Baycruiser 21 im TestTrailerbarer Retro-Klassiker ist Kronjuwelchen

Andreas Fritsch

 · 20.09.2024

Etwas fürs Auge: Rumpf in British-Racing Green und Klinker-Optik, umlaufende Holz-Scheuerleisten, stark positiver Deckssprung – der Retrolook passt
Foto: YACHT/Andreas Lindlahr
Die walisische Werft Swallow Yachts ist für schicke Schiffe im klassischen Look britischer Arbeitsboote bekannt. Die können viel mehr als nur gut aussehen, denn sie stecken voller cleverer Ideen

Das Phänomen kennt jeder: Man schlendert den Steg entlang, der Blick streift die daran liegenden Yachten und plötzlich sticht aus dem weißen GFK-Großserien-Einerlei ein Boot heraus: geschwungene Linien, kräftiger Deckssprung, lackiertes Holz am Rumpf. Der Blick bleibt hängen, man stockt, bleibt stehen und das Unterbewusstsein sendet: schönes Schiff! Oft genug sind das klassische Yachten. Dann folgt der zweite Impuls: aber die viele Arbeit!

Aber das muss nicht so sein. Denn es gibt ja die sogenannten Retro-Klassiker. Classic Looks, aber zeitgemäße Segeltechnik. Im Fall des Baycruisers heißt das: GFK-Rumpf im dunkelgrünen Klinker-Design, Linien nach Art der traditionellen britischen Fischerboote, Kohlefaserrigg, Fat-Head-Groß, modernes Ruderblatt, Wasserballast.

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Dass solche Boote nicht nur außergewöhnlich gut betuchten Seglern offenstehen, das beweist schon seit einigen Jahren die walisische Werft Swallow Yachts, wo ausschließlich kleine, trailerbare Yachten bis 26 Fuß gebaut werden. Die Briten haben damit eine Nische neu interpretiert, die lange von der Werft Cornish Crabbers besetzt war, wo zwar auch in GFK, aber deutlich klassischer und schwerer gebaut wurde, samt Holzmast mit Gaffelrigg und Stahlschwert. Cornish Crabber ist aber in unruhiges Fahrwasser geraten, im März musste die Werft Insolvenz anmelden, es fand sich zwar ein Käufer, aber zurzeit ist die Website noch immer offline.

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Aufbau der Baycruiser 21 geht fix

Doch zurück zu Swallow Yachts: Deren Retro-Klassiker sind auch schon so etwas wie alte Bekannte. Die YACHT hat bereits die Baycruiser 23 (YACHT 21/16) und 26 (6/2017) getestet. Mit dem 21-Fußer erfolgt nun also eine Abrundung der Range nach unten.

Wir treffen Werftboss Matt Newland zum Test an der Kieler Förde in Mönkeberg. Etwas verwundert registrieren wir, dass das Boot bei unser Ankunft noch hoch und trocken auf dem Einachs-Trailer liegt. „Ich wollte euch zeigen, wie schnell das Boot einsatzbereit ist, denn wir optimieren es dafür, viele Kunden von uns sind regelmäßig mit dem Trailer unterwegs oder haben die Boote an Land stehen.“ Das ist nicht verwunderlich, Liegeplätze sind an den britischen Küsten rar und kosten ein Vielfaches der deutschen Preise. Hierzulande punktet das Konzept eher aufgrund der Liegeplatznot und mit dem Trailerboot stehen einem außerdem zahllose tolle Reviere in ganz Europa offen.

Und so wird der Aufbau zur Challenge: Wir stoppen einfach, wie lange Newland alleine braucht, um das Gespann klar für die Sliprampe zu machen. 3, 2, 1 – go! Routiniert sitzt beim Erbauer natürlich jeder Handgriff. Und so fallen sofort die ersten klugen Details auf: Rigg und Baum liegen auf einem maßgenscheiderten Träger mit festen Spanngummis. Blitzschnell gelöst, verbindet er Dynema-Wanten und Vorstag an Püttingen und Bugbeschlag.

Das Rigg ist ein Kohlefasermast ohne Salinge und Achterstag. Bolzen durch den Mastfuß, das federleichte Profil stellt der Eigner mit einer Hand. Dann kommt der Clou: Baum, Großsegel und Lazy-Jack sind eine verpackte Einheit. Statt eines Lümmelbeschlages ist ein sich exakt an den Mast schmiegendes Stück Kohlefaser verbaut. So löst man beim Abriggen einfach Baum samt angeschlagenen Segel vom Mast. Kein An- und Abschlagen nötig. Die Kassette rutsch an ihren Platz, zwei Schrauben festziehen, fertig. Der Motor bleibt beim Trailern einfach aufgeholt im Schacht. Die Uhr bleibt bei 9 Minuten 36 stehen. Das ging wirklich fix.

