Jochen Rieker
· 02.09.2024
Es ist in vieler Hinsicht ein besonderes Jahr für den Bootsbau. Nach einer auch Pandemie-bedingten Phase mit prall gefüllten Auftragsbüchern segelt die Branche wirtschaftlich inzwischen in deutlich leichterer Brise. Das lässt sich an der Zahl der Neuheiten ablesen, die sich fast halbiert hat – und in der Folge auch an den Nominierungen für Europas Yacht des Jahres.
Nur 12 Kandidaten traten im vorigen Herbst zur weltweit wichtigsten Bestenwahl an, so wenige wie noch nie. Beneteau, der unangefochtene Spitzenreiter unter den Titelträgern, war erst gar nicht vertreten, weil er keine neuen Modelle anbietet. Vier Boote schafften es nicht an den Start, weil es Verzögerungen beim Bau oder logistische Engpässe gab. Auch das ein Negativrekord - es war die größte Zahl an No-Shows jemals.
Der Mangel an Masse lässt sich freilich verschmerzen, weil er keineswegs mit einem Mangel an Klasse korrespondiert, wie die Vorstellung der Teilnehmer belegt. Vielmehr erscheinen die qualifizierten Boote durch die Bank hochattraktiv, und zwar in der Breite wie in der Spitze.
Großserien-Hersteller wie Dufour, Hanseyachts oder Jeanneau sind mit innovativen Volumenmodellen ebenso vertreten wie arrivierte Luxusmarken oder Spezialwerften mit Yachten, die auf die Anforderungen kleiner Zielgruppen zugeschnitten sind. Interessant dabei ist, dass alternative Antriebe eine zunehmende Verbreitung finden. Ein Drittel der Nominierten wird bereits mit E-Motoren angeboten – entweder im Standard wie bei der Sunbeam 29.1, oder als Option wie bei Tofinou 7.9, Hanse 360 und Dufour 44.
Die Auswahl für Europas Yacht des Jahres traf eine Fachjury unter Leitung der YACHT, die sich aus den Chefredakteuren und Testchefs der zwölf führenden europäischen Segelmagazine zusammensetzt. Alle Kandidaten mussten sich mehrtägigen Tests stellen: im September vor Kiel-Schilksee und Ende Oktober vor Palma de Mallorca. Die Sieger werden am Samstagabend im Rahmen der Flagshipnight auf der boot Düsseldorf gekürt.
Das kleinste Boot unter den Nominierten ist zugleich auch das am vielfältigsten nutzbare: Mit aufgeholtem Ballastschwert und Ruder geht die im knuffigen Retro-Look gestaltete Britin gerade mal 25 Zentimeter tief, lässt sich also in flachen Uferzonen slippen. Dank Carbonrigg mit Dyneema-Wanten geht auch das Maststellen leicht von der Hand. Bleibt der 400 Liter fassende Wasserballasttank leer, verfügt die BayCruiser über ein sehr gutes Leistungsgewicht für Leichtwind (Segeltragezahl 5,2). Sie verträgt aber auch mehr Druck, wie sie vor Strande eindrucksvoll unter Beweis stellte. Rumpflänge: 6,01 m; Gesamtlänge: 6,01 m; Wasserlinienlänge: 5,67 m; Breite: 2,18 m; Tiefgang: 0,25–1,50 m; Gewicht ohne/mit Wasserballast: 0,6/1,0 t; Segelfläche: 19,0 m2; STZ/m. Wasserballast: 5,2/4,4; Preis: ab 41.350 Euro.
Wie die direkte Konkurrentin aus Holland, die Saffier Se 24 Lite, vereint die Französin atemberaubend schöne Linien mit agilen Segeleigenschaften. Sie interpretiert das Konzept eines modernen Daysailers sogar noch konsequenter, indem sie praktisch keinen Ausbau bietet: Unter Deck gibt es nichts als unverkleidetes Topcoat und eine schmale V-Koje. Dafür kann man die Tofinou mit Schwenkkiel und Doppelrudern ordern. Als Antrieb dient ein Elektropod, ein Außenborder oder ein Diesel, allenicht im Preis enthalten. Rumpflänge: 7,16 m; Gesamtlänge: 7,95 m; Wasserlinienlänge: 6,40 m; Breite: 2,30 m; Tiefgang/alt.: 1,69/0,80–1,94 m; Gewicht: 1,2 t; Segelfläche: 28,0 m2; STZ: 5,0; Preis: ab 98.060 Euro.
