Einige Marken stehen wie kaum andere für eine bestimmte Nische, sie sind stellvertretend für eine ganze Gattung von Schiffen. Zum Beispiel: Hallberg-Rassy gilt unstrittig als die Referenz für gehobenes Blauwassersegeln. Genauso ist X-Yachts exemplarisch für das Performance-Cruising, und Brenta geriet fast schon zum sinnbildlichen Markenzeichen für modernes Daysailing. Und die Themen Offshore-Racing und Fast-Cruising haben ihrerseits mit der Marke Pogo ein sehr populäres Aushängeschild.
Die Werft Pogo Structures aus der Bretagne gibt es seit 1987 unter der Leitung von Gründer und Inhaber Christian Bouroullec. Bekannt und wichtig geworden ist das Unternehmen in Combrit an der französischen Westküste insbesondere durch seine Boote für die Klasse Mini 6.50, welche unter der Bezeichnung Pogo 1, 2 und 3 seit Jahren die Standards bei den schnellen Hochseezwergen setzen, und dies schon in dritter Modellgeneration. Mit immer noch beachtlichen Stückzahlen decken die kleinen Offshore- Racer im Wesentlichen auch das Brot- und Buttergeschäft für die Franzosen ab.
Daneben hat sich Pogo über die Jahre ein nennenswertes Programm an fahrten- und gleichfalls hochseetauglichen Fast-Cruisern aufgebaut, auch Crossover-Boote genannt. Die Linie beginnt mit der gut neun Meter langen Pogo 30 (Test in YACHT 14/ 2013) und reicht bis zur großen 50er mit einer Rumpflänge von über 15 Metern. Dazwischen haben die Bretonen die Reihe weiter aufgefüllt. 2016 wurde die Pogo 36 vorgestellt (Test in YACHT 1/2017) und eben die Pogo 44, welche konzeptionell ihrer kleinen Schwester ganz ähnlich, allerdings zwei Meter länger und 50 Zentimeter breiter ist. Sie wird mittelfristig wohl die Pogo 12.50 ablösen, die seit über zehn Jahren auf dem Markt ist.
Die aktuellen Pogos aus der Reihe „Croisière“, also der fahrtentauglichen Typen, stammen alle aus dem Konstruktionsbüro von Finot/Conq mit einer weitgehend einheitlichen Handschrift. Heißt: Rümpfe mit einer ausgeprägten Aufkimmung und extrem breiten Hecks, doppelte Ruderanlage mit zwei Pinnen im Cockpit sowie leistungsstarkes und weit achtern stehendes Rigg mit enorm viel Segelfläche. Zudem sind alle Pogos mit Schwenkkiel ausgestattet.
Für die 44er hat der Konstrukteur Pascal Conq die Merkmale nochmals deutlich verschärft. Heißt: Die ausgeprägten Chines sind achtern noch stärker abgewinkelt, was zu einer weit eingezogenen Wasserlinie und seitlich langen Rumpfüberhängen führt – dies aber nur bei neutraler Schwimmlage. Schon bei wenig Krängung taucht das Unterwasserschiff in Lee über die Breite bis zur Kimm ein, was für viel Auftrieb sowie eine extrem hohe Formstabilität sorgt; so kann mehr Segelfläche länger gesetzt bleiben. Hinzu kommt die starke aufrichtende Kraft, welcher der Schwenkkiel mit seinem immensen Tiefgang von 3,10 Metern und einem sehr weit unten befindlichen Gewichtsschwerpunkt generiert.
Die Kimmkanten ziehen sich bis weit nach vorn durch, wo sie letztlich in einer ausgesprochen fülligen Frontpartie münden, einer Art Semi-Scow-Bug. Mit der ausgeprägt breiten, aber flachen Nase und dem weit hochgezogenen Vorfuß soll die Pogo über die Wellen hinweggleiten statt hindurchzubrechen. Das zusätzliche Volumen im Vorschiff hilft dem Boot darüber hinaus, bei viel Druck und Krängung weniger über den Bug einzutauchen und damit balancierter, steifer und somit letztlich auch schneller zu segeln, vor allem bei Wellengang.
