Florierende KlasseFaszination OK-Jolle – egal ob aus Holz oder GFK

YACHT-Redaktion

 · 02.01.2024

Ein echtes Original aus Holz und ein Exemplar modernster Bauart auf dem Brandenburger Beetzsee
Foto: YACHT/S. Hucho
Mit der OK-Jolle schuf der Däne Knut Olsen eine kleine, leichte Knickspantjolle zum Bau aus Sperrholz. Die Klasse floriert bis heute.

“Nummer 6“ heißt Dirk Gerickes aktuelle OK-Jolle und sagt damit schon sehr viel über ihn und die Geschichte dieser international verbreiteten Klasse aus. Denn der Name bedeutet, dass es Gerickes sechste OK-Jolle ist. Wer weiß, dass diese Boote lange halten, kann sich denken, dass Gericke der Knickspant-Jolle schon lange treu ist. „Mir macht das Segeln darauf einfach sehr viel Spaß“, erzählt der 59-Jährige. Obwohl er auch in der O-Jolle, im Finn, auf der Ixylon und im Piraten Regatten segelt, sei dies seine Lieblingsklasse. „In die OK-Jolle habe ich das meiste Vertrauen. Obwohl es von meinen Booten mit Abstand die kippeligste Kiste ist!“

Der dänische Yachtkonstrukteur Knut Olsen zeichnete sie 1956 als leichte und schnelle Einhandjolle. Das neue Boot fand rasch Anhänger und wurde innerhalb weniger Jahre als internationale Klasse anerkannt. Bereits 1963 wurde die erste Weltmeisterschaft ausgetragen. In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten erlebte die OK-Jolle großen Zuspruch mit international über 10.000 Exemplaren und großen Regattafeldern. Später wurde der kleine Knickspanter sogar als olympische Bootsklasse in Betracht gezogen, musste sich am Ende aber dem Finn-Dinghy geschlagen geben. Und so stehen die beiden Buchstaben im Namen nicht, wie oft vermutet, für „olympische Klasse“, sondern stellen ganz einfach die Initialen des dänischen Designers Knut Olsen dar.

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Mit international über 15.000 gebauten Exemplaren war sie sogar als olympische Klasse im Gespräch

Die OK-Jolle war offizielle Einheitsklasse in der DDR

Zu ihrer Blütezeit stieg auch Dirk Gericke in die Klasse ein. Wobei: „Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, dass ich mir das ausgesucht habe. Aber das war dann gut so“, erzählt er trocken. Nach Jahren im Optimisten, Piraten und 420er hatte sein Vater eine OK-Jolle für ihn bestellt. Nicht ganz ohne Grund: Rolf Gericke stellte schon viele Jahre Segel für OK-Jollen her. Die Jolle mit den zwei Buchstaben im Namen war die offizielle Jugend-Einhandklasse der DDR. Oft kamen die Kadersegler der DDR zu Rolf Gericke, um ihre Segel zu optimieren.

Dass sein Sohn Dirk Gericke auch über 40 Jahre später noch in dieser Klasse zu Hause ist, sieht man auf dem Wasser sofort. Geschmeidig bewegt er sich auf dem vier Meter langen Boot, krängt es auf dem Raumwind-Kurs lässig nach Luv und passt es auf seinem Heimatrevier, dem Beetzsee in Brandenburg, den sich ständig ändernden Windbedingungen an.

Schon 1982 wurde der heutige Segelmacher aus Brandenburg in der OK-Jolle DDR-Meister, die Bootsklasse hat ihn während Wehrdienst, Segelmacherlehre und Familiengründung begleitet, und auch als Opa bleibt er der Klasse treu.

Früher war die OK-Jolle aus Holz, heute aus GFK

Die „Nummer 6“ ist ein modernes Boot, mit GFK-Rumpf, Carbonmast und Alu-Baum. „Aber so ein bisschen Holz brauchte ich schon“, sagt Gericke verschmitzt und zeigt auf das Deck seiner Jolle. Das ansonsten weiße Deck ist mit Mahagonifurnier verziert. Sehr viel mehr Holz trägt dagegen die GER 161 zur Schau. Die rund 50 Jahre alte OK-Jolle hat nicht nur einen hölzernen Rumpf, auch Rigg und Ruder sind originalgetreu aus Holz. Nur das Schwert wurde irgendwann ausgetauscht und ist aus Aluminium.

