Michael Good
· 16.04.2024
2015 war die Revolution 29 genau das, was ihr Name verspricht: eine Bootsbau-Revolution, ein konkurrenzloses Boot. So etwas gab es kein zweites Mal, noch nicht mal im Ansatz: ein Einrumpf-Kielboot von unter neun Meter Länge, aus Aluminium gebaut und mit Scow-Bug. Ein Mix von besonderer Eigenständigkeit – und eigentlich ein zumindest optisches No-Go. Oder vielleicht doch nicht? Mittlerweile ist der runde Bug nichts mehr Außergewöhnliches, nicht nur in der
David Roy heißt der Aluminium-Schweißer aus La Rochelle, der schon mit der Revolution 22 für reichlich Furore in der Branche sorgte. Die kleine 6,80-Meter-Scow wurde von den einen als mutiges, innovatives Projekt gelobt, von anderen als segelnder Wok verspottet. Mittlerweile jedoch ist der runde Bug nichts mehr Außergewöhnliches, nicht nur in der Mini-Szene.
Mit der Revolution 29 legte David Roy nach, mit einem neuen und größeren Schiff. Und wieder konstruiert von David Raison, welcher seinerseits mit dem revolutionären Plattnasen-Boot „Magnum 747“ überraschend das Mini-Transat 2011 hatte gewinnen können. Die Vorteile der Scow-Form erklärt Raison mit einem erheblichen Plus an Rumpfvolumen für mehr Formstabilität, mehr Steifigkeit und weniger benetzter Oberfläche bei Krängung.
Vor allem auf schnellen Halb- und Raumwindkursen haben Performance-Boote mit Scow-Bug Vorteile, weil die Schwimmlage höher ist und die fülligen Rümpfe besser über die Wellen kommen. Im Falle der Revolution 29 ist dies zwar gut zu wissen, bleibt aber bloße Theorie. Das nur knapp neun Meter lange und dafür aber immerhin rund vier Tonnen (Leergewicht) schwere Gefährt profitiert mit dem Scow-Bug in erster Linie von einem erheblichen Gewinn an Volumen für deutlich mehr Platz unter Deck. Dies ist wohl die eigentliche, hauptsächliche Bestimmung der doch sehr speziellen Formgebung. Mögliche Vorteile bezüglich Leistungsstärke und Segeleigenschaften bleiben außen vor.
Trotzdem: Die Revolution 29 zeigt sich im YACHT-Test regsamer und temperamentvoller, als es die Konstruktion, die Bauweise und die technischen Daten auf den ersten Blick vermuten lassen. Schon bei einer leichten Brise um sechs Knoten kommt das Plattnasen-Boot zügig in Fahrt und lässt sich trotz der doppelten Ruderblätter auch lebhaft und mit einem guten Gefühl auf der Pinne am Wind steuern. Das verblüfft.
Und mit 4,8 Knoten Speed hart am Wind geht auch die Performance in Ordnung. Allerdings bleibt die gesegelte Höhe mit einem wahren Winkel von 50 Grad zur Windrichtung unter den Erwartungen. Den Versuch, Höhe zu kneifen, bestraft die ungewöhnliche Rumpfform mit einem sofortigen und markanten Leistungsabfall.
David Roy baut den Rumpf der Revolution 29 mit Aluminium-Platten von 6 Millimeter Stärke für den Bereich unterhalb der Wasserlinie und 5 Millimeter am Freibord. Die Paneele werden vorgewölbt und spannungsfrei im Rundspant verschweißt. Das Deck und die Cockpitwanne sind aus 4 Millimeter starken Aluplatten zusammengefügt. Auf dem Deck, dem Dach von Aufbau und im Cockpit werden die nackten Metallflächen mit einer Art Gummigranulat-Beschichtung versehen. Das Material bietet nicht nur eine ausgezeichnete Trittsicherheit an Deck, sondern ist auch als Prall- und Lärmschutz von Bedeutung.
Wer möchte, kann sich an Deck und im Cockpit auch ein echtes oder künstliches Teak-Stabdeck verlegen lassen.
