Die Einsteigerklasse zwischen neun und zehn Meter Rumpflänge hatten die Franzosen von Jeanneau lange und erfolgreich mit den Modellen Sun Odyssey 30i und 32i bedient, das Angebot jedoch mit der Einführung der Sun Odyssey 349 (Test YACHT 6/2014) ersatzlos gestrichen. In der Folge sind aber vermehrt Nachfragen nach einem noch kleineren und vor allem günstigeren Boot an die Werft und an die Händler herangetragen worden. Die damals neue Sun Odyssey 319 sollte diese Lücke letztlich wieder füllen.
Aber was bedeutet hier „neu“? Die Newcomerin war im Grunde schon eine alte Bekannte, nämlich die Delphia 31, welche die Werft in Polen im Jahr 2012 auf den Markt gebracht hat. Die Hintergründe des Deals hatten Jeanneau und Delphia damals nicht kommentiert. Nur so viel war bekannt: Die Franzosen hatten Formen und Rechte vom polnischen Partner Delphia übernommen und die ehemalige Konstruktion von deren Hauskonstrukteur Andrzej Skrzat überarbeitet.
Allerdings wurde das Boot nicht bei Jeanneau gebaut, sondern weiterhin bei Delphia Yachts, nun einfach im Auftrag von Jeanneau und unter deren Namen und Typenbezeichnung. Ein solcher Handel zwischen zwei der führenden Hersteller und Konkurrenten mutet heute ungewöhnlich an. Allerdings pflegten Jeanneau und Delphia schon damals und viele Jahre zuvor eine gut funktionierende Kooperation. So haben die Franzosen auch ihr sportliches Modell Sun Fast 3200 zwischenzeitlich in Lizenz bei Delphia fertigen lassen, zudem wurden die kleineren Jeanneau-Motorboote aus den Programmen Cap Camarat und Merry Fisher ebenfalls bei Delphia in Polen gebaut.
Trotzdem hat die Entscheidung des Branchenriesen Jeanneau, für das sehr wichtige Einsteiger-Segment keine eigene Neuentwicklung zu präsentieren, für Verwunderung gesorgt. Schließlich geht es in dieser Klasse auch darum, die neuen Kunden an die Marke zu binden. Das Vorgehen schien aber nachvollziehbar: Die Delphia 31 (Test YACHT 5/2012) hat sich zuvor auf dem Markt als robustes, ehrliches und schnörkelloses Tourenboot erwiesen.
Jeanneau hat die Konstruktion damals nicht einfach nur übernommen und neu gebrandet, sondern daran auch einige sehr wesentliche Änderungen vollzogen. Der Rumpf hat achtern Kimmkanten bekommen. Dies sollte für steifere Segeleigenschaften sorgen und die Optik modernisieren. Zudem wurde das Deck komplett neu gestaltet. Die Rumpffenster sind größer geworden und haben das Design der größeren Schwestern aus dem Fahrtenprogramm von Jeanneau übernommen. Auch ist der Aufbau generell etwas höher geworden. Im Vergleich zur Delphia 31 sind die Stehhöhen in allen Bereichen um einige Zentimeter gewachsen.
Neu war die Option als Kielschwerter mit reduzierbarem Tiefgang anstelle der Festkielversion mit dem immerhin 1,85 Meter tief gehenden Flossenkiel aus Gusseisen. Außerdem wurde die Sun Odyssey 319 in allen Kielvarianten mit zwei kurzen und sehr robust gebauten Ruderblättern ausgestattet. Damit und in der Version als Kielschwerter sollte man mit der kleinen Jeanneau problemlos trockenfallen können, im Tidengewässer auch regelmäßig und ohne zusätzliche Wattstützen.
Das Zweisalingsrigg wurde weitgehend unverändert vom Delphia-Boot übernommen. Neu wurde aber eine Selbstwendefock angeboten, als Alternative zur überlappenden Genua. Das überarbeitete Deck wurde vor dem Mast verstärkt und hat zudem ein solides Fundament zum Anbauen der Schiene für den Schotwagen bekommen. Die Großschot ist als Hahnepotführung vor dem Niedergang angeschlagen. Ein Traveller im Cockpit wird allerdings von Jeanneau nicht mehr angeboten; bei der Delphia 31 war diese Option noch gegeben.
