“Elrhuna”Daysailer mit legendärem royalen Vorbild

Nic Compton

 · 06.08.2023

Jahrzehntelang war sie an der schottischen Küste beheimatet. Mittlerweile kann man „Elrhuna“ häufiger auf den Gewässern Cornwalls sehen
Foto: N. Compton
Sie sieht aus wie eine Miniaturausgabe der legendären königlichen Yacht „Britannia“. Und tatsächlich besitzt „Elrhuna“ durchaus einige Gene ihres großen Vorbilds. Doch sie hat auch ihren ganz eigenen Charakter

Die Flussmündung Carrick Roads in Cornwall ist bei Seeleuten aus aller Herren Länder als drittgrößter Naturhafen der Welt bekannt. Und so hat hier auch schon manch prominente Yacht Schutz gesucht. Von Robin Knox-Johnstons „Suhaili“ bis hin zu einer langen Liste von Superyachten, die auf der Pendennis-Werft im nahe gelegenen Falmouth überholt wurden.

Seit einiger Zeit nun scheint das Gewässer auch vom Geist der Vergangenheit heimgesucht zu werden. Denn aus etwas Entfernung macht es gelegentlich den Eindruck, als segele „Britannia“ – die legendäre Yacht des früheren britischen Königs Edward VII. – auf der Bucht. Das oft als erfolgreichster Rennkutter der Geschichte bezeichnete Schiff allerdings existiert nicht mehr, und so kneift manch wissender Betrachter bei diesem Anblick schon mal die Augen zusammen.

Tatsächlich sieht es dann so aus, als segele da die „Britannia“ wie auf den überlieferten Schwarz-Weiß-Fotos von einst vorbei. Mit ihrem markanten Löffelbug, dem eleganten Yachtheck, dem dunklen Rumpf und den gebrochen weißen Segeln. Wer sich die Augen aber reibt und genauer hinschaut, wird schnell erkennen, dass ihm nur ein Streich gespielt wurde.

Von „Britannia“ inspiriert

Was da vorübersegelt, ist „Elrhuna“, ein hübscher Daysailer, der seit 62 Jahren von seiner Eignerfamilie Watson gesegelt und gepflegt wird. Die Namensverwandtschaft mit G. L. Watson, jenem berühmten Kon­strukteur, der einst die echte „Britannia“ entwarf, ist rein zufällig. „Elrhuna“ wurde 1904 von der Bootswerft Robertsons auf dem Clyde gebaut; sie ist heute der älteste noch erhaltene Entwurf des Werftgründers Ale­xander Robertson.

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Obwohl sich die Werft damals mit dem Bau der Yachten von William Fife, G. L. Watson und Alfred Mylne schon einen Namen gemacht hatte, entwarf Alexander Robertson ab 1889 eine Reihe von Yachten auch selbst. Darunter die Baunummer 35, eine Gaffelslup namens „Elrhuna“. Einer Erzählung zufolge, die von Besitzer zu Besitzer weitergegeben wurde, war ihr Design tatsächlich von dem der königlichen „Britannia“ inspiriert, die etwa elf Jahre zuvor im nur wenige Meilen entfernten Glasgow gebaut wurde.

„Ihr Unterwasserschiff ist für das Baujahr geradezu modern“, sagt Eigner Mungo Watson, der mit seiner Partnerin Stella zusammen auch noch die 60 Fuß lange „Eda Frandsen“ bereedert, auf der sie von Falmouth aus Chartertörns an die schottische Westküste anbieten. „Andere Robertson-Boote aus dieser Zeit sind nicht ganz so extreme Konstruktionen.“

Solide gebaut und exzellent verarbeitet, galt „Elrhuna“ als moderner, schneller Kreuzer

„Elrhuna“ ist hübsch und doch rassig, sie hat einen S-Spant, aber nicht übermäßig viel Tiefgang, und sie segelt unglaublich gut. Die Erzählung könnte also wahr sein. Miniaturen größerer Yachten lagen damals zudem im Trend. Und da „Britannia“ nach zahlreichen Regattaerfolgen in aller Munde war, ist es nicht unwahrscheinlich, dass „El­rhuna“ dem Wunsch des Auftraggebers nach einer kleinen Nachbildung entsprang. Ihr markanter Löffelbug und die schwarze Lackierung sorgten jedenfalls schon früh für den Spitznamen „Wee Britannia“, was man im Deutschen mit „Winzige Britannia“ übersetzen könnte.

