Jochen Rieker
· 09.03.2024
Dafür, dass sich mit kleinen Yachten nach Darstellung vieler Werftchefs angeblich kein Geld verdienen lässt, ist reichlich Musik im U30-Segment. Vor allem die Klasse um 24 Fuß bietet inzwischen wieder eine höchst erfreuliche Breite und Dichte an Modellen. Da gibt es auf Fahrtentauglichkeit getrimmte Boote wie Bente 24, Maxus Evo 24 oder Pointer 25, die gewissermaßen den Kern moderner Kleinkreuzer repräsentieren. Es gibt Sportboote wie den Klassiker Melges 24 oder die leidlich bewohnbare Raumschots-Rakete First 24 SE. Es gibt schick-schnelle Daysailer wie die Saffier 24. Und dann gibt es seit Neuestem noch die Flaar 24.
Sie ist einerseits die extremste Vertreterin der Sieben-Meter-Riege, zugleich aber auch die vielleicht universellste. Denn sie kann Regatta genauso wie Revierfahrt.
Ihre Alleinstellung verdankt sie nicht zuletzt der Bauweise. Wie üblich bei Modellen des kleinen ungarischen Bootsbaubetriebs, der am Nordwestufer des Balaton seinen Sitz hat, besteht sie fast komplett aus Kohlefaser. Rumpf und Deck sind aufwändige Schaum-Sandwichkonstruktionen, mit Epoxidharz unter Vakuum laminiert. Selbst Abdeckungen wie die des Stauraums unter der Vorschiffskoje: federleichtes Carbon.
Lediglich der Gennaker-Rüssel, der sich aus dem festen Bugspriet ausfahren lässt, wird aus Aluminium gezogen, weil das Leichtmetallprofil unter Last eine höhere Formbeständigkeit aufweist und somit eine bessere Abdichtung in den Führungen zur Kajüte hin. Alle anderen relevanten Bauteile aber – Mast, Baum, Ruderblätter, Kielschaft – sind aus hochfesten und leichten Kohlefasergelegen.
Das zeigt sich an der Kranwaage: Die Flaar 24 verdrängt im Vermessungstrimm ohne Motor und Polster gerade einmal 730 Kilogramm. Zum Vergleich: Eine Melges 24, die keinerlei Ausbau und lediglich eine Schlupfkajüte zum Segelstauen bietet, wiegt mit 820 Kilo gut zwölf Prozent mehr, die ebenfalls sehr leichte First 24 SE rund 22 Prozent, und ein Sporttourer wie die Sarch 7 aus Spanien kommt bereits auf 1,1 Tonnen – plus 50 Prozent. Noch deutlicher der Abstand der Bente 24: Sie ist weitaus voluminöser und mit knapp 1,7 Tonnen fast zweieinhalbmal so schwer wie die Flaar.
Der konsequente Leichtbau des Kompakt-Kreuzers aus Ungarn spiegelt sich auch im theoretischen Leistungsvermögen. Gemessen an ihrer Segeltragezahl hat die Flaar 24 auf dem Wasser praktisch keine Konkurrenz. Ihr Wert, der Verdrängung und Segelfläche ins Verhältnis setzt, beträgt 6,8 und toppt schlichtweg alles – nicht nur die J/70 (4,9) oder Melges 24 (6,2), sondern auch den bisherigen Spitzenreiter First 24 SE (6,5).
Tatsächlich empfiehlt sich angesichts dieses Potenzials eine gewisse Demut, zumal beim Einsatz auf offener See. Das Boot ist nach CE-Entwurfskategorie C nur für küstennahe Fahrt oder Binnenreviere zertifiziert; mit anderen Worten: bis 6 Beaufort und zwei Meter Welle. Unter anderem unter solchen Bedingungen musste sich die Flaar bei den Tests für Europas Yacht des Jahres vorigen Herbst vor Port Ginesta bewähren. Und sie schlug sich dabei wacker.