Werft setzt auf Motoren im Schacht

Der Baycruiser hat statt eines Ballast-Schwertes 400 Kilo Wasserballast. Dadurch wiegt das Boot nur 600 Kilo, 950 mit Trailer und ist so auf einem gebremsten Trailer von jedem Mittelklasse-Pkw problemlos schleppbar. Das Leichtgewicht schwimmt an der Sliprampe dann schon auf, als die Radnabe noch nicht einmal im Salzwasser steht. Die Lager danken es.

Nun aber ab auf die Förde. Dort weht es sehr verhalten und drehend mit zwei bis drei Beaufort, also ablegen mit Motor. Mit seinem 6 PS Außenborder ist der Baycruiser ausreichend motorisiert, E-Varianten gibt es auch. Die Werft setzt auf Motoren im Schacht, der weit ins Cockpit reicht und beim Hochklappen von Kunstofflamellen halbwegs geschlossen wird, einem Schwertkasten ähnlich. Nicht die beste Lösung für die Performance, aber im Seegang besser bedienbar als angehängt am Heck und der Prop taucht in der Welle nicht so schnell aus. Für den Kunstofftank gibt es ein Extra-Fach im Cockpit. Das ist sehr geräumig, vier Personen sitzen für die Dauer eines Tagestörns sehr bequem. Das hochgezogene Cockpitsüll bietet guten Halt für den Rücken und Schutz vor überkommendem Wasser. Das durchgelattete, cremefarbene und weit ausgestellte Fat-Head-Dacron-Groß von Hyde ist schnell gesetzt, das kleine Vorsegel entrollt. Einen Traveller fürs Groß gibt es leider nicht.

Aufgrund des wenigen Windes sind wir zunächst ohne die 400 Liter Wasserballast unterwegs. Das 1,5 Meter tiefe GFK-Schwert hat nur ein paar Kilo Gewicht in der Spitze. Die ballastfreie Variante ist aber nur für erfahrene Jollensegler zu empfehlen, denn in den moderaten Böen krängt das Boot dann rasch weg. Wer mit der Schot reagiert und Dinghi-Erfahrung hat, wird daran aber Spaß finden. Laut Werft geht das bis knapp vier Beaufort.

Als wir den optionalen Gennaker setzen, der an einem auf Deck befestigten Kohlefasersprit gefahren wird, kommt richtig Fahrt ins Boot und es blitzt sogar auch mal eine 7 auf der Logge auf. Dabei lässt sich der kleine Waliser mit dem modernen Ruderblatt spielend dirigieren, den optionalen Pinnenausleger sollte man aber unbedingt ordern. Es macht Spaß, den Baycruiser zu segeln. Am Wind kommt er schnell auf 4 Knoten, nimmt der Wind zu, wird das sofort in Fahrt umgesetzt. Die Wendewinkel liegen auf glattem Wasser bei 90 Grad.

In den seltenen Böen um die 10 Knoten stellt sich heraus, dass die Großschot zu tief am Boden befestigt ist. Der Zugwinkel ist ungünstig und man spürt schon bei so wenig Wind, dass sie für windige Tage eine Umlenkung mehr vertragen könnte. Werftchef Newland verspricht Aufrüstung.

Wasserballast verwandelt Jolle in Kielboot

Als ziemlich praktisch erweist sich ein cleveres Feature an der Pinne: Die hat neben dem Aufholer fürs Ruderblatt auch Klemmleinen, die das Ruder in der jeweiligen Position nahezu festsetzt. Dinghi-Segler kennen solche Konstuktionen etwa mit Gummistropps zu beiden Seiten. Das reicht, um eine Weile geradeaus weiterzufahren, wenn das Boot gut getrimmt ist.

Jetzt wollen wir wissen, wie sich das Boot mit vollem Ballasttank segelt. Der kann auch unterwegs geflutet werden, wenn das Boot gerade im Wasser liegt, etwa vor dem Wind. Dafür schraubt man einen Eimergroßen Deckel im Cockpitboden auf, darunter liegt ein Lenzstopfen. Der wird nun einfach aufgeschraubt und schon sprudelt das Wasser in den Tank, der trimm-optimiert unterm Cockpitboden liegt. Etwa 20 Minuten dauert es, dann erreicht das Wasser das Cockpitboden-Niveau. So lange muss man warten, der Tank sollte nur ganz leer oder ganz voll genutzt werden. Lenzstopfen einschrauben, Deckel drauf und weiter.

Sofort spürt man: Aus dem Dinghi ist gefühlt ein Kielboot geworden. Böen werden mit weniger Lage pariert, die Bewegungen sanfter. Der Speed geht auch um etwa 0,3–0,5 Knoten zurück, aber das ist bei dem löchrigen Wind schwer exakt zu sagen. Auf jeden Fall macht die Baycruiser 21 auch mit Ballast viel Spaß.