Die Werft vom oberösterreichischen Mattsee bleibt ihrer neuen, avantgardistischen Designphilosophie treu. Allerdings wirkt die 29.1 zurückhaltender als ihre allzu polarisierende Schwester, die 32.1. Anders als diese, versucht sie sich nicht als Alles-in-einem-Boot, ist also mehr Daysailer als kleine Fahrtenyacht - obwohl das luftige Interieur auch für kurze Törns zu zweit reicht. Dafür zeigt sie sich temperamentvoll, ist sehr sauber verarbeitet und gut ausgestattet: E-Motor und Schwenkkiel sind hier Serie. Rumpflänge: 8,50 m; Gesamtlänge: 8,99 m; Wasserlinienlänge: 7,90 m; Breite: 2,49 m; Tiefgang: 0,85–1,85 m; Gewicht: 2,3 t; Segelfläche: 47,0 m2; STZ: 5,2; Preis: ab 148.630 Euro.
Die Preissteigerungen bei Rohstoffen, Komponenten und Löhnen haben das einst beliebteste Marktsegment um zehn Meter Rumpflänge unter Druck gebracht. Jeanneau ließ sich davon nicht beirren und entwickelte mit der 350 dennoch ein neues Modell. Es wirkt in der Grundausstattung sehr reduziert, lässt sich aber über Optionspakete sowohl in Sachen Fahrtenkomfort als auch in puncto Leistung attraktiver gestalten. Und es gibt sogar gleich drei Kielvarianten. Mehr Variabilität aus Großserie bietet niemand. Rumpflänge: 9,99 m; Gesamtlänge: 10,94 m; Wasserlinienlänge: 9,38 m; Breite: 3,59 m; Tiefgang: 1,99/1,49/1,28–2,54 m; Gewicht: 5,7 t; Segelfläche: 55,0 m2; STZ: 4,1; Preis: 162.790 Euro.
Wer ein Raumwunder unter elf Meter Länge sucht, hier ist es: Die neue Hanse 360 holt aus der vorn und achtern weit aufgekimmten Rumpfform und ihrer schieren Breite mehr Volumen als alle direkten Wettbewerber. Aber die Entwickler gingen noch weiter und erlauben Eignern maximale Konfigurationsmöglichkeiten: zwei oder drei Kabinen, eine oder zwei Nasszellen, Diesel- oder E-Antrieb, dazu diverse Optionen bei Rigg- und Segelplan. Diese Fülle an Varianten führt zwar leicht zu Komplettpreisen nahe 300.000 Euro, aber auch zu sehr individuellen Booten. Rumpflänge: 10,60 m; Gesamtlänge: 11,32 m; Wasserlinienlänge: 10,29 m; Breite: 3,99 m; Tiefgang/alt.: 2,05/1,65 m; Gewicht: 7,8 t; Segelfläche: 60,0 m2; STZ: 3,9; Preis: 221.220 Euro.
Wie wenige andere Marken hat J/Boats es stets vermocht, seine Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit zu wahren. Das beweist die neueste Konstruktion einmal mehr. Sie ist schlanker als der Wettbewerb, der Freibord flacher, und der Rumpf verjüngt sich nach achtern anmutig. Das lässt die J/40 zeitlos elegant wirken. Im Exklusivtest der YACHT zeigte sie sich am Wind chirurgisch präzise, schnell und auch raumschots temperamentvoll. Unter Deck ist sie wohnlicher als ihre Vorgängerin. Dennoch bleibt sie ungeachtet des hohen Ballastanteils einigermaßen leicht, die Segeltragezahl hoch. Rumpflänge: 12,47 m; Gesamtlänge: 13,21 m; Wasserlinienlänge: 11,26 m; Breite: 3,86 m; Tiefgang/alt.: 2,20/1,92 m; Gewicht : 7,7 t; Segelfläche: 96,0 m2; STZ: 5,0; Preis: 398.430 Euro.
Konzipiert in Schweden, gebaut in Estland, sucht diese Pilothouse-Yacht am Weltmarkt ihresgleichen. Ihr Retrodesign wirkt stimmig, ihr Kajütlayout ist wie geschaffen für lange Ozeanpassagen oder unvergessliche Momente vor Anker auch dann, wenn die Sonne mal nicht scheint. Und wer sich beim Blick auf den Preis verwundert die Augen reibt, sollte bedenken: Die Heyman 42 kommt mit B&G-Navigationssystem, elektrischen Winschen und Furlern, Bugstrahler und vielen weiteren Ausstattungsmerkmalen, die anderswo nur in der Optionsliste stehen. Rumpflänge: 12,66 m; Gesamtlänge: 13,52 m; Wasserlinienlänge: 11,83 m; Breite: 4,30 m; Tiefgang: 1,48–3,02 m; Gewicht: 11,4 t; Segelfläche: 91,2 m2; STZ: 4,2; Preis: 812.770 Euro.
