Marc Bielefeld
· 22.05.2023
Sie sind weiß, abgründig elegant und unheimlich schön: in Kerkern gefertigte Segelschiffsmodelle aus Tierknochen, sogenannte Knochenschiffe. Sammler jagen den raren Objekten nach und bewahren ihre Schätze in aller Anonymität
Die Villa des Kaufmanns steht in einem noblen Viertel Hamburgs, ein Garten säumt das Haus, eine Freitreppe führt zum Haupteingang. Bekannte Namen sind hier schon hereinspaziert, geladen zu Abendessen und Dinnerpartys. Beim Betreten der Räumlichkeiten kommen die Gäste an Skulpturen vorbei, erblicken maritime Gemälde, handverlesene Antiquitäten. Im Salon allerdings wartet ein Objekt, das aus den erwartbaren Kunstkategorien deutlich heraussticht. Das Werk steht auf einem Mahagoni-Sockel, eine Glasvitrine schützt es vor Staub, Licht und voreiligen Fingern.
Der Blick fällt auf ein kreideweißes Segelschiff, das aussieht, als hätten tausend Jahre Tropensonne es für immer ausgeblichen. Ein mit Dutzenden Kanonen ausgestatteter Dreimaster, der mit üblichen Fensterbankdekorationen absolut nichts zu tun hat. Vor dem Besucher thront ein Geisterschiff, das seltsam unter die Haut fährt. Als hätte es eine vergessene, makabre Geschichte zu erzählen.
Das Modell, erbaut wurde es im frühen 19. Jahrhundert, ist die penible Rekonstruktion einer Fregatte der Britischen Marine. Ein Zweidecker dritten Ranges und zweiter Ordnung, ausgestattet mit 78 Geschützen und dem „John Bull“, einer männlichen Galionsfigur. Die vom Wert kaum schätzbare Rarität ist 40 Zentimeter lang, 35 Zentimeter hoch und zeigt einen typischen „74er“. Im Original hatten diese Schiffe eine Länge von 54 Metern zwischen den Loten, sie besaßen zwei durchgehende Batteriedecks, einen mächtigen und steilen Bugspriet sowie Vollschifftakelung. Vor über 200 Jahren segelten Fregatten dieses Typs als Flaggschiffe der britischen Flotte unter niemand Geringerem als Lord Nelson. Sie trugen Namen wie „HMS Vanguard“ oder „HMS Elephant“, 1798 führten sie die Seeschlacht vor der ägyptischen Hafenstadt Abukir, waren 1801 beim Angriff auf Kopenhagen dabei und natürlich auch 1805 bei Trafalgar. Und während der Napoleonischen Kriege zählten diese Schiffe zu den erhabensten und gefürchtetsten Erscheinungen der sieben Meere.
Die Schlagkraft des Modells liegt vor allem in seinen unerhörten Details und deren Perfektion. Nach wenigen Minuten des stillen Staunens fragt sich der Betrachter unweigerlich: Welche Hände brachten es fertig, ein Schiff so pedantisch nachzubauen?
Filigrane Wasserstage besitzt das Modell, winzige Blöcke und die markante Galionsfigur. Eine grimmig vorausschauende Teerjacke mit rot umfasstem Hut, blauem Frack und englischem Schild, insgesamt gerade mal so groß wie ein Fingernagel. Beinahe schneeweiß ragen die Masten empor, ausladend spreizen sich die Rahen, derweil das Rigg anmutet wie ein dicht gewobenes Spinnennetz aus hauchdünnen Brassen, Fallen, Wanten und Pardunen. Verzierte Seitengalerien samt Kreuzrüsten sind zu sehen, winzige Nieten auf den Planken. Da sind die Kombüsenschornsteine, Heckdavits und Ankerspills. Sogar fipsigste Ankerbojen, Lukendeckel und Wasserfässer sind vorhanden, millimetergenau nachgeformt. Keine Frage, die Großartigkeit des Modells liegt in seinen Kleinigkeiten. In der fanatischen Hinwendung zu den Petitessen.