Beim Bau des Rumpfes sind in der Einheitsklasse geringe Toleranzen zu beachten. Die minimalen Unterschiede sorgen oft schon für ein erkennbar anderes ErscheinungsbildFoto: YACHT/S. HuchoBeim Bau des Rumpfes sind in der Einheitsklasse geringe Toleranzen zu beachten. Die minimalen Unterschiede sorgen oft schon für ein erkennbar anderes Erscheinungsbild

Sieht man GER 161 und „Nummer 6“ nebeneinander segeln, würde man allerdings nicht vermuten, dass knapp 40 Jahre Altersunterschied zwischen ihnen liegen. Die ältere „161“, wie sie von Vereinsmitgliedern genannt wird, gleitet grazil durchs Wasser, die viel neuere „Nummer 6“ sieht irgendwie klobiger aus. „Tatsächlich ist der Rumpf bei der ‚Nummer 6‘ etwas breiter“, erklärt Dirk Gericke, der die Jolle seit dem Jahr 2018 sein Eigen nennt. „Aber viel Spiel erlauben die Klassenvorschriften da eigentlich nicht, nur wenige Millimeter.“

An Bord der „161“ ist dann aber doch zu merken, dass man auf einer in die Jahre gekommenen Jolle sitzt. Der Pinnenausleger kann bei Weitem nicht so frei bewegt werden wie die modernen mit Gummigelenken. Außerdem ist der Baum durch den Holzmast gesteckt. Wird die Schot aufgefiert, dreht sich der ganze Mast, und das nur schwerfällig. Immer wieder muss man sich aufs Vordeck lehnen, um das Segel herauszudrücken, die zusätzliche Bewegung an Bord bringt natürlich einen Speed-Verlust.

Moderne Boote sind leichter und schneller

Die Jolle erinnert fast ein bisschen an einen älteren Menschen, der zwar noch fit ist, aber eben nicht mehr so beweglich. Und doch rutscht sie immer mal wieder in Lee bei der „Nummer 6“ durch. In Böen neigt sich die „161“ gemächlich nach Lee, der plötzlich ansteigende Ruderdruck muss durch Hängen ausgeglichen werden. Beide Boote beschleunigen, doch die neuere „Nummer 6“ setzt den Speed besser um. Meter um Meter bringt sie zwischen sich und ihre ältere Schwester. Neben deutlich mehr Trimmeinrichtungen und modernem Material mag das auch am Gewicht liegen: „Nummer 6“ bringt das Mindestgewicht von 72 Kilogramm auf die Waage. „Die andere hier wiegt sicher 80 Kilo“, schätzt Gericke.

Tatsächlich finden sich auch in Regattafeldern immer wieder ältere OK-Jollen, berichtet er. „Das ist ja das Tolle an dem Boot“, sagt er stolz. „Das kannst du nach 20 Jahren wieder aus der Garage holen, und los geht’s. Du wirst vielleicht keinen Blumentopf gewinnen, aber segeln kannst du.“

Die internationalen Klassenvereinigungen seien bemüht, die Klassenregeln stets so zu formulieren, dass die Regatten auch für ältere Boote offen bleiben. „Bis runter zum Holzmast“ sollen Segler an nationalen und internationalen Regatten teilnehmen können. Und Gericke muss es wissen: Schon seit den neunziger Jahren ist er Obmann der OK-Jollen-Vereinigung für Berlin und Brandenburg.

International boomt die OK-Klasse

Was seinen Verantwortungsbereich angeht, macht sich der Segelmacher allerdings Sorgen. Die Regatten in Berlin und Brandenburg seien chronisch schlecht besucht, für große Regattafelder müsse man von hier aus immer reisen. Aus diesem Grund hielt Gericke im Frühjahr bei einer Versammlung der Klassenvereinigung eine Brandrede: „Wir brauchen euch!“, habe er gesagt und alle herzlich zur OK-Jollen-Regatta seines Heimatvereins eingeladen. Mit Erfolg: Es meldeten fast 30 Teilnehmer.

