Evo- statt Revolution, Kontinuität statt Wechsel: Hanseyachts setzte seinerzeit auf behutsame Weiterentwicklung anstelle von Neuem um des Neuen willen. Das gilt somit auch für die Hanse 388, einem der wichtigsten Boote im Fahrtenprogramm der Gruppe aus Greifswald. Die YACHT hat das Volumenmodell 2019 als Neuheit getestet.
Die Größe von knapp zwölf Metern bedeutet werftübergreifend in der Bootsbaubranche einen potenten Markt, den der Charterfirmen und den der Eigner. Nun findet Hanseyachts traditionell in erster Linie private Kunden. Aber die Konkurrenz ist groß, da diese durch vielfachen Absatz auch in der Charterszene auf große Stückzahlen kommen, was wiederum Einkaufsvorteile und viel Marktpräsenz mit sich bringt.
Komplette Neuentwicklungen sind teuer: Konzeption, Konstruktion, Engineering, Formenbau und Marketing kosten. Eine Überarbeitung spart einen Großteil dieser Posten. Der von Hanse eingeschlagene Weg: Man nehme den bewährten Rumpf und überarbeite den Rest dort, wo es sinnvoll ist, wo er sich verbessern lässt.
Das Judel/Vrolijk-Design aus dem Jahr 2011 ist immer noch up to date, auch die jüngere Konkurrenz bietet keine signifikant sicht- oder spürbaren Weiterentwicklungen. Mit einem großen Volumen war die Hanse einst wegweisend, inzwischen ist der maximal nutzbare umbaute Raum dagegen Klassenstandard.
Verbessern kann bedeuten, Erfahrungen aus dem Markt und von den Händlern einfließen zu lassen, auf neue Strömungen einzugehen und frische oder vorhandene Ideen umzusetzen oder auch Stunden zu sparen. Hanse setzte viele kleinere Maßnahmen um.
Die Segelfläche wuchs gegenüber der Garderobe der Vorgängerin Hanse 385 etwas, der Standardkiel geht ein paar Zentimeter tiefer, das Deck erhielt mehr Fensterflächen, Heck und Badeplattform wurden verbessert und der Innenraum besonders optisch gänzlich überarbeitet.
Geblieben ist die Werft bei der Grundidee des schnellen, jedoch einfachen Fahrtensegelns. Dafür steht besagter moderner Rumpf mit einer Breite von fast vier Metern und wuchtigem Spant, ein tiefgehender L-Kiel im Standard, dazu eine freistehende Ruderflosse. Für guten Bedienkomfort sprechen die Großschotführung vor dem Niedergang und die seit dem Prototyp Hanse 291 im Jahr 1992 werfttypische Selbstwendefock sowie das Leinenmanagementsystem. Sämtliche Fallen, Schoten und Strecker sind im Deck und durch die Cockpitsülls über Spinlock-Hebelklemmen auf zwei achtern im Aktionsradius des Rudergängers montierte Lewmar-Winschen geführt. Der Steuermann hat dort die beidseitig laufende Großschot immer in Griffnähe, egal ob er von Luv oder Lee steuert.
Das System bringt Vorteile: Es ist extrem einhand- und kleincrewtauglich, und es hält den Aufbau frei. Die Nachteile: Achtern sammelt sich viel Leinenmaterial. Hanse begegnet dem mit zwei gut bemessenen Staukästen. Dennoch ist Aufräumen gegen unschöne Wuhling erforderlich. Kleiner Minuspunkt: Die im Standard angebotenen 40er-Winschen arbeiten an der unteren Grenze, 45er wären angemessen.
Wie heute bis runter auf 31 Fuß üblich, wird das Boot mit zwei Rädern gesteuert. Das ermöglicht es, weit außen seitlich auf dem dort flachen Süll mit gutem Blick nach vorn auf Vorsegel, Windfäden und Wellen zu steuern und hält gegenüber einem größeren zentralen Einzelrad den Durchgang im Cockpit frei.
Auf der Hanse 388 leiten zwei im Durchmesser 90 Zentimeter große Räder die Steuerbefehle über eine Kette-Draht-Verbindung auf den Quadranten des einzelnen Ruders. Im Standard sind diese Räder aus rostfreiem Stahl gefertigt, eine Variante, die man in natura auf modernen Booten kaum noch sieht. Angesagt sind GFK-Räder, die durch ihren ovalen Durchschnitt besser anzufassen sind und wegen ihres niedrigen Gewichts weniger nachschwingen, ein Extra.
