Durch die große Breite sowie die kleinen und kurzen Kiele und die damit verbundene geringe Lateralfläche gehört das Segeln hoch am Wind nicht wirklich zu den Stärken eines Kats. Viele Exemplare erreichen lediglich eine Höhe von etwa 60 Grad am Wind. Ihre wahren Stärken besitzen diese Boote hingegen formbedingt bei Raumwindkursen. Dann ermöglicht die große Breite ein aufrechtes Segeln, und die geringe benetzte Fläche unter Wasser bietet wenig Widerstand. Auf Raumwindkursen ist der Kat zu Hause.
Doch je tiefer die Kurse führen, desto schwächer wird auch die Segel-Performance, weil die kleinen Selbstwendefocks moderner Fahrtenkats dann schnell in die Abdeckung des Großsegels gelangen. Das Kreuzen vor dem Wind kann in dem Fall eine Option sein, um beide Segel gefüllt und das Schiff ausgeglichen auf dem Ruder zu halten. Ein Kreuzkurs kann einen Kat deutlich schneller zum Ziel führen. Bei Kursen mit einem Windeinfallswinkel von 150 Grad legt das Schiff zwar etwa 15 Prozent mehr Strecke zurück, dafür aber in einer deutlich geringeren Zeit als platt vor dem Laken. Bei langen Überfahrten ist es jedoch zuweilen mühselig, regelmäßig eine Halse zu fahren.
Steht lediglich ein Tuch im Wind, segelt der Katamaran unausgeglichen. Nur unter Großsegel und dadurch einem sehr weit achtern liegenden Segeldruckpunkt bekommt das Schiff hinten immer wieder eine Drehtendenz, und sowohl Autopilot als auch die Ruderblätter haben große Kräfte aufzunehmen, um dem entgegenzuwirken. Das Großsegel vollständig zu bergen und nur mit dem Vorsegel zu fahren ist eine Möglichkeit, die manche Fahrtensegler wählen, auch über Ozeane. Doch die kleine Genua – oder häufig sogar einzig eine Selbstwendefock – auf modernen Katamaranen macht es kaum möglich, damit akzeptable Geschwindigkeiten zu erreichen. Solche Schiffe sind nicht dafür konstruiert, nur mit einem Segel zu fahren.
Moderne Fahrtenkatamarane sind bedingt durch das große Wohnraumangebot schwer. Besonders bei leichten und achterlich einfallenden Winden, die den scheinbaren Wind an Bord noch mehr reduzieren, sind sie schwerfällig in Bewegung zu bringen. Doch selbst bei normalen Verhältnissen ist es hilfreich, wenn für jeden Windeinfallswinkel ein passendes Segel an Bord ist. Die große Breite der Boote mit einem guten Schotwinkel und einem großen Stabilitätsumfang erlaubt es, große Segel zu setzen – deshalb ist das Angebot auch verwirrend umfangreich.
Die Wahl des richtigen Segels ist nicht leicht. Egal ob man ein Eigner ist, der den ersten Katamaran für eine große Reise ausstattet – oder ein Chartersegler, der überlegt, gegen Aufpreis ein Extrasegel zu buchen. In leichten Winden möchte man durch solch ein Tuch schneller werden. Doch zugleich bringt es grundsätzlich nichts, das schnellste und größte Segel an Bord zu haben, wenn es die Crew aus Angst vor der Größe oder der Umständlichkeit des Setzens nur selten auspackt.
Das einfache Handling ist deshalb ein wichtiges Kriterium. Wenn sich beispielsweise ein asymmetrischer Spinnaker mit einem Bergeschlauch (Snuffer) super bergen lässt, sobald er in den Windschatten des Großsegels geklappt zusammenfällt und mit der Socke geborgen werden kann – so kann das Bergen auf Langfahrt zum großen Akt werden, wenn das Großsegel nicht gesetzt wurde und der Bergeschlauch nicht über das prall gefüllte Segel gezogen werden kann.
Für einen Katamaran ist eine ganze Palette von Vorsegeln zu bekommen, vom flach geschnittenen und für Kurse oberhalb von Halbwind gedachten Code Zero über den leichteren Gennaker, einen etwas bauchigeren, asymmetrisch geschnittenen Spinnaker für raumere Kurse bis hin zum symmetrisch geschnittenen Spinnaker oder einem Flügelspi (beispielsweise Parasailor von Istec oder Levante von Oxley) für sehr tiefe Kurse.
