Fridtjof Gunkel
· 05.12.2023
Prädikat erstaunlich. Waren die Werften in der Klasse der knapp elf Meter langen Performance-Cruiser noch bis vor einigen Jahren recht aktiv und durfte sich die interessierte Kundschaft über Modelle wie die Diva 34 SC und die Dehler 34 freuen, ist es in diesem Größensegment sportlicher Yachten zeitweilig ruhiger geworden. Erstaunlich, weil die Länge von rund 34 Fuß ideal für ein Paar ist, aber auch mit Familie und Gästen funktioniert, weil man noch keine großen Kompromisse hinsichtlich des Tiefgangs eingehen muss und schließlich, weil die Unterhaltskosten menschlich bleiben. Zudem bieten sportliche Boote dieser Größe Potenzial, Aktionsradius und Seeverhalten deutlich größerer Yachten, die als reine Tourer ausgelegt sind.
Diesen Positiva zum Trotz: Abgesehen von Dehler bietet keine Großserienwerft derzeit einen 34 Fuß langen Performance-Cruiser an. Auf eine First aus dem Hause Beneteau warten Händler und Kunden gleichermaßen, Dufour hat die ambitioniertere Linie längst eingestellt, Jeanneau führt heiße Boote nur in Form von sehr abgespeckten Zweihand-Rennern, bei Bavaria ebenfalls Fehlanzeige, und X-Yachts baut derzeit nicht unter 40 Fuß. Den Markt sportlicher Zehn-Meter-plus-Yachten teilen sich viele kleinere Werften. Elan aus Slowenien und J/Boats aus den USA mit Lizenzbauten in Frankreich zählen da noch zu den stückzahlstärkeren unter ihnen.
Grand Soleil und Italia Yachts stoßen in das Segment. Und diverse Skandinavier wie besagte Diva, die ältere Linjett und eben die Arcona 345, die nun von der schwedischen Werft grundlegend erneuert wurde. Der vor den Toren Stockholms in Gustavsberg ansässige Betrieb lässt seine kleineren Einheiten in Estland bei Luksusjaht herstellen, die auf der Insel Saaremaa fertigen, welche sich als das baltische Gegenstück zur schwedischen Bootsbauerinsel Orust einstufen lässt. Arcona führt von der 345 bis zur Carbonyacht 465 fünf Typen im Programm.
Die Schweden blieben für die neue 345 beim bewährten Rumpf, der seit 2009 immerhin rund 60-mal gebaut wurde. Die Konstruktion des 2018 verstorbenen Hausdesigners Stefan Qviberg hat der Italiener Maurizio Cossutti überarbeitet, der vielfach ein Händchen für Modifikationen im Detail beweisen konnte und neben seiner Aufgabe als Konstrukteur für Bavaria Yachtbau auch für Werften wie Nautor’s Swan arbeitet, wenn dort auch mehr im Verborgenen.
Ein Ziel der Modernisierung war mehr Leistung. Das geht bei existentem Rumpf, klar, am einfachsten mit mehr PS, sprich Segeltuch. Die 345 fährt immerhin knapp acht Quadratmeter mehr durch eine etwas größere Genua und Flächenoptimierungen im Großsegel. Geblieben ist das vergleichsweise geringe Gewicht von 5,2 Tonnen. Generiert in Kombination eine Segeltragezahl von dimensionslosen 5,0 – was schon einen ausgewiesenen Performance-Cruiser ausmacht. Neben theoretischen Zahlen stehen greifbare Merkmale für diese Einstufung. Die Bombe wird aus Antimon-gehärtetem Blei gefertigt, früher Standard auf sportlichen Booten, heute, weil deutlich teurer, die Ausnahme. Die Maßnahme bringt nebenbei den Vorteil mit, dass Blei spürbare Grundberührungen besser verzeiht, weil es die Energie gut absorbiert. Oder man nehme die Bauweise: Vakuuminfusionsverfahren mit Divinycell-Schaum als Sandwich-Kern, und dies auch im Unterwasserschiff, abgesehen von Bereichen am Kiel und an Rumpfdurchbrüchen.