Das hat gleich mehrere Gründe. Zunächst verfügt sie über einen sehr hohen Ballastanteil von fast 40 Prozent, der zudem weit unten wirkt, wenn der Schwenkkiel elektrisch auf seinen maximalen Tiefgang von 1,80 Metern abgesenkt wird. Zudem verbessert das Crewgewicht die Steifigkeit spürbar, weil es hier in Relation zur geringen Verdrängung einen erheblichen Einfluss hat.
Obendrein ist der Segelplan höchst variabel: Mit kleiner Fock und zweitem Reff pariert die Flaar 24 ganz passabel 20 Knoten hoch am Wind. Käme es noch härter, ließe sie sich auch nur unter Groß recht kontrolliert führen. Dann empfiehlt es sich, den Kiel per Knopfdruck leicht anzuheben, sodass er um etwa 20 Grad nach achtern zeigt, was der sonst entstehenden starken Luvgierigkeit entgegenwirkt.
Im teils konfusen und zudem steilen Seegang vor Katalonien minderte die für kleine, leichte Boote typische Tendenz, sich immer wieder festzufahren, den Segelspaß an der Kreuz bei viel Wind. Das zu vermeiden erfordert an sich schon konzentriertes Steuern. Die Flaar macht es einem dabei jedoch zusätzlich schwer, weil ihre Doppelruderanlage zwar viel Grip liefert, aber nur wenig Rückmeldung.
Dafür stimmt die Ergonomie im Cockpit. Das Deck verbreitert sich achtern vom Niedergang deutlich, was der Crew eine große Sitzfläche bietet. Noch wichtiger: Am Plichtboden gibt es angewinkelte Fußleisten, die so hoch sind, dass man sich auch bei viel Lage sicher abstützen kann. Lediglich die etwas zu geringe Länge der Pinne bietet Anlass zu Kritik. Sitzt der Rudergänger nahe an den Genuawinschen, zeigt die Pinnenverlängerung schräg nach vorn; das müsste nicht sein. Zudem ist sie beim Zugriff auf die große Backskiste im Weg, deren Deckel achtern an Scharnieren angeschlagen ist – zwei Einschränkungen, mit denen man leben kann. Zumal die Ungarin sonst Freude bereitet.
Geschrickt setzt sie Druck sehr gut in Geschwindigkeit um: Schon bei 3 bis 4 Beaufort gleitet sie ab 60 Grad wahrem Windeinfallswinkel leicht an, surft auf Halbwindkurs beständig mit an die 9 Knoten und segelt raumschots unter Gennaker fast zweistellig. Bläst es mit Windstärke 4 bis 5, kann man bei 13, 14 Knoten Speed durchs Wasser im Seegang regelrecht Slalom mit ihr fahren. Sie wirkt dabei freilich nicht explosiver als die Melges oder First 24.
Ihre eigentliche Paradedisziplin sind leichtere Bedingungen. Bei 2 bis 3 Beaufort und kaum bewegter See ist die Flaar in ihrem Element. Und selbst darunter springt sie auf jeden Hauch sehr gut an – perfekt für windarme Binnenreviere. Dabei kommt ihr an der Kreuz zugute, dass sie eine überlappende Genua fahren kann, die 4,7 Quadratmeter mehr Fläche hat als die Starkwindfock, ein Plus von fast 40 Prozent. Sie lässt sich dank der 2D-Holepunktverstellung über Schiene und Niederholer bei Bedarf schön eng schoten.
Um das zu ermöglichen, hat Konstrukteur Attila Déry bei Pauger einen über nur ein Salingspaar diamantverstagten Kohlefasermast in Auftrag gegeben, der keine Unterwanten, dafür weit nach achtern abgespannte Oberwanten hat. Er stand im Test einwandfrei; das Fehlen eines Achterstags machte sich nicht durch übermäßigen Vorstagsdurchhang bemerkbar.
Die Beschlagsausrüstung ist durchweg sehr hochwertig. Da gelten bei Flaar die gleichen Ansprüche wie im Kompositbau. Die Decks-Hardware stammt fast durchweg von Harken, das laufende Gut von Gottifredi Maffioli. Für Gennaker- und Code-Zero-Schoten gibt es jeweils eigene Umlenkblöcke und Thimbles; man muss also nicht umbauen. Auch die Platzierung der Bedienelemente passt. So lassen sich Genua, Code und Gennaker von der Lee- wie von der Luv-Winsch aus fahren (Cross-Sheeting), was im Einhand- und Zweihand-Betrieb hilfreich ist.
