Es ist bereits über 20 Jahre her, dass Niels Jeppesen der YACHT erstmals die Formel präsentierte, nach der er auch jetzt Neuheiten entwickelt. Er beschrieb sie damals als „Summe all unseres Wissens und unserer Erfahrung“. Und fast klang es, als ob es danach keine Steigerung mehr geben könne.
Tatsächlich markierte die im Frühjahr 2000 vorgestellte X-43 den Beginn einer ungemein erfolgreichen Ära, Vorläufer dessen, was X-Yachts heute etwas umständlich, aber durchaus zutreffend als „Luxury Performance Cruiser“ beschreibt.
Mehr fürs Fahrtensegeln als für Wettfahrten konzipiert, war die X-43 das erste Serienboot der Marke mit Rumpffenstern, das erste mit einer unter Deck eingebauten Vorsegelrollanlage, das erste mit so aufgeräumten Linien, dass YACHT-Herausgeber Jörn Bock seinerzeit im Test die Vermutung anstellte, Werftgründer Jeppesen habe Anleihen bei den „schieren, schönen und luxuriösen Wally-Yachten“ genommen.
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Der Vergleich gilt heute noch, mehr denn je sogar. Und auch die Grundausrichtung und die Modellbezeichnung haben sich kaum verändert. Weil X-Yachts das Gesamtprogramm zwischenzeitlich mit der XP-Reihe (für Performance) und der XC-Reihe (für Cruising) ausgeweitet hatte, bildet die 2016 eingeführte, seither kontinuierlich erweiterte Pure-X-Reihe inzwischen wieder den Kern der Marke. Zugleich steht sie für das Gros des Umsatzvolumens.
Das bisher und wohl auf längere Sicht kleinste Modell ist die X 4.0, das größte die X 5.6. Die X 4.6 markiert dabei die Mitte. Und das gilt nicht nur für ihre Position in der Produktlinie. Vielmehr kommt sie dem Ideal einer schnellen, agilen, einfach zu beherrschenden Fahrtenyacht am nächsten.
Gleichzeitig verfügt die „kleine“, mit fast 14 Meter Rumpflänge gleichwohl immer noch stattliche Schwester über das klarer gegliederte und leichter zu bedienende Cockpit-Layout. Bei ihr stehen die Winschen für Fallen und Strecker nicht vor den Steuersäulen, sondern wie üblich neben dem Niedergang, wo sie in ergonomisch perfekter Höhe montiert sind. Der versenkt eingebaute Großschot-Traveller, der sich über die gesamte Breite der Plicht erstreckt, liegt im direkten Zugriff des Rudergängers – ein willkommenes Trimminstrument.
Zum Test trat die X 4.6 in Tourenausstattung an: mit Selbstwendefock und auf Wunsch lieferbarem Rollbaum fürs Groß. Damit verfügt sie über eine Segeltragezahl von 4,7, was schon Temperament verheißt. Am Wind ließe sich ihr mit einer leicht überlappenden Genua, die auf dem Kajütaufbau geschotet wird, noch mehr Leistung entlocken. Nötig erscheint das Mehr an Fläche jedoch nicht unbedingt, zumal dann auch ein drittes, in diesem Fall auf dem Cockpitsüll montiertes Winschenpaar angeraten ist, das den Mehrpreis zusätzlich treibt.
Die sehr gut stehenden Epex-Membransegel der Baunummer eins lieferten bei leichtem Wind ausreichend, bei mittlerem Wind erfreulich viel Vortrieb. Als sinnvolle Ergänzung fürs unkomplizierte Fahrtensegeln empfiehlt sich ein kabelloser Code Zero mit Rollanlage. Man kann die X 4.6 mit längerem Carbonmast, fein abgestufter Segelgarderobe und zusätzlichen Decksbeschlägen aber auch deutlich mehr auf Leistung trimmen – wobei sich dann die Frage stellt, ob eine XP 44 oder XP 50 nicht die geeignetere Basis bietet.
Der Eindruck, den das Boot im Test vor der westschwedischen Insel Orust hinterließ, war jedenfalls überzeugend. Im Rahmen der Praxiserprobung für die Wahl zu Europas Yacht des Jahres 2019 bewies die X 4.6 genau das richtige Maß an Reaktionsfreudigkeit, Präzision und Feingefühl. Sie liegt ruhig und zugleich sensibel auf dem Ruder – ein Genuss!
Als der Wind auffrischt, zeigt die Dänin zudem hohe Stabilitätsreserven. Dank ihres für heutige Verhältnisse großen Ballastanteils von 41 Prozent und der achtern breiten Spantform braucht sie auch bei 5 Beaufort noch kein Reff. Ihre Bewegungen im bis zu einem Meter hohen Seegang vor dem Schärengürtel sind angenehm weich und berechenbar.
Unter Deck zeugt die völlige Abwesenheit von Knarz- oder Quietschgeräuschen davon, dass Rumpf und Struktur äußerst solide ausgelegt sind. Ein mit dem Kiel verbolzter Stahlrahmen nimmt die größten Lasten auf und verteilt sie. Die GFK-Schale besteht aus einem unter Vakuum laminierten Epoxid-Sandwich, das zum Aushärten bei bis zu 70 Grad getempert wird. Im Serienbootsbau zählt das zum gehobenen Baustandard; nur wenige vergleichbare Werften arbeiten bisher so.
