„Und zum Schluss das Allerwichtigste: Vergesst bloß niemals, den Sicherheitsdraht einzuhaken!“ Der verhindert nämlich, dass die Libelle, der Dragonfly, sofort die Flügel wieder anlegt, sobald jemand aufs Trampolin zwischen Mittelrumpf und Schwimmer tritt. Nur dieser letzte Handgriff also noch, dann schwimmt der Dreibeiner in voller Breite segelfertig im Hafenbecken. Flemming, Mitarbeiter von Quorning Boats in Skærbæk, hat uns gezeigt, wie schnell und einfach sich ein Dragonfly auf seine volle Spannweite von 6,50 Metern entfalten lässt. Gefühlt hat das Manöver kaum länger als drei Minuten gedauert. Dann einige Schläge draußen vor der Einfahrt: Geduldig antwortet Flemming auf unsere Fragen und erklärt genau, worauf mit einem Trimaran zu achten ist.
Wir möchten ein paar Tage lang einen Dragonfly 28 in der Touring-Version segeln. Das Boot mit dem bezeichnenden Namen „Tri Me“ verchartert die Werft. Wir wollen ausprobieren, wie sich so ein Geschoss segelt. Immerhin hat Jens Quorning mit diesem Schiff eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die neugierig macht. 266 Achtundzwanziger sind seit 2009 fertiggestellt worden, alle 15 Arbeitstage einer. Also: Was macht das Ding so erfolgreich?
Wir motoren aus der Hafeneinfahrt. Das Boot wiegt nur etwas mehr als zwei Tonnen, damit ist es sehr windanfällig. Draußen suchen wir uns einen Platz mit genügend Raum nach allen Seiten, um das Groß zu setzen. Im Prinzip ganz einfach, aber noch ist alles neu und ungewohnt für uns, es dauert.
So ist es schon halb zwei geworden, als wir das Leuchtfeuer von Strib vis à vis Fredericia passieren und offenes Wasser vor uns liegt. Der Himmel ist seit heute Morgen grau, der Wind weht immer noch schwach bis mäßig aus nordwestlicher Richtung, soll aber munterer werden. Wir hatten Samsø als Ziel für heute Abend angepeilt, aber ist das realistisch, knapp 40 Meilen? Wir beschließen, unseren Kurs ganz nach dem Wind zu richten. Dann wollen wir mal sehen, wie weit wir kommen. Hier draußen brist es jetzt etwas auf, und die Sonne kommt raus.
Wir nehmen die Schoten dicht und blicken wie gebannt aufs Speedometer: sieben Knoten, acht, neun, zehn. Eine kleine Bö, und die Anzeige springt auf 14!
Wir suchen uns einen Winkel von etwa 60 Grad zum wahren Wind, nehmen die Schoten dicht und blicken wie gebannt aufs Speedometer. Sieben Knoten, acht, neun, zum ersten Mal zehn. Eine kleine Bö, und die Anzeige springt auf 14! Das grenzt für einen Langkiel-Segler wie mich schon an Magie. Wenn der Multi beschleunigt, fühle ich mich eher wie der Pilot eines Gokarts mit dem Fuß auf dem Gaspedal denn als Steuermann auf einem Segler.
Vollkommen ohne jeden Druck liegt die Pinne in der Hand. Schon der kleinste Ausschlag zeigt maximale Wirkung. Schnelle,ruckartige Bewegungen sind unbedingt zu vermeiden. Eine kleine Unachtsamkeit kann das ganze Boot ins Schleudern bringen und die zentrifugalen Kräfte den Mitsegler von seinem Sitz reißen. Wenn sich der Rudergänger dann zudem reflexartig an der Pinne festhält, ist alles zu spät. Den Kaffeebecher, der leichtsinnigerweise noch auf dem Salontisch steht, weil der Tri ja völlig aufrecht segelt, können wir gerade eben noch auffangen, bevor er im hohen Bogen durch die Kabine fliegt. Andererseits darf man die Pinne aber auch keinen Moment einfach loslassen, sonst läuft das Boot sofort aus dem Kurs.