Die ziemlich radikale Formensprache der Pogo 44 mag vielleicht polarisieren, entspricht aber mehr oder weniger den neuesten Erkenntnissen im Design von modernen Hochsee-Racern. Die jüngsten Konstruktionen der aufregend innovativen Imoca-60- Klasse zum Beispiel mit ihren für lange Schläge raumschots optimierten Rumpfformen haben augenfällig auch für die Entwicklung der Pogo 44 Pate gestanden.
Im kleinen Hafen des malerischen Städtchens Sainte-Marine in der Bretagne, nicht weit von der Werft, sticht die Pogo 44 aus der großen Masse der kleinen und eher unauffälligen Schiffchen hervor. Mit ihren durchaus beeindruckenden Dimensionen speziell am Heck wirkt die imposante Segel-Maschine größer, als sie tatsächlich ist. Immerhin ist das Hinterteil 4,50 Meter breit und entspricht damit der größten Ausladung überhaupt. Für die Manöver im Hafen und beim Einparken in die Box ist das nicht unbedingt ein Vorteil.
Die Maxime bei Pogo heißt: konsequente Gewichtsreduktion. Alle Teile sind im Vakuum-Infusionsverfahren gebaut
Beim Betreten der Werft von Pogo Structures fällt eins sofort auf: Hier riecht es gar nicht so streng nach Polyester und Styrol, wie das bei derartigen Betrieben oft der Fall ist. Das liegt daran, dass Pogo alle GFK-Teile konsequent im Vakuum-Infusionsverfahren herstellt, auch den Schwenkkiel, allerdings nicht als Sandwich-, sondern als dickes Massivlaminat. Wie das genau im Detail gemacht wird, bleibt bei Pogo ein gut gehütetes Geheimnis. Der dennoch vergleichsweise leichte GFK-Kielschaft steckt im untersten Teil in einem Bleikörper, dem eigentlichen Ballastanteil, und wird mit diesem verbolzt. Damit sind etwa 1,95 Tonnen des insgesamt 2,1 Tonnen schweren Kiels (ca. 92 Prozent) an maximal tiefer Stelle installiert, also zwischen 2,00 und 3,10 Meter Tiefgang.
Wie vorab bestellt, bietet der Atlantik für den YACHT-Test perfekte Verhältnisse. Der Südwestwind bläst mit zwischen 15 und 20 Knoten und schiebt dazu eine schöne, lange Dünung vor sich her. Auf einem Schiff wie der Pogo 44 darf man sich bei diesen Bedingungen auf die schnellen Kurse unter Gennaker freuen. Bevor es allerdings so weit ist, geht es erst mal weit gegenan. 7,2 Knoten zeigt die Logge auf der langen Kreuz im Mittel. Das Schiff wendet dabei über 90 Grad, was für einen leistungsorientierten Racer recht viel ist. Obendrein hämmert der flache Rumpf mit der fülligen Front bisweilen recht hart in die anlaufenden Wellen. Kreuzen ist nicht unbedingt die Paradedisziplin der Pogo 44 bei Wind und Wellen.
Andererseits profitiert das Boot hart am Wind von seiner enormen Formstabilität und viel aufrichtendem Moment. Die Pogo segelt auffällig steif und aufrecht und steckt auch Böen leicht weg, ohne dass man ständig die Segel nachtrimmen muss. Auf langen Seereisen ist die hohe Stabilität unter Segeln generell ein großer Vorteil insbesondere für mehr Komfort an Bord.
Für den Weg zurück wird ein Gennaker mit 165 Quadratmetern im Strumpf bis ganz in den Masttopp gezogen. Dann heißt es: Festhalten! Die Pogo 44 beschleunigt wie eine kleine Gleitjolle, feuert los, als hätte sie Hafendrang. Schnell stehen zweistellige Werte auf der Logge, und schon kommt auch der füllige Bug hoch. Leicht und locker lässt sich das immerhin knapp 13 Meter lange Schiff durch und über die Wellen steuern, es reagiert sofort auf die Lenkimpulse an der Pinnensteuerung. 14,3 Knoten in voller Gleitfahrt registriert die Logge als Tagesrekord beim YACHT-Test, von bis zu 18 Knoten Speed berichten die Leute von Pogo als Bestleistung bei noch mehr Wind. Das sind beeindruckende Werte!
