Michael Good
· 22.11.2023
Auch wenn der Name ziemlich französisch klingen mag: Grand Soleil ist die Marke, welche wie ein Fels in der Brandung stellvertretend für den italienischen Yachtbau steht. Seit den siebziger Jahren bietet das Flaggschiff und Aushängeschild der Branche im schönsten Stiefel der Welt dem internationalen Wettbewerb hartnäckig die Stirn. Zwar zählte die Werft Cantiere del Pardo in Forlì an der Adria nie zu den ganz großen Herstellern, trotzdem haben sich die Italiener mit der Marke Grand Soleil eine namhafte Stellung innerhalb der internationalen Konkurrenz erarbeitet.
Nicht selten wird Grand Soleil deshalb auch in einem Atemzug mit X-Yachts genannt. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich gibt es gleich mehrere Parallelen zwischen den beiden Werften, ihren Produkten und Marktstrategien. Ähnlich wie die Dänen bei X-Yachts mit der Tourenlinie XC (Cruising) haben sich auch die Yachtbauer bei Cantiere del Pardo neben ihren bewährt leistungsorientierten Angeboten an Performance-Cruisern zwischenzeitlich breiter aufgestellt und erfolgreich das Thema Fahrtensegeln in Angriff genommen. Dafür haben die Italiener ebenfalls eine eigene Linie (LC – Long Cruise) mit drei Modellen zwischen 42 und 52 Fuß Länge entwickelt.
Nun aber scheint sich Cantiere del Pardo auf ihre Wurzeln und Kernkompetenzen zu besinnen – im Leistungssektor. Nach der Neuvorstellung der Grand Soleil 48 Performance wird das Sportprogramm jetzt um das Modell 44 Performance ergänzt. Es kommt anstelle der bewährten 43er ins Portfolio, von welcher die Werft seit 2013 immerhin 70 Einheiten hat absetzen können.
Von Bedeutung ist die erstmalige Verpflichtung des Italieners Matteo Polli als Konstrukteur für die neue 44 Performance. Polli gilt als ausgewiesener Spezialist für die Ausgleichssysteme ORC und IRC und hat mit seinen Entwürfen für Italia Yachts (IY 9.98 und IY 11.98) in den letzten Jahren nicht weniger als drei Weltmeistertitel auf seine Referenzliste schreiben können. Jetzt soll er auch der Marke Grand Soleil wieder zu neuen Regattaerfolgen verhelfen.
Pollis Formensprache ist unverkennbar: Der runde, aber dennoch recht flache Spant am Heck mit der stark eingeschnürten Wasserlinie und den weit nach oben gezogenen Soft-Chines kennt man schon von den erfolgreichen Booten aus der Reihe Fuoriserie von Italia Yachts – im Speziellen von der IY 11.98, die bezüglich der Rumpfformen der neuen 44er von Grand Soleil tatsächlich nicht unähnlich ist.
Mit seinen markanten Rundungen will Polli erreichen, dass bei leichtem Wind und geringer Krängung die benetzte Oberfläche klein und die Wasserlinie kurz bleibt. Diese misst bei der Neuen lediglich 12,10 Meter, bei einer Rumpflänge von 13,40 Meter. Damit ergeben sich auch Vermessungsvorteile für das ORC- und IRC-Handicap.
Beim mehr Lage sollen die breiten, flach auslaufenden Rumpfflanken dagegen für eine hohe Formstabilität sorgen. Das hilft der Werft, den Ballastanteil im tiefen T-Kiel weiter zu reduzieren. Im Falle der Grand Soleil 44 Performance macht die schlanke Flosse mit der schmalen Blei-Bombe nur gerade mal 28 Prozent des Gesamtgewichts von 9,5 Tonnen aus; das ist wenig für ein ausgewiesenes Performance-Boot, auch im Vergleich zur Konkurrenz.
Es bleibt außerdem bei nur einem, dafür sehr schlanken und tiefen Ruderblatt. Dieses ist ungewöhnlich weit unter das Boot gebaut, damit am Profil bei Krängung keine Luftverwirbelung stattfindet, was in der Regel sofort zum Kontrollverlust und zum Sonnenschuss führt. Konkret: Bei der Grand Soleil 44 beträgt der Abstand von der Achterkante am Heck bis zur Ruderwelle stattliche 1,80 Meter.
Auf das Lenkverhalten allerdings hat die Position des Steuerruders keinen sehr großen Einfluss, erklärt Konstrukteur Polli. Vielmehr sei die Rumpfform, insbesondere am Bug, ausschlaggebend für die Reaktionen vom Schiff auf die Ruderbewegungen. Die Grand Soleil 44 kann dabei von einem relativ langen Rumpfüberhang sowie von einem flachen Vorfuß profitieren. Beim YACHT-Test spricht die Polli-Konstruktion denn auch unmittelbar auf die geringsten Ruderausschläge an und zeigt sich speziell im Manöver unter Segeln sowie auch unter Maschine bemerkenswert dynamisch.