Je bauchiger die Segel, desto besser für achterliche Winde. Während der Code Zero noch die Funktion einer Tragfläche mit beidseits anliegender Strömung verfolgt, wird der symmetrische Spi vor dem Mast ausgebreitet, um möglichst viel Wind einzufangen.
Messbar lassen sich die Unterschiede der Segel mit Hilfe eines Werts bestimmen: Die größte Breite (SMW-Wert) des Segels wird auf halber Länge des Vorlieks gemessen und dann mit der Länge des Unterlieks verglichen. Ein Code Zero besitzt beispielsweise auf halber Lieklänge eine Breite von etwa 60 bis 75 Prozent der Unterlieklänge und ist damit überaus flach profiliert. Dadurch kann mit diesem Segel ein relativ kleiner Winkel zum Wind erreicht werden (60 bis 110 Grad scheinbarer Wind). Es ist einfach zu bedienen und wird meist mit einer Rollanlage fahren. Zudem kann das Segel mit einem UV-Schutz ausgestattet werden, was es in Kombination mit einem engen Packmaß möglich macht, das Tuch permanent angeschlagen zu fahren.
Da mit dem Segel spitze Kurse zum Wind gefahren werden, erfährt es auch relativ hohe Lasten. Deshalb kommen als Material Polyester-Tuche in Frage, aber auch Laminate oder gar Membranen. Der Code Zero zählt eigentlich zu den Amwind-Tüchern, ist allerdings durch seine multifunktionale Art und seine Größe auch ein Segel, das vom Fahrtensegler bei Mangel eines noch größeren, leichteren und bauchigeren Tuchs selbst bis in den Raumwindbereich gesegelt werden kann.
Asymmetrische Spinnaker oder Gennaker besitzen eine Breite von etwa 80 bis 105 Prozent der Unterlieklänge, sind also deutlich bauchiger, womit sie sich besser für Kurse mit achterlicheren Winden eignen. Je nach Segelmacher ändern sich die Bezeichnungen, Schnitte und Größen der Segel für die Nutzung bei Regatten in fünf bis sechs Stufen. Wir unterteilen der Einfachheit halber für den Einsatz im Fahrtensegeln in zwei Varianten: flacher für spitzere Winkel und bauchiger für tiefere Kurse.
Ihr optimaler Einsatzbereich liegt bei einem Windeinfallswinkel zwischen 100 und 155 Grad (scheinbarer Wind). Ebenfalls je nach Größe, Windeinfallswinkel und auftretenden Lasten werden als Material Nylon oder Polyester gewählt. Die Wahl des Materialgewichts hängt von dem gewünschten Schnitt und den Winkeln zum Wind ab. Für ein etwas flacheres Segel muss das Material etwas dicker sein, dafür kann das Segel auf einer Rollanlage gefahren werden – und je größer und bauchiger das Segel sein soll, um tiefere Kurse zu erreichen, desto dünner kann das Material ausfallen. Allerdings lassen sich sehr bauchige Segel schlechter rollen, und es kann dann nötig werden, sie in einem Bergeschlauch zu fahren. Ein symmetrischer Spinnaker ist nur überaus selten auf einem Fahrtenkatamaran zu finden, obwohl er der großen Bootsbreite wegen sogar ohne einen Spinnakerbaum gefahren werden kann.
Wenn ein Katamaran bislang nur mit Großsegel und Genua bewegt wurde und von Werft aus noch nicht für zusätzliche Raumwindsegel ausgelegt ist, kann zunächst ein Code Zero ein guter Kompromiss sein, um zum einen am Wind und auf Halbwindkursen etwas schneller unterwegs zu sein, zum anderen aber aufgrund der Größe auch bei Raumwindkursen mehr Möglichkeiten zu haben. Der Code Zero ist von allen Optionen das stabilste und am leichtesten zu händelnde Segel, das nicht so schnell Schaden nimmt. Ist es mit einem UV-Schutz ausgestattet und wird gerollt an einem Gennakerbaum gefahren, dann muss es auch nicht gleich nach jedem Einsatz geborgen werden wie ein UV-gefährdeter Gennaker.
