Lasse Johannsen
· 20.12.2022
Im Vergabeverfahren des Wassergrundstücks, auf dem einst der British Kiel Yacht Club residierte, hat die Kieler Ratsversammlung einstimmig entschieden, an den Betreiber eines Yacht-Service zu verpachten. Damit ist das Vorhaben, ein “Zentrum Klassischer Yachtsport” zu etablieren, abgelehnt worden
Im Jahr 2015 wurde in demselben Gremium der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt “Kiel Sailing City” ebenfalls einstimmig beschlossen, auf dem frei werdenden Gelände des Britischen Yacht-Clubs einen „musealen Bildungs- und Handwerksstandort“ zu entwickeln. In der Antragsbegründung wurde auf ein Konzept des gemeinnützigen Freundeskreises Klassische Yachten (FKY) Bezug genommen, dessen 1.700 Mitglieder sich bundesweit für den Erhalt des klassischen Yachtsports einsetzen.
Im geplanten Zentrum sollten dessen verschiedene Facetten vom traditionellen Bootsbauhandwerk über die seemännische Praxis bis hin zum kulturgeschichtlichen Erbe einem breiten Publikum veranschaulicht werden. Da der Segelsport ein wichtiges Kapitel der Kieler Stadtgeschichte ist, begrüßten die Ratsmitglieder das Vorhaben:
Das ‘Zentrum Klassischer Yachtsport’ der Initiative des Freundeskreises ’Klassische Yachten e. V.’ könnte erheblich zur Profilbildung der Landeshauptstadt Kiel als Welthauptstadt des Segelns beitragen. Die Nutzungsideen sind in das beigefügte Struktur- und Nutzungskonzept eingeflossen ...”
Das war kein Zufall. Im FKY hatten Ehrenamtliche zu diesem Zeitpunkt schon seit Längerem an dem Konzept für das Vorhaben gearbeitet: In Kooperation mit weiteren Bewerbern sollte unter anderem eine Gläserne Werft mit Lehrwerkstatt entstehen, in der auch Jugendprojekte geplant waren. Daneben ein “Zeithaus” – ein lebendiges Museum, in welchem dem Publikum in wechselnden Ausstellungen und Aktionen das maritime Kulturerbe der einst als “Mekka der Segler” weltbekannt gewordenen Segelhauptstadt näher gebracht werden sollte. Der Verein Deutsches Segelmuseum hätte sich um Exponate, Archiv und Bibliothek gekümmert. Schließlich war ein Eventbereich vorgesehen, zu dem auch die sommerliche Nutzung der dann leer stehenden Bootshalle für kulturelle Veranstaltungen gehört hätte.
Die Hoffnung des Vereins war, die Öffentlichkeit durch das geplante Zentrum, zu dem auch eine Steganlage gehört, die im Sommer als Hafen für klassische Yachten Verwendung finden sollte, für die Themenwelten der Yachtsportgeschichte zu interessieren.
Ein wesentlicher Kern des Projekts war schließlich auch die Einbeziehung des Stadtteils Pries, auf dessen Gelände der ursprünglich für die Luftwaffe eingerichtete Standort mit Wasserliegeplätzen, Bootshalle, Kantine und Slip liegt. Um das zu erreichen, waren bereits Partnerschaften mit Schulen und sozialen Einrichtungen geschlossen worden.
Im Vertrauen auf den von der Stadt geäußerten politischen Willen begannen die Ehrenamtler im Freundeskreis nun mit viel Engagement das Zentrum Klassischer Yachtsport zu entwickeln. Ihr Konzept erhielt den Namen “Open Harbour”, womit der Anspruch zum Ausdruck gebracht werden sollte, sich für ein breites Publikum zu öffnen.
Doch das Unternehmen zog sich. Politische Verantwortliche wechselten. Der Kauf des Geländes von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben durch die Stadt Kiel erfolgte erst Ende 2020. Daraufhin startete das verwaltungsrechtlich vorgeschriebene Vergabeverfahren. An dessen Beginn stand ein Ideenwettbewerb, in dessen Vorgaben sich viele der vom FKY entwickelten Ideen wiederfanden.