Wir luven an. Wollen mal sehen, wie hoch wir rangehen können. Erstaunliche 30 Grad sind tatsächlich möglich, und dabei laufen wir immer noch mit sechs bis sieben Knoten. Das wäre auf meinem Schiff schon die Höchstgeschwindigkeit, aber hier haben wir das Gefühl, gleich stehen zu bleiben. Also wieder etwas abfallen, alles unter zehn Knoten finden wir jetzt schon langweilig. Wie schnell man sich an so was gewöhnen kann! Und das Beste ist, dass dieser Kurs, 60 Grad zum Wind, nicht nur der schnellste ist, sondern tatsächlich genau der, den wir brauchen, um damit locker an der Nordspitze von Æbelø vorbei und Richtung Samsø zu kommen. Mittlerweile weht es ziemlich konstant mit 4 Beaufort, und die Anzeige auf der Logge steht wie eingraviert bei zwölf Knoten.
Wir haben für die 42 Meilen von Strib bis Ballen nur viereinhalb Stunden gebraucht. Das sind rund zehn Knoten im Schnitt. Und das vollkommen stressfrei und mühelos
Die Bedingungen an diesem Nachmittag sind aber auch optimal für eine Rauschefahrt. Sonne, Wind und glattes Wasser, das reinste Vergnügen. Wir sitzen ganz bequem hinten im Cockpit etwas erhöht auf den Klappsitzen im Heckkorb, wo wir die Beine hochlegen können wie in einem Liegesitz. Um 17 Uhr haben wir das Leuchtfeuer Lushage und damit die südöstliche Ecke von Samsø querab. Der Hafen von Ballen ist so leer, dass wir aufs Einklappen der Schwimmer verzichten können. Im Schein der Abendsonne rangieren wir den Dragonfly rückwärts zwischen die Pfähle und legen uns längsseits an eine Pier. Wir haben für die 42 Meilen von Strib bis hierher sage und schreibe nur viereinhalb Stunden gebraucht, das sind rund zehn Meilen pro Stunde. Und das vollkommen stressfrei, absolut mühelos. Ist es denn zu glauben?
Am nächsten Morgen weckt uns eine warme Spätsommersonne. Direkt nebenan liegt eine weite, geschützte Bucht mit weißem Sandstrand. Ideal für einen Badestopp am Anker. Das Klappschwert, ganz ausgefahren 1,70 Meter tief, ist schnell aufgeholt, aber das Ruderblatt klemmt leider. So können wir den geringen Tiefgang nicht richtig ausnutzen, der es normalerweise erlauben würde, bis auf Knietiefe vor den Strand zu fahren. Theoretisch ist es sogar möglich, das Boot direkt auf den Strand zu ziehen.
Gegen Mittag holen wir den Anker wieder auf, verstauen ihn im Steuerbordschwimmer und setzen die Segel. Rund Fünen haben wir uns gestern vorgenommen, was bei den angesagten leichten Winden und in der kurzen Zeit, die wir haben, mit einem normalen Einrumpfboot ziemlich ambitioniert wäre. Aber mit dem Dragonfly, warum nicht? Südwestlicher Wind wurde uns versprochen, da wollen wir’s mal wagen. Den Fahrtentörn mit einem Multi plant man ganz anders als den mit einem Mono.
Achterliche Winde sind weniger spannend. Erst wenn die Brise vorlicher als halb kommt, wird’s interessant. Deshalb freuen wir uns, als wir von Norden her in den Großen Belt einsteuern und wieder unsere 60 Grad anliegen können. Aber der Wind dreht und ist schwach. Da muss der Blister aus dem Sack, sonst bleiben wir stehen. Doch auch dieses große Tuch ist keine Hilfe bei Flaute.
Glücklicherweise dauert dieser Zustand nicht lange. Auf einmal ist der Wind zurück, wieder aus der alten Richtung. Leise haucht er uns aus der Kertemindebucht an. In Windeseile ist der Blister geborgen und die Genua ausgerollt, und schon sind wir wieder im Rennen. Auf acht Knoten springt die Logge jetzt. Aber dann, etwa zehn Meilen vor der großen Brücke, dreht der Wind und kommt urplötzlich direkt von vorn.