Die Hanse 388 steuert sich mit nur einer Umdrehung von Anschlag zu Anschlag recht direkt. Und das macht Freude. Willig lässt sich das Boot an die Windkante führen. Die Geschwindigkeiten sind sehr ordentlich, bis zu 7 Knoten an der Kreuz bei einem typischen Wendewinkel von 90 Grad lassen sich bei 11 bis 12 Knoten erzielen. Unter 10 Knoten dürfte die kleine Selbstwendefock, mitverantwortlich für eine recht knappe Segeltragezahl von 4,2, den Segelspaß kappen, auch weil sie auf Kursen mit geschrickten Schoten oben zu stark öffnet und weiter an Effizienz einbüßt. Dafür offerierte Hanse früher die Genuaoption mit Längsschienen, ein Angebot, das nur wenige Kunden angenommen haben.
Hanse baut für den Einsatzbereich weniger und raumerer Wind nun auf einen sogenannten Crossover, nichts Anderes als ein Code Zero. Kommt das Boot im Standard mit weißer und horizontaler Simpelware, ist der optionale Crossover aus höherwertigem Tuch zusammengenäht und erhöht mit Furler die Gesamtrechnung um 5343 Euro. Es addieren sich zwangsläufig 821 Euro für einen anderen Ankergalgen, der den Hals des Segels aufnimmt, sowie Fall, zwei Schoten und Padeyes für zusammen 940 Euro. Sinnvoll, aber nicht zwingend sind dann zwei weitere Winschen weiter vorn auf dem Cockpitsüll für 2321 Euro.
Bei mehr Wind wird die Segelfläche manuell verkleinert, und zwar mit Seldéns hervorragend funktionierendem Einleinenreffsystem. Das mit zwei langen Salingspaaren bestückte Rigg ist auch in einer Rollreffversion zu haben, macht 2440 Euro plus.
Was im Cockpit gut gefällt, sind die Ergonomiemaße. Der auf vielen, besonders etwas kleineren Booten wegen der Achterstag-Hahnepot eingeengte Platz hinter den Rädern fällt auf der 388 großzügig aus. Wenn der Steuermann seitlich sitzt, kann er das Rad zwischen die Beine nehmen und sich so gut abstützen, oder er rüstet Fußstützen nach. Die Crew findet durch den fest montierten faltbaren Cockpittisch (für den auch ein Kühlschrank zu haben ist) mit Fußstütze Halt. Die Bänke sind mit 1,60 Meter Länge ausreichend bemessen, die Sülls hoch genug und bequem geformt.
Das von der Werft bevorzugte Arrangement der zum Rudergänger geführten Leinen ermöglicht ein beschlagfreies Kajütdach. So wurde der Niedergangsbereich völlig ungewohnt gestaltet. Neben dem Schiebeluk decken ebenso dunkel getönte Glasscheiben das teils ausgeschnittene Dach und das Niedergangsschott ab. Mit optionalen kleinen Decksluken (1416 Euro) lassen sich die Kabinen belüften, und das Glas bringt deutlich mehr Licht unter Deck. Dazu tragen auch zusätzliche Fensterflächen an zwei der insgesamt drei Decksluken bei.
Auch schön: Im Vorschiff gibt es zwei Luken, eine im Standbereich und eine über der Koje. Sechs große Rumpf- und sechs Aufbaufenster komplettieren den natürlichen Lichteinfall. Knapp fällt dagegen das Thema Querbelüftung im Salon aus. Zwar gibt es ein Mittelluk, und die Pantry ist am Niedergang untergebracht, aber es gibt nur ein kleines zu öffnendes Fenster im Aufbau. Und das auch nur als Bestandteil des Cruising-Pakets.
Hanseyachts als Pionier der Individualisierung im Großserienbau setzt weiterhin auf viele Wahlmöglichkeiten. Allein für Deck und Cockpit gibt es sieben Varianten von Teak bis zu Synthetik-Teak mit verschiedener Holzoptik und einer Varianz von Fugen. Es geht weiter mit verschiedenen Farben für Rumpf, Wasserpass, Sprayhood, Lazy-Bag und Polster, Optionen für Motor und Kiel bis hin zu den Oberflächen im Interieur. Dort ist klassisch dunkel-rötliches Mahagoni Standard, graue kanadische Walnuss eine recht neue Variante und die französische helle Eiche (Testboot) angesagt. Auch für den Fußboden gibt es mit klassischer Streifenoptik und drei verschieden hellen Maserungen einen Angebotsmix von gewohnter und zeitgenössischer Gestaltung. Neu sind farblich in zwei zu wählenden Grautönen abgesetzte Oberschrankfronten. Hinzu kommen noch die Arbeitsplatte in der Pantry (schwarze oder weiße Steinoptik) und ganze 21 verschiedene Polsterbezüge bis hin zu Leder.
