Newcomer und Nischenanbieter dominieren diesmal unter den Preisträgern. Bei der feierlichen Verkündung im Rahmen der Flagship Night, die der Delius Klasing Verlag gemeinsam mit der boot Düsseldorf zum Messeauftakt veranstaltet, stand nur ein Großserienhersteller auf der Bühne. Mit der C46 reihte sich Bavaria in die Riege der Gekrönten ein. Für die Bootsbauer aus Giebelstadt ist es erst der dritte Sieg, seit der European Yacht of the Year Award vor 21 Jahren erstmals nach dem bis heute einzigartigen Verfahren vergeben wurde.
Ansonsten machten Neuentwicklungen kleinerer, spezialisierter Werften das Rennen – die sich in ihrem jeweiligen Marktsegment gleichwohl schon lange einen exzellenten Ruf erarbeitet haben. Zwei davon sind quasi Seriensieger: Saffier aus Holland, führend bei Daysailern, und Outremer, eine Macht bei schnellen Fahrten-Katamaranen. Beide kommen mit den jüngsten Erfolgen auf je fünf Titel; zusammen haben sie inzwischen so viele Bootsbau-Oscars in der Vitrine stehen wie Beneteau, weltweit die Nummer eins der Yachtbranche.
Erfreulich: Unter den 21 Nominierten dieses Jahrgangs war erstmals seit Längerem wieder mehr als ein Drittel um oder deutlich unter elf Meter Rumpflänge; bei den Preisträgern sind es zwei von fünf Booten. Der Trend zu großen, teuren Yachten bleibt dennoch ungebrochen. Mehr und mehr entfernen sich die Hersteller damit vom Gros der Segler, weil nur noch so auskömmliche Margen erzielbar scheinen. Auch semantisch wird aufgerüstet: Großserien-Modelle stehen inzwischen als vermeintliche „Luxuskreuzer“ im Prospekt.
Es gibt aber auch positive Trends. So ist Nachhaltigkeit nicht mehr nur ein Etikett, sondern zunehmend Programm, wie die Bestevaer 36 oder die Sun Fast 30 OD beispielhaft zeigen.
Die einst zweitgrößte Werft der Welt hat sich jahrzehntelang vor allem über günstige Preise definiert. Jetzt setzt sie anderweitig Maßstäbe
Dass sich etwas verändert hat, bewiesen die Bootsbauer aus dem fränkischen Giebelstadt schon vor drei Jahren. Damals gewann, nach langer Pause, die von Maurizio Cossutti konstruierte C42 mit überwältigender Deutlichkeit den Titel Europas Yacht des Jahres. Nun legt die C46 nach, und sie setzt sich trotz namhafter und zahlreicher Konkurrenz erneut klar ab. Denn obwohl sie dem gleichen Grundkonzept folgt, legt sie in vielen Punkten die Latte noch einmal deutlich höher als die 2021 siegreiche Schwester.
So hat nicht nur die Qualitätsanmutung spürbar gewonnen, sondern auch die Gestaltung und Aufteilung an wie unter Deck. Die C46 zählt zu den variantenreichsten Booten der Klasse, und sie weiß in praktisch jeder Konfiguration zu überzeugen – ob als auf Eignerwunsch hin optimierte Drei-Kabinen-Version mit besonders hohem Nutz- und Stauraumanteil oder als Charterboot mit bis zu zehn Kojen in fünf Kammern nebst drei Nasszellen. Dabei profitiert sie von dem breiten, schon im Vorschiff besonders voluminösen Rumpf. Anders als bei ihrer Vorgängerin, der C45, gibt es achtern keine Dingi-Garage mehr; das Beiboot wird an versenkbaren Davits gefahren. Gut so! Denn dadurch lässt sich das Raumangebot wesentlich sinnvoller nutzen.
Optisch wirkt die Neue weniger gedrungen als die kleineren Modelle der jüngsten Serie, C38 und C42. Zwar bleibt der Freibord hoch und der Bugbereich füllig. Doch der flache, schiere Aufbau streckt die Linien, zumal der fast nahtlos integrierte Bugspriet das Deck auch visuell verlängert. So vermittelt die 14-Meter-Yacht eine fast schon mediterrane Eleganz – und schließt damit die Lücke zum Wettbewerb, dem sie substanziell voraus ist. Kein Quietschen, kaum Knistern auch bei viel Druck und Welle. Zudem zeigt sich die C46 dank überdurchschnittlich hoher Segeltragezahl auf See erfreulich lebendig. Eine würdige Siegerin!
Und das, obwohl der Basispreis täuscht: Realistisch muss man mit an die 500.000 Euro für ein angemessen ausgerüstetes Boot kalkulieren.