Spürbar Performance-Cruiser auch das Deckslayout, was sich zum Test bei Händler AP Yachting in Laboe auf den ersten Blick zeigt. Fette 46er-Harkenwinschen für die Vorsegel sowie Dyneema rundum sprechen eine klare Sprache. Masttopp-Spifall mit Barberholer und Inholer für die Schoten der 106-Prozent-Genua ebenfalls. Dazu optionales German Sheeting System und doppelte Carbonräder.
Standard ist indessen eine Pinne, die dem Boot ebenfalls gut zu Gesicht stünde. Schönes Detail im Heck: Die Achterstags-Kaskade sitzt zentral und wird nicht wie üblich per Hahnepot auf beide Seiten geführt, um den Durchgang über das offene Heck zu erleichtern. Die vielfach gewählte Maßnahme führt gerade auf Booten dieser Größe oftmals zu Engpässen für den Steuermann, wenn dieser seitlich auf dem Deck am Rad sitzt. Manko hier jedoch: Die am Spiegel angebrachte Klemme lässt sich nicht fernbedienen. Das Heck ist offen, eine Badeklappe gibt es nicht.
Viele Leinen bedeuten viele Klemmen, und dann wird es auf einigen Booten, wo Fallen und Strecker auf dem Dach durch Rohre oder Schächte laufen, schon eng: Da ist Platz für fünf Leinen pro Seite, aber nicht für mehr Klemmen und zusätzliche Umlenkungen. Anders auf der Arcona: Satte zwölf Hebelklemmen finden Platz.
Die Wanten stehen jetzt mit breiten Salingen außen, wodurch sich die Zugkräfte des Riggs besser in den Rumpf und dort auf den galvanisierten Stahlrahmen leiten lassen. Dennoch ist eine 107-prozentige Genua möglich. Der Furler der Rollreffanlage ist versenkt im Ankerkasten eingebaut, dadurch werkelt die Genua niedriger an Deck, und das ist effektiver.
Allen Modernisierungsmaßnahmen zum Trotz sieht man dem Boot an: Es ist kein aktuelles Design. Das lässt sich auch positiv bewerten, denn die Arcona wirkt immer noch durchaus elegant-gefällig und beweist so ihre Zeitlosigkeit: keine Chines, kein negativer Bug, keine nach oben eingezogenen Freiborde – sondern strakende, schiere, harmonische Linien und ein sich nach achtern verjüngender Rumpf mit einem Heck, das deutlich schmaler ist als die größte Breite.
Sie präsentiert sich zahmer als so manches neues Boot in aggressiver Optik. Die Arcona segelt sich so gut wie ein modernes Schiff, wie sie auf der Kieler Förde beweisen konnte. Bei 4 Beaufort am Wind kam sie trotz kurzer, bremsender Welle auf rund 6,3 bis 6,5 Knoten bei sehr guter Höhe, weiter in der Förde ließen sich bei weniger Welle einige Zehntel mehr erzielen. Die Werte dürften auch den hervorragend stehenden Segeln von UK Sailmakers Deutschland geschuldet sein, die in der Ausführung X-Drive Carbon mit einseitiger Taffeta-Beschichtung an Bord waren. Im Standard werden, wie auf vielen Performance-Cruisern üblich, keine Segel mitgeliefert.
Böigen Wind pariert das Boot ordentlich, es erweist sich durch den eher hohen Ballastanteil, die Spantform und die tiefe Bombe als steif und kontrolliert. Raumschots schnellten die Werte hoch, bereits unter dem nicht maximal großen Rollgennaker ließen sich leicht Geschwindigkeiten von mehr als 8 Knoten erzielen. Das Schiff steuert sich angenehm und direkt genug, wobei die Seilzuganlage von Jefa noch etwas fest eingestellt war. Die Positionen im Sitzen und Stehen an den 80 Zentimeter durchmessenden Rädern sind hervorragend und störungsfrei.
