Es mag einem vielleicht nicht als die beste aller Ideen vorkommen, spät im Dezember und hoch oben in Schweden noch eine Segelyacht zu testen – die Wahrscheinlichkeit für Sturm und Schneefall ist recht hoch. Die Aktualität jedoch und bevorstehende Ereignisse bedingen manchmal ungewöhnliche Handlungsweisen. Und wenn die Werft Hallberg-Rassy noch kurz vor Weihnachten ein brandneues Modell erprobt, dann ist die YACHT-Testredaktion natürlich mit dabei.
Für den nordischen Probeschlag üben sich die Mächte von Eis und Finsternis aber doch in erfreulicher Zurückhaltung. Es ist zwar frisch und mit gegen 20 Knoten Wind auch zugig, zudem hat eine vorab durchgezogene Sturmfront draußen auf dem offenen Meer einen beeindruckenden Seegang von zwei bis drei Meter Höhe hinterlassen. Für eine große, robuste Mittelcockpityacht wie die neue Hallberg-Rassy 40C sind die Bedingungen für einen Test auf Herz und Nieren aber gerade richtig.
Mit spürbar viel Kraft und Energie arbeitet sich die Konstruktion von Germán Frers durch die aufgewühlte See. Hartes Aufkreuzen gegen die hohen und steilen Wellen gestaltet sich anspruchsvoll, so lässt man auch die Rassy unter diesen Bedingungen mit leicht geschrickten Schoten besser etwas laufen. Knapp 8 Knoten Speed über Grund schafft die Schwedin locker auf einem Kurs von 60 Grad zum Wind, und sie setzt dabei angenehm weich in die Wellen ein.
Dass die Mannschaft im hohen Mittelcockpit auch mal ein paar Spritzer abbekommt, ist wohl weniger der Konstruktion geschuldet als vielmehr den harschen Bedingungen und der für den Test eingerollten Sprayhood.
Die neue HR über die mächtigen Wellen zu lenken gestaltet sich leicht und einfach. Die komplett mit Kardanwellen arbeitende Ruderanlage liefert dem Steuermann ausreichend Rückmeldung sowie ein gutes Ansprechverhalten auf das große Rad. Auch bei viel Krängung in den Böen ist die Schwedin jederzeit gut kontrollierbar, natürlich auch dank der doppelten Ruderblätter. Das zeigt sich speziell auf dem Kurs zurück zur Küste mit dem Wind. Wie ein kleines Sportboot lässt sich der elf Tonnen schwere Luxuskreuzer wunderbar nach Druck steuern. Das macht nicht nur sehr viel Spaß am Rad, sondern sorgt zudem für eine erstaunliche Performance. Der Tagesrekord beim Test liegt bei 12,6 Knoten im Surf, mit Wellenunterstützung. Für ein Tourenboot dieser Ausrichtung, Größe und dieses Gewichts ist das schon eine echte Ansage.
Die Ermittlung der genauen Leistungsdaten ist im geschützten Schärengarten vor Ellös einfacher. Hier wendet das Boot bei zwischen 15 und 18 Knoten Wind und nur wenig Welle über einen Winkel von 85 Grad und loggt dabei etwas mehr als 7 Knoten Fahrt. Das sind ebenfalls beachtliche Ergebnisse für eine Mittelcockpityacht mit im Grunde nur wenig Anspruch an eine ausgewiesene Leistungsfähigkeit. Die hochwertigen Laminatsegel von Elvstrøm, welche beim Testschiff angeschlagen sind, helfen dabei kräftig mit. Im Standard wird das Boot mit einem Satz einfacheren Dacron-Segeln ausgestattet, ebenfalls von Elvstrøm.
Der dazu perfekt passende Rollmast von Seldén steht ebenfalls auf der Liste der Optionen, wird aber in den meisten Fällen geordert. In Kombination mit elektrischen Antrieben für sämtliche Fallen- und Schotwinschen sowie für die Furler lassen sich die Segel nicht nur auf Knopfdruck ein- und ausrollen, sondern im Falle der Genua eben auch dichtholen oder dank Revo-Winschen von Lewmar fieren.
Als einfache Sechsfach-Talje geschoren, ist die Führung der Großschot allerdings zu schwach ausgelegt und verlangt speziell bei mehr Wind nach viel Kraft zum Dichtholen und Umsicht beim Fieren. Eine zusätzliche Winsch für das Trimmen des Großsegels wäre an dieser Stelle angebracht, ist allerdings leider auch nur als Extra und gegen Aufpreis erhältlich.
Mit einer stattlichen Breite von 4,18 Metern bei einer Rumpflänge von 12,30 Metern ist das neue Schiff aus Ellös nicht nur fülliger als die Boote der vergleichbaren Konkurrenz, sondern zeigt auch deutlich kompaktere Linien als ihre größere Schwester Hallberg-Rassy 44 (Test in YACHT 3/2017), die immerhin 1,40 Meter länger, aber nur gerade zwei Zentimeter breiter ist. Damit kann die Werft die Mittelcockpits der beiden Schiffe in exakt denselben Abmessungen bauen. Speziell das Heck ist beim neuen und kleineren Schiff nochmals bulliger geworden und real sogar noch breiter als bei der 44er, um 24 Zentimeter.
Das zusätzliche Volumen nutzt die Werft, um im Achterschiff zwei große und tiefe Stauboxen, zum Beispiel für die Fender und Festmacher, realisieren zu können. Die nur optional erhältliche Heckklappe am Heck schließt bis zur Hälfte des Spiegels. Die Werft will mit einer kleineren Plattform Gewicht sparen und auf einen elektrischen Mechanismus zum Öffnen und Schließen verzichten können; ein einfacher Taljenzug reicht beim Testschiff dafür allemal aus. Eine größere Badebühne wie etwa bei der HR 44 will die Werft derweil auch als Option nicht anbieten.