Gerade auf tiefen Kursen, bei denen das Großsegel das Vorsegel verdecken würde, kann es sich anbieten, das Groß gar nicht erst zu setzen. Allerdings sollte vorher das Handbuch bemüht werden, um sicherzugehen, dass sich das Rigg des Katamarans dafür eignet, ohne Großsegel zu segeln. Denn manch ein Rigg benötigt die zusätzliche Stabilität des Großsegels, sonst besteht die Gefahr eines Mastbruchs. Wichtig bei raumen Kursen ist auf einem Katamaran immer, den Baum mit einem Bullenstander zu sichern.
Anders als auf einem Monohull, der aufgrund der Form auf Kursen mit Rückenwind dynamisch von einer Seite auf die andere rollt, kann es beim Katamaran vorkommen, dass er durch die von einer auf die andere Seite des Masts tanzenden Segel Tendenzen zum Rollen bekommt, dann aber aufgrund der großen Breite und der daraus resultierenden Formstabilität stattdessen hart einruckt, wobei es durch den Ruck passieren kann, dass der Baum von einer Seite auf die andere schwingt. Deshalb sollte er immer gesichert sein und sich nicht bewegen können.
Ebenfalls anders als beim Mono, ist es selten nötig, auf Vorwindkurs die Großschot zu fieren. Bei einem oftmals sechs oder sieben Meter langen Traveller reicht es vollkommen, den Wagen ganz nach Lee zu fahren. Der Baum steht in dem Fall zwar nur im Winkel von 45 bis 55 Grad aus der Mittschiffslinie nach Lee – aber das Großsegel wird sich bereits im oberen Bereich an die Oberwanten anlehnen – was schon zu viel ist, weil es dann daran scheuert. Wenn dann noch aus der Baumnock ein Bullenstander zur Mittschiffsklampe geführt und durchgesetzt wird, ist der Baum gut gesichert.
Für das Anschlagen des Raumwindsegels wiederum bestehen optimale Voraussetzungen, wenn ein von Werft aus angebrachter Rüssel als stationärer Bugspriet vorhanden ist. Solche Systeme sind auch zum Nachrüsten erhältlich, beispielsweise von dem amerikanischen Hersteller Forespar (deutscher Händler: Sailtec, Preis: zwischen 1.000 und 1.400 Euro). Sie sind relativ simpel zu installieren, werden einfach an den vorderen Beam genietet und nach unten mit Wasserstagen aus Draht oder Dyneema und Padeyes zum Rumpf hin abgefangen.
Der Nachteil an solch einem festen Anschlagpunkt besteht darin, dass bei sehr tiefen Kursen das Segel schnell in die Abdeckung des Großsegels gelangt und dann einfallen kann. Dies lässt sich verhindern, indem besonders tiefe Kurse vermieden werden und der Katamaran praktisch ständig vor dem Wind kreuzt.
Eine alternative Art der Befestigung ist, eine lange Leine in der Mitte mit einem Auge und Schnappschäkel zu versehen und sie durch Umlenkrollen auf beide Bugspitzen und nach achtern auf den Aufbau zu führen. An dem Schnappschäkel wird dann der Hals des asymmetrischen Spinnakers befestigt. Auf diese Weise lässt sich der Anschlagpunkt des Spinnakers auf dem Beam hin und her verschieben, entweder nach Luv (bei tiefen Kursen) oder zur Mitte hin (bei höheren Kursen). In der Mittelposition sind dann Winkel zum scheinbaren Wind von bis zu 135 Grad möglich, mit der Luv-Position sogar 135 bis 160 Grad. Das Halsen ist mit einem derart nah am Vorstag angeschlagenen Segel jedoch etwas umständlich.
Sowohl ein Flügelsegel als auch ein gewöhnlicher Spinnaker werden mit jeweils vier Leinen gefahren. Zwei Schoten an den Schothörnern, die außen um die Wanten nach achtern auf die im letzten Schiffsdrittel montierten Umlenkblöcke gelenkt werden, und zusätzlich zwei Barberholer/Niederholer, die ebenfalls an den Schothörnern angreifen und durch auf den Bugspitzen angebrachte, stehende Umlenkblöcke nach achtern geführt werden. Auf diese Weise ist es möglich, durch die große Breite des Katamarans und ohne die Verwendung eines Spibaums das Segel offen zu halten und nach Luv zu holen. Auch das Halsen wird dadurch einfach, weil kein Spibaum geschiftet werden muss, das Segel schwingt einfach vor dem Vorstag durch auf die andere Seite.