Kurz entschlossen legen wir das Ruder und fahren zurück. Wenige Augenblicke nach Sonnenuntergang laufen wir in Kerteminde ein. Hier ist es eng, viel enger als gestern in Ballen. Überall nur schmale Boxen hinter Heckpfählen. Zum ersten Mal verwandeln wir den Dragonfly in ein Faltboot. Nachdem die Sicherheitsdrähte ausgehakt sind, kann man zunächst die Leine, die den Schwimmer ranzieht, noch Hand über Hand einholen. Aber schon bald wird das zu schwer, und weiter geht’s mit Hilfe der Schotwinsch. Es dauert ein paar Minuten, bis beide Schwimmer richtig eng anliegen, und ganz zum Schluss wird es ein bisschen anstrengend, weil die Schwimmer den Mittelrumpf rund zehn Zentimeter anheben müssen, um seitlich darunter zu verschwinden. Wir sind nun jedenfalls mit 2,50 Metern schmal genug für jede Box, und der Rest ist dann Routine.
Abends sitzen wir in der Kajüte und planen für den nächsten Tag. Der Wind soll weiter aus Süd kommen, das heißt, wir können den Kurs hinter Langeland vergessen. Soll ja Spaß machen, unser Ausflug. Und deshalb fällt die Entscheidung schnell. Es geht zurück oben um Fünen herum.
Als ich am anderen Morgen aufs Vorschiff will, um die Vorleinen zu lösen, falle ich beinahe ins Wasser. Die Deckskante ist superschmal, und wenn das Trampolin fehlt, gleicht dieser Gang einem heiklen Balanceakt.
Die ersten Meilen haben wir den Wind direkt von achtern. Das ist, wie gesagt, nicht der Lieblingskurs für Multis, aber schick ist’s doch schon, dass die breite Spinne ohne jede Rollbewegung segelt. Der Kaffeebecher kann unbeaufsichtigt stehen bleiben. Und so ganz langsam sind wir ja auch nicht unterwegs. Der Windmesser zeigt acht Knoten, die Logge sieben. Eine Pinnenarretierung wäre schön, damit man das Ding auch mal loslassen kann. Das ist aber ein Problem, das sich bei einem eigenen Boot schnell lösen ließe. Ganz raffiniert ist dagegen ein anderes Detail. Von ganz außen am Schwimmer kommt eine Talje und wird an der Baumnock eingepickt. So erfüllt sie gleich drei Funktionen. Sie verhindert vor dem Wind ein Überschlagen des Großbaums und ersetzt außerdem den Traveller und den Baumniederholer.
Wenn das Kielwasser, das laut rauscht und gurgelt, plötzlich ganz leise wird, wissen wir, jetzt steht da eine Zehn auf dem Display. Der Durchbruch der Schallmauer sozusagen.
Dann Halse. Geht total easy und schnell, wenn man wie wir mit Windgeschwindigkeit unterwegs ist. Und nun können wir wieder laufen lassen, ach, was für ein Spaß! Die Logge brauchen wir inzwischen gar nicht mehr anzugucken, um zu wissen, was Sache ist. Wenn das Kielwasser, das laut und vernehmlich rauscht und gurgelt, plötzlich ganz leise wird, wissen wir, jetzt steht da eine Zehn. Der Durchbruch der Schallmauer sozusagen.
So geht es weiter, der Wind hält heute durch. Oben bei Strib luven wir kräftig an, und nach ein oder zwei Kreuzschlägen unter der Brücke hindurch erreichen wir gegen 18.30 Uhr Middelfart. 65 Meilen in acht Stunden, mal eben ganz locker abgespult. Daran könnten wir uns gewöhnen.
Die Preise liegen je nach Saison zwischen 2.770 und 3.120 Euro pro Woche. Voraussetzung für einen Chartertörn ist eine gründliche Einweisung durch Quorning Boats, die so lange dauert, bis sich die Crew sicher fühlt. Das kann bis zu fünf Stunden dauern. Bei Vertragsabschluss bekommt der Kunde zur Vorbereitung ein umfangreiches Manual zugeschickt