Das Layout im Cockpit ist geprägt von einer klaren Zweiteilung. Alle Fallen, Schoten und Trimmleinen werden vorn bedient, direkt am Niedergang. Und das sind nicht wenige. Für insgesamt 18 Funktionen (inklusive Groß- und Vorsegelschoten) gibt es links und rechts vom Niedergang insgesamt vier große Winschen, welche die Mannschaft stehend und auf guter Höhe sehr effizient bedienen kann. Auf Wunsch sind zwei davon auch mit elektrischen Antrieben erhältlich. Der Abstand zwischen den Trommeln und den Stoppern ist außerdem groß genug, damit alle Leinen wahlweise über die eine oder über die andere Winsch gefahren werden können. Auf diese Weise blockieren sich die Funktionen während der Manöverabläufe nicht. Insgesamt ist das Layout im vorderen Cockpit eher ungewöhnlich, erweist sich aber als sehr funktional und praxisnah – eine gute Lösung.
Ganz hinten sitzt der Steuermann seitlich auf dem Laufdeck oder weiter vorn bequemer und geschützter auf der Cockpitducht. Von beiden Positionen hat er die nahe Pinne gut im Griff, mit oder ohne Ausleger. Außer zu steuern hat er dort aber nicht viel zu tun. Einzig die Trimmleine für den – bei diesem Riggkonzept besonders wichtigen – Traveller liegt in seiner direkten Erreichbarkeit. Zu allen anderen Funktionen am Niedergang hat der Steuermann von seiner Position aus keinen Zugriff.
Wer die Pogo 44 mit kleiner Crew, zweihand oder einhand segeln will, muss sich zwangsläufig einen guten und zuverlässigen Autopiloten einbauen lassen. Dieser ist zweifellos Teil des Konzepts und müsste eigentlich auch schon zum Standard-Lieferumfang gehören. Anstelle von zwei Pinnen würde Pogo Structures die neue 44er auch mit zwei Steuerrädern bauen können.
Das Rigg steht ungewöhnlich weit achtern, ziemlich genau in der Mitte der Rumpflänge. Damit ist die nur kurz überlappende Genua (bei den Franzosen Solent genannt) im Verhältnis größer als bei herkömmlichen Riggkonzepten. Dazu kommt ein durchgelattetes Großsegel mit weit ausgestelltem Kopfteil (Square- oder Fathead). Weil der Mast mit seinen sehr langen und stark angewinkelten Salingen keine Back- und Achterstagen braucht, hat der Segelmacher für das Großsegel mehr Freiheiten bezüglich Überrundung und Ausstellung im Achterliek.
Im Standard ab Werft kommt die Pogo 44 mit Mast und Großbaum aus Aluminium. Ein Rigg aus Kohlefaser ist für einen Aufpreis erhältlich. Für ein derart leistungsstarkes Schiff wie die Pogo 44 lohnt sich diese zusätzliche Investition auf jeden Fall – nicht nur, weil der Carbonmast mit Rodwanten leichter, sondern weil er auch deutlich steifer ist als das Alu-Profil. Für diesen speziellen Riggplan ohne Achterstag ist das wesentlich, weil die Spannung auf den Wanten extrem hoch sein muss und damit die Lasten beträchtlich sind.
Auch für für den einfachen Segelsatz mit Groß und Solent muss der Käufer je nach Qualität und Ausführung zusätzlich zum Basispreis nicht unerhebliche Mehrkosten einkalkulieren. Ohnehin macht das Pogo-Konzept ohne Gennaker und (oder) Code Zero wenig Sinn. Und auch diese Segel gibt es leider nicht umsonst. Außerdem ist für lange Schläge ein kleineres Stagsegel als Fock unerlässlich, eine sogenannte Trinquette.
Wenigstens ein zusätzliches Segel, zum Beispiel der Gennaker im Bergeschlauch, kann vorn in der Vorpiek lagern, wo auch die Ankerkette in einem abgeschotteten Bereich liegt. Allerdings ist hier das Stauraumangebot schnell erschöpft und die Luke für größere Segelsäcke sowieso zu kein. Etwas mehr Platz steht hinten in der Achterpiek zur Verfügung, wobei man aber aufpassen muss, dass sich das Staugut wie Segel, Fender oder Festmacher nicht mit der Steuerungs-Mechanik verheddert, die unter Deck komplett ungeschützt mit Schubstangen verläuft. Zusätzliche Stauräume wie zum Beispiel Backskisten unterhalb der Cockpitduchten sind leider nicht vorgesehen.
Für die Rettungsinsel ist im Heck integriert ein separates Staufach ausgewiesen. Bei Bedarf wäre die rettende Box allerdings nur schlecht erreichbar, weil die Klappe nach oben öffnet und den Zugang blockiert. Besser wäre eine aufgesetzte Klappe ohne Scharniere, die sich im Notfall schnell und komplett entfernen ließe.
Für den Ausbau unter Deck profitiert die Pogo 44 ebenfalls von ihrem außerordentlich voluminösen Rumpf. Wegen der großen Breite achtern können die Kojen dort rechteckig ausgeführt sein, was zum Schlafen für zwei Personen angenehm ist. Auch im Vorschiff ist das Platzangebot überdurchschnittlich, und die Abmessungen für das Doppelbett der Eigner liegen weit über den Standardmaßen in dieser Bootsgröße. Zudem kann die Sofakoje im Salon dank absenkbarem Tisch als zusätzliches Doppelbett ausgebaut werden. Acht Personen können also problemlos auf der Pogo 44 übernachten. Dazu sind zwei Nasszellen vorgesehen.
Ausbaualternativen bietet Pogo für das Vorschiff, wo auch zwei Kabinen eingebaut werden können. Den Plänen nach zu urteilen, sind die Kojen dann aber recht schmal und nur zur Einzelbelegung brauchbar. Etwas Varianz gibt es zudem für den vorderen Toilettenraum. Anstelle des separierten Duschabteils könnte man sich dort einen Schrank für nasses Ölzeug einbauen lassen.
Der Innenausbau ist durchweg einfach und sehr schnörkellos gehalten, überzeugt aber mit hoher Funktionalität und trotzdem überraschend viel Komfort. Mit großen Arbeitsflächen und vielen gut nutzbaren Stauräumen gefällt die Pantry, welche als eine lange Zeile auf der Steuerbordseite in den Salon integriert ist. Für ein gefühlt offenes und helles Wohnambiente sorgen die großen Fenster in Aufbau und Rumpf, die Ausblicke im Stehen wie im Sitzen ermöglichen. Auf französischen Booten derzeit schwer in Mode: Durch die Fenster im nach vorn stark verjüngten Kajütaufbau kann man zudem von innen in Fahrtrichtung und sogar ein Stück weit in die Segel sehen.
Entsprechend der Konzeptphilosophie von Pogo hat die Werft auch für den Innenausbau großen Wert auf maximale Gewichtseinsparung gelegt. Die Franzosen verbauen, wo immer möglich, federleichte, aber dennoch robuste Teile aus Komposit anstelle von schwereren Komponenten aus Sperrholz. Die Kabinen sind nur mit Vorhängen separiert statt mit Türen, welche aber als Option erhältlich sind. Und die Werft setzt keine schweren Innenschalen ein, weder im Salon noch in den Kabinen. Vielmehr wird die Unterseite vom ursprünglich recht rauen Infusions-Deck so lange geschliffen und gespachtelt, bis die Oberflächen absolut perfekt sind.
Das Konzept der Pogo 44 vermag gute Kompromisse zu liefern und schlägt Brücken zwischen vielerlei Ansprüchen. Schnell und erfolgreich Regatta segeln oder sportlich mit der Familie unterwegs sein – beides ist möglich. Zugleich ist sie ein anspruchsvolles und recht kompliziert zu segelndes Schiff. Ein gewisses seglerisches Grundkönnen ist eine unbedingte Voraussetzung. Nichts für Anfänger also, eher etwas für Aktive und Ambitionierte. Langeweile auf langen Schlägen? Mit diesem Schiff ganz bestimmt nicht!
GFK-Sandwich mit Schaumkern, gebaut im Vakuum-Infusionsverfahren. Vinylesterharz außen, Polyester innen
Ultimativer und anspruchsvoller Fast-Cruiser für schnelle und sportlich zu segelnde Passagen. Die Konstruktion geht weit in die Extreme, was optisch polarisiert, aber für eine gewisse Klientel passen dürfte. Innen wohnlich
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 17/2021 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.