Toby Hodges von „Yachting World“ erklärt den Triumph der C46 mit deren Substanz: “Bavaria hat ihre Qualität so weit gesteigert, dass andere große Werften nur schwer mithalten können.”
Joakim Hermansson von „Praktiskt Båtägande“ in Schweden lobt: “Sie zu segeln macht einfach Spaß!”
Die renommierte, bisher aber eher konservative Marke aus Schweden macht mit diesem Boot einen deutlichen Sprung – nach oben wie nach vorn
Selbst in nordeuropäischen Gewässern sieht man nicht alle Tage eine Arcona. Und wenn, dann meistens von achtern. Bislang ließen sich die Schwedinnen trotz oder wegen des Status einer Ausnahmeerscheinung leicht identifizieren: mit heute fast schon klassisch anmutenden Proportionen, niedrigem Freibord und vergleichsweise schmalen Enden. Nun, das ist vorbei!
Das neue Flaggschiff, die Arcona 50, bringt einen Innovationssprung. Kaum etwas verbindet sie mit ihren kleineren Schwestern. Vielmehr ähnelt sie auf fast brüske Weise den Modellen der X-Pure-Reihe von X-Yachts, vor allem der X 4.9. Kein Wunder: Der Konstrukteur ist derselbe. Niels Jeppesen, Mitbegründer und jahrzehntelang Mastermind der dänischen Konkurrenz, wechselte nach seinem Abschied in Haderslev nordwärts Richtung Uddevalla, wo er seine Philosophie von einem schnellen Fahrtenboot der gehobenen Klasse kaum verändert in der Arcona 50 neu aufleben ließ.
Allerdings: Trotz der optisch frappierenden Nähe haben Jeppesen und seine Design-Partnerin Ariadna Pons keine bloße Kopie gezeichnet. Die Arcona hält konstruktiv wie stilistisch Abstand. Bei deutlich höherem Preis wirkt sie einerseits in der Linienführung reduzierter, leichter, graziler, ist andererseits technisch jedoch noch ausgefeilter. So bestehen Schotten, Türen, Tische, Bodenbretter und Niedergang aus Sandwich-Laminat, teils mit ultraleichtem Wabenkern. Die Kielfinne ist schmaler und strömungsgünstiger geformt als üblich. Der Bugspriet sitzt tiefer, was ein paar Prozent mehr Segelfläche im Code Zero und Gennaker bringt.
Dieses extreme Bemühen um Mehrwert macht die Arcona 50 nicht nur der Theorie nach zu einer besonderen Erscheinung. Es ist überall zu greifen. Im Segment der luxuriösen Fahrtenboote vermittelt sie einen seltenen Reifegrad – zumal unter Segeln, wo sie bei Leicht- und Mittelwind vor La Rochelle schlichtweg dem gesamten Feld enteilte.
“Alles an ihr ist perfekt gestaltet und gebaut. Und erst die Geschwindigkeit … so beeindruckend!“, schwärmt „Voiles & Voiliers“-Testchef Sébastien Mainguet aus Frankreich.
Axel Nissen-Lie von „Seilmagasinet“ beschreibt die Arcona als „Ballkönigin“; sie sei „ein Fest für die Augen“.
Noch nie musste sich die Werft gegen so viele und starke Kontrahenten durchsetzen. Der jüngste Sieg wiegt umso mehr
Die Holländer sind mit Europas Yacht des Jahres groß geworden. Ihr erster Titel liegt 15 Jahre zurück, und seither eilt die Werft von Erfolg zu Erfolg. Der wohl wertvollste ist der aktuelle. Denn er war am schwersten zu erringen. Das liegt allein schon daran, dass die Se 24 Lite das kleinste Boot der modernen Daysailer-Linie ist – ein Format, das ökonomisch wenig Spielraum lässt, ästhetisch wie technisch keine Fehler verzeiht und obendrein sehr gewichtssensibel ist. Aber genau solche Herausforderungen lieben Dean und Dennis Hennevanger.
Mit ihrem leichten, flachen Speedster haben sie voll ins Schwarze getroffen, wie schon zuvor mit der Se 27 und Se 33. Nein, mehr noch! Die Neue ist aufwändig gebaut, aber im Cockpit-Layout simpler konzipiert. Das spart Gewicht und vereinfacht die Bedienung, ohne es an irgendetwas vermissen zu lassen – zu allerletzt am Essenziellsten, dem Segelvergnügen. Das ist schlichtweg riesig, egal ob bei Leichtwind oder Brise.
Für Diego Yriarte von „Náutica y Yates“ ist die Saffier „ein kleines Juwel“
Für Pasi Nuutinen aus Finnland „alles vom schnurrenden Kätzchen bis zum frechen Kater“.
