Gebrauchtboot-TestLagoon 410 - Was kann der Pionier der Großserien-Katamarane?

Johannes Erdmann

 · 02.12.2023

Lagoon der ersten Stunde. Der 410er „Magic Cloud“ segelt in seinem Heimatrevier, der Kieler Förde. Doch der Kat hat schon viele lange Reisen im Kielwasser
Foto: YACHT/A. Lindlahr
Die Marke Lagoon beherrscht den Weltmarkt, in allen Häfen der Welt ist sie zu finden. Doch das war nicht immer so. Es begann mit dem Lagoon 410. Wir haben den Katamaran aus der Großserie getestet

Die markante breite und senkrechte Fensterfront macht den Lagoon 410 bereits von Weitem als solchen erkennbar. Dies war viele Jahre lang das Markenzeichen der Lagoon-Katamarane. Dabei hatte sie bei der Entwicklung rein praktische Gründe: Durch die halbkreisförmig angeordneten Fenster sollte der größtmögliche Platz im Salon erzeugt werden und dabei auch noch eine gute Rundumsicht.

Mit dem Lagoon 410 startete im Jahr 1997 die Erfolgsgeschichte der Katamaranmarke, die heute den globalen Markt dominiert. Dabei reicht die Geschichte von Lagoon noch viel weiter zurück. Bereits Mitte der achtziger Jahre begann eine kleine Gruppe von Jeanneau-Mitarbeitern, einen neuen Zweig zu eröffnen und unter dem Label JTA (Jeanneau Techniques Avancées) den bislang von der britischen Werft Prout beherrschten Markt der Fahrtenkatamarane zu erobern. Unter der Führung von Bruno Belmont setzte die Entwicklung des Lagoon 55 als ersten Modells der neuen Serie ein. Bald gefolgt vom Lagoon 37, der als 37 TPI auch in den USA produziert wurde. Doch Lagoon fokussierte sich lieber auf größere Boote, warf bis 1994 die Modelle 42, 47, 57, 67 und 67S auf den Markt. Bis der Verkauf der Marke an die Gruppe Beneteau eine Zäsur einleitete, in der sich die Werft besann, welche Zielgruppe sie eigentlich erreichen möchte.

Mit dem Lagoon 410 entwickelte das Unternehmen schließlich einen Katamaran, den es in hoher Stückzahl bauen konnte und der als Drei- oder Vier-Kabinen-Version sowohl für den Chartermarkt als auch für Eigner eine optimale Lösung darstellte. Ein Jahr später folgte auf den 410 der kleinere Bruder Lagoon 380, der bei sehr ähnlicher Optik für lange Zeit der meistgebaute Zweirumpfer der Welt bleiben sollte, sogar zwei Nachfolge-Generationen überdauerte und wegen der großen Nachfrage parallel weitergebaut wurde.

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Raumwunder: Lagoon-Katamarane genossen früh einen guten Ruf

Als der Kieler Johannes Frost sich für seinen Lagoon 410 „Magic Cloud“ entschied, war die Werft schon sehr erfolgreich, aber noch nicht das, was die Marke heute ist. In seinen jungen Jahren war Frost viel mit einem Folkeboot auf der Ostsee unterwegs, dann als junger Mann als Crew auf der „Sea Cloud“, woran heute noch der Name seines Lagoon erinnert. „Meine ersten Kontakte mit einem Mehrrumpfer hatte ich erst auf einem Familientörn mit einem gecharterten ProutKat von Neustadt aus“, erzählt Frost. Danach war es um ihn geschehen. Viele Jahre segelte er bei Freunden mit und nahm mehrfach am MC-Cup auf Mallorca teil, um den direkten Vergleich der einzelnen Katamarane zu nutzen. „Ich hatte mich auf den Bootstyp Kat eingeschossen, nun ging es nur noch darum, welchen.“ Drei Jahre verglich Johannes Frost Boote, fuhr sogar mit dem Auto quer durch Frankreich, um die ältere Generation der Katamarane zu besichtigen. „Casamance, Maldives, die ganze Reihe.“ Doch die ab Ende der Neunziger gebauten Schiffe gefielen ihm am besten.

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„Wir haben uns eine Liste von Kriterien gemacht, die das Boot erfüllen müsste“, sagt Frost. Darunter zum Beispiel die Möglichkeit, im Cockpit liegen zu können. „Das haben wir dann aber nie gemacht“, lacht er. Wichtig war ihm jedoch, ein Großserienboot zu kaufen. „Das bekommt man immer wieder gut verkauft, dachte ich mir.“ Lagoon besaß damals schon einen guten Ruf, war bekannt als Raumwunder. „Aus Kostengründen haben wir uns auf den Lagoon 380 fixiert“, sagt Frost, auch wenn sein heimlicher Favorit schon immer der etwas größere 410 war. „Auf dem MC-Cup segelte er immer sehr weit vorne. Wir durften einmal reinschauen und dachten: ‚Wow, das ist ja geil. Was für ein irres Platzangebot.‘“ Als im Jahr 2007 seine „Magic Cloud“ auf dem Markt erschien, zögerte Frost nicht lange. „Ich habe alles Geld zusammengekratzt und dann zugesagt.“

Doch Johannes Frost war damals noch weit vom Ruhestand entfernt, der größere Reisen ermöglichen würde. Deshalb fanden die ersten Sommerurlaube auf der Ostsee statt. „Drei bis sechs Wochen waren wir unterwegs, später dann auch im Wechsel mit Freunden, etwa nach Haparanda und zurück.“ Den Ruf, dass Mehrrumpfboote auf der Ostsee keinen Platz hätten, konnte er dabei nicht nachvollziehen.

Der Salon ist auch nach heutigem Standard gewaltig groß

Schließlich begann im Mai 2012 für Johannes Frost und seine Frau Angelika der zeitweise Ausstieg aus dem Berufsleben und der Start zur große Reise. Bis Oktober segelte „Magic Cloud“ über Frankreich und Spanien nach Portugal und in den Folgejahren eine große Schleife im Mittelmeer. Im Jahr 2016 setzte die Crew schließlich zum Sprung über den Großen Teich an, erreichte die Karibik und die USA, segelte hinauf nach New York und dann wieder hinunter in den Süden. Von dort ging es im Mai 2019 auf die Rückreise über die Bermudas und Azoren nach Kiel.

„Das Boot hat sich auf der langen Reise toll bewährt, und wir haben natürlich den vielen Platz sehr genossen“, berichtet Frost. Eigentlich hätten sie bei der Bootssuche lieber eine Eignerversion gefunden, gesteht er. „Aber so konnten wir mehr Freunde und Gäste mit an Bord nehmen. Das hatte auch Vorteile“, sagt er. Obwohl es sich bei dem Kat um eine Vier-Kabinen-Version handelt, wurde zumindest auf der Steuerbordseite ein Zugeständnis an das Eignerleben gemacht und ein großes Badezimmer eingebaut. An Backbord hingegen zwei kleine.

Der Salon, der für Frost den Ausschlag für den 410 gegeben hat, ist auch nach heutigem Standard gewaltig groß. 4,30 Meter breit und 3,45 Meter lang. Statt des üblichen U-Sofas hat die Werft ein fast O-förmiges Sitzmöbel untergebracht, mit einem kleinen Sideboard im Eingangsbereich. An Backbord befindet sich eine üppige NaviEcke mit wenig Platz für Seekarten, aber viel für Instrumente. An Steuerbord eine große, L-förmige Pantry mit halbkardanisch aufgehängtem Kocher. „Die Pantry ist zwar schön groß“, sagt Frost, „aber meine Frau hätte sich manchmal lieber eine nach achtern gerichtete gewünscht, wie bei modernen Booten heute üblich. Man nimmt dann einfach ein bisschen mehr am Leben im Cockpit teil und steht nicht so im Abseits.“ Ein Detail, das bei der späteren Facelift-Version des Bootes, dem 410 S2, ab dem Modelljahr 2005 angepasst wurde.

16 Jahre lang ist der Eigner bereits auf dem Großserien-Katamaran unterwegs

Während im Salon die Schränke und Türen aus hellem Holz gefertigt sind, bestehen große Flächen aus einer GFK-Innenschale. Im Gegensatz zu den Kabinen, die vollkommen mit Holz verkleidet sind. Anders als bei übrigen Schiffen dieses Alters, die häufig Kunstleder- oder gar Teppich-Verkleidungen an den Wänden besitzen, die nach 20 Jahren oft ein wenig schmuddelig wirken. Die Kojen bieten sehr komfortable Maße, sowohl vorn als auch hinten von 2,00 mal 1,60 Metern. Auch die Stehhöhen in den Rümpfen sind mit 1,85 bis 1,90 Metern ausreichend, im Salon mit 1,99 Metern sogar für größere Crewmitglieder geeignet.

Die Maschinen, zwei gut dimensionierte Yanmar-Dreizylinder mit je 38 PS, befinden sich unter den quer eingebauten Doppelkojen in den Hecks. Bei der Entwicklung des Kats hat die Lagoon-Crew bereits mitgedacht und im Deck darüber Deckel vorgesehen, die mit Dichtmasse zugeklebt sind, aber entfernt werden können, wenn Motoren getauscht werden müssen. „Damals hat man die Antriebe noch unter die Kojen gebaut“, sagt Frost. Später sahen die Konstrukteure eigene, von oben zugängliche und vom Rumpf per Schott getrennte Motorräume vor. „Damit man nicht immer das ganze Bett hochklappen muss, habe ich die Deckel über den Motoren geteilt“, beschreibt Frost eine seiner vielen kleinen Modifikationen, die er in 16 Jahren durchgeführt hat.

Das Boot ist robust gebaut und zugleich ein schneller und guter Segler. Das war für uns kaufentscheidend”

Einen Vorteil der Maschinen unterhalb des Bettes sieht er darin, dass kaum Feuchtigkeit und Salzwasser an die Motoren gelangen. „Die sind nach 23 Jahren immer noch fast rostfrei“, sagt er. Dieselgeruch hat er in all den Jahren in der Koje nie wahrgenommen. „Ich habe aber die Motorbilge von der Hauptbilge getrennt, damit Leckwasser, Öl oder Diesel nie in die Hauptbilge gelangen kann.“ Die je 120 Liter großen Dieseltanks sitzen beim Lagoon 410 unter dem Fußboden der Achterkabinen. Um vor Dieselpest gewappnet zu sein, hat Frost Sichtfenster in die Edelstahltanks geschnitten und mehrere Filtersysteme eingebaut.

Kleine Modifikationen am Lagoon 410 machen ihn noch besser

Auch an Deck und im Salon hat der Eigner im Laufe der Jahre einige kleine Veränderungen vorgenommen. „Ganz zu Beginn habe ich ein Bimini selbst gebaut, das mit einer schweren Lkw-Plane bespannt ist und einen festen Steg in der Mitte hat“, sagt Frost. Das Original-Bimini bestand lediglich aus einem mit Persenningstoff bespannten Rahmen. „Jetzt können wir sicheren Fußes draufklettern, um das Segel zu packen. Und wir haben mehr Platz für Solarpaneele.“ Insgesamt 700 Watt an Paneelen hat Frost unterbringen können. Damit kommt er gut aus. Die Batterien sitzen von Werft aus in der Bilge. „Die haben wir nach oben in den Salon verlegt“, erzählt Frost, „und den Schrank für die Gasflaschen vom Cockpit nach vorn in den Ankerkasten. Nun passen nicht nur Campingaz-Flaschen, sondern auch größere.“

Als Vorteile seines Bootes sieht Frost vor allem die durable Bauweise. „Das Boot ist wirklich robust, aber zugleich schnell“, sagt er. Im Gegensatz zu späteren Lagoons befindet sich der Steuerstand auf halber Höhe zwischen Cockpit und Bimini. „Das ist mir auch lieber als eine Flybridge, auf der man exponiert sitzt und kaum Kontakt zur Crew hat.“ Überdies ist Frost begeistert von dem stabilen Rigg mit starkem Mastprofil und über die Qualität der Erstausstattung seines Lagoon. „Wir haben immer noch das originale Großfall drauf. Es hat noch nicht genug Abnutzungsspuren am Mantel, als dass ich es austauschen müsste“, sagt er.

Große Nachteile des Bootstyps sieht Frost nicht. „Ein Einleinen-Reffsystem wäre manchmal wünschenswert gewesen“, sagt er, was sicher nachrüstbar wäre. „Die Bilgen an den Kielen sind etwas tief und schwer sauber zu halten“, ergänzt er, „und außerdem quietscht und knarzt es natürlich in rauer See an vielen Ecken“, räumt er ein. Aber das gehe anderen Booten ähnlich.

Der Lagoon 410 ist seegängig und langfahrttauglich

Dafür lobt Frost das gute Seeverhalten vor allem auf dem Rückweg über den Nordatlantik. „Ich finde, das Boot besitzt vom Seeverhalten her eine gute Länge. Mit einer Wasserlinie von zwölf Metern liegt es gut in der See und läuft eine Rumpfgeschwindigkeit von zwischen acht und neun Knoten.“

Das können wir am Testtag in der Kieler Förde nicht verifizieren, denn es wehen nur acht bis zehn Knoten Wind. Das hindert den Lagoon 410 jedoch nicht daran, zwischen 4,5 und sechs Knoten zu laufen, bei einer Höhe zum Wind von etwa 60 Grad. Als die beiden Kielwasser immer mehr zu rauschen beginnen, bekommt Eigner Johannes Frost schon fast wieder Lust, das Schiff ein wenig laufen zu lassen. „Aber eigentlich habe ich mir gesagt, dass ich jetzt mit 67 Jahren langsam mal einen Gang zurückschalte“, gesteht er. Lange Fahrten wird er mit seiner „Magic Cloud“ nicht mehr unternehmen. Dafür besinnt sich das Paar wieder auf die Ostsee. „In den letzten Jahren waren wir auf Bornholm, in Stockholm, dieses Jahr sogar in Südnorwegen“, beschreibt Johannes Frost. „Doch eigentlich gehört so ein Lagoon 410 auf Langfahrt. Das hat er uns gezeigt.“


Die Messwerte vom Test des Lagoon 410:

Messwerte vom Test des Lagoon 410Messwerte vom Test des Lagoon 410

Der Lagoon 410 im Detail

Steckbrief:

  • Konstrukteur: VPLP
  • Abmessungen: 12,37 x 7,09 m
  • Gebaut von: 1997–2006
  • Stückzahl: 280
  • Neupreis 1998: ca. 253.245 € (495.305 DM)
  • Gebrauchtpreis: ca. 200.000–235.000 €
Riss Lagoon 410Foto: YACHT/N.Campe

Technische Daten:

  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Gesamtlänge: 12,37 m
  • Wasserlinienlänge: 11,67 m
  • Breite: 7,09 m
  • Tiefgang: 1,25 m
  • Kielform: kurz, eingeformt
  • Masthöhe über WL: 18,29 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigk.: 9,1 kn
  • Gewicht: 7,2 t
  • Großsegel: 56 m²
  • Rollgenua: 38 m²
  • Maschine (Yanm.): 2x 29 kW/38 PS
  • Kraftstofftanks (2): 240 l
  • Frischwassertanks (2): 400 l
  • Fäkalientanks (2): 200 l

Modellhistorie und Bauweise

Der Rumpf ist als Kompositbau mit Balsakern gefertigt, unter Wasser massiv. Er verfügt auch heute noch über eine ausgesprochen gute Robustheit. Der 410 war in verschiedenen Ausbauvarianten erhältlich, mit drei bis vier Kabinen und zwei bis vier Bädern. Ab 2005 wurde er durch die Facelift-Version Lagoon 410 S2 abgelöst, deren markantester Unterschied die größeren Rumpffenster sind.

Rigg

Das Diamant-Rigg mit einem Salingspaar besitzt eine gute Profilstärke und eine solide Verstagung.

Ausbau

Der Lagoon 410 beeindruckt durch ein Raum­angebot, wie es für seine Zeit selten auf dem Markt gefunden werden kann.

Marktsituation

Da sich der Katamaran sehr gut auf dem Chartermarkt verkauft hat, sind die meisten Boote heute Ex-Char­ter­schiffe mit vier Kabinen. Eignerversionen waren damals selten und sind heute sehr gefragt. Die Schiffe sind vor allem im Mittelmeerraum und in der Karibik stark verbreitet, seltener in Nordeuropa.

Darauf achten

Wie bei allen Booten mit Balsaholzkern besteht die Gefahr, dass Wasser in den Kern eindringt. Deshalb sollten alle Beschläge an Deck gut in Dichtmasse eingesetzt sein, damit es keine Probleme durch Feuchtigkeit gibt.

Preise

  • Standardpreis 1998: 495.305 DM
  • Gebrauchtpreis: 200.000–235.000 €

YACHT-Bewertung Lagoon 410

Der Lagoon 410 war ein Pionier des Großserienbaus. Robust, mit großem Platzangebot und gut segelnd, bietet er ein ausgezeichnetes Gesamtpaket für Kat Einsteiger und Langfahrtsegler.

Konstruktion und Konzept

  • + Gutes, funktionales Layout
  • + Solide Bauweise
  • + Überragend großer Salon

Segelleistung und Trimm

  • + Gute Segeleigenschaften
  • + Schnelles Boot
  • - Wenig Trimmmöglichkeiten

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Sehr viel Holz im Innenausbau
  • + Reichlich Stauraum
  • + Sehr große Pantry

Ausrüstung und Technik

  • + Gute Qualität der Ausrüstung
  • + Gut dimensionierte Motoren
  • - Maschinen innerhalb Kabinen

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