Gebaut wurde „Elrhuna“ für den Lithographen Robert Graham aus Paisley, der mit ihr die schottische Westküste bereiste. In einem Artikel für „Yachting Monthly“ beschrieb Graham einen solchen Törn. Er unternahm ihn zusammen mit seiner Frau, die er als „ersten Offizier“ bezeichnete, und seinem Segelfreund „good old Billy“ im August 1905. Die drei segelten zum nahe gelegenen Loch Goil, wo sie in der Nacht und am nächsten Tag von Stürmen heimgesucht wurden, die das Wasser zu Wellen türmten, deren Gischt „hoch über den Masttopp flog“.

Der Artikel enthält auch eine aufschlussreiche Beschreibung des Bootes durch den Eigner selbst: „Solide gebaut und exzellent verarbeitet, ist sie ein wundervolles Beispiel für einen modernen, schnellen Kreuzer. Unter Deck ist sie geräumig und hat unter dem Skylight Stehhöhe.“

Aus heutiger Sicht wirkt „Elrhuna“ weder modern noch geräumig. Doch im Vergleich zu den schmalen, flachen Plank-on-edge-Designs, die bis Mitte der 1880er Jahre die Regattabahnen prägten, muss ihr Raumangebot aufgrund der Breite von 2,30 Meter bei einer Wasserlinienlänge von sechs Metern als geradezu monströs gegolten haben. Sogar ihr winziges Vorschiff lobt der Eigner als separaten Raum, der mit seiner „gut dimensionierten Luke mit Bullauge und dem Lüfter nicht zu verachten“ sei.

Gaffeltakelung weicht Bermudarigg

Nach der Zeit unter ihrem Ersteigner wechselte „Elrhuna“ innerhalb der Groß­familie Graham mehrfach den Besitzer und wurde in Westschottland gesegelt. Nach dem Krieg ersetzte man die Gaffeltakelung durch ein Bermudarigg. Die Arbeiten wurden vom damaligen Chefkonstrukteur der Robertsons, David Boyd, beaufsichtigt. Im Rahmen dieser Überholung kamen auch die Schotwinden an Bord. Sie wurden auf Podesten beidseits der Cockpitsülls montiert, wo bis dahin Ruderdollen für die langen Riemen befestigt waren, die das Boot bei Flaute antrieben.

Die Verbindung der heutigen Eigner­familie Watson mit dem Schiff begann nur einige Jahre später. Hilary Watson, der Vater des heutigen Eigners Mungo Watson, arbeitete als Zeichner bei der Fairlie Slip­way Company, dem 1944 von Archie McMillan gegründeten Nachfolgeunternehmen von William Fife. McMillan erkannte, dass Hilary ein fähiger Segler war, und lud ihn auf sein Boot ein. So lernte Hilary Watson seinen Freund Charlie Giffard kennen.

Als die beiden kurz darauf an Bord eines Cruiser/Racers von 35 Fuß Länge mitsegelten, sahen sie von achtern ein viel kleineres Boot aufkommen. „Es ist einfach in Lee an uns vorbeigezogen“, erinnert sich Hilary Watson noch heute an die erste Begegnung mit „Elrhuna“. „Charlie fragte sofort: ‚Was war das denn?‘ Der Skipper sagte, er glaube, das Boot gehöre David Donald und sei zu verkaufen.“ Von dem Moment an war Giffard nicht mehr aufzuhalten, bis er den Kerl gefunden und das Geschäft abgeschlossen hatte. „Elrhuna“ wechselte noch am Abend desselben Tages für 600 Pfund den Besitzer. Es war der Beginn der 47-jährigen Eignerschaft von Charlie Giffard.

