Man könnte denken, dass es sich die Entwickler bei Beneteau recht leicht gemacht haben. Man nimmt den bereits vorhandenen und schnellen Rumpf der First 53, konstruiert darauf ein neues Deck sowie ein kleineres Rigg und betreibt dezente Gestaltungspflege beim Innenausbau – und schon scheint die Metamorphose vom leistungsstarken Performance-Cruiser zum luxuriösen Blauwasserschiff Oceanis Yacht 54 vollzogen.
Wirklich so einfach? Wohl eher nicht – ganz im Gegenteil. „Es wäre vielleicht weniger kompliziert und weniger aufwändig gewesen, gleich von Anfang an ein komplett neues Schiff zu konstruieren“, meint Damien Jacob, Segelboot-Produktmanager beim Branchenführer. Vielmehr entspricht es letztlich einem ziemlich mutigen und ambitionierten Plan der Franzosen, einen dynamischen und sportlich orientierten Fast-Cruiser mal so eben zum komfortablen Fahrtenschiff umzubauen. „So etwas in der Form und Größe haben wir bis dahin noch nicht gemacht, das Projekt ist auch für uns eine Premiere“, hieß es bei der Vorstellung 2020.
Mit der First 53 beabsichtigte der Marktführer Beneteau, sein sportliches Programm auch im großen Format wieder zu aktivieren. Die schnelle Konstruktion stammt aus dem Büro des Italieners Roberto Biscontini, mit Schützenhilfe von Landsmann Lorenzo Argento, welcher für den Strich und das generelle Styling verantwortlich zeichnet.
Eine offenbar fruchtbare Kooperation: Die First 53 überzeugt mit exzellenten und leistungsstarken Segeleigenschaften, aber auch mit ihrer aufregenden Optik. Alles zum Schiff im YACHT-Test finden sie hier.
Für den Umbau zum Blauwasserschiff Oceanis Yacht 54 hat die Werft in Frankreich dem Boot ein neues Deck mit einem etwas höheren Kajütaufbau sowie ein umgestaltetes Cockpitlayout spendiert. Die Kiele in zwei Varianten sind weniger tief, kommen aber immer noch in T-Form. Und auch das Standard-Rigg als Rollmast ist zwei Meter kürzer und trägt weniger Segelfläche. Eine Art „abgespeckte Version“ nennt Damien Jacob das Schiff im Vergleich zu seinem Pendant aus dem First-Programm.
Das Duo Biscontini/Argento hat dafür die eigenen Pläne nochmals komplett überarbeitet. Anders als die übrigen, vergleichsweise eher radikal anmutenden Konstruktionen im damaligen Fahrtenprogramm von Beneteau zeigt der Rumpf der Oceanis Yacht 54 keine Kimmkanten. Vielmehr prägen strakende, harmonische Linien die Optik. So setzt sich der Entwurf der Italiener von vielen ihrer französischen Branchenkollegen schon mal deutlich ab. Prägend bleibt aber trotzdem das mächtige, breite Heck mit dem runden Spant, was doppelte Ruderblätter zwingend erforderlich macht.
Für den damaligen Testschlag mit der Neuen präsentiert sich das Wetter vor Gruissan an der französischen Mittelmeerküste zwar nicht gerade prickelnd schön, dafür sind die Segelbedingungen perfekt: konstant 14 Knoten Wind mit wenig Böen und Drehern, dazu ein leichter Schwell mit einer Wellenhöhe von rund 1,5 Metern – besser geht es kaum. Die Oceanis Yacht 54 fühlt sich dabei wohl. Das Testboot, ausgestattet mit Standard-Rollmast und einer überlappenden Genua anstelle der Selbstwendefock, arbeitet sich unter Vollzeug leicht und locker gegen Wind und Welle. 7,3 Knoten erreicht die Französin an der Kreuz bei einem Wendewinkel von 90 Grad.
Das sind ordentliche Leistungsdaten für ein ausgewiesenes Tourenschiff von 16,6 Tonnen Gewicht und ohne dezidierte sportliche Ambitionen. Für die Raumwindstrecke ist ein rollbarer Code Zero angeschlagen. Damit zeigt sich die Oceanis Yacht 54 temperamentvoll. Die Logge schnellt schon mal in den zweistelligen Bereich. Das Steuern macht Freude, weil das Schiff sofort und lebendig reagiert und der Rudergänger stets nach Druck lenken kann. Die hochwertige Anlage von Jefa ist dafür sehr direkt eingestellt, wohl auf der Basis der Erfahrungen mit der First 53, bei welcher dieselbe Steuerung verbaut ist.
