“Nyala”Individuelle Ketsch nach S&S-Plänen hat Traumyachtpotenzial

Alexander Worms

 · 03.08.2025

Mächtig und grazil zugleich: Am Wind fühlt sich die 21-Tonnen-Yacht so richtig wohl.
Foto: YACHT/Bertel Kolthof
Der Eigner sieht den Langkieler „Impala“ und weiß: Das ist meine Traumyacht! Da nicht zu kaufen, besorgt er die Pläne bei Sparkman & Stephens und lässt seinen Wunsch wahr werden. Die Ketsch heißt „Nyala“.

Dunkle Wolken zeigen sich am Horizont. Von Südosten zieht eine Gewitterzelle auf. Das niederländische Pendant zum DWD verkündet Code Orange – die zweithöchste Warnstufe. Alle Boote verziehen sich in nahe Häfen wie Enkhuizen. Fast alle.

Die „Nyala“ aber zieht unbeirrt ihre Bahnen. Die ersten Böen kommen, und für einen Moment lässt sich das Potenzial des Schiffs erahnen. Doch Werftchef Hans-Peter Baars drängt letztlich ebenfalls auf Umkehr in den sicheren Hafen. Schließlich ist das Schiff noch nicht an den Eigner übergeben, da will er kein Risiko eingehen.


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Verständlich, denn er hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren fast Tag und Nacht Gedanken um diese Augenweide gemacht. Hat Lösungen überlegt, Projektpartner gesucht, abgestimmt, immer wieder mit dem Eigner Rücksprache gehalten und nicht zuletzt seinen Mitarbeitern ein nahezu ideales Arbeitsumfeld geschaