Michael Good
· 26.01.2024
Ein striktes One Design ist für Regattasegler im Grunde ein Segen und von hoher Attraktivität. Es garantiert maximale Chancengleichheit und schränkt die Möglichkeiten ein, sich mit üppigen Budgets den Erfolg auf der Bahn sozusagen erkaufen zu können. In der Einheitsklasse bleiben Materialschlachten aus, vielmehr bestimmen Talent und Können über Sieg und Niederlage. Und weil die Entwicklungskosten auf die zu erwartenden hohen Stückzahlen umgewälzt werden können, lassen sich letztlich auch die Preise vernünftig gestalten, was wiederum das Interesse und damit die Absatzzahlen steigert. Eine Win-win-Situation für alle.
Für Rennyachten, Sportboote oder Jollen, die in der Einheitsklasse segeln und dabei konsequenten Klassenvorschriften unterworfen sind, gilt meist die uneingeschränkte Konformität. Das heißt : Was innerhalb der Regeln nicht im Speziellen erlaubt ist, bleibt grundsätzlich verboten. One Design bedeutet aber auch, dass die Möglichkeiten zur Individualisierung auf ein absolutes Minimum limitiert sind.
Der neue, ultimative Einheits-Racer stammt aus der westfranzösischen Kooperation von Großserien-Hersteller Jeanneau in der Vendée mit Multiplast, dem großen Spezialisten für Hochsee-Rennsport in der Bretagne. Das Produkt aus diesem vielversprechenden Schulterschluss kommt jetzt unter dem Namen Jeanneau Sun Fast 30 One Design auf den Markt und soll sich in der Lücke zwischen den Regatta-Klassen Mini 6.50 und Class 40 positionieren. Diese attraktive Nische ist aber bereits ziemlich prominent und auch erfolgreich besetzt, zum Beispiel mit der Dehler 30 One Design aus Deutschland oder den beiden etwas größeren Wettbewerbern Figaro 3 von Beneteau und der Sun Fast 3300, ebenfalls aus dem Hause Jeanneau. Diese Typen legen allerdings einen sehr starken Fokus auf Langstreckenregatten ein- und zweihand und gelten zudem als Sprungbrett für segelsportliche Karrieren in der Class 40 oder bei den Imoca 60.
Hingegen ist das Konzept der Sun Fast 30 One Design viel mehr auf Mannschaftssport und eher für kürzere Küstenkurse ausgerichtet. Eine internationale Klassenvereinigung ist jetzt im Aufbau und hat bereits für 2024 ein attraktives und hochkarätiges Regattaprogramm zusammengestellt. Auch soll nach dem Willen der Projekt-Initianten mit dem Einheitsrenner eine Neuauflage des beliebten Etappen-Klassikers Tour de France à la Voile (Tour Voile) in Planung gehen. Die erfolgreiche Serie könnte allenfalls schon 2024, spätestens 2025 mit dem neuen Boot von Jeanneau/Multiplast stattfinden.
Das Projekt für die Sun Fast 30 One Design fußt auf der Initiative der UNCL (Union Nationale pour la Course au Large), der nationalen Vereinigung der Hochsee-Segler in Frankreich, in Kooperation mit dem RORC (Royal Ocean Racing Club) in England sowie dem Storm Trysail Club in Amerika. Alle drei Institutionen haben sich mit dem Ziel zum Aufbau einer neuen Regatta-Einheitsklasse um 30 Fuß Rumpflänge (Class 30) zusammengetan. Den dafür ausgeschriebenen Konstruktionswettbewerb konnte letztlich das Büro von VPLP in Frankreich gewinnen. Den Auftrag zur Serienproduktion des Racers erhielt Großserien-Hersteller Jeanneau und durfte das Modell in sein sportliches Programm Sun Fast integrieren. Die Werft Multiplast, die ursprünglich das Boot hätte bauen sollen, behält die Bauaufsicht und steuert ihre Erfahrung in der Entwicklung von Projekten für den Hochsee-Rennsport bei.
Die Konstruktion für die Sun Fast 30 One Design, die sich keiner gängigen Ausgleichsformel wie IRC oder ORC unterwirft, fällt ziemlich radikal aus, mit einer starken Anlehnung an die Designs der aktuellen Racer der Gattung Class 40 und Imoca 60. Auffällig ist dabei vor allem die füllige Frontpartie mit dem ausgeprägten Scow-Bug und der durchgezogenen Kimmkante. Das extrem breite, flache Unterwasserschiff im vorderen Bereich soll dem Boot vor allem auf den Raumwindkursen helfen, schneller in Gleitfahrt zu kommen, ähnlich wie bei einem Surfbrett. So beschreibt es VPLP-Konstrukteur Antoine Lauriot Prévost, der für den Entwurf verantwortlich zeichnet und beim YACHT-Test vor La Rochelle mit an Bord ist.
Als nominiertes Boot für die Wahl von Europas Yacht des Jahres steht der kleine Renner von Jeanneau/ Multiplast der internationalen Jury für erste Probeschläge zur Verfügung, in ganz unterschiedlichen Bedingungen. Während für den Test mit der YACHT die Windverhältnisse mit maximal zehn Knoten leider nur sehr schwach sind, haben andere Kollegen für ihre Testslots Glück und können das Schiff bei mehr Wind segeln. Einig sind sich die Jury-Mitglieder letztlich in einem Punkt: Die Sun Fast 30 OD bündelt am Wind eine Menge Energie und überzeugt mit ihrem hohen Potenzial sowie mit agilen und ungewöhnlich steifen Segelleistungen. Und das Boot vermittelt dabei obendrein höllisch viel Segelspaß.
Im YACHT-Leichtwindtest mit nur acht Knoten bleiben die Leistungsdaten hart am Wind mit einem Wendewinkel von 90 Grad und 4,5 Knoten Speed für einen reinen Racer dennoch eher bescheiden. Kreuzen ist scheinbar nicht die Paradedisziplin der Sun Fast 30 One Design, zumindest nicht unter schwachen Windbedingungen. Bedeutend höher ist der Spaßfaktor hingegen auf der Raumwindstrecke mit Code Zero oder Gennaker. Auf diesem Abschnitt kann das Boot sogar bei wenig Wind seine Vorteile voll ausspielen und erreicht leicht die Rumpfgeschwindigkeit.
Das Layout im Cockpit ist darauf ausgelegt, den Renner mit einer Mannschaft von vier oder fünf Leuten zu segeln. In den Klassenvorschriften, die jetzt zur Saison 2024 finalisiert werden, ist ein maximales Mannschaftsgewicht von 340 Kilogramm vorgesehen. Mit der offenen Anordnung im Cockpit und dank Steuerung mit Pinne ist das Handling aber auch für Einhand- oder Zweihandsegler problemlos. Dazu kommt, dass das Schiff mit einem kräftigen Autopiloten ausgerüstet ist, der als Teil des Instrumenten-Pakets H5000 von B&G bereits in der Standardausstattung enthalten ist.
Jede Woche ein neues Schiff. So schnell soll die Klasse jetzt wachsen. Bereits 2024 sind die ersten Regatten geplant
Gebaut wird die Sun Fast 30 One Design am Band in der Produktion der Groupe Beneteau in Cheviré in der Nähe von Nantes. Rumpf, Deck und Schotten werden als GFK-Sandwich-Konstruktionen im Vakuum-Infusionsverfahren produziert. Die Franzosen wollen jetzt jede Woche ein neues Schiff von diesem Typ fertigbauen und ausliefern. Die enge Taktung ist angesichts der guten Auftragslage angebracht. Aktuell sind schon 15 Boote hergestellt und an ihre Eigner übergeben worden. Überdies liegen noch gegen 40 Bestellungen vor, was dem Aufbau einer Einheitsklasse den nun erhofften Vorschub leisten kann. Unter anderem geht ein Exemplar auch an die deutsche Offshore-Seglerin Lina Rixgens aus Hamburg, die zusammen mit Sverre Reinke ein neues Regattaprojekt in Angriff nimmt. Ihr neuer Racer ist auf der boot in Düsseldorf als Typen-Premiere auf dem Stand von Jeanneau zu sehen.
Neben den rein sportlichen Interessen steht aber auch eine nachhaltige Bauweise im Vordergrund der Projekts. Alle Komposit-Teile der neuen Sun Fast 30 werden unter Verwendung von Öko-Harz (Arkema Elium) laminiert. Diese Matrix besteht zu großen Teilen aus bereits recycelten Materialien und erlaubt den späteren Rückbau und das Wiederverwerten aller Verbundstoffteile durch die Möglichkeit, Fasern und Harz zu trennen (siehe auch YACHT-Special zum Thema Nachhaltigkeit).
Der französische Hersteller Sparcraft liefert den Kohlefasermast mit einem Paar Salinge und Wanten aus Dyform sowie den ebenfalls aus Carbon gebauten Großbaum. Das ist der Klassenstandard für den es entsprechend dem One-Design-Gedanken auch keine Optionen gibt. Der recht stark und steif gebaute Mast steht weit achtern im Boot und wird mit relativ viel Mastfall und hoher Wantenspannung eingestellt. Das limitiert den Durchhang vom Vorstag, weil das Riggkonzept ohne permanentes Achterstag klarkommen muss. Die fliegenden Achterstage dienen nur als Trimminstrument und nicht zur Mast-Stabilisierung.
Die regattaorientierte Ausrichtung der Sun Fast 30 One Design setzt sich auch unter Deck fort. Der Ausbau präsentiert sich rein funktional, nahezu unverbaut und komplett schmucklos. Das Interieur entbehrt jeglicher Form von Wohnlich- oder gar Gemütlichkeit. Für ein Boot dieser Couleur ist das weder zu erwarten noch von der rein sportlich orientierten Kundschaft gewünscht. Aber immerhin: Rohrkojen im Achterschiff erlauben der Mannschaft etwas Ruhe auf langen Strecken, und im Vorschiff gibt es auch eine Toilette, die sich sogar zumindest teilweise separieren lässt. Mehr Bedeutung misst die Werft offenbar der Navigation zu. Der Kartentisch ist funktionaler und die Arbeitsposition besser als auf vielen deutlich größeren Fahrtenschiffen.
Ein regattaklares Boot kostet rund 210.000 Euro. Das ist viel Geld für ein Schiff dieser Größe und Ausrichtung
Im Sinne der Einheitsklasse bleibt auch die Preisliste mit den Optionen entsprechend kurz. Bis auf kleinere, aber nötige Ausrüstungsgegenstände wie Fender, Festmacher oder Ankergeschirr sind für das Schiff keine weiteren Extras vorgesehen. Im Rahmen des Standard-Lieferumfangs für den Grundpreis von knapp 170.000 Euro brutto fehlen dagegen immer noch die Segel, was für Performance-Boote aber üblich ist. Für den einfachen Satz Amwind-Segel (Groß und Genua) werden wenigstens 25.000 Euro brutto zusätzlich fällig. Dazu kommen Aufpreise für die Raumwindsegel wie Code Zero oder Gennaker. Wer eine neue Fast 30 One Design regattaklar an die Startlinie bringen möchte, muss dafür insgesamt etwa 210.000 Euro locker machen können.
Ob sich die Sun Fast 30 One Design als starke und weitverbreitete Einheitsklasse durchsetzen kann, muss sich erst noch erweisen. Sicher ist: In Kooperation haben Jeanneau, Multiplast und VPLP dafür ein attraktives, solides Boot geschaffen.
(ohne Abdrift/Strom); Windgeschwindigkeit: 8 bis 10 kn (3 Bft), Wellenhöhe: glattes Wasser
* mit Gennaker
Wenig Gewicht in Kombination mit reichlich Segelfläche. Die Segeltragezahl ist entsprechend hoch
1: Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V)
GFK-Sandwich mit Elium-Harz, gebaut im Vakuum-Infusionsverfahren (Rumpf mit dünnem Soric-Vlies, Deck mit PET-Schaumkern). Kiel aus Gusseisen mit einer Ballastbombe aus Blei
Kohlefaserrigg von Sparcraft Performance mit einer Saling und Dyform-Wanten. Die Segel sind im Basispreis nicht enthalten
Standard ist der Zweizylinder-Einbaudiesel von Nanni mit 10 PS Leistung, Saildrive und Zweiblatt-Faltpropeller. Als Option: Elektromotor von Bell Marine mit Pod-Antrieb
Standard-Ausstattung mit B&G-Paket (Autopilot, GPS, Funk, AIS, Kompass und Windanzeige)
* Wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Jeanneau/Multiplast; 85505 Les Herbiers (Frankreich), www.jeanneau.com; Vertrieb: Händlernetz
Das kompromisslos umgesetzte und innovativ geplante One Design soll sich international als starke Einheitsklasse durchsetzen können. Das Boot und auch das Konzept bringen das Potenzial dafür mit
Extravagantes Design von Aeolos Yachts in den Arabischen Emiraten. Die Kohlefaser-Konstruktion ist sehr leicht gebaut und das Boot dank wenig Breite und Hubkiel-Option auch trailerbar.
Radikaler Einheitsrenner von Beneteau mit ausfahrbaren Foils. Die Figaro 3 hat sich international auf breiter Basis als starke Einheitsklasse für die Einhand- und Zweihandszene durchgesetzt.
Das vielseitige Konzept, ein hohes Leistungspotenzial sowie sehr sportliche Segeleigenschaften zeichnen das One Design von Dehler aus. Es gibt auch schon eine eigene Klassenvereinigung.
Reizvoller Mix aus hoher Sportlichkeit für den Regattaeinsatz und Tourentauglichkeit für den Törn mit der Familie. Die Französin ist mit Fest- oder mit Schwenkkiel erhältlich.