dass er beinahe täglich mit entsprechenden Anfragen von verunsicherten Bootseignern beziehungsweise -käufern konfrontiert wird. Er hat nach enger Abstimmung mit mehreren europäischen Behörden auf den nachfolgenden Seiten die wichtigsten Fakten auf die drängendsten Fragen in Zusammenhang mit der Versteuerung von Sportbooten zusammengetragen.
Worum es geht, dürfte jedem Wassersportler mittlerweile bekannt sein: Irgendwie muss angeblich jeder Schiffseigner einen Nachweis darüber führen können, ob sein Schiff ordnungsgemäß versteuert ist. Gemeint ist die "Mehrwertsteuer", juristisch exakter die "Umsatzsteuer" oder "Einfuhrumsatzsteuer". Insbesondere beim Kauf und Verkauf von gebrauchten Schiffen führt diese Mähr von der Versteuerung zu großer Unsicherheit bei allen Beteiligten. Aber was ist da wirklich dran?
Für Schiffe, welche in der EU gebaut worden sind, auch das Unionsgebiet nachweislich nie oder zumindest nicht länger als 3 Jahre verlassen haben und von Privat an Privat verkauft werden, benötigen Sie kein weiteres Nachweisdokument, wie z. B. die Originalrechnung des Erstkäufers oder ähnliches. Der aktuelle Kaufvertrag mit Zahlungsnachweis (Kontoauszug) nebst einigen Liegeplatz- und Wartungsrechnungen der letzten Jahre (ausgestellt in der EU) dürften zum Nachweis gegenüber den Zollbehörden immer ausreichen. Es kann von Vorteil sein, die Dokumente ins Englische zu übersetzen, damit Zöller im Mittelmeer die Unterlagen auch lesen können. Mehr brauchen Sie nicht!
Gemäß der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem der EU sind nur Gewerbetreibende (wirtschaftlich Tätigen gem. Art. 9 der RL) Steuerpflichtige. Diese erheben die Steuer auf ihre Waren und Dienstleistungen und führen sie an den Staat ab. Daraus ergibt sich bereits, dass kein Staat in der EU von Privatpersonen die Mehrwertsteuer (erst recht nicht nachträglich) erheben kann. Eine bedeutende Ausnahme ist die sogenannte Einfuhrumsatzsteuer. Diese wird von den jeweiligen Zollbehörden eines Landes bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern (nicht-EU) in den EU-Raum erhoben.
Wie kann ich Nachweisen, dass das Schiff nie länger als drei Jahre außerhalb der EU-Gewässer gefahren ist?
Grundsätzlich müssen Sie dies nicht nachweisen, denn es gilt für alle in der EU befindlichen Schiffe (Waren) die Vermutung, dass es sich um Unionsware handelt (Art. 153 I UZK). Wenn die kontrollierende Zollbehörde also keinen konkreten Anhalt hat davon auszugehen, dass Ihr Schiff den Unionscharakter verloren hat, dann streitet die gesetzliche Vermutung in der gesamten EU für Sie. Wenn nötig, kann der Aufenthalt in EU Gewässern z.B. durch Liegeplatz- oder Wartungsrechnungen mit entsprechendem Datum nachgewiesen werden.
Und wann hat der Zoll Grund zu der Annahme, dass mein Schiff den Unionscharakter verloren hat?
Dies kann immer dann angenommen werden, wenn Sie auf See nahe der jeweiligen Seezollgrenze (EU-Außengrenze oder 12 Meilen-Zone) unterwegs sind. So kontrollieren in der Tat die Zollbehörden der Mittelmeerländer vielfach nahe den EU-Außengrenzen. Hier wird jedoch nicht nach der Mehrwertsteuer geschaut, sondern eben danach, ob ihr Schiff Unionsware ist.
Was bedeute das nochmal, „Unionsware“?
Schiffe sind Waren, die in der EU gehandelt werden können. Grundsätzlich dürfen Waren in der EU nur frei von Abgaben (Zöllen) gehandelt werden, wenn es sich um sogenannte „Unionswaren“ (Art. 5 Nr. 23 UZK) handelt. Unionswaren sind vereinfacht gesagt alle Schiffe, die in der EU vollständig hergestellt worden sind. Nicht EU-Waren sind Schiffe, die außerhalb der EU hergestellt worden oder ihren Status als Unionsware durch mehr als dreijährige Abwesenheit aus der EU verloren haben.
Und welche Bedeutung hat dann noch die Originalrechnung?
Mit einer Originalrechnung (mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und Zahlungsbeleg) weisen Sie unabhängig vom Herstellungsort den Unionscharakter des Schiffes nach. Trotzdem gilt auch hier das zum Verlust des Status als Unionsware gesagte.
Welche Nachweise brauche ich für Schiffe, die nicht in der EU gebaut worden sind?