Bei leichtem Wind zwischen 6 und 8 Knoten ist die Grand Soleil 44 mit einem rollbaren Code Zero (Reacher A3) passend bestückt. Das leistungsstarke Segel entwickelt eine Menge Druck und beschleunigt das Boot schnell auf 8,5 Knoten Geschwindigkeit bei halbem Wind, also schneller, als der Wind weht. Zum Aufkreuzen muss das Zusatzsegel wieder runter und die kurz überlappende Genua rauf, was den Spaßfaktor sowie die Leistungsdaten bei Leichtwind dann doch erheblich schmälert. Dennoch: Auch mit der Amwind-Besegelung schafft die Italienerin immer noch 5,6 Knoten Geschwindigkeit und wendet dabei über einen recht engen Winkel von 80 Grad.
Beim Testschiff, der Baunummer 1, ist der durchgehende Kabelzug von den Steuersäulen zum Ruderquadranten möglicherweise etwas zu stramm gespannt. Die Jefa- Anlage zeigt sich schwergängig, außerdem ist beim Testschlag der Autopilot dauerhaft eingekoppelt. Für den Steuermann bleibt so nur wenig Ruderdruck und damit wenig Steuergefühl übrig – eine Einstellungssache, welche sich korrigieren lassen sollte.
Dafür ist der Quadrant durch die Achterpiek sehr gut erreichbar. Hinter dem Rad muss der Rudergänger stehen, um eine einigermaßen gute Sicht in die Segel und über den Bug nach vorn zu bekommen. Seitlich auf dem nach achtern abfallenden Laufdeck sitzt er dagegen sehr tief und nur bei Krängung hinlänglich entspannt.
Die Grand Soleil 44 Performance ist in zwei grundverschiedenen Varianten erhältlich, was das Deckslayout betrifft. Die Version Race (das Testschiff) zeigt ein eher konventionelles Arrangement mit primären und sekundären Winschen seitlich auf und hinter dem Süll sowie Dachwinschen seitlich am Niedergang mit vorgelagerten Stopper-Batterien für alle Fallen, Reff- und Trimmleinen. Und davon gibt es in dieser Ausführung nicht wenige. Das bewährte Layout ist für sportliche Segler gedacht, die mit Mannschaft unterwegs sind und auch an Regatten teilnehmen. In dieser Ausführung wird das Boot mit einem längeren Bugspriet, einer überlappenden Genua und einem höheren Rigg ausgestattet, beim Testschiff ist es sogar aus Kohlefaser gebaut.
Als Standardausführung dagegen ist ein eher fahrtenorientiertes Layout für kleinere Crews vorgesehen. Dabei wird alles laufende Gut, also sämtliche Fallen, Schoten und Trimmleinen, durch einen Kanal im Süllrand bis unmittelbar vor die Steuersäulen geführt. Dort stehen dann auf jeder Seite zwei große und kräftige Winschen zur Verfügung, dafür bleibt das Cockpit vorn komplett frei von Schoten und Bedienelementen.
Auch ist das Standardboot mit einem kürzeren Aluminiummast bestückt, der Rüssel am Bug ist weniger lang und die Selbstwendefock serienmäßig. Natürlich kann sich der Kunde die Komponenten für sein Schiff aus beiden Versionen selbst zusammenstellen. Außerdem wären die Layoutvarianten ganz einfach um- oder nachrüstbar.
So wäre es zum Beispiel möglich, das Schiff in der Version Race zu bestellen und später auf den Einsatz als familientaugliches Fahrtenboot mit vergleichsweise wenig Aufwand umzurüsten – oder umgekehrt. Die innerhalb von Kajütaufbau und Süllrand eingebauten Schotenkanäle sind in beiden Ausführungen und bereits ab Werft in die bestehenden Strukturen integriert, die Winschen und Stopper-Batterien wären im Nu umgeschraubt.
Außer den zwei geräumigen Fallenschapps gibt es im Cockpit nur wenig Stauräume. Backskisten in den Duchten sind nicht vorgesehen, weil die Werft das Raumgefühl in den Achterkabinen nicht einschränken mag. Reichlich Platz für Fender, Festmacher und für zusätzliche Segel gibt es dafür in der Achterpiek am Heck sowie in der Segellast am Bug. Deren Öffnung allerdings ist recht klein. Sperrige Segelsäcke zum Beispiel werden dort nur bedingt untergebracht werden können.
Im Vergleich zur großen Individualisierbarkeit, die das Konzept der Grand Soleil 44 Performance bezüglich der Ausstattung an Deck zeigt, bleiben die Wahlmöglichkeiten beim Interieur in einem bescheidenen Rahmen. Varianten zum konventionellen Standardlayout mit drei Doppelkabinen und zwei Nasszellen sind nicht vorgesehen. Auch bleibt der Ausbau mit hellem Eichenholz zunächst ohne Alternative; nur die Farben der Polster kann der Kunde selbst bestimmen. Die Qualität beim Ausbau unter Deck gibt weder zu besonderer Kritik noch zu überschwänglichem Lob Anlass. Die Holzarbeiten sind schön und solide ausgeführt, die Spaltmaße stimmen, und die Bodenbretter sind über einen Blindboden aus Sperrholz sauber verlegt; sie knarzen selbst unter Belastung nicht.
