Lasse Johannsen
· 28.05.2025
Langsam schiebt sich der Kutter im Elbhafen von Glückstadt rückwärts Richtung Kai. Die böige Brise packt den eleganten Klipperbug und versetzt ihn nach Lee, Richtung Außensteg. Doch mit Hilfe der riesigen Pinne, einiger Gasschübe und ein bisschen Unterstützung von außen ist das Schiff bald sicher fest. Die "Rigmor von Glückstadt" ist bereit für die nächste Ausfahrt mit der nächsten Crew und den nächsten Gästen, die schon schwatzend und lachend an Land stehen. Die Schiffsübergabe verläuft wie am Schnürchen - sie muss es auch, denn der historische Segler ist gut gebucht: Rund 65-mal pro Jahr wird gesegelt.
Für Interessierte bietet der Fahrplan der "Rigmor" auch in diesem Jahr wieder verschiedene Möglichkeiten zum Mitsegeln an. Ein dreistündiger Kurztörn auf der Elbe vor Glückstadt kostet 30 Euro inklusive Kaffee und Kuchen für Erwachsene, Kinder bezahlen nur die Hälfte. Sehr beliebt sind auch die Abendfahrten. Manchmal werden auch längere Schläge gesegelt, zum Hamburger Hafengeburtstag etwa oder zur Kieler Woche. Mitte Mai nimmt die "Rigmor" regelmäßig Kurs auf Flensburg und ist Teilnehmerin der Rumregatta.
Gebaut wurde der Kutter als Zollkreuzer auf der Schröder-Werft im Hafen von Glückstadt im Jahr 1853, als in Schleswig-Holstein noch die Dänen das Sagen hatten. Stolz nennen die Betreiber das Boot heute das "älteste fahrtüchtige Segelschiff Deutschlands". 1864, nach der Niederlage der Dänen gegen Österreich und Preußen, wurde das Schiff als Prise nach Hamburg geschleppt. Ein Däne namens Gerret Jacob Matzen ersteigerte es günstig und baute es zum Frachtsegler "Treue" um. Damit begann eine neue Karriere für den Kutter, der fortan unter verschiedenen Namen in Dänemark und Schleswig-Holstein auftauchte.
1917 übernahm ein gewisser Christen Christensen das inzwischen zum Steinfischer degradierte Schiff und benannte es nach seiner Tochter Rigmor. Mit Maschine, Ladekran und Steuerhaus versehen, baggerte "Rigmor" über die folgenden Jahrzehnte Findlinge aus der Ostsee oder Sand und Schotter aus Fahrrinnen. Besonders in kleinen, seichten Häfen war sie mit ihrem geringen Tiefgang gefragt. Wiederentdeckt wurde der Klassiker vor nunmehr 45 Jahren von Joachim Kaiser. Der ist heute im Vorstand der Stiftung Hamburg Maritim, damals war er mit einem Jugendkutter auf der Ostsee unterwegs.
Ein ganz besonderes Kunststück war es, die Granden von Glückstadt zu überzeugen, dass diese "Rigmor" die maritime Tradition des Ortes versinnbildliche und daher ein würdiges Restaurierungsprojekt wäre. 150.000 Kronen, umgerechnet gut und gern 20.000 Euro, mussten für den Packen alter, maroder Planken aufgebracht werden. Und das war erst der Anfang. Nach der Überstellung von Dänemark nach Glückstadt im Herbst 1992 sollten acht Jahre ins Land ziehen, bis das Schiff wieder im Originalzustand hergerichtet war.
Heute wird Authentizität großgeschrieben: manuelles Ankerspill, mit Leder bekleidete Blöcke, geschlagenes Tauwerk, saubere Spleiße und Taklings, Beschläge aus galvanisiertem Eisen und eine gigantische, geschwungene Pinne aus Eiche, die auf einem Ruderkoker aus Holz steckt. Fast alles wie damals. Für den Betrieb mit Fahrgästen musste nicht nur im Bug eine Kombüse installiert werden, sondern auch eine Toilette mit Abwassertank achtern. Im Maschinenraum gleich nebenan röhrt ein restaurierter 63-PS-Bukh-Diesel, wenn Segeln Pause hat.