Wie für alle aktuellen Modelle baut Hallberg-Rassy auch die Rümpfe und Decks der neuen 40C zentral in der werfteigenen Produktion im nahe gelegenen Kungshamn. Die Strukturen entstehen im bewährten Handauflegeverfahren als robuste Sandwichkonstruktionen mit Schaumkern. Beim neuen Schiff hat die Werft nun erstmals einen Teil der Bodenwrangen zur Versteifung bis zur Rumpf-Deck-Verbindung hochgezogen. Damit können die Handwerker beim Ausbau unter Deck auf die bisher unvermeidlichen Halbschotten weitgehend verzichten, was mehr Spielraum bei den Gestaltungsmöglichkeiten unter Deck eröffnet.
Die Pantry kann man in zwei Größen wählen. Bei der ausgedehnten, äußerst geräumigen Variante wird die Kochnische um mehr als einen halben Meter nach achtern verlängert. Damit gewinnt die Küche an weiterer Arbeitsfläche und Staumöglichkeiten. Zudem lassen sich ein Geschirrspüler sowie ein zusätzlicher Kühlschrank unterbringen. Wählt man die kleinere Standard-Pantry, welche aber immer noch genug Platz und reichlich Stauräume bietet, wird das Volumen zwischen Pantry und Achterkabine für den Einbau einer größeren und tieferen Backskiste genutzt, welche vom Cockpit aus zugänglich ist. Hier muss der Kunde letztlich entscheiden und die Kompromisse gegeneinander abwägen.
Ausbauvarianten gibt es zudem für die geräumige Eignerkabine achtern. Und auch hier treten die Vorteile der extremen Breite am Heck noch einmal deutlich zutage: Anstelle des zentral platzierten Doppelbetts können eine seitliche Zweierkoje sowie eine zusätzliche Liegefläche zur Einzelnutzung eingebaut werden. Die Alternative mit bis zu drei Kojen achtern darf Hallberg-Rassy innerhalb des direkten Wettbewerbs exklusiv für sich beanspruchen.
Was die Hallberg-Rassy 40C aber ebenfalls von der Konkurrenz abgrenzt, ist die nicht vorhandene Ausbauvariante für eine zweite Nasszelle. Bei der Schwedin bleibt es bei nur einem, dafür aber auch besonders großzügig angelegten Bad im Vorschiff mit einem abgetrennten Duschbereich, viel Stauraum sowie der Möglichkeit, eine Waschmaschine aufzustellen. Bei den Vorgängermodellen Hallberg-Rassy 39 und 40 war ebenfalls lediglich ein Toilettenbereich vorgesehen. So gesehen halten sich die Schweden an das bewährte Konzept und nutzen den Raum auf andere Weise.
Davon profitiert zum Beispiel der Maschinenraum, in den man sogar ein Stück weit hineinkriechen kann. Der Vierzylinder-Einbaumotor mit 60 PS von Volvo Penta wird als Novum für Hallberg-Rassy invers installiert, also hinter dem Saildrive. Damit entsteht Raum für einen Generator, der dann direkt hinter der Niedergangstreppe seinen Platz findet.
Technik-Fans kommen auch beim neuen Schiff von Hallberg-Rassy einmal mehr auf ihre Kosten. Sämtliche Installationen sind tadellos ausgeführt, vorbildlich beschriftet und überall bestens zugänglich. Die Werft baut die Bordtechnik und die Verkabelung ganz zum Schluss ins Schiff ein, teilweise sogar erst nach den Möbeln. Auf diese Weise wollen die Yachtbauer sicherstellen, dass die Komponenten immer gut erreichbar bleiben.
Das Thema Ventilation steht bei Hallberg-Rassy ebenfalls im Fokus. Zahlreiche Luken, große zu öffnende Aufbaufenster in Sonderanfertigung sowie einige Doradelüfter sorgen im Schiff für ausreichend Zirkulation. Die Türen von Kästen und Stauräumen sind zudem mit Lüftungsschlitzen und rückwärtig teilweise mit schön verlegten Wegerungen in Echtholz versehen.
Die Bau- und Ausbauqualität der Yachten aus Ellös zu beschreiben ist irgendwie so, als würde man Wasser in den Rhein tragen. Wer sich für Segelschiffe interessiert, kennt die Marke und die Güte ihrer Produkte. Nicht ohne Grund steht der Name Hallberg-Rassy seit Jahrzehnten für die Hochwertigkeit des skandinavischen Yachtbaus. Und mit ihrer neuen 40C untermauern die Schweden dieses lang und hart erarbeitete Renommee nochmals nachhaltig.
Moderne Konstruktion
Robuste und hochwertige Bauweise
Gut geschütztes Mittelcockpit
Segelt steif und schnell
Sicheres, einfaches Handling
Schwache Großschotführung
Gemütliches Ambiente unter Deck
Erstklassige Ausbauqualität
Pantry in zwei Größen erhältlich
Umfangreiche Grundausstattung
Hochwertige Anbauteile
Keine große Badeklappe machbar
GFK-Sandwichlaminat mit Schaumkern, gebaut in Handauflage mit Vinylester und Polyesterharz. Volllaminat in den Bereichen von Kiel und Ruderwellen.
Hallberg Rassy Varvs AB, 47431 Ellös (Schweden); www.hallberg-rassy.com
Hallberg-Rassy Deutschland GmbH, 23730 Neustadt; www.hallberg-rassy.de
Der Test ist erstmalig 2020 erschienen und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.