Die Fallen sowie sämtliche Schoten und Trimmleinen werden vom Mastfuß unter dem Kajütaufbau hindurch und innerhalb des Cockpitsülls nach achtern umgelenkt. Sie treten erst kurz vor dem Steuerbereich wieder an Deck. Beidseitig stehen dafür zwei große Winschen zur Verfügung, die vom Steuermann gut bedient werden können.
Wie bei der First 53 ist auch auf der Oceanis Yacht 54 das Laufdeck nach achtern bis auf das Niveau vom Cockpitboden abgestuft. Wer also vom Cockpit auf das Vordeck will, kann achtern übergangslos um die Steuerbereiche durchgehen und kommt auch ohne umständliche Kletterpartie ans Ziel. Im hinteren Teil vom Laufdeck bewegt man sich so in einer Art Kanal zwischen dem eingezogenen Cockpitsüll und dem hohen Schanzkleid. Bei Wind und Welle verleiht das Sicherheit. Und obendrein befindet sich die Reling als Handlauf auf einer günstigen Höhe von 90 Zentimetern über der Lauffläche. Zudem bietet das innovative Layout gute Arbeitspositionen für den Umgang mit Leinen und Winschen von außerhalb des Cockpits. Dieses sogenannte Walkaround-Konzept hat schon Jeanneau für seine jüngsten Schiffe der Sun-Odyssey-Serie in ähnlicher Form erfolgreich umgesetzt.
Im Standard wird die Oceanis Yacht 54 mit einem wuchtigen Targabügel über der Plicht ausgestattet. Der solide ausgeführte GFK-Bogen verbannt die Großschot aus dem Cockpit und bietet zudem Vorteile beim Segeltrimm, weil der Baum mit weniger Schotzug mehr zur Mitte gezogen werden kann. Beim Testschiff dient der Targabügel überdies als Basis zum Anschlagen der mächtigen Sprayhood sowie eines halbfesten Biminis, welches den ganzen Cockpitbereich schützend überspannt. Das Sonnendach schränkt aber auch die Sicht vom Steuerstand in die Segel erheblich ein – ein Kompromiss eben.
Im Heck ist eine Dingi-Garage als komplett abgeschottetes GFK-Formteil eingebaut. Hier kann ein kleiner Schlaucher (bis 2,40 Meter) längs gestaut werden, ohne dass die Luft abgelassen werden müsste. Wer ohne Beiboot unterwegs ist, kann die Lazarette auch als Stauraum nutzen für größere Dinge, die nicht zwingend trocken bleiben müssen. Zwar sind Dichtungen zwischen der großen Badeplattform und dem Heck angebracht, trotzdem können Wellen hier auch mal Wasser reindrücken.
Die beiden Backskisten im Cockpit fallen eher klein aus. Für Segel wie Gennaker oder Code Zero, für zusätzliche Polsterungen oder die Fender ist dafür im Bug eine sehr geräumige Last vorgesehen, welche sogar begehbar ist. Optional, wie beim Testschiff, kann die Vorpiek als Kabine für den Skipper mit eigener Toilette und Waschgelegenheit ausgebaut werden. In dem Fall würde es betreffend der Stauräume an Deck allerdings ziemlich knapp werden.
Das Ausbaukonzept der Oceanis Yacht 54 hinterlässt Fragen. Wie auch die First 53 ist das Schiff nämlich ohne Ausnahme nur mit drei Doppelkabinen erhältlich. Beneteau zielt damit ausschließlich auf den Markt für private Eigner ab. Dies erstaunt umso mehr, weil mögliche Vergleichsyachten derselben Rumpflänge Ausbauvarianten mit drei, vier, fünf oder sogar sechs Doppelkabinen bieten. Beneteau-Manager Damien Jacob erklärt, dass man sich bei diesem Projekt nicht an der Konkurrenz aus den großen Bauserien orientiert, sondern ein eigenständiges, individuelles und auch gehobenes Angebot für Eigner präsentieren will. Für Anfragen vonseiten des Chartermarkts verweist Beneteau vielmehr auf seine Tourenreihe Oceanis. Das größte Boot der Reihe, die 51.1 (Test hier), bleibt einen Meter kürzer als die Oceanis Yacht 54, ist aber in Ausbauversionen mit bis fünf Kabinen plus Skipperkammer zu bekommen und damit auch für die Charterbranche sehr interessant.