Dass der kleine Renner auch daraufhin konzipiert wurde, zeigt sich an der Konstruktion der Steuerung. Die beiden Steckruder sind achtern angehängt. Das sie verbindende Gestänge nebst Quadrant sitzt unter einer Abdeckung und ermöglicht den Einbau eines unter Deck montierten Autopiloten, den die Werft als Upgrade auch in ihrer Optionsliste anbietet. Es ist zwar ein kostspieliges Extra (3.950 Euro), dem Pinnenpiloten (820 Euro) aber in jeder Hinsicht überlegen und für Solisten höchst empfehlenswert.
Zum gehobenen Standard gehört bei der Flaar 24 der Bugspriet, der in seiner Machart und Funktion seinesgleichen sucht. Die feste Nase besteht aus Carbon und dient als Anschlagspunkt für den Code Zero, der folglich aufgerollt stehen bleiben kann, wenn an der Kreuz die Genua oder raumschots der Gennaker zum Einsatz kommt. Auch das ein Vorteil insbesondere für kleine Crews oder Solisten. Der asymmetrische Spinnaker, mit fast 73 Quadratmetern üppig bemessen, wird am 1,40 Meter weit ausfahrbaren Rüssel gefahren und lässt sich gut innen herum halsen, was das Risiko eliminiert, dass die lose Schot im Manöver unters Schiff gerät. Es sind solche Lösungen, für die man das Boot einfach lieben muss.
Auch die Kielkonstruktion zählt dazu. Von der aus Kohlefaser laminierten Kielfinne war bereits die Rede, von der elektrischen Betätigung ebenfalls. Wie aus der Zeichnung des Risses hervorgeht, wird der Ballastträger lediglich unter den Rumpf geschwenkt – anders als etwa bei der First 24, wo er komplett in einen Kielkasten aufgeholt werden kann, anders auch als bei den meisten sonstigen Kleinkreuzern mit variablem Tiefgang, die größtenteils über einen vertikalen Hubkiel verfügen.
Das Konzept der Flaar bedingt zwar eine etwas größere Resttiefe, wenn der Kiel oben ist: Minimal sind es 63 Zentimeter. Das erhöht die Position des Bootes auf dem Trailer und kann auf sehr flachen Rampen das Slippen erschweren.
Ansonsten bringt die Konstruktion freilich entscheidende Vorteile: Der hydrodynamisch ungünstige Spalt im Rumpf bleibt extrem kurz, weil der Kielkasten praktisch nur den Kielkopf mit dem faustdicken Bronzelager und dem Angreifpunkt für die Spindel aufnehmen muss. Zudem ist die gesamte Finne jederzeit erreichbar, auch auf dem Trailer, was das Aufbringen des Antifoulings im Winterlager immens vereinfacht.
Zoltan Mezey, promovierter Ingenieur und einer der führenden Köpfe hinter Flaar, arbeitet derzeit an einem Prüfstand für die Festigkeit der Kiele. „Mein Ziel ist, dass alle Finnen aufs Dreifache der theoretischen Höchstlast im Fall einer Kollision oder Grundberührung getestet werden“, sagt er. Das sei gerade bei Kohlefaserbauteilen „ein Muss“.
Die Baunummer eins durchlief noch ein rustikaleres Verfahren: Die Werftcrew hämmerte mit ihr auf dem Balaton bei zehn Knoten Fahrt unter Gennaker bewusst auf ein Flach, was die gesamte Mechanik klaglos überstand. Das ist auch wichtig, weil der Kiel nicht bloß per Schwerkraft in Position gehalten, sondern über die Niro-Stange des Spindelantriebs fixiert wird. Der Ballastkörper kann beim Aufprall auf ein Hindernis also nicht nach hinten und oben schwenken, ohne erheblichen Schaden anzurichten.