„Da war ich megastolz“, sagt Gericke, „das ist echte Solidarität.“ Insgesamt scheint die Stimmung in der Klasse gut zu sein, international boomt sie geradezu. So heißt es auf der Seite der internationalen Klassenvereinigung: „Die Tatsache, dass die vergangenen drei Jahre jeweils mehr Boote gebaut wurden als in jedem anderen Jahr seit 1980, zeigt, dass diese zeitlose Klasse sich in einem ausgezeichneten Zustand befindet.“ Zu der diesjährigen Weltmeisterschaft in England traten über 140 Teilnehmer an – Zahlen, von denen die meisten anderen Jollenklassen nur träumen können.

Grund dafür ist auch, dass motivierte Hobby-Bootsbauer sich die Jolle mit Hilfe von Bausätzen selbst herstellen können. Die Pläne für CNC-gefräste Konstruktionsteile können von verschiedenen Anbietern aus Europa und Ozeanien direkt erworben werden. Danach braucht es zwar etwas bootsbauerisches Geschick, Zeit und ausreichend Platz, doch dann können sich die Selbstbauten im Regattafeld durchaus behaupten. Sogar WM-Titel haben sie in den vergangenen Jahren mehrfach gewonnen.

Zustrom aus der Finn-Dinghy-Klasse

Ein weiterer Grund für das aktuell hohe Interesse an der OK-Jolle ist das Olympia-Aus für das Finn-Dinghy. Junge Weltklasse-Segler aus dem Finn nehmen jetzt vermehrt an OK-Jollen-Regatten teil und sind aufgrund der Ähnlichkeit der Boote sofort konkurrenzfähig. So zum Beispiel der britische Finn-Segler Henry Wetherell, der dieses Jahr den Weltmeistertitel in der OK-Jolle gewinnen konnte. Darüber könnten sich die alteingesessenen OK-Segler ärgern, aber: „Das tut der Klasse gut“, findet Dirk Gericke. „Die jungen Leute setzen in der Klasse neue Standards, dadurch bleibt sie attraktiv.“

Heute sind bei der Fertigung der OK-Jolle modernste Materialien wie GFK, Carbon und Aluminium zugelassenFoto: YACHT/S. HuchoHeute sind bei der Fertigung der OK-Jolle modernste Materialien wie GFK, Carbon und Aluminium zugelassen

Dieser Reiz der OK-Jollen-Klasse ist beim Probesegeln der „Nummer 6“ sehr gut nachzuvollziehen. Obwohl das Boot die gleichen Maße hat wie seine hölzerne Vorgängerin, fühlt es sich größer an, irgendwie mächtiger. Bei Leichtwind auf dem Beetzsee ist es auch von eher leichtgewichtigen Seglern gut zu kontrollieren, doch es fühlt sich an, als würde man mit einem PS-starken Pkw durch die Spielstraße fahren. Trotz der in ihr ruhenden Kräfte segelt sich die GFK-Jolle bei wenig Wind leichtfüßig, reagiert schnell auf Pinnenbewegungen und beschleunigt gut in plötzlichen Böen.

Bei Leichtwind fühlt sich die Jolle an, als würde man mit einem Rennwagen durch die Spielstraße fahren

Bei Ziehern ist es, als würde die Jolle ganz von selbst anluven. Sanft zieht die Pinne die Hand nach Lee, als würde das Boot der jungen Steuerfrau zeigen wollen, wo es langgeht. Tatsächlich können OK-Jollen insgesamt ziemlich hoch am Wind fahren, die neueren noch einmal besser als die älteren Holzjollen. Das liegt an Trimmeinrichtungen wie dem fein verstellbaren Unterliek, das sowohl vorn als auch hinten am Baum justiert werden kann. Aber auch die Positionierung des Mastes spielt für die Amwind-Kurse eine Rolle: In den neuen Schiffen steht der Mast rund 20 Zentimeter weiter vorn. Außerdem kann die Position des Mastfußes auf dem Wasser an Deck verstellt werden, was Seglern ermöglicht, flexibel auf sich ändernde Windbedingungen zu reagieren.