Das schmalere Heck sorgt nicht nur für eine bessere Optik. Zwei Achterkammern werden gar nicht erst angeboten, und so ist Platz für eine große und tiefe Backskiste. Wirkt das Boot von außen zeitlos, wurde es innen komplett modernisiert. Am augenfälligsten ist die optionale Oberflächengestaltung in gekalkter Eiche. Der helle Ausbau hält durch Werften wie Hallberg-Rassy, X-Yachts und Nautor auch in skandinavischen Werften Einzug. Das wirft die Frage auf, warum sich die dunkle Höhle ausgerechnet in Ländern mit einem ausgesprochen langen und finsteren Winter über Jahre halten konnte. Standard auf der Arcona 345 bleibt jedoch der bewährte Ausbau in rötlichbraunem Mahagoni.
Die Komfortmaße gehen im Wesentlichen in Ordnung. Die Stehhöhe in den wichtigen Bereichen wie Salon (Mitte 1,85 Meter) und WC/Duschraum (1,84 Meter) genügt den meisten Menschen. Etwas knapp wird’s im Vorschiff mit 1,74 Metern im besten Fall. Dort gefällt jedoch die wichtigere Kojenbreite, die in Schulterhöhe auf erfreuliche 1,75 Meter kommt, und auch der Fußraum ist groß genug. Selbst die Achterkabine bietet über 1,70 Meter Breite – fein! Etwas eng ist der Abstand zwischen Toilette und Cockpitkante. Und zu bekritteln ist auch die Querbelüftung im Boot: Nur ein kleines Aufbaufenster in der Pantry lässt sich öffnen. Dafür steht neben einem Mittelluk ein Paar Doradelüfter auf dem Kajütdach zur Verfügung, das für Permanentbelüftung sorgen kann – ein Feature, das auszusterben droht.
Weitere Auffälligkeiten unter Deck: Der Mittelteil des Strongback ist, ohne komplette Bodenbretter zu entfernen, nur von den Seiten erreichbar und so schlecht sauber und trocken zu halten. Der Kocher lässt sich bei viel Lage auf Backbordbug kaum einsetzen, weil die Kardanik anschlägt. Das Vorschiff bietet unter der Koje viel Platz, dort ist kein Tank installiert, was auch der Performance zugutekommt. In der Nasszelle ist ein kleiner, offener Ölzeugschrank installiert, und die Backskiste lässt sich von dort erreichen. Ausbau-Finish und Installationen sind gehoben, wenn auch nicht Champions League.
Hervorragende Segeleigenschaften, höchst bedienerfreundliches Deckslayout, zeitlose Optik, gut gebaut, diverse Wahlmöglichkeiten – die Arcona 345 ist fraglos ein richtig gutes Boot, das sich jeder angucken sollte, der in dieser Größe und Ausrichtung sucht.
Bleibt die Preisfrage. Dort spielt das Schiff in einer eigenen Liga. Gut ausgestattet kostet es 300.000 Euro, dafür lässt sich so mancher 38-Fußer erwerben – und bestücken. Vertriebschef Magnus Lindgren relativiert: „Ja, der Preis ist hoch, aber wir sehen uns auch wie Hallberg-Rassy, sind nur sportlicher.“ Ein Vergleich, der zulässig sein mag.
Vakuuminfusionsverfahren, Sandwich mit Schaumkern, Vinylesterharz. Schotten anlaminiert
Stand 11/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Arcona Yachts, Schweden, www.arconayachts.se
AP Yachting, Laboe; 04343/494 02 93; www.apyachting.de
Schnell, hübsch, prima Deckslayout, ansprechend innen – die Arcona 345 ist eine Alternative in der Klasse sportlicher Zehn-Meter-Yachten, die von Großserienwerften kaum noch bedient wird
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 22/2020 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.