Morten Brandt Rasmussen von „Bådmagasinet“ konstatiert: „Clevere Konstruktion und tadellose Handwerkskunst festigen Saffiers Vorherrschaft auf dem Markt für Daysailer.“
Schnell, schlau konzipiert, bequem – dieser Performance-Kat überzeugt in jeder Hinsicht. Bis auf die drei Jahre lange Lieferzeit
Es gibt derzeit und wohl noch auf Jahre keine andere Yacht in der Preisklasse jenseits von 1,5 Millionen Euro, die sich in so großen Stückzahlen verkauft wie der neue Outremer. Selbst im von Erfolgen verwöhnten Mehrrumpfmarkt stellt der von VPLP konstruierte Katamaran eine Ausnahmeerscheinung dar. Wer heute einen bestellt, muss sich drei Jahre gedulden.
Kein Wunder! Er ist zwar nicht perfekt, weil Boote stets zu gewissen Zugeständnissen zwingen. Hier allerdings fand die ausgeprägt nickelige Jury auch nach mehrtägiger akribischer Prüfung statt schlechter Kompromisse fast durchweg Ausgewogenheit und Harmonie.
Der Outremer ist ein Sowohl-als-auch-Kat: relativ leicht, dennoch stark und stabil genug, um ihn hoch am Wind mit gut acht Knoten unbeeindruckt gegen steile Seen anrennen zu lassen; reduziert in der Wasserlinienbreite und in der Aufbauhöhe, weil er den überbordenden Trend zu erhöhten Steuerständen oder gar einer Flybridge nicht mitgeht, und doch geräumig genug für lange Seereisen mit großer Crew; er ist raumschots fast doppelt so schnell wie schwere Großserien-Modelle, ohne Nervosität zu vermitteln. Kurz: das erfreulichste, weil mobilste Ferienhaus auf dem Wasser, das man sich vorstellen kann.
Die auf Wunsch erhältliche Pinne sollte man sich sparen; sie wirkt unpräzise und muss jedes Mal ein- oder gekuppelt werden. Ansonsten aber kann man mit dem Outremer 52 sehr, sehr glücklich werden.
„Der Outremer ist Langfahrtyacht, Küstenkreuzer und Performance-Cruiser in einem“, resümiert Marinus van Sijdenborgh de Jong vom holländischen Magazin „Zeilen“.
Pasi Nuutinen von „Vene“ in Finnland findet, dass der 52 „gut für die Crew sorgt, wie unter anderem die innovative, mehrfach verstellbare Steuersäule verdeutlicht“.
KM Yachtbuilders aus Holland haben die ökologisch interessanteste Neuheit des Jahres gebaut – auch, weil sie bewusst kompakt ist
Während die meisten Werften immer größere, voluminösere Yachten entwicklen, ging Konstrukteur Gerard Dykstra bei der Bestevaer 36 den genau umgekehrten Weg. Der Altmeister des Designs, berühmt für seine J-Class-Entwürfe, zeichnete ein langfahrttaugliches Boot im menschlichen Maß, das sich noch komplett von Hand bedienen lässt – ohne E-Winschen und Hydraulik. Dass sie ein Muster für nachhaltigen Yachtbau wurde, verdankt die kleine Bestevaer auch, aber nicht nur, dem Downsizing-Prinzip.
Tatsächlich geht sie in vielen anderen Punkten sehr viel weiter als bisher üblich in der Bootsbranche. Rumpf und Deck bestehen aus überwiegend recyceltem Aluminium. Das Deck bezieht seine Rutschfestigkeit aus der lediglich gestrahlten Oberfläche; es braucht also weder Antirutschfarbe noch -belag. Auf Wunsch wird die Holländerin von einem Oceanvolt-Elektromotor angetrieben; der Akku lässt sich unter Segeln rekuperieren oder mit einem Generator als Range-Extender nachladen. Solbian-Solarzellen mit knapp einem Kilowattpeak Leistung decken den laufenden Strombedarf. Selbst bei Segeln (Elvstrøm eXRP), dem Vollholz-Ausbau sowie der Dämmung des Rumpfes achtete KM auf geringstmöglichen Ressourcenverbrauch. Das ist nicht nur Marketing. Die Holländer haben die Bestevaer einer umfassenden Lifecycle-Analyse unterzogen und veröffentlichten diese auch. Ein Ansatz, der Schule machen sollte!
„Es gibt Boote, die für einen Nischenmarkt gebaut werden und daher außerhalb ihres Zielpublikums kaum wahrgenommen werden“, stellt Lori Schüpbach fest, Chef der Schweizer „Marina.ch“. „Einige von ihnen verfolgen sehr wertvolle Ansätze – wie zum Beispiel die Bestevaer 36.“