Der Geschäftsmann tritt neben sein Schmuckstück. Er kennt die Historie des Modells aus dem Effeff, weiß um jede Besonderheit des seltenen Objekts. „Letzten Endes sind es die Materialien, die diese Schiffe so außergewöhnlich machen“, erklärt er. „Die Materialien und die unsäglichen Lebensumstände, unter denen diese Modelle entstanden.“
Die Rede ist von Knochenschiffen, erbaut in dunklen Kerkern und stinkenden Gefängnissen. Kunstwerke, nachempfunden ohne Pläne, ohne Vorlagen, rein aus der seemännischen Erinnerung. Wunderwerke, erschaffen aus dem, was den Gefangenen neben alten Holzresten blieb: Tiergebeine und Menschenhaar.
Rar sind die Modelle, und rar ist der Kreis jener Sammler, die ihnen nachjagen
Nein, der Hamburger Geschäftsmann möchte lieber nicht sagen, wie viele solcher Schiffe er besitzt. Zu rar sind die Modelle, zu unbeschrieben ist jener kleine Kreis von Herrschaften, die maritime Objekte dieser Kategorie sammeln und den auf der Welt verbliebenen Knochenschiffen nachjagen. Nur so viel: „Wenn heute irgendwo noch ein Exemplar auftaucht, geht Unruhe durch die Szene, auch wenn die meisten von uns sich gar nicht kennen.“
Auf dem großen Esstisch im Salon liegen derweil zwei Bücher aus. Es sind eigens verfasste Werke, die sich mit der erstaunlichen Historie der Modelle befassen. Bände, die tief in die Details eintauchen. Nicht nur in die der Schiffe, sondern auch in die jener unfassbaren Bedingungen, unter denen die ominösen Nachbildungen aus Knochen einst entstanden.
Frankreich hatte Österreich und Preußen den Krieg erklärt, als im April 1792 die Gefechte auf dem europäischen Kontinent losbrachen. Bis 1815 verloren unzählige Menschen an Land wie auf See ihr Leben, Hunderttausende Häftlinge landeten in britischen Gefängnissen. In manchen „Depots“ darbten bis zu 8.000 Kriegsgefangene unter menschenun-würdigen Bedingungen. Und doch kamen einige der eingebuchteten Männer bald auf die kühne Idee, inmitten ihrer Pein Produkte anzufertigen, die als Tauschware dienten und sich auf den Gefängnismärkten verkaufen ließen. Zunächst flochten die Sträflinge einfache Strohmatten und Körbe, schnappten sich bald jedoch Messer und nutzten geschärfte Nägel, um immer feinere Artefakte mit bloßen Händen herzustellen. Kleine Schmuckkästen entstanden, Schachfiguren, Spazierstöcke und Pfeifen, gekratzt, geschnitzt und gefeilt aus jenem Material, das den armen Teufeln ausreichend zur Verfügung stand: abgenagte und ausgekochte Tierknochen.
Immerhin wurde in den Gefangenenlagern regelmäßig Fleisch ausgegeben, vornehmlich Rind und Hammel. Übrig blieben jede Menge Knochen, die als Schnitzmaterial begehrt waren – der Rohstoff für immer schönere Objekte, die in den muffigen Lagern entstanden und auf den Märkten ein paar Taler einbrachten, bis in Gefangenenlagern wie Portchester Castle, Dartmoor, Liverpool und Norman Cross neben Figuren, Schatullen und verzierten Knäufen eines Tages Knochenschiffe auftauchten, die gefangene französische Matrosen aus der Erinnerung nachgebildet hatten.
Dass schon die ersten von ihnen kleine Meisterwerke waren, liegt sicher auch daran, dass unter den Matrosen Uhrmacher, Graveure, Tischler, Drechsler oder auch Bootsbauer gewesen sein müssen. Männer verschiedener Gewerke, die gewisse Fertigkeiten bereits mitbrachten. Die ersten Käufer jedenfalls zahlten genug Geld für deren Kunstwerke, dass die inhaftierten Seeleute weiter schnitzten und neue Modelle fertigten. Und schon bald müssen die Knochenschiffe die Stars unter den Kerker-Kunstwerken gewesen sein. Denn sie gerieten immer raffinierter und ausgefeilter, bis Kapitäne und Reeder nach den knöchernen Schönheiten fragten und bereit waren, eine Stange Geld dafür zu zahlen.