Vor allem im schönen, modernen und offen gestalteten Salon scheint die Werft in Zusammenarbeit mit den Stylisten von Nauta Design den optischen Aspekten mit hoher Priorität nachgekommen zu sein. Zum Beispiel wird zugunsten von mehr gefühltem Raumvolumen auf die sonst üblichen seitlich installierten Stauraumzeilen ganz verzichtet. Im Salon mangelt es deshalb an Ablagemöglichkeiten, weil auch die Volumen unter den Sitzbänken bereits zu einem großen Teil mit Installationen für die Bordtechnik wie Lüftung, Heizung, Klimaanlage oder Batterien belegt sind.
Dafür präsentiert sich die Pantry umso funktionaler, mit großen und gut nutzbaren Stauräumen und einer ausgedehnten Arbeitsfläche, wenn die Deckel der Kühlfächer geschlossen sind und die Abdeckung über dem Herd zugezogen ist. Eher ungewöhnlich ist die Position der Navigation ganz am Hauptschott beim Durchgang zum Vorschiff. Hier sitzt man aber auch bei Krängung mit überraschend gutem Halt und dazu in Fahrtrichtung. Als Kartentisch ist die Arbeitsfläche aber zu klein.
Für den Ausbau vorn sieht das Konzept ein schickes Inselbett vor, welches vergleichsweise weit ins Vorschiff hineingebaut ist. Am Kopfende ist die Liegefläche deshalb recht schmal und die Koje auf Höhe der Schultern nur 1,25 Meter breit. Wer mehr Platz braucht, bettet sich besser mit den Füßen nach vorn. Auch stellt sich die Frage, warum die Werft die Liegefläche im Vorschiff nicht auch als große Dreieckskoje anbietet und den Platz seitlich für mehr Schlafkomfort nutzt.
In den beiden symmetrisch ausgebauten Achterkabinen sind die Kojen mit einer Breite von 1,47 Metern bei den Schultern komfortabler. In allen drei Kabinen gibt es geräumige Kleiderschränke und ausreichend große Stauräume. Auch die Stehhöhen bewegen sich im durchschnittlichen Bereich für Boote dieser Größe.
Im Vorschiff steht für die Eigner eine eigene Nasszelle mit separater Duschkabine zur Verfügung. Allerdings sind die Platzverhältnisse darin recht begrenzt; und wer zum Duschen die Trennwand aus Acrylglas schließen will, muss sich schon sehr schlank machen können. Deutlich mehr Platz spendiert die Werft dem Bad achtern seitlich am Niedergang, wo auch der Duschraum besser nutzbar ist. Der Ausbaustandard in den Toilettenräumen ist mit vielen Holzanteilen sehr angenehm, und mit jeweils einer Luke zum Öffnen sind die Möglichkeiten zum Lüften zwar nicht gerade üppig, aber immerhin gegeben.
Knapp 480.760 Euro rufen die Yachtbauer aus Italien für die gut und hochwertig ausgestattete Grand Soleil 44 Performance in der Standardversion ab Werft auf. Hinzu kommt ein Aufpreis für einen ordentlichen Satz Amwind-Segel, was bei Performance-Booten nicht unüblich ist. Wer sich für das sportliche Upgrade zur Version Race entscheidet, muss tiefer in die Tasche greifen. Für die regattaorientierte Decksausstattung sowie für den höheren Mast mit Rod-Wanten wird noch einmal einen Aufpreis fällig.
Dennoch: Die Preispolitik von Cantiere del Pardo ist im Vergleich durchaus konkurrenzfähig, um nicht zu sagen attraktiv. Die Italiener haben wieder einmal ein schönes Boot gebaut, welches zweifellos für Aufsehen sorgen wird, nicht nur auf der Regattabahn. Mit der Wahl von zwei möglichen Deckslayouts zum Sport- oder Tourensegeln kann das Konzept eine breite Nachfrage befriedigen und Reize bündeln. Und dann ist da ja noch dieses aufregend hübsche Hinterteil.
GFK-Sandwichkonstruktionen mit PVC-Schaumkern und Carbon-Verstärkungen. Laminiert mit Vinylesterharz
Cantiere del Pardo, 47122 Forlì (Italien); www.grandsoleil.net
Stand 11/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Attraktiver Performance-Cruiser aus Italien mit viel Potenzial. Erhältlich in verschiedenen Leistungsstufen und wahlweise zwei Cockpitlayouts. Die Preisgestaltung ist auch im Vergleich zur Konkurrenz attraktiv
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 02/2021 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.