Jede OK-Jolle muss anders gesegelt werden

Vor dem Wind ist es auf der OK-Jolle gar nicht so einfach, die optimale Luv-Krängung zu finden. Einerseits braucht man neben Feingefühl gute Rumpfstabilität, um die vergleichsweise schwere Einhandjolle anzukrängen. Andererseits unterscheidet sich die optimale Krängung von Boot zu Boot und Segel zu Segel. Die älteren Segel sind oben relativ gerade geschnitten, noch dazu erschwert der durch den Mast gesteckte Baum auf der älteren Jolle die Feinjustierung der Segelstellung. Wer die „161“ segelt, muss sich also entweder mit einer Segelstellung und der entsprechenden Krängung des Bootes zufriedengeben oder immer wieder die Krängung aufgeben, um die Segelstellung aufwändig nachzujustieren.

Das sieht bei „Nummer 6“ schon ganz anders aus: Die Strecker für das achteinhalb Quadratmeter große Segel sind auf dem sogenannten Wing angebracht. Die pfeilförmige Konstruktion aus Carbon befindet sich vor dem Mast, wodurch das Großsegel sehr weit herausgelassen werden kann. Dies wiederum erleichtert das überhalsige Vorwind-Segeln und das Ankrängen des Bootes nach Luv. Da die neueren Segel oben weiter ausgestellt sind als ältere Modelle, bringt Luvkrängung auf Kursen vor dem Wind durchaus einen Geschwindigkeitsvorteil.

In den Sechzigern wurde die OK-Jolle fast verboten

An der Evolution der Segel in der OK-Jolle ist Dirk Gericke nicht ganz unschuldig. So war der Segelmacher aus Brandenburg nach eigenem Bekunden der Erste, der das Kopfbrett des Segels umdrehte. Dies erlaubte es ihm, das Segel oben weiter auszustellen. „In den Klassenregeln stand, dass das Segel so ein Kopfbrett haben muss. Wie herum man es anbringen muss, war nicht beschrieben“, erklärt Gericke. Bei der nächsten Weltmeisterschaft gab es deswegen Unmut, und in der Folge wurde das Reglement spezifischer formuliert. Was blieb, war die Möglichkeit, Segel oben weiter auszustellen als vorher.

Wenn dann doch mal eine stärkere Böe über den Beetzsee fegt, ist auf beiden Schiffen gut nachzuvollziehen, was Gerickes Vereinskamerad Jörg „Fritze“ Engler über die OK-Jolle sagt. „Bei starkem Wind fährt sie mit mir, nicht andersherum“, scherzt er und wiederholt damit eine Aussage, die man bei der Recherche zu diesem Boot immer wieder findet. Die rasante und kippelige Fahrweise der Jolle soll auch der Grund gewesen sein, warum der dänische Seglerverband die OK-Jolle in den sechziger Jahren fast verboten hätte. Doch dank der vehementen Überzeugungsarbeit der vielen internationalen Befürworter kam es nicht dazu. Ein Glück, denn diese Jolle macht wirklich einen Riesenspaß.

Text: Luisa Conroy


Technische Daten OK-Jolle

Die kleine, leichte Knickspantjolle beruht auf einer Idee von Axel Damgaard Olsen aus den USA. Ihm schwebte ein einfach aus Sperrholz zu bauendes, simples Einmannboot vor, mit frei stehendem, drehbarem Mast und zum Transport auf dem Autodach geeignet. Das Boot wurde rasch zum Erfolg, ist heute international verbreitet und wird mittlerweile aus modernsten Materialien gebaut. Regelmäßig sind aber auch alte Exemplare in den Regattafeldern zu finden

yacht/425-img-1-1667318819_4611c42c418389827d8c1e545924a464Foto: privat
  • Konstrukteur: Knut Olsen
  • Jahr: 1956
  • Material (alt): Sperrholz
  • Material (neu): GFK
  • Internationale Klasse seit: 1963
  • Länge: 4,00 m
  • Breite: 1,42 m
  • Gewicht (segelfertig): 72 kg
  • Segelfläche: 8,25 qm
  • Optimalgewicht Segler: 75 kg
  • Verbreitung: über 15.000 Exemplare
  • Deutsche Klassenvereinigung: ok-jolle.de
  • Internationale Klassenvereinigung: okdia.org

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