„Elrhuna“ wird einiges abverlangt

Giffard war Regattasegler durch und durch, und „Elrhuna“ wurde sowohl auf dem Clyde als auch später in den West Highlands hart gesegelt. Im Laufe der Jahre häufte der Eigner eine ganze Sammlung von Silber an und segelte das „kleine schwarze Boot“ oft in Lee an den größeren Konkurrenten vorbei.

„Charlie Giffard segelte immer bei furchtbarem Wetter“, erzählt Mungo. „Ich erinnere mich, dass ich mal als Fünf- oder Sechsjähriger mitgekommen bin. Die Schotwinden waren unter Wasser, und die See lief ins Cockpit. Mein Vater und Charlie hatten ihren Spaß, aber ich hatte schreckliche Angst!“

Von Anfang an kümmerte sich Hilary Watson um das Boot und erledigte die Reparatur- und Wartungsarbeiten. Dafür durfte er „Elrhuna“ auch ohne den Eigner segeln. Giffard lieh ihm das Boot sogar, als er Mungos Mutter Sue den Hof machte. „Nachdem er meine Mutter kennengelernt hatte, wollte mein Vater mit ihr einen romantischen Segeltörn machen. Aber eines Nachts, als sie im Loch Spelve vor Anker lagen, verlor das Schiff den Anker und strandete. Auf einem riesigen Strand von Steinen fand ‚Elrhuna‘ den einzigen kleinen Sandfleck und überstand das Malheur nahezu unbeschadet.“

Eignerwechsel mit langem Atem

Kurz nachdem er das Boot gekauft hatte, ließ Giffard bei Fairlie’s neue Bodenwrangen aus Iroko einbauen, und zwar im Bereich des Mastfußes und hinter dem Cockpit. Und er ließ einen kleinen Benzinmotor mit Faltpropeller installieren. In den späten 1970er Jahren ersetzte Hilary Watson das mit Kiefernholz belegte Deck durch Marinesperrholz, wobei die Laibungen aus Teak erhalten blieben. Obwohl das Sperrholz nur gestrichen und nicht mit Harz und Matte versiegelt wurde, ist das Deck auch fast 50 Jahre später noch immer gut in Schuss.

Eine weitere größere Überholung fand 1996 statt, als der Rumpf vollständig abgezogen und neu kalfatert wurde und anschließend einen neuen Farbaufbau bekam. Mehrere der eisernen Bodenwrangen waren inzwischen korrodiert, einige Spanten verrottet, und auch diese Teile tauschte der Vater des heutigen Eigners damals aus.

In den 1990er Jahren nutzte die Familie Watson das Boot mehr als Eigner Charlie Giffard, der schon ziemlich alt wurde. „Eines Abends saßen meine Mutter und mein Vater bei einer Tasse Tee an Bord von ‚El­rhuna‘, nachdem sie mit Charlie gesegelt waren, als der aus heiterem Himmel sagte, er wolle das Boot verkaufen“, erzählt Mungo. „Meine Mutter sagte sofort: ‚Du darfst das Boot aber nicht an jemand anderen verkaufen. Wir wollen es kaufen!‘ Das war ein ziemlicher Schock für meinen Vater, der nie daran gedacht hatte, dass ihm ‚El­rhuna‘ eines Tages tatsächlich selbst gehören könnte!“ Doch 2007 wurden die Watsons nach 47 Jahren an Bord der „Elrhuna“ ihre stolzen Eigner.

Hilary Watson war zwar kein so engagierter Regattasegler wie Charlie, aber er nahm dennoch an zahlreichen Wettfahrten an der Westküste Schottlands teil. Und so wurde das Boot weiterhin gepflegt und bewegt und war in gutem Zustand, als es vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde.