Für den YACHT-Test im Frühling 2018 vor La Trinité-sur-Mer in der Bretagne hätten die Bedingungen nicht besser sein können – zwischen 12 und 15 Knoten Wind, dazu eine kurze, wenn auch steile Welle sowie Sonnenschein satt. Ausgestattet mit dem rollbaren Code Zero als Extra, kam die Sun Odyssey 319 ab einem wahren Windwinkel von 90 Grad gut in Fahrt. 7,5 Knoten wies die Logge im Schnitt aus, in einigen knackigen Böen waren bisweilen sogar fast 8,5 Knoten drin.
Auf dem Kreuzkurs segelte die Sun Odyssey 319 recht steif, und trotz ihrer kurzen Rumpflänge stampfte das Boot in der Welle vergleichsweise wenig. Bei knapp 6,0 Knoten Geschwindigkeit lief der kleine Tourer gute Höhe mit einem Wendewinkel von rund 80 Grad – für ein Schiff dieser Ausrichtung und dieser Größe waren das beachtliche Leistungsdaten. Dabei galt es allerdings zu berücksichtigen, dass das Testschiff, die Baunummer 1, mit dem optional erhältlichen Performance-Paket ausgestattet war. Konkret bedeutete das: bessere Laminat-Segel mit durchgelattetem Großsegel, Achterstagspanner sowie eine zusätzliche Winsch auf dem Kajütdach für mehr und bessere Trimmmöglichkeiten. Den fest angebauten Bugspriet für den Code Zero oder für einen Gennaker gab es damals ebenfalls nur als Extra.
Das Steuern der Sun Odyssey 319 am Wind gestaltete sich mit den neuen doppelten Ruderblättern schwierig und anspruchsvoll, und das ausnahmslos auf allen Kursen. Das Testboot, der Prototyp, reagierte schon auf die kleinsten Steuerbewegungen ungewöhnlich direkt und ziemlich heftig. Insbesondere raumschots und in der Welle musste der Rudergänger sehr aufmerksam steuern, um das kleine Schiff auf Kurs zu halten. An der Kreuz fehlte zudem wenigstens etwas Ruderdruck. Speziell mit Code Zero erwies sich das Boot sogar als leicht leegierig, was das Lenken noch schwieriger machte. In Küstennähe und bei flachem Wasser lag das Boot dann ruhiger auf dem Ruder und war einfacher am Wind zu halten. Die Tester bei Jeanneau stellten dieses Verhalten auf der Baunummer 1 ebenfalls fest. Die Werft wollte nach dem Test mit der YACHT die Konfiguration der Steuerung und der Ruder deshalb nochmals überarbeiten und entsprechend anpassen.
Anders als Delphia hat Jeanneau die Pinne auch als Option nicht mehr angeboten – es blieb bei der zentralen Steuersäule, die zwar den Durchgang durch das Boot verbaut, dafür aber weiterhin die langen und bis zum Heck durchlaufenden Duchten ermöglicht, auf denen man ausgestreckt liegen und relaxen kann. Damit hat sich die kleine Jeanneau zu den vermeintlich moderneren Konkurrenzbooten Dufour 310 und Hanse 315 abgegrenzt, welche bereits ein breites Heck, zwei Steuerräder sowie als Option eine klappbare Badeplattform zeigten.
Abgesehen von den Anpassungen der neuen Rumpfform an die Chines blieb die Schale der Sun Odyssey 319 unverändert; die Bodengruppe entsprach ebenfalls exakt derjenigen der Delphia 31. Das bedeutete: Das Layout des Innenausbaus konnte übernommen werden. Die zwei abgetrennten Kabinen sollten jeweils für zwei Personen genügend Platz zum Schlafen bieten. Im Vorschiff allerdings war die Koje sehr weit in den Bug hineingebaut, sodass es im Fußraum mit nur 46 Zentimetern Breite eng werden konnte.
Vorbildlich gelöst hat Jeanneau die Nutzung der Sofakojen im Salon, wo man die Rückenlehnen als ganze Teile abbauen und oben stauen kann. Damit lässt sich die Liegefläche bis ganz außen an den Rumpf verbreitern. Noch besser wäre es gewesen, wenn man die Rückenlehnen über Scharniere nach oben hätte wegklappen könnte. Damit würden sich sogar noch zusätzlich offene Stauräume zum Beispiel für Taschen ergeben.