Im Test zeigte sich das System absolut unauffällig. Der elektrische Linearantrieb arbeitete im Hafen wie bei Seegang stets zuverlässig und höchst effizient. Fürs Aufholen brauchte er weniger als eine halbe Minute und zeigte auch bei wiederholter Betätigung keine Ermüdungserscheinungen. „Wir haben ihn bewusst so ausgelegt, dass man auch mit hochgeschwenktem Kiel bis zum Liegeplatz motoren kann, falls sich dieser im Flachwasserbereich befindet“, sagt Zoltan Mezey. Klasse: Ein LCD-Display am Schaltpaneel hinterm Niedergang zeigt neben dem Ladezustand der Batterie auch die Position des Kiels an.
Womit wir unter Deck wären – und damit gewissermaßen im Bonusprogramm der Flaar 24. Diese ist unter Segeln fraglos ein Sportboot, aber es gibt eben auch die andere Seite an ihr, die kaum weniger beeindruckt als das Leistungsvermögen.
Unter dem stark gewölbten, optisch recht dominanten Kajütaufbau mit den geschwungenen Seitenfenstern verbirgt sich nämlich tatsächlich ein in Maßen tourentauglicher Ausbau. Aufgrund der großzügigen Plexiverglasung wirkt der Raum luftiger, als er eigentlich ist. Und noch ein weiteres Detail kommt dem Raumgefühl zugute: der kurze, kompakte Kielkasten, der als Trittstufe für den Niedergang dient. So bleibt reichlich Fußraum für die Crew, wenn sie es sich auf den Bänken gemütlich macht. Mit 97 Zentimeter Sitzhöhe kommen auch Großgewachsene klar.
Und selbst die Kojenmaße überzeugen: Wenn nötig, können hier vier Erwachsene kommod schlafen: zwei vorn, zwei mittschiffs. Auf den Bänken geht das sogar in beiden Richtungen. Stauraum bietet die Flaar ausreichend: Unter die Doppelkoje passen zwei Sporttaschen, unter die Bänke jeweils noch mal so viel – das reicht sogar für Proviant und Kochutensilien.
Regattacrews können also an Bord übernachten, wenn sie aufs Budget achten müssen. Und wer zu zweit auf Törn geht, wird mit Ausnahme einer Toilette und eines fest verbauten Wassertanks auch wenig vermissen. Man muss sich halt bewusst sein, dass auf 7,23 Meter Rumpflänge nicht mehr geht als Glamping, die glamouröse Form des Campens. Aber das gilt, wenn man ehrlich ist, auch für die reinen Wohnboote in dieser Größenklasse.
So gesehen ist die Flaar 24 eine absolute Bereicherung des Marktes: sportlich, schnell, universell. Die eine, die alles sein kann – Racer, Cruiser, Daysailer. Auf der boot Düsseldorf traf sie zu Recht auf großes Interesse – so groß, dass die Werft mangels Händlernetz den ganzen März über Probetörns am Balaton anbietet und später im Jahr auch am Bodensee, Gardasee und voraussichtlich in den Niederlanden vergleichbare Aktionen plant.
Kohlefaser-Sandwich, mit Vakuuminfusion und Epoxidharz laminiert, im Kielbereich Massivlaminat. Zweischalige, perfekt maßhaltige Carbon-Kielfinne mit 220 kg Bleieinlage am unteren Ende
Der diamantverstagte Mast mit schmalen Salingen erlaubt eine überlappende Genua. Er stammt von Pauger und besteht wie auch die Steckruder aus Kohlefaser
Die Werft bietet ein umfangreiches und sinnvolles Optionspaket an. Ein kompletter Satz Segel inkl. Fock, Code 0 und Gennaker kostet 15.200 €. Logge, Lot und Windmesser von B&G gibt es für 2.150 €, den Autopiloten mit Unter-Deck-Montage für 3.950 €. Ein Straßentrailer ist ab 5.830 € zu haben
Wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Flaar Performance Sailing, 8229 Paloznak, Deák Ferenc u. 10, Ungarn. Homepage: www.flaar.com
Die Flaar 24 ist eine echte Bereicherung des Kleinboot-Segments: leicht, problemlos trailerbar und unter Segeln die reine Freude.