Fähigkeitstest für neue Eigner

Bevor sie „Elrhuna“ übernahmen, hatten Mungo und Stella auf einer Reihe von Klassikern gearbeitet, darunter „Adix“, „Halloween“, „Cambria“ und „Partridge“, und kannten sich daher bestens mit dem Segeln alter Holzboote aus. Trotzdem hat Mungo Watson innerhalb kürzester Zeit auf „Elrhuna“ schon einiges an Aufregung erlebt. Etwa, als er fast auf die Felsen gelaufen wäre, wie schon sein Vater vor ihm.

„Dieses Boot testet wahrlich jeden, der das Ruder übernimmt. Alle Eigner, mich eingeschlossen, haben auf ‚Elrhuna‘ erlebt, wie es ist, auf Felsen aufzulaufen, vom Anker loszukommen, unfreiwillig zu stranden oder zwischen riesigen heimtückischen Felsbrocken trockenzufallen – und keinen davon zu berühren.“

2018 zogen Mungo und Stella nach Falmouth, und so wurde das „kleine schwarze Boot“ zum ersten Mal in seinem Leben aus der westschottischen Heimat in den Süden nach Cornwall gebracht. Dort machte es sich umgehend einen Namen, als die Watsons mit „Elrhuna“ im Flushing Sailing Club an den Start der Choaks Pasties Points Series gingen und aus dem Stand in ihrer Klasse gewannen.

„Elrhuna“ hat mehr als die Hälfte ihres Lebens in der Obhut der Familie Watson verbracht

Es folgte eine weitere Sanierung, diesmal in Ashley Butlers Schuppen im nahe gelegenen Penpol. Wieder waren es Kompositbauteile, die Anlass zur Sorge gaben. Mungo Watson ließ alle Arbeiten nach dem bestmöglichen Standard ausführen. Denn „Elrhuna“ spielt in seinem Leben eine zen­trale Rolle. „Die Erinnerungen an dieses Boot sind die ersten, die ich habe“, sagt er. „Es war immer da.“

Seit das Ehepaar im Jahr 2020 die „Eda Frandsen“ übernommen hat und damit zwei Boote sein Eigen nennt, bleibt nur noch wenig Zeit fürs Regattasegeln mit „Elrhuna“. Aber die beiden sind mit der Miniatur-Nachbildung der königlichen „Britannia“ auf den Carrick Roads, wann immer sie können. In der segelfreien Zeit hat das Boot im Yachthafen von Mylor sein speziell angefertigtes Zelt, in dem es liebevoll gepflegt und über den Winter gebracht wird.

„Elrhuna“ hat mehr als die Hälfte ihres Lebens in der Obhut der Familie Watson verbracht, und es ist schwer vorstellbar, dass jemand anderes als Mungo Watson sich so entspannt an die Süllränder lehnt und den Daumen auf das Steuer legt. „‚El­rhuna‘ ist Mungos erste und einzige wahre Liebe“, sagt seine Partnerin Stella. „Deshalb bekommt sie auch so viel Aufmerksamkeit.“

Bislang ist „Elrhuna“ dem Schicksal der „Britannia“ entgangen. Die königliche Yacht wurde nach dem Tod George V. abgewrackt und versenkt. Der segelverrückte Monarch konnte den Gedanken nicht ertragen, dass jemand anderes als er selbst ihr Ruder in die Hände nehmen könnte.

Wenn Sie also zufällig in Cornwall vorbeikommen sollten und auf den Carrick Roads glauben, die königliche Yacht „Britannia“ liefe in Lee vorbei, reiben Sie sich die Augen und schauen Sie noch einmal ganz genau hin. Sehr wahrscheinlich ist es nur das „kleine schwarze Boot“, das seine üblichen Streiche mit jedermann spielt.

Technische Daten der „Elrhuna“

  • Baujahr: 1904
  • Konstrukteur: A. Robertson
  • Werft: Robertsons
  • Rumpflänge: 8,53 m
  • Wasserlinienlänge: 5,97 m
  • Breite: 2,31 m
  • Tiefgang: 1,70 m
  • Verdrängung: 3,6 t
  • Segelfläche: 30,7 m²

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