Heyman 34 Sport: Weit weg vom Mainstream
Der Weltmarktführer bei Fahrten-Kats ersetzt sein mehr als 1.000-mal produziertes Erfolgsmodell, den Lagoon 42. Bei fast unveränderten Maßen definiert der 43 seine Klasse neu. Breitere Rümpfe erlauben größere, wohnlichere Kabinen und eine Eignerkammer mit Doppelkoje vorn statt achtern. Der Salon ist so konzipiert, dass sich die Sitzgruppen innen und außen zu einer langen Tafel kombinieren lassen. Der Newcomer soll auch besser segeln als sein Vorgänger, der als Vierkabiner im Programm bleibt. Rumpflänge: 12,82 m; Gesamtlänge: 13,85 m; Wasserlinienlänge: k. A.; Breite: 7,69 m; Tiefgang: 1,40 m; Gewicht: 13,3 t; Segelfläche: 105,0 m2; STZ: 4,3; Preis: 593.810 Euro.
Möglichst viel Lebensraum an wie unter Deck soll die Neue von Dufour bieten, und das nicht zulasten des Segelvergnügens. Im YACHT-Test hat sie das bereits unter Beweis gestellt. Obwohl der Rumpf selbst für heutige Maßstäbe sehr voluminös geriet, gab sich die 44 unter Segeln agil und dynamisch. Während die Großserien-Konkurrenz fast durchweg zwei Fuß mehr in der Länge misst, fehlt es ihr nicht an bewohnbarer Fläche, was auch an dem innovativen Salon-Layout mit erweiterbarem Sechseck-Tisch liegt. Rumpflänge: 13,10 m; Gesamtlänge: 13,90 m; Wasserlinienlänge: 12,23 m; Breite: 4,45 m; Tiefgang/alt.: 2,20/1,75 m; Gewicht: 11,0 t; Segelfläche: 4,2 m2; STZ: 4,2; Preis: 353.430 Euro.
Erst wenige konnten sie schon segeln. Aber alle, die das Vergnügen hatten, waren schwer begeistert von dem derzeit jüngsten Racer/Cruiser von Nautor. Konstruiert hat ihn der fürs Sportprogramm der Finnen verantwortliche Juan Kouyoumdjian, der an sich schon für Exzellenz und Rasanz steht. Im Prinzip ist die ClubSwan 43 eine gar nicht mal so viel kleinere, zugänglichere Version der CS 50 für One- Design- wie ORC-Regatten. Modulares Interieur, großer Kohlefaseranteil, sehr hoher Preis. Rumpflänge: 13,10 m; Gesamtlänge: 14,56 m; Wasserlinienlänge: 13,10 m; Breite: 4,25 m; Tiefgang: 2,40 m; Gewicht: 7,8 t; Segelfläche: 118,2 m2; STZ: 5,5; Preis: 975.800 Euro.
Knapp zwei Jahre ist es erst her, dass der Nautitech 44 in einem stark besetzten Feld gegen sechs andere Kats antrat und souverän den Titel holte. Kann das neue Flaggschiff der französischen Werft einen weiteren Sieg einfahren? Das Konzept jedenfalls ist dasselbe: Der 48 Open vereint viel Leistung mit reichlich Platz und Komfort. Zwei Steuersäulen, achtern ganz außen an den Rümpfen montiert, erlauben aktives Rudergehen. Der Segelplan ist üppig, der Tiefgang für einen Katamaran ebenfalls, die Rumpflinien erlauben leichtes Angleiten. Rumpflänge: 14,67 m; Gesamtlänge: 15,43 m; Wasserlinienlänge: 14,94 m; Breite: 7,97 m; Tiefgang: 1,55 m; Gewicht: 13,5 t; Segelfläche: 135,5 m2; STZ: 4,9; Preis: 1.189.760 Euro.
Die neue Contest ist schon mehr Super- als Luxusyacht. Styling und Finish heben sie weit über alles Gewöhnliche. Zugleich glänzt die Judel/Vrolijk-Konstruktion mit variablem Rigg und Segelplan, sehr hohen Stabilitätsreserven, einer gelungenen Cockpitaufteilung sowie einem Kajütlayout mit zwei identischen Gästekabinen mittschiffs, das in dieser Größenklasse einmalig ist. Profi-Crew braucht die 63CS nicht; es gibt aber auf Wunsch eine Skipper-Kabine im Bug. Rumpflänge: 19,29 m; Gesamtlänge: 20,54 m; Wasserlinienlänge: 17,85 m; Breite: 5,50 m; Tiefgang: 2,90 m; Gewicht: 31,9 t; Segelfläche: 212,0 m2; STZ: 4,6; Preis: 3.448.620 Euro.