An Platz für Ausrüstung und persönliche Dinge mangelt es ganz generell im Boot aber ohnehin nicht; unter den Sofas im Salon sowie unter den Kojen im Vorschiff und achtern bieten sich große und auch gut zugängliche Stauräume an. Lediglich in der Nasszelle fehlt es an ausreichenden Ablagemöglichkeiten. Größere Sachen wie zum Beispiel zusätzliche Segel oder eine Kuchenbude können in der geräumigen und tiefen Backskiste lagern, welche aber nur vom Cockpit aus erreichbar ist. Und für Fender und Festmacher steht im Cockpit Platz zur Verfügung.
Für den Innenausbau der Sun Odyssey 319 wurde helles und zusätzlich gebleichtes Buchenfurnier verwendet; Alternativen wurden von der Werft nicht angeboten. Die Möbel sind qualitativ ordentlich verarbeitet, die Spaltmaße stimmen, und das verbaute Sperrholz erscheint dicker und robuster als bei vielen anderen großen Werftserien. Hier sind zum Beispiel die Bodenbretter zu nennen, die unter Belastung weder spürbar nachgeben noch die sonst schon fast üblichen Knarzgeräusche hören lassen. Auch die Installation der Bordtechnik gibt kaum Anlass zu Kritik. Speziell die elektrische Verkabelung hinter dem Schaltpaneel ist sehr sauber ausgeführt und dank durchgehender Beschriftung auch für Laien nachvollziehbar verlegt.
Die Sun Odyssey 319 kam im Jahr 2018 für einen sehr attraktiven Grundpreis von 85.205 Euro brutto auf den Markt. Die französischen Mitbewerber von Dufour und Beneteau lagen mit rund 92.000 Euro schon ein gutes Stück über dem Angebot von Jeanneau, bei einer vergleichbaren Basisausstattung. Einzig Hanseyachts konnte damals mit ihrer 315 den Preis der Sun Odyssey 319 unterbieten: Das Einstiegsmodell aus Greifswald war schon ab 79.000 Euro zu haben.
Als Gebrauchtboot wird die Sun Odyssey aktuell (Stand Februar/2025) für zwischen 80.000 - 85.000 Euro angeboten.
Die Sun Odyssey 319 war und blieb grundsätzlich das gute, schlichte und sehr funktionale Boot, welches es schon als Delphia 31 war. Die diversen Änderungen, die nun von Jeanneau vorgenommen wurden, haben das Schiff aber noch weiter aufgewertet. Dazu ist das Boot für einen sehr attraktiven Grundpreis auf den Markt gekommen. Dies würde sicherlich zusätzliches Interesse wecken.
Günstiges und attraktives Einsteigermodell von Jeanneau. Das Boot basiert auf der bewährten Konstruktion der ehemaligen Delphia 31, wurde aber in vielen und wesentlichen Teilen von Grund auf überarbeitet.
Robustes, gut gebauter Tourer
Klare Ausrichtung als Familienboot
Überholtes Schiffskonzept
Überraschend leistungsstark
Einfaches Handling, einhandtauglich
Bockiges Steuerverhalten (Prototyp)
Ordentliche Verarbeitung
Sofakojen mit Verbreiterungen
Wenig Stauraum in Nasszelle
Tadellos installierte Bordtechnik
Keine Pinnensteuerung als Option
Rumpf: GFK-Volllaminat, Deck: GFK- Sandwich mit Schaumkern. Laminiert mit Polyesterharz in Handauflage.
Chantiers Jeanneau; 85500 Les Herbiers/Frankreich; www.jeanneau.de
Sie war das erste Boot der Klasse, welches ein Cockpit mit zwei Steuerrädern zeigte. Das moderne Bootskonzept hat ein breites Heck mit Chines, dazu doppelte Ruderblätter. Die abklappbare Badeplattform ist eine Option.
Schnörkelloser Tourer aus Greifswald, der im Test tadellose Segelleistungen erzielte. Wahlweise mit zwei Steuerrädern oder mit Pinne. Variantenreich bezüglich der optischen Gestaltung innen. Zum Test der Hanse 315.
Der Long- und Bestseller von Branchenriese Beneteau. Mit Festkiel oder als Kielschwerter.
Gefälliges und relativ schlankes Schiff aus der Schöchl-Werft in Österreich. Der hohe und sportliche Segelplan sorgt für ein großes Leistungspotenzial. Das Boot kommt ausschließlich mit Pinnensteuerung.
Dieser Test erschien zum ersten Mal 2018 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.