Für Schiffe, die außerhalb der EU gebaut worden sind, gilt ebenfalls die Vermutung, dass es sich um Unionsware handelt (Art. 153 I UZK), sofern sich die Schiffe im Unionsgebiet befinden. Auch hier müssen Sie lediglich den Kauf und die Bezahlung des Schiffes innerhalb der EU nachweisen und u. U. Ausführungen zu dem Fahrtgebiet des Schiffes machen, um dem Vorhalt des Verlustes des Status als Unionsware durch mehr als dreijährige Abwesenheit aus EU-Gewässern zu begegnen. Hier kann auch ein akkurat geführtes Logbuch hilfreich sein.
Wie kann ich den Unionscharakter meines Schiffes nachweisen, wenn ich tatsächlich EU- Gewässer verlassen habe?
Vor dem Verlassen der EU-Gewässer können Sie zu diesem Zweck das Auskunftsblatt INF3 oder die sogenannte vereinfachte Nämlichkeitsbescheinigung verwenden. Beide Nachweise erfolgen in der EU papiergebunden. D.h., Sie müssen Ihr Schiff physisch bei der nächsten Zollstelle vorstellen (Gestellung), den jeweils ausgefüllten Antrag mitbringen und die oben genannten Unterlagen vorlegen. Sodann wird ihnen die Zollstelle bescheinigen, dass es sich bei Ihrem Schiff zum Zeitpunkt der Gestellung um Unionsware handelte. Leider ist das Ausfüllen des INF3 für den Laien kaum machbar und viele Zollstellen verweigern die Ausfertigung dieses Auskunftsblatts, wenn Sie keinen tatsächlichen Zielort (mit Adresse in einem Drittstaat) der Ausfuhr angeben können. Besser geeignet ist da die vereinfachte Nämlichkeitsbescheinigung. Diese kann durch jede deutsche Zollstelle ausgestellt werden, sofern das Schiff dort physisch vorgestellt wird und die erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden. Im EU Ausland ist diese Art der Bescheinigung weniger geläufig. Hier empfiehlt es sich nach einem nachträglich ausgestellten T2L-Frachtpapier zu fragen. Für die Erlangung beider Dokumente müssen die zuvor bereits beschriebenen Unterlagen vorgelegt werden.
Kann ich eine behördliche Bestätigung über die Unionswareneigenschaft meines Wassersportfahrzeugs auch einfach prophylaktisch beantragen, ohne dass ich mit meinem Schiff EU-Gewässer verlassen möchte?
Leider ist dies nicht möglich. Obwohl wir mit mehreren EU-Zollbehörden bereits vielfach über die Notwendigkeit eines solchen Nachweises gesprochen haben, ist die Rechtslage hier eindeutig: Abgesehen von der vereinfachten Nämlichkeitsbescheinigung (welche nur vom deutschen Zoll für Waren in Deutschland und zur Wiedereinreise nach Deutschland ausgestellt wird) verlangen alle behördlichen EU-Dokumente die Angabe eines Ausfuhrortes (mit Adresse) in einem Drittstaat.
Sind Schiffe aus Großbritannien Rückware, wenn ich diese dort kaufe und in die EU zurückbringe?
Nein. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU sind alle dort befindlichen Schiffe britischer Eigner Drittlandsware geworden und haben ihren Status als Unionsware verloren. Als Rückware würden diese Schiffe nur gelten, wenn EU-Bürger die Ware nach GB ausgeführt hätten, nicht aber wenn EU-Bürger ein Schiff in einem Nicht-EU-Land von einem Nicht-EU-Bürger erwerben.
Was ist der sogenannte innergemeinschaftliche Erwerb?
Wenn Sie von einem Händler in Frankreich ein neues Schiff kaufen und dieses dann nach Deutschland bringen, um es hier zu nutzen, dann kann der Kauf in Frankreich von der Mehrwertsteuer befreit werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie die Steuer nicht bezahlen müssen. Nach Ankunft des Schiffes in Deutschland ist der Eigner verpflichtet, sich beim zuständigen Finanzamt mit der Kaufrechnung zu melden, um die Steuer hier zu bezahlen. Steuerschuldner ist dabei ausnahmsweise also nicht der Verkäufer, sondern der Käufer.
2 Tipps zum Schluss:
1. Es empfiehlt sich stes, ein vorbereitetes Dokumentenpaket mit Kaufvertrag, Zahlungsnachweis und Aufenthaltshistorie des Schiffes an Bord bereit zu halten.
2. Wenn Sie im EU-Ausland unterwegs sind, dann ist eine beglaubigte Übersetzung dieser Unterlagen sinnvoll, damit anderssprachige Zöllner auch alles lesen können.
Für weitere Fragen kontaktieren Sie uns gerne: Tel. 0431 389 88 222, info@ra-tanis.de, www.ra-tanis.de
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