So wurde unter allerlei Auflagen nach einem Pächter gesucht, der einen „musealen Bildungs- und Handwerksstandort“ etabliert. Begriffe wie traditioneller Bootsbau, Segelsport und maritimes Erbe tauchten in der Vorgabe – und den nun neu hinzukommenden Bewerbungen – ebenso auf wie die Voraussetzung der Nachhaltigkeit bei der Umsetzung.
Groß war die Verwunderung der Öffentlichkeit daher, als sich die Vergabekommission dann Ende September 2022 für ein Konzept aussprach, das der Betreiber eines Yacht-Service eingereicht hatte. Denn die Begründung stützte sich im Wesentlichen darauf, dass der gemeinnützige Verein “Freundeskreis Klassische Yachten” in seinem Konzept nicht den geforderten Abriss des alten Kantinengebäudes und des Bürogebäudes zugunsten eines Neubaus berücksichtigt hätte.
Das, so der FKY, sei aber laut Ausschreibung kein Selbstzweck gewesen, sondern hätte dem Errichten einer Uferpromenade dienen sollen, die in den Plänen des FKY durch einen Vorbau umgesetzt worden wäre. Im Gegenteil sei, so die Vertreter des Freundeskreises, mit ihrem Konzept der Bestandserhaltung bei gleichzeitiger Umsetzung einer Uferpromenade der geforderten Nachhaltigkeit Rechnung getragen worden. Vor allem aber monierten sie, dass es zu keinem inhaltlichen Wettbewerb der Konzepte gekommen sei.
Zu einem inhaltlichen Vergleich der insgesamt vier bei der Stadtverwaltung eingereichten Konzepte kam es nicht”
Die Verantwortlichen des FKY reichten daraufhin eine Verfahrensrüge ein, in der sie unter anderem auch auf das Konzept des bevorzugten Bewerbers eingingen:
“Wir entnehmen dem Ergebnisprotokoll schließlich, dass das Konzept Open City Bay bisher keine konkreten Kultur- und Betreiberkonzepte, kein konkretes Kooperationskonzept und noch überhaupt kein Trägerkonzept vorgelegt hat, obwohl es sich dabei um zwingend erforderliche Angaben handelt. Der Neubau der Gebäude ist nach unserer Kalkulation nur durch rein gewerbliche Nutzung zu erreichen. Mit der Bevorzugung einer derartigen Konzeption würde die Landeshauptstadt Kiel von ihren eigenen Bewerbungsvorgaben – soziales Miteinander und ökologische Nachhaltigkeit – abweichen, um einem gewerblichen Investor die Refinanzierung dieser Gebäudeneubauten zu ermöglichen.”
Auch im Stadtteil Pries war die Enttäuschung über den Vorschlag der Vergabekommission groß. Der Ortsbeirat machte sich bei der Stadt für den Freundeskreis stark, wurde aber ebenso abgewiesen wie die Verfahrensrüge.
Die Ratsversammlung ist nun am 15. Dezember im nicht öffentlichen Teil der Sitzung einstimmig dem Vorschlag der Vergabekommission gefolgt und hat dem Betreiber des Yacht-Service mit Reparaturwerft, Yachthandel und Winterlager damit den Zuschlag erteilt. Auch sein Konzept berücksichtigt die in der Ausschreibung geforderten musealen und kulturellen Nutzungsbestandteile. Um die umsetzen zu können, sind allerdings noch Hausaufgaben zu erledigen.
Sechs Monate hat die Vergabekommission dem Gewerbetreibenden zugestanden, um die Finanzierung sicherzustellen und seine Kulturprojekte zu konkretisieren. Ob diese Zeit dafür ausreicht, steht in den Sternen. Sollte er scheitern, ist die Zukunft des Geländes erneut völlig offen. Die Ehrenamtler des Freundeskreises haben durchblicken lassen, dass sie nach der jahrelangen Arbeit für das geplante Zentrum und dessen Ablehnung an einer weiteren Zusammenarbeit mit der Stadt Kiel kein Interesse mehr haben. Ihre Erklärung zum Ratsbeschluss endet mit dem Satz:
“Schade drum. Das ‘Open Harbour’-Konzept hätte gut zur alten Segelstadt gepasst.”