Ja, Hubert Raudaschl sollte man kennen; er ist einer der ganz Großen im Segelsport. Der Österreicher hat zwischen 1960 und 1996 sein Land bei nicht weniger als zehn Olympischen Spielen in Folge vertreten und hielt damit bis 2012 den Rekord der meisten Teilnahmen. Zweimal brachte er eine Silbermedaille mit nach Hause, einmal im Finn (1968) und einmal im Starboot (1980). Dazu kommen zahlreiche Welt- und Europameistertitel in den verschiedensten Bootsklassen. Diese Bilanz wird so schnell niemand toppen.
Auf seinen Lorbeeren ausruhen mag sich Raudaschl aber nicht. Umtriebig sucht der gelernte Bootsbauer und erfolgreiche Segelmacher vom Wolfgangsee immer wieder nach neuen Herausforderungen. Sein jüngstes Projekt ist die besegelte Zille. Die einfachen, speziell auf den Seen des Salzkammergutes weit verbreiteten Arbeits- und Fischerboote werden in der Regel gerudert, gewriggt, gestakt oder mit einem kleinen Außenbordmotor betrieben.
Raudaschl möchte nun diese ohnehin schon sehr vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Kähne aus Holz um eine weitere Art der Fortbewegung ergänzen – mit Segel und Windkraft.
Zillenbauer Anton Witti in Wesenufer an der Donau bietet dafür die geeigneten Untersätze. Witti baut, in nunmehr achter Generation, mehr als 150 Zillen jährlich und ist damit der führende Hersteller dieser Art von Booten, die man anderswo auch Plätten oder Weidlinge nennt. Gemeinsam haben Witti und Raudaschl ein Konzept erarbeitet, wie man Zillen das Segeln beibringen kann.
Im Vergleich zum einfachen, herkömmlichen Ruderkahn werden die Segelzillen mit zwei Leitflossen gebaut, die achtern ein gutes Stück weit unter den Plattboden reichen. Sie vermeiden die Abdrift beim Segeln und sorgen für einen ordentlichen Geradeauslauf. Deshalb sind sie auch unabdingbar. Zudem wird den Booten ein langes Steuerruder mit großer Hebelwirkung angehängt.
Hubert Raudaschl hat dazu eine passende Besegelung entwickelt, basierend auf einem handelsüblichen Laser-Rigg (Mast und Großbaum), an welchem ein sogenanntes Marco-Polo-Segel angeschlagen wird, eine Kombination aus Gaffel- und Lateinersegel mit frei fliegendem Vorliek. Das gesamte Rigg ist sehr leicht und wird in der Zille nur durch die Mastducht gesteckt. So lässt es sich im Handumdrehen auf- und abbauen. Dies kann sogar auf dem Wasser geschehen. Der zweiteilige Mast, die Spieren und das gerollte Segel können, ohne zu stören, längs in der Zille lagern. Auch lässt sich das Tuch mit einem Fall setzen und bergen. An das Segeln mit dem langen, angehängten Steuerriemen muss man sich aber gewöhnen. Und die Kurswechsel, insbesondere durch die Manöver, verlangen auch Kraft. Ganz gut und schnell geht es, wenn das Boot mit dem Ruder auf den neuen Kurs gewriggt wird. Einmal in Fahrt, lässt sich die Zille aber ganz ordentlich steuern, und sie hält auch Kurs. Dabei geht es überraschend flott voran.
Bei nur gerade sechs Knoten Wind zum Test am Bodensee kommt die Neuentwicklung mit halbem Wind doch immerhin auf knapp vier Knoten Geschwindigkeit.
Die Segelzille verhält sich anfangs sehr kippelig; Ein- und Aussteigen ins Boot kann für Ungeübte anspruchsvoll sein, aber hafenstabiler als ein Laser ist das Boot allemal. Durch die kantige Form und den platten Boden ist es ab einer gewissen Krängung zugleich ziemlich steif – so steif, dass man bedenkenlos baden und sich über die Seiten wieder an Bord ziehen kann. Trotzdem könnte die Segelzille unter Umständen auch einmal kentern. Wegen des geschlossenen Mastprofils kentert das Boot aber nicht sofort durch.
Komplett aus Fichten- und Lärchenholz gebaut, ist die Zille unsinkbar. Das Aufrichten nach der Kenterung ist einfach. Allerdings braucht es seine Zeit, bis der offene Rumpf mit der Pütz wieder leergelenzt ist. Zudem verhält sich das vollgeschlagene Boot in dieser Zeit sehr instabil.
Die Segelzillen werden vom Erbauer Anton Witti in drei verschiedenen Größen angeboten. Die RW 5 hat fünf Meter Rumpflänge (für maximal vier Personen), das Testboot, die RW 6, sechs Meter (bis fünf Personen), und die sieben Meter lange RW 7 soll mit bis zu sechs Personen unterwegs sein und segeln können. Die beiden größeren Modelle haben das gleiche Rigg mit 12,5 Quadratmeter Segelfläche. Für die kleinere RW 5 wird Hubert Raudaschl ein Segel mit 11,0 Quadratmetern bauen.
Die Segelzillen können einfach auf dem Trailer transportiert und über die Sliprampe gewassert werden. Damit bieten sie eine spannende und preislich sehr attraktive Alternative zur herkömmlichen Wanderjolle.
Sehr robuste Bauweise aus Massivholz
Vielseitige Nutzungsmöglichkeiten
Guter Geradeauslauf, flachwassertauglich
Schwergängige Steuerung
Leichtes, gut funktionierendes Rigg
Einfacher Transport auf dem Trailer
Bootskörper aus Fichtenholz, geplankt. Spanten gebaut aus Lärchenholz
Der Artikel erschien erstmalig 2017. Die Segelzille ist derzeit nicht mehr im Angebot der Werft, aktuelle Preise gibt es nicht.