Katamarane haben aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeiten und schmalen Bugspitzen mit wenig Auftrieb einen Nachteil: Sie neigen immer zum Unterschneiden. Während bei Regatta- und Strandkats die Gefahr eines sogenannten Steckers und der Kenterung über den Bug besteht, kommt so etwas bei Fahrtenkatamaranen bedingt durch das hohe Gewicht nicht vor.
Aber es kann durchaus passieren, dass die Bugspitzen bis zum Aufbau in die Wellen eintauchen und es an Deck nass wird. Flügelsegel haben speziell beim Kat durch die eingebauten Tragflächen einen sehr hilfreichen Vorteil, weil diese Tücher durch ihre Tragfläche nicht nur Vortrieb, sondern auch Auftrieb bieten und dabei einen nicht unerheblichen Zug auf die Barberholer erzeugen, die an Blöcken auf den Bugspitzen angreifen. Deshalb übt der Parasailor ständig etwas Zug auf die Bugspitzen des Katamarans aus und hebt diese ein wenig an, was die Gefahr des Unterschneidens in den Wellen mindert.
Es gibt eine weitere Besonderheit auf raumen Kursen. Wann es zu viel wird für das bunte Tuch, ist schwer zu schätzen. Das wichtigste Instrument auf einem Katamaran ist – übrigens auf jedem Kurs zum Wind – der Windmesser. Anders als ein Einrumpfer macht ein Katamaran beispielsweise bei Halbwindkursen nicht durch stärkere Krängung auf sich aufmerksam, wenn der Druck im Rigg zu viel wird. Er hält mit seinem breiten Rumpf und seinem hohen aufrichtenden Moment dagegen, bis es Bruch gibt.
Genauso ist auf einem Vorwindkurs schwer einzuschätzen, wann es Zeit wird, die Segel zu reffen. Wenn ein Katamaran mit zehn Knoten vor dem Wind die Wellenberge hinuntersurft und an Bord nur ein mittelstarker scheinbarer Wind von 15 Knoten zu spüren und zu messen ist, dann weht ein wahrer Wind von gut 25 Knoten. Das mag sich noch in Ordnung anfühlen. Doch spätestens, wenn bei einem scheinbaren Wind von 20 Knoten das dringende Gefühl aufkommt, das Segel herunternehmen zu müssen, dann weht es bereits mit 30 Knoten, und jedes Anluven kann überaus gefährlich werden, weil mit jedem Grad vorlicher einfallenden Windes auch der scheinbare Wind weiter zunimmt.
Bei einem überaus leichten Multihull kann es zudem passieren, dass das Boot beim Surfen von den Wellenbergen durch die plötzliche Beschleunigung seinen eigenen Spinnaker überholt, der durch den reduzierten scheinbaren Wind zusammenfällt und sich um das Vorstag wickelt.
Wer ohnehin ein wenig Respekt davor hat, auf langen Fahrten die großen Tücher zu setzen, der tut gut daran, die Segel von vornherein an den größtmöglich zu erwartenden Wind anzupassen. Vor dem Wind lässt sich ein durchgelattetes Großsegel kaum reffen, weil die Latten dann an den Wanten anliegen. Deshalb sollte auf langen Strecken, bei Nacht und bei unsteten Verhältnissen die Segelfläche von vornherein reduziert werden. Ist das Großsegel bereits im zweiten Reff, dann kann bei zunehmendem Wind einfach der asymmetrische Spi weggerollt werden.
Ein Tuch für jeden Zweck, Segelstil und Revier gibt es nicht. Wer vornehmlich auf der Ostsee oder dem Mittelmeer unterwegs ist, wird mit dem Code Zero eine gute Wahl treffen, um zwischen Kursen mit Schrick in den Schoten bis leicht achterlich als querab gut unterwegs zu sein. Dazu einen eher bauchigen asymmetrischen Spi, der den Anschlussbereich bis hin zum raumen Wind abdeckt und mit einem an den Luvrumpf geschäkelten Segelhals auch fast genau vor dem Wind funktioniert.
Wer hingegen auf Weltumsegelung gehen möchte, ist mit einem Code Zero oder Gennaker und zusätzlich mit einem Flügelspi gut bestückt. Denn größtenteils legt man lange Strecken im Passatwind zurück, und dann spielen die Flügelsegel mit einem breit gefächerten Einsatzbereich und den großen Stärken auf sehr tiefen Kursen ihre Vorzüge aus.