Die einzige Ausbaualternative für die Oceanis Yacht 54 kommt in Form eines zusätzlichen, dritten Toilettenraums achtern. Wer dies wünscht, muss Abstriche beim Platzangebot in der sonst sehr geräumigen Achterkabine sowie Einschränkungen bei den Arbeitsflächen und den Stauräumen in der Pantry in Kauf nehmen.
Im Vorschiff gefällt das große Inselbett mit einer üppigen Breite auf Schulterhöhe von 1,60 Metern. Der Eignerbereich dort verfügt gleich über zwei Nasszellen. Die geräumige Dusche ist vom Toilettenraum inklusive Waschbecken und WC getrennt. Überdies mangelt es vorn nicht an Stauräumen und an Möglichkeiten zur Lüftung. Auch die Kabinen achtern bietet einen hohen Standard bezüglich der Wohnlichkeit. Die Doppelbetten sind über die ganze Länge von mehr als zwei Metern quadratisch und durchgehend 1,40 Meter breit.
Beim Nahezu-Schwesterschiff First 53 hat Beneteau auf der Backbordseite des Salons eine Dinette eingerichtet, an der vier bis sechs Personen bequem speisen können. Das Sofa in L-Form auf der Gegenseite bleibt derweil mit einem kleinen Kaffeetischchen der Entspannung vorbehalten – ein ungewöhnliches, aber interessantes Layout. Auf der tourenorientierten Oceanis Yacht 54 bleibt die Aufteilung konventioneller, mit einer Sitzgruppe in U-Form um einen großen Esstisch, welcher für den Umbau als zusätzliche Doppelkoje abgesenkt werden kann. Anstelle der Dinette wird der Neuen eine vollwertige Navigation mit funktionaler Einteilung vorn am Hauptschott eingebaut. Diesen Bereich hat die Werft mit einer Art Chaiselongue kombiniert. Die komfortable Liege eignet sich zum Lesen oder zur schnellen Erholung auf langen Schlägen.
Auffällig ist beim Segeln die Ruhe im Wohnbereich. Die Geräusche vom Wellenschlag an den Rumpf oder von der Arbeit an den Segeln in den Manövern sind kaum wahrnehmbar. Beneteau baut das Deck und den Rumpf als GFK-Sandwichkonstruktionen im Vakuum-Infusionsverfahren mit einem 25 Millimeter starken Kern aus Balsaholz. Diese Bauweise sorgt für eine vorzügliche Dämmung, thermisch sowie besonders auch akustisch.
Mit einem Basispreis von beinah 690.000 Euro ist die Oceanis Yacht 54 doch ein gutes Stück teurer als die ähnlich großen Yachten aus den Produktionen der Haupt-Wettbewerber Bavaria, Dufour, Hanse oder Jeanneau. Der Mehrpreis lässt sich mit der guten und umfangreichen Deckausstattung, der aufwändigen Bauweise sowie mit dem hohen Ausbaustandard auf einem überdurchschnittlichen Qualitätsniveau begründen. Dazu kommen zahlreiche Gadgets, welche Beneteau bereits im Standard ab Werft mitliefert. Zum Beispiel das innovative System „Ship Control“, über das sich sämtliche aktuellen Bootsdaten sowie weite Teile der Schiffstechnik steuern und abrufen lassen, sogar über das Smartphone.
Einen ausgewiesenen Performance-Cruiser als Variante auch auf die Ansprüche von Fahrtenseglern umzurüsten ist ein gleichermaßen mutiges wie spannendes Unterfangen. Einfacher wäre es wohl, den Weg in umgekehrter Richtung zu gehen. Mit der Oceanis Yacht 54 kommt jetzt ein Schiff auf den Markt, das mit seinem eigenständigen Konzept trumpfen und sich vom Massenmarkt deutlich abheben kann. Ein guter Plan in guter Umsetzung – alle Achtung!
GFK-Sandwichkonstruktion mit Kern aus Balsaholz, gebaut mit Vakuum-Infusion. Bodengruppe mit Rumpf verklebt
Beneteau, Saint-Gilles-Croix de-Vie (FRA); www.beneteau.com
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Attraktives Fahrtenschiff auf der Basis des Fast-Cruisers First 53, mit neuem Cockpitlayout und reduziertem Segelplan. Das Konzept zielt auf private Eigner und bietet viele Optionen. Im Vergleich gehobener Preis
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 23/2020 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.