Der neuartige „Roll on Roll off"-Frachtsegler, die „Neoliner Origin", ist am Donnerstag zu ihrer ersten Atlantiküberquerung aufgebrochen. Das teilte die in Nantes ansässige Reederei Neoline mit. In acht Tagen soll das 136 Meter lange Frachtschiff mit Segeln als Hauptantrieb den Atlantik überqueren und den Hafen von Saint-Pierre et Miquelon in Kanada erreichen.
Von dort aus setzt das Schiff seine Reise vier Tage später nach Baltimore fort, wo es am 29. Oktober ankommen soll. Danach geht es weiter nach Halifax, bevor der Frachtensegler die Heimreise antritt. Diese Strecke wird zukünftig regelmäßig befahren.
Mit einem Hybridantrieb aus Segeln sowie Elektro- und Dieselmotor soll der Verbrauch fossiler Brennstoffe um über 80 Prozent gesenkt werden können. Die Treibhausgasemissionen könnten sogar um 90 Prozent reduziert werden. Die beiden Großsegel aus speziell entwickeltem Carbon entfalten sich wie ein Akkordeon.
Das Schiff besitzt insgesamt 3.000 Quadratmeter Segelfläche, bestehend aus zwei Großsegeln mit je 1.050 Quadratmetern und zwei weiteren Segeln à 450 Quadratmeter. Dadurch sind Geschwindigkeiten von etwa elf Knoten erreichbar. Die Masten, die rund 90 Meter hoch sind, können eingeklappt werden, wodurch die Gesamthöhe auf ca. 42 Meter reduziert wird – ein entscheidender Vorteil bei Hafeneinfahrten mit Brückenbegrenzungen.
Hinter dem Segler steht das französische Unternehmen Neoline, das von Schifffahrtsexperten gegründet wurde. Das Ziel: Mithilfe von Segeln soll der Container-Transportmarkt signifikant weniger Emissionen ausstoßen. Die „Neoliner Origin" ging im Januar 2025 in Istanbul zu Wasser. Gebaut wurde sie in der RMK-Werft. Rund 700 Ingenieure waren am Bau des 136 Meter langen Schiffs beteiligt. Mehr als zwölf Jahre Entwicklungsarbeit stecken laut Reederei in dem Projekt.
Michel Pery, Mitbegründer von Neoline, erklärt die Herausforderungen, die zu meistern waren, wie folgt:
Ein Handelsschiff muss zuverlässig sein; wir können nur ausgereifte Lösungen übernehmen. Wir können es uns nicht leisten zu experimentieren. Also haben wir uns angesehen, welche Technologien ausgereift und leicht verfügbar waren, und abgesehen von den Segeln gab es nicht viel.
Jean Zanuttini, ebenfalls Mitbegründer von Neoline und Präsident des Unternehmens, nennt drei Schritte, die hinter dem Projekt stehen. Der erste sei, auf Windkraft als Hauptantrieb zu setzen. Dadurch sei man insgesamt langsamer, könne aber die benötigte Energie beinahe halbieren. Hinzu komme ein intelligentes Routing, das es ermöglicht, mehr auf Segelkraft zu setzen.
„An Land setzen wir, als zweiten Schritt, auf Landstrom", erklärt Zanuttini. Zusätzlich gebe es Batterien an Bord, deren Kapazität in Zukunft ausgebaut werden soll. Dann sollen auch Hafenmanöver und Fahrten bei Flaute elektrisch durchgeführt werden können. Im dritten Schritt soll der Diesel durch alternative Kraftstoffe ersetzt werden. Wasserstoff könnte an dessen Stelle treten. So könnte Elektrizität produziert werden, die dann für den Antrieb genutzt wird.
Zur Konkurrenzfähigkeit mit regulären Containerschiffen sagt Zanuttini:
Dieses Schiff ist eines der größten Segelfrachtschiffe, die jemals gebaut wurden. Es ist eindeutig wettbewerbsfähig gegenüber Schiffen gleicher Größe; wir können beweisen, dass unsere Kosten ungefähr gleich sind.
Das Schiff habe zwar deutlich mehr Equipment, Segel und hybride Motoren, aber das halte sich in der Balance mit einem deutlich niedrigeren Bedarf an Treibstoffen.
Eine Herausforderung sei jedoch, dass bei transatlantischen Transporten andere Schiffe wesentlich größer seien und entsprechend niedrigere Preise anbieten könnten. Diesen Nachteil wolle man auffangen, indem vor allem Kunden aus dem unmittelbaren Umfeld der Start- und Zielhäfen angesprochen werden. Dadurch sollen die Transportwege an Land kürzer und die Kostendifferenz überwunden werden.
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Bereits von Anfang an war eine Reihe namhafter Unternehmen an dem Projekt beteiligt. Neben Renault und Spirituosen-Herstellern wie Hennessy, Remy Cointreau ist auch die französische Beneteau-Gruppe sowie Longchamp involviert. Sowohl Longchamp als auch Hennessy wollen ihre Produkte mithilfe der Frachtsegler transportieren, wie Unternehmensvertreter beim Launch des Bootes Anfang des Jahres in Istanbul sagten.
Sie betonen den Wunsch, den Ausstoß von Treibhausgasen beim Transport der Waren zu reduzieren. Im Fall von Hennessy geht es auch darum, zu den Ursprüngen zurückzukehren. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurden Hennessy-Flaschen per Segelschiff in die USA transportiert. Der Heimathafen der „Neoliner Origin" ist Saint-Nazaire in Frankreich.
Für den optimalen Einsatz der Segel und die ideale Route verwendet das Schiff ein spezielles Wetter-Routing-System. Dieses wurde vom französischen Unternehmen D-ICE Engineering entwickelt . Dieses System ermöglicht es, Wetterbedingungen vorherzusagen und die Route entsprechend anzupassen, um die Segelkraft optimal zu nutzen.
Laut Zanuttini sei dies ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts, da es ermögliche, mehr auf Windkraft zu setzen und dadurch den Einsatz des Hilfsmotors zu minimieren. Durch die intelligente Routenplanung könne die „Neoliner Origin" trotz ihrer geringeren Geschwindigkeit im Vergleich zu konventionellen Frachtschiffen eine zuverlässige und umweltfreundliche Alternative darstellen.
Mehr Infos zu dem Projekt finden Sie hier.