Es gibt eine ganze Reihe weiterer Sekundärtugenden, die das Boot aufwerten und seinen hohen Preis zumindest teilweise rechtfertigen. Dazu zählen Wanten und Stagen aus Rod statt Edelstahldraht, eine aufwändig überlaminierte und präzise in Form gespachtelte Kielfinne mit Bleibombe sowie bündig und deshalb strömungsgünstig mit dem Rumpf abschließende Borddurchlässe – Feinheiten, die andere Hersteller teils nicht einmal gegen Aufpreis bieten.
X-Yachts beziffert den Mehrwert aller serienmäßigen Extras auf mehr als 80000 Euro. Gleichwohl sind die Dänen ihrerseits recht kreativ, was die Liste der Optionen betrifft. Dort finden sich etwa Hängeschränke für Vorschiff, Salon und Achterkammern, die aus unerfindlichen Gründen nicht im Standard enthalten sind. Mehrkosten insgesamt: 10000 Euro.
Weitere Beispiele gefällig? Eine Abdeckplatte für den Herd kostet 860 Euro Aufpreis, der ausziehbare Duschkopf in der Nasszelle am Niedergang 780 Euro, Springklampen an Deck 415 Euro, Steckdosen in allen Kammern 2245 Euro – alles Dinge, die auf einer Yacht dieser Klasse und Ausrichtung erwartbar sein sollten. Verzicht muss auf der X 4.6 deshalb sicher niemand üben. Etlicher Extras bedarf es so aber doch. Das passt nicht zur ansonsten umfangreichen und hochwertigen Ausstattung.
Beim Design unter Deck hat die Werft nach frühen, von den Eignern wenig geschätzten Leichtbauexperimenten in der XP-Serie inzwischen eine rundum erfreuliche, zugleich ästhetisch wie praktisch überzeugende Linie gefunden. Der Ausbau in nordischer Eiche wirkt einerseits sehr zeitgemäß und stringent, erfreut aber auch durch visuelle Wärme und Behaglichkeit. Das gelingt in dieser Harmonie nur wenigen Wettbewerbern.
Besonders erfreulich: Die Verarbeitung steht der Optik in nichts nach, wie das Testboot unterstrich. Präzise Passungen und geringe Spaltmaße zeugen vom hohen Reifegrad, den die Werft inzwischen erreicht hat. Und der herrscht auch im Verborgenen. So sind die Rückseiten von Schappdeckeln oder Schrankwänden ebenso sorgfältig furniert wie die Außenseiten. Offene Kanten von Bodenbrettern und Inspektionsöffnungen werden sauber verschliffen und lackiert. Selbst die Lichtschalter erfreuen die Sinne: Sie sind aus gebürstetem Edelstahl gefertigt und von einem blau hinterleuchteten Ring eingefasst, den man im Dunkeln jederzeit findet. Mit diesem Detaillierungsgrad löst die X ihren Anspruch der Extraklasse fraglos ein.
Wie die Plus/Minus-Liste links unterstreicht, gibt es nicht viel, was man der 4.6 ankreiden könnte. Sie liefert vielmehr den Beleg dafür, dass X-Yachts mit jedem neuen Modell der Pure-X-Reihe das Konzept der schnellen Fahrtenyacht noch besser umsetzt.
Verglichen mit der vorigen Generation hat die X 4.6 in jeder Hinsicht gewonnen – am meisten beim Volumen und im Ausbau. Hier setzt sie auch im aktuellen Wettbewerb Bestmarken, wobei sie mit der Dehler 46 und der Grand Soleil 46 LC durchaus etablierte Konkurrentinnen hat.
Bei der Wahl zu Europas Yacht des Jahres 2019 hätte sie dank ihres Universaltalents beinahe gewonnen. Am Ende fehlte ihr gegen die ebenfalls in der Kategorie Performance Cruiser nominierte Arcona 435 nur eine einzige Stimme zum Sieg. Die Schwedin holte den Titel, weil sie noch eine Spur sportlicher und feinfühliger segelt. Die besten Allround-Eigenschaften aber attestierte die Jury der X 4.6. Manchmal ist der Zweite eben nicht der erste Verlierer – sondern für manche vielleicht sogar der wahre Gewinner.
Sandwich-Konstruktion mit Schaumkern, im Vakuuminfusionsverfahren mit Epoxidharz laminiert. Stahlrahmen
Stand 08/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
X-Yachts Deutschland, 24944 Flensburg, Tel. 0461/430 20 99-0, info@x-yachts.de
Modernes Design, komfortabler Ausbau, gute Verarbeitung, hohe Wertstabilität, tolle Segeleigenschaften – die X 4.6 punktet in allen relevanten Kriterien. Damit macht sie sogar die teils kleinliche Aufpreispolitik vergessen.
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 12/2019 und wurde für die Online-Version aktualisiert.