Die Seefahrt und der Krieg hatten eine neue Kunstform hervorgebracht: Fregatten, Vollschiffe und stolze Kähne, die aus nichts als organischen Resten und menschlicher Schaffenskraft bestanden. So schmückten sie bald nicht nur die Schreibtische von Berufsschiffern, sondern auch die von Admirälen, betuchten Bierbrauern oder Händlern. Kapitäne bestellten die Modelle, gaben bestimmte Typen eigens in Auftrag. Die britische Admiralität engagierte später sogar 15 der geschicktesten Modellbauer, die sich in den Lagern einen Namen gemacht hatten. Der Auftrag: Die begabten Knastis sollten die berühmte „HMS Victory“ nachbauen – komplett als Knochenschiff. Der Kern bestand dabei aus dem Originalholz der „Victory“, und nach dem Tod Lord Nelsons dekorierte das stolze Modell 27 Jahre lang dessen Sarkophag.
Doch das alles ist inzwischen über 200 Jahre her. Heute sind die meisten der sagenhaften Knochenschiffe längst in die Vergessenheit gesegelt. Über die Dekaden und Generationen verstaubten die Modelle auf Dachböden, zerbrachen in den Händen liebloser Erben oder wurden von Ignoranten eines Tages einfach entsorgt. Die eh schon rare Form der maritimen Kunst verschwand langsam – bis auf jene exquisiten Exemplare, die überlebt haben und Sammler bis heute in ihren Bann ziehen. Kostbarkeiten ganz eigener Güte sind die verbliebenen Knochenschiffe. Maritime Augenweiden mit historisch schwerwiegendem Hintergrund – und noch immer vielen Fragezeichen im Kielwasser.
An diesem Morgen steht vor dem Internationalen Maritimen Museum in der Hamburger Hafencity Manfred Stein, inzwischen 77 Jahre alt und weltweit der wohl größte Experte der außergewöhnlichen Schiffsmodelle. Der studierte Ozeanograf unternahm als wissenschaftlicher Leiter Forschungsreisen in die Nordsee, nach Grönland und Spitzbergen, er fuhr in den Antarktischen Ozean, nach Kanada und Neuseeland. Ein Mann des Meeres, der 2003 in einem Museum in Halifax durch Zufall sein erstes Knochenschiff erblickte – und sofort fasziniert war.
Nach der Pensionierung recherchierte sich Stein tief in die Materie hinein. Er wurde ehrenamtlicher Mitarbeiter verschiedener Museen und schrieb sein erstes Buch. Titel: „Schiffe aus Knochen und Menschenhaar“. Heute steht er mit bekannten Auktionshäusern wie Christie’s und Sotheby’s in Kontakt, Sammler rufen ihn an, um mehr über ihre eigenen Schiffe oder potenzielle Neuerwerbungen zu erfahren. Niemand kennt die Szene der Sammler so gut wie Manfred Stein.
„Von den Knochenschiffen existieren noch 616 auf der Welt“, sagt er. „Nachweislich, Stand heute.“ 182 stehen in englischen, 47 in deutschen Museen. Und 35 befinden sich im Besitz deutscher Privatleute. Stein sagt dazu nur so viel: „Wenn es um den Bestand von Knochenschiffen in einer Stadt geht, ist Hamburg der größte Hafen der Welt.“ Allerdings ist unter den Eingeweihten Diskretion gewünscht. Die Modelle sind rar und teuer. Viele würden es auf Zehntausende Euro, einige gar auf sechsstellige Summen bringen – sollten sie jemals veräußert werden.