Wir segeln zurück in den Hafen, Zeit für einen Blick unter Deck. Dort ist es spartanisch: Eine große Liegefläche bietet bequem Platz für zwei Personen, ein Porta Potti passt unter den Niedergang – das war es auch schon. Stauraum ist begrenzt, da unterm Cockpitboden der Ballasttank sitzt. Ein Kartuschen-Gaskocher kann unter der Backbord-Sitzbank genutzt in einem Extra-Fach gestaut werden, eine Spüle ist nicht vorgesehen, da hilft nur die Pütz. Die Backskisten sind dafür schön groß, es ist reichlich Platz für Leinen, Fender, Gepäck. Der Anker samt Kette passt ins Fach im Bug. Die optionale Sprayhood bietet sehr guten Schutz und ist mit einem Cockpitzelt kombinierbar. Dann ist der Baycruiser auch für längere Törns gewappnet.

Preislich ist das Boot mit knapp unter 40.000 Euro Basispreis im Mittelfeld zwischen den günstigeren polnischen Booten, wie Viko 21 (22.990 Euro), soliden Tourern wie Sailart 20 (42.000 Euro) oder schickeren Daysailern wie Pointer 22 ( 51.250 Euro) einzuordnen. Doch optisch hat die Baycruiser durch die historischen Anleihen Alleinstellungscharakter: ein Hingucker, wenn man den Stil mag, segelt gut und zum Trailern perfektioniert. Eben ein echtes Kronjuwelchen.


Die Messwerte zum Test der Baycruiser 21

Bild 1

Die Baycruiser 21 im Detail

Kleinkreuzer mit viel Classic-Charme: Die Baycruiser besetzt eine kleine Nische für Fans klassisch anmutender Boote, vermeidet aber deren SchwächenFoto: YACHT/Nils CampeKleinkreuzer mit viel Classic-Charme: Die Baycruiser besetzt eine kleine Nische für Fans klassisch anmutender Boote, vermeidet aber deren Schwächen

Technische Daten der Baycruiser 21

  • Konstrukteur: M. Newland
  • CE-Entwurfskategorie: C
  • Rumpflänge: 6,02 m
  • Gesamtlänge: 6,02 m
  • Wasserlinienlänge: 5,67 m
  • Breite: 2,18 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,5/0,25 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigk.: 5,7kn
  • Gewicht: 0,6 t
  • Ballast/-anteil: 0,4 t/40 %
  • Großsegel: 13,5 m2
  • Rollfock: 5,46 m2
  • Gennaker: 20 m2
  • Motor (AB 1 Zyl, 4T/Elektr.): 6 PS
  • Kraftstofftank (Extern): 12 l

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Laminat im Handauflage-Verfahren mit Schaumkern (Divinicell). Der Rumpf wird in Polen gebaut und in Wales ausgebaut

Ballastkonzept

Das aufrichtende Moment des gefüllten Ballastsystems erreicht bei 108 Grad null, ohne bei 80 (AVS).

Das Rigg

Kein Achterstag und keine Salinge sind ungewöhnlich, doch ein extra um drei Lagen verstärktes Kohlefaser-Profil soll genug Stabilität bei Wind gewährleisten.

Trailern

Ein gebremster Einachser schlägt mit etwa 4000 Euro zu Buche. Da England nicht mehr EU-Mitglied ist, macht ein Kauf in Europa mehr Sinn als in Wales/England.

Ausstattung und Preise

  • Grundpreis ab Werft: 39.774 €
  • Preis segelfertig: 46.656 €
  • Komfortpreis: 49.136 €
  • Garantie/gegen Osmose: 2 Jahre

Stand 08/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft und Vertrieb

Werft

Swallow Yachts, Gwbert Road, Cardigan, Ceredigion, SA43 1PN, UK, www.swallowyachts.com

Vertrieb

Direktvertrieb über die Werft

YACHT-Bewertung der Baycruiser 21

Sehr gelungener Retro-Klassiker, als Trailerboot optimiert und mit guten Segelleistungen.

Konstruktion und Konzept

  • + Traileroptimiert
  • + Moderne Anhänge/Rigg
  • + Klassische Stil-Anleihen

Segelleistung und Trimm

  • + Agil segelndes Boot, bei wenig Wind ohne Ballast nutzbar
  • - Großschot mangelnde Untersetzung

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Gutes Finish
  • - Weniger Stauraum durch Wasserballast-Tank
  • - Keine Spüle, Kocher nur im Cockpit, Toilette unter Niedergang

Ausrüstung und Technik

  • + Kohlefaserrigg und Baum
  • + Gute Beschläge

Der Test erschien erstmalig in YACHT-Ausgabe 20/2024

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