Und nicht zuletzt bleibt das Innenlayout in Maßen variabel. Standard sind zwei Kabinen und eine begehbare Backskiste an Steuerbord, die sich auch als Wirtschaftsraum nutzen und bezeichnen ließe. Im Vorschiff ist ein zweites Bad möglich, das jedoch den Zugang in die Koje halbiert. Statt der großen Backskiste kann der Kunde eine zweite Achterkabine ordern. Dann schrumpft die im Standard gigantische Pantry auf Normalmaß. Im Salon gibt es weiterhin die Option auf zwei weitere Kojen: Dazu lässt sich dann der mittlerweile wieder gut bemessene Navigationstisch absenken, mit einem Polster belegen und so die Koje verlängern. Gegenüber wird der Salontisch abgesenkt – ein Arrangement für 2368 Euro, das zwei bis drei Notschlafplätze schafft und so die zweite Achterkabine ersetzen kann – oder die Zahl der Kojen auf satte acht hochschraubt.
Die Standard-Achterkabine an Backbord ist auf Wohlfühl-Volumen getrimmt. Keine Backskiste ragt in den Kabinenhimmel, die den Fußraum beeinträchtigt und optische Enge vermittelt. Fenster in Rumpf und Aufbau sowie ein zu öffnendes zum Cockpit hin gefallen. Der Schrankraum ist ordentlich bemessen, die offene Ablage jedoch zu klein und vor allem zu flach für die Nutzung auf See. Die der Kabine geopferte Backskiste wird durch zwei Stauräume im Cockpitboden teilweise kompensiert, und es gibt eine dritte in der Ducht an Steuerbord. Dennoch: In der Dreikabinenversion wird man zwar Leinen, Fender und andere Dinge in den drei Staukisten unterbekommen; Zusatzsegel, Cockpitpolster oder Klappräder müssten aber in einer der Kammern mitsegeln.
Die Hanse 388 wirkt in der Testversion innen einerseits hell und freundlich sowie andererseits dennoch gemütlich und schiffig genug, besonders im Vergleich zur früheren Version, die mit einem weißen Hauptschott daherkam – reine Geschmackssache.
Die Verarbeitung gefällt, auch wenn sich zuweilen unschöne Stöße und Übergänge finden, wie sie im Großserienbau unvermeidlich scheinen. Die Installationen jedenfalls sind gelungen, wichtige Dinge wie Seeventile, Sicherungen, Geräte und Anschlüsse gut erreichbar und sauber dokumentiert. Letzteres auch für den Eigner elektronisch zugänglich: Per Hanse-App sind die technischen Dokumente online auf mobilen Endgeräten nutzbar.
Zudem installiert Hanseyachts im Rahmen des Cruising-Paketes diverse Geber an Bord, die verschiedene Alarme auf dem Smartphone des Eigners auslösen können oder gewisse Überwachungen beispielsweise von der Batteriespannung zulassen. Der Dienst selbst ist in den ersten beiden Jahren kostenlos.
Windgeschwindigkeit: 11–13 kn (4 Bft), Wellenhöhe: glattes Wasser
Mit Selbstwendefock ist die Hanse für wenig Wind etwas untertakelt
1: Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V)
Gemessen in Marschfahrt (80 % der Höchstdrehzahl):6,0 kn, 2.400 min -1
Leichte Bedienbarkeit, gute Leistung und gehobener Wohnkomfort sprechen für die Hanse 388. Sie ist in Summe aller wichtigen Belange ein gutes modernes Boot mit einem konkurrenzfähigen Preis, das sich dazu durch eine hohe Individualisierbarkeit auszeichnet
Handauflegeverfahren. GFK-Sandwich mit Balsaholzkern. Isophthalsäure-Gelcoat, erste Laminatlage mit Vinylesterharz. Unterwasserschiff Volllaminat. Schotten mit Winkellaminat. Rumpf-Deckverbindung teillaminiert
208.131 Euro, brutto inkl. 19 % Mehrwertsteuer (Stand Juni 2023)
Dieser Test erschien in YACHT-Ausgabe 23/2019 und wurde von der Redaktion im Juni 2023 überarbeitet.