Vier Tage gemeinsam an Deck, Wind und Wellen trotzen und als Team ein historisches Segelschiff sicher über die Ostsee navigieren – für 16 Auszubildende aus Mecklenburg-Vorpommern und Litauen wurde diese Erfahrung zu einem unvergesslichen Erlebnis. Im Rahmen des Projekts „Baltic Friendship" segelten sie mit der „Belle Amie" zur Hanse Sail und lernten dabei nicht nur seemännische Fähigkeiten, sondern auch viel über Teamarbeit und Völkerverständigung. Bei einem Nachtreffen in Rostock vier Monate später war die Begeisterung noch immer spürbar, teilt das Rathaus Rostock mit. „Das würde ich sofort wieder machen", schwärmt Piet Baumann, Auszubildender zum Bootsbauer bei Tamsen Maritim in Rostock.
Die bunte Truppe aus angehenden Bootsbauern, Segelmachern, Seilern, Schifffahrtskaufleuten und Hafenmanagern kannte sich vor dem Törn größtenteils nicht. Doch an Bord wurden schnell Kontakte geknüpft. Organisiert wurde das Projekt bereits zum zweiten Mal vom Hanse Sail-Büro in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern und der Industrie- und Handelskammer Rostock. „Es geht darum, Menschen, Kompetenzen und maritimes Handwerk zu verbinden", erklärt Christina Fink, Bereichsleiterin Bildung bei der Handwerkskammer. „Und wir möchten zeigen, wie aktuell Handwerk ist."
Die erste Etappe begann in Kiel und führte die Gruppe direkt in unruhige Gewässer. Zwölf Stunden dauerte diese Passage, während der die Teilnehmer nach und nach die verschiedenen Arbeiten an Bord kennenlernten. „Es war wunderschön zu erleben, wie es klappt, mit mehreren Leuten zusammen die Segel zu setzen", berichtet Bjarne Uhthoff, ebenfalls Azubi bei Tamsen Maritim.
Die anfänglichen Sprachbarrieren mit den litauischen Teilnehmern wurden schnell überwunden. „Wir haben viel Englisch geredet", erinnert sich Piet Baumann. „Dadurch war es auch eine Art von kulturellem Austausch." Diese gemeinsame Erfahrung schweißte die Gruppe noch enger zusammen. „Der Abschied fiel gar nicht so leicht", erzählt Bjarne Uhthoff. „Wir wären gern bereit gewesen, noch ein paar Tage länger an Bord zu bleiben." Sein Kollege Piet ergänzt: „Wochen! Mir tut jeder leid, der das nicht mitgemacht hat."
Bettina Fust, Leiterin des Hanse Sail Büros, freut sich über dieses positive Feedback: „Wir wollen mit der Hanse Sail nicht nur ein tolles Fest feiern, sondern auch dafür sorgen, dass die Traditionsschiffe, die Rostock besuchen, noch lange fahren und dass das maritime Handwerk und der internationale Austausch gefördert werden."
Die „Belle Amie" ist das ideale Schiff für Bildungsprojekte wie dieses. Der 110 Jahre alte Traditionssegler wurde 1915 auf der Werft der Gebrüder van der Windt im niederländischen Vlaardingen gebaut und am 30. Juli als "Wilhelmina Klein" zu Wasser gelassen. Ursprünglich diente der Segellogger der Treibnetzfischerei in der Nordsee, was für diese Zeit bereits ungewöhnlich war, da längst Motorlogger eingesetzt wurden. Im Laufe ihrer Geschichte trug sie verschiedene Namen, darunter „Maria Catharina", „Helga" und „Prins Axel", und diente als Fischerei- und Frachtschiff.
1968 erhielt das Schiff den Namen "Belle Amie" und wurde nach einem Umbau für Passagierfahrten genutzt. 1974 übernahm die Kommune Danderyd in Stockholm die "Schöne Freundin" als Sail-Training-Schiff. Seit 2019 gehört die „Belle Amie" dem Ehepaar Jörg und Mareike Charles, die mit ihrem Verein „Erlebe Meer" das Traditionsschiff betreiben. Jörg Charles führt als Kapitän und Berufsnautiker das Schiff, während seine Frau Mareike als studierte Pädagogin vor allem Klassenfahrten betreut und Segelreisen für Gruppen, Firmen oder Einzelbucher organisiert.
Der 200-Tonnen-Stahlkoloss mit einer Rumpflänge von 27 Metern gehört zu den größeren stählernen Segelloggern. Außergewöhnlich ist, dass der Rumpf bis heute original erhalten und weder verlängert noch verkürzt wurde. Das Schiff führt sieben Segel: die Vorsegel Flieger, Klüver und Fock, das Großsegel und den Besan sowie über beiden jeweils ein Toppsegel. Die "Belle Amie" ist ein schneller Segler, der bis zu 10,5 Knoten erreichen kann und eine gute Höhe an der Kreuz läuft.
Mit ihren 27 Metern Rumpflänge Platz kann sie bis zu 25 Personen auf mehrtägigen Törns beherbergen. An Bord wird traditionelle Seemannschaft für jeden erlebbar. Unter der Anleitung der erfahrenen Stammcrew lernen die Teilnehmer alle notwendigen Handgriffe, um das Schiff zu segeln.
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Nach dem Erfolg des diesjährigen Törns plant das Hanse Sail Büro nun die Fortsetzung für 2026. „Wir arbeiten bereits daran, eine derartige Erfahrung auch im kommenden Jahr möglich zu machen", sagt Bettina Fust. Dafür werden aktuell im ganzen Norden Betriebe gesucht, die das Vorhaben unterstützen oder maritime Berufe ausbilden und bereit sind, für ein paar besondere Sommertage auf ihre Azubis zu verzichten.
Die 35. Hanse Sail findet vom 6. bis 9. August 2026 in Rostock statt. Wer selbst einmal auf einem der teilnehmenden Traditionsschiffe mitsegeln möchte, findet hier das gesamte Programm mit allen Teilnehmerschiffen. Törns können schon jetzt gebucht werden.