Das Konzept der Revolution 29 sieht wahlweise einen Schwenkkiel oder einen fest angebauten T-Kiel vor. Der flexible Rumpfanhang kostet extra und reduziert den Tiefgang von maximal 2,60 auf minimal 1,10 Meter. Das Boot kann damit problemlos trockenfallen, in Tidengewässern sogar regelmäßig. Der tiefe Schwenkkiel wird übrigens über eine Elektro-Hydraulik beziehungsweise auf Knopfdruck bewegt.
Die voluminöse Bugpartie erlaubt ein weit achtern positioniertes Rigg. Der Zwei-Salings-Mast steht ungefähr in der Schiffsmitte und ziemlich genau über dem Drehpunkt des Schwenkkiels. Damit kann die Genua trotz nur kurzer Überlappung von 110 Prozent relativ groß ausfallen. Dazu wird die Revolution 29 mit einem durchgelatteten Großsegel und extremer Ausstellung im Topp-Bereich ausgestattet. Die Abmessungen des Tuchs sind beinahe quadratisch und erinnern an die Segelpläne von modernen Performance-Katamaranen. Ein Achterstag gibt es ebenfalls nicht.
Dementsprechend wird das Groß auch eher über den langen und ganz achtern am Boot angebrachten Traveller getrimmt. Für die Genua und den Gennaker stehen Winschen seitlich am Cockpitsüll zur Verfügung. Fallen, Trimm- und Reffleinen laufen auf kurzen Wegen über das Dach zurück auf die Klemmbatterien seitlich am Niedergang. Das Handling ist auch im Manöver leicht und übersichtlich. Im relativ kurzen Cockpit kann der Steuermann von seiner Position aus alle Funktionen selbst greifen, so ist die Revolution 29 uneingeschränkt einhandtauglich.
Die eigentliche Überraschung allerdings kommt unter Deck. Die fülligen Rumpfformen und vor allem die abgeplattete Bugpartie erlauben eine neue, ungewohnt großzügige Raumausnutzung. Das gefühlte und wirkliche Volumen innen entspricht demjenigen eines wesentlich längeren Bootes.
Die Besonderheit ist eine Verschmelzung von Vorschiff und Salon zu einem großen Raum. Eine Abtrennung in Form eines Schotts gibt es auch auf Wunsch nicht. Dafür ermöglicht das Konzept eine flexible, durchdachte Kombination von Sitzflächen und Kojen. So können vier erwachsene Personen mit viel Komfort im erweiterten Salon übernachten, der allerdings nicht weiter unterteilt ist. Die Sitzflächen der Sofakojen lassen sich mit aufklappbaren Elementen vergrößern und ermöglichen so eine Breite der Liegeflächen von über einem Meter.
Anders in der Achterkabine. Dort beträgt die Liegefläche auf Schulterhöhe in der Breite gerade mal 1,20 Meter – da kann nur eine Person komfortabel übernachten.
Die andere Seite des symmetrisch getrennten Achterschiffs ist als große, aber leider nur von innen durch den Toilettenraum zugängliche Backskiste ausgebaut. In dem Bereich sind auch die Tanks für Kraftstoff und Frischwasser sowie ein Großteil der Bordtechnik untergebracht.
Gelungen: Für die Zufuhr von Strom und Wasser in die einzelnen Schiffsbereiche hat David Roy einen durchgehenden Kabelkanal in den Rumpf eingeschweißt. Kabel und Rohre laufen darin gut geschützt bis unmittelbar zum Verbraucher und können jederzeit ergänzt oder ersetzt werden.
Außergewöhnliches und relativ schweres Tourenboot aus Frankreich, komplett aus Aluminum gebaut. Die Besonderheit ist der Scow-Bug. Vom zusätzlichen Volumen vorn profitiert in erster Linie das Wohnangebot.
Einschalige Aluminium-Konstruktion. Rumpf als Rundspant geschweißt. Kiel und Ruder ebenfalls aus Aluminium
AFEP Marine Evolution; 17000 La Rochelle (Frankreich); www.afep-marine.com