Allerdings tauchen immer wieder auch alte Schiffe auf, vielleicht ein bis zwei pro Jahr. Sie lagern in Kellern, ohne dass manche Besitzer wissen, was sie in Händen halten. „Die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Stein. „Ich würde schätzen, dass an die 400 Exemplare noch irgendwo auf der Welt existieren, unerkannt und womöglich schon arg ramponiert.“
Hunderte wertvolle Knochenschiffe lagern laut Schätzungen noch unentdeckt auf Dachböden
Es landeten schon Modelle auf seiner Werkbank, die von Rotweinflecken überzogen, Knochenschiffe, die völlig verstaubt und abgehalftert waren. Manchmal wird Stein gebeten, die Schiffe zu restaurieren, denn er ist einer der wenigen, die sich dieser heiklen Angelegenheit annehmen. Um die Schiffe so perfekt wie möglich wieder instand zu setzen, versucht Stein, die unsäglichen Umstände nachzuvollziehen, die damals in den Lagern und auf den Gefängnisschiffen herrschten. Dafür fertigte er sogar eigene Werkzeuge an, kochte in seiner Küche selbst Knochen aus und nutzte ausschließlich das, was weiland auch den geschundenen Matrosen zur Verfügung stand.
Stein hat einen winzigen Archimedes-Bohrer nachgebaut, mit dem sich mikroskopische Löcher in die Rinder- und Schweineknochen bohren lassen: hauchfein, lediglich Millimeter im Durchmesser. Auf diese Weise durchbohrten die Sträflinge winzigste Nocken und Blöcke. „Mit primitivsten Mitteln haben sie damals die Originalschiffe nachgebaut, samt ihrer Ausrüstung.“ Die Sträflinge benutzten alles, was sie finden und besorgen konnten. Messer, Nadeln, Feilen, Sägen, Klebstoffe, Seidenfäden und Bronzedraht. Viele verkauften dafür ihre Fleischrationen.
Zunächst schnitzten die Modellbauer den Kern, meist aus Nadelholz. So entstand der Rumpf vom Unterwasserschiff bis zum unteren Kanonendeck. Dieser wurde anschließend geschliffen und geglättet, Kiel und Steven kamen hinzu, schließlich die Planken aus dünnen Leisten. Und diese sollten möglichst echt aussehen. Die eingebuchteten Seeleute sägten die Knochen dafür in dünne Streifen, schliffen sie auf Hochglanz, nutzten Essig oder Kalkpaste, um die Knochenplanken für die Schmiegungen weich zu machen. Sie bohrten die Nietlöcher, dann wurden die Planken mit Bronzestiften fixiert und schließlich verklebt – mit Knochenleim, der beim Reinigen der Essensreste in den Küchen übrig blieb. Dabei arbeiteten sie so nahtlos und akkurat, dass es am Ende schien, als sei das Schiff aus einem Stück gefertigt.
Doch die wahren Details kamen erst noch. Masten, Rahen, Juffern, Spieren, Spills, Steuerräder, Stampfstöcke, Davits und Ruder. Dazu die Beiboote, Anker und Fässer, die damals an Bord der Schiffe mitgeführt wurden. Bei einigen Modellen sind sogar die Plumpsklos nachgebaut, auf denen die Matrosen damals außenbords neben der Schanz saßen, die Beine über den Wellen baumelnd. Ja, teils sind sogar die Eimer rekonstruiert, mit denen die Blaujacken im wahren Leben Wasser aus dem Meer schöpften, um sich die Hintern abzuwischen. Und natürlich sind auch die Kanonen vorhanden, samt gebohrten Rohren und den laufenden Lafetten, auf denen sie standen. Bei besonders wertvollen Modellen verliefen an Kanonen und teils sogar den Rahen Seilzüge aus geflochtenem Haar. Zog man daran, fuhren die Kanonen heraus, wurden die Rahen gefiert und ließen sich die Stückpforten öffnen und schließen.
Unglaubliche Feinstarbeit, verrichtet im Grind der Verliese. Möglich war dies letztlich nur, weil die Gefangenen neben allen Entbehrungen eines im Überfluss hatten: Zeit. Oft saßen sie monatelang an einem einzigen Modell, bildeten sogar Gruppen, um effizienter arbeiten zu können. Regelrechte Spezialisten gab es am Ende für die Fertigung einzelner Teile. Die einen schnitzten Galionsfiguren, die nächsten die Masten. Wieder andere waren besonders gut darin, kleinste Hängemattennetze zu flechten oder die Seitengalerien zu verzieren. Und dann gab es noch die Drecksarbeit, bevor die Schiffe überhaupt entstehen konnten. Das Fett von den Knochen schaben, Blut und Gewebe abkratzen, bevor die Gebeine gekocht, geschnitten und geblichen werden konnten.
Erstaunlich ist auch, dass die meisten Knochenschiffe sogar in ihren Proportionen stimmen. Länge, Breite, Aufbauten, Beiboote, alles kommt genau hin.
Noch immer Rätsel gibt die markante Farbe der Schiffe auf: das helle Weiß der Knochen, das sich über die Jahrhunderte hält wie ein Wunder. Verschiedene Theorien gibt es hierzu. Die wahrscheinlichste: Die Matrosen blichen die Knochen in Schwefeldioxid. Um die Latrinen in den Lagern zu desinfizieren, brannte man Schwefel ab. Das Schwefeldioxid bildete mit Wasser schließlich eine schweflige Säure, die sich bestens zum Bleichen eignete.
Dass die kostbaren Kunstobjekte aus der Zeit des Klassizismus bis heute so sagenumwoben und begehrt sind, liegt auch an den schillernden Persönlichkeiten, die stets um die verrückte Geschichte der Knochenschiffe wussten und diese auf dem ganzen Globus zu ergattern versuchten. Einer der Berühmtesten unter ihnen dürfte Aristoteles Onassis gewesen sein. Auf seiner Yacht „Christina“ standen gleich mehrere der weißen Knochenschiffe in Vitrinen.
Als er noch in der Schifffahrtsredaktion des „Hamburger Abendblatts“ arbeitete, weilte an Bord der „Christina“ eines Tages auch Peter Tamm, der spätere Gründer des Internationalen Maritimen Museums und schon damals Deutschlands inbrünstigster Sammler maritimer Objekte und Kunst. Damals erzählte ihm Onassis die fast schon vergessene Geschichte der Knochenschiffe. Tamm senior blickte auf die Vitrinen und war sofort infiziert. Er recherchierte daraufhin selbst, begab sich auf die Jagd und besaß am Ende die größte Knochenschiffsammlung Deutschlands – heute ausgestellt im Museum am Hamburger Hafen.
Über den besonderen Reiz der Schiffe sagte Peter Tamm einmal, dass es überaus bemerkenswert sei, „wie menschliche Schicksale, verbunden mit handwerklichem Können und volkstümlicher Gestaltungskraft, in diesen Schiffsmodellen als historisches Lehrstück eine Herz und Verstand anrührende Sprache sprechen“.
Ein Satz, den der Hamburger Kaufmann unterzeichnen würde. In seiner Stadtvilla steht er noch immer vor seinem Knochenschiff, hat auf dem großen Tisch inzwischen ein zweites platziert, das er vorsichtig aus einem Nebenraum geholt hat. Ein Freund von ihm ist zu Besuch, ebenfalls Sammler der alten Schönheiten. Die meisten Besitzer dieser Modelle kämen noch immer aus der „maritimen Ecke“, erzählen die beiden. Darunter Schiffsversicherer, Schiffsmakler, Reeder, Kapitäne. Unternehmer und Geschäftsführer, die mit der Seefahrt beruflich zu tun haben. Namen aber fallen nicht. Tabu.
Die Sammler verstehen sich nicht als Eigentümer, sondern als Verwalter von Zeugen der Geschichte
Vielleicht liegt das auch daran, dass die Eigner von Knochenschiffen sich in der Regel gar nicht als Besitzer dieser Schätze bezeichnen. „Wir sind letztlich nur Verwalter dieser Kunstobjekte, Bewahrer für die Nachwelt“, sagen die beiden Sammler. „Die Knochenschiffe entstanden lange vor unserer Zeit und werden bei guter Pflege noch existieren, wenn wir alle schon nicht mehr sind. Wir dürfen sie lediglich eine Zeit lang begleiten.“
Einzigartige Zeugen der Geschichte seien diese Modelle, Manifeste menschlicher Geistes- und Schaffenskraft in Zeiten bitterster Not. Und womöglich ist am Ende genau das der Grund, warum die weißen Schiffe so hypnotisieren – sie segeln nicht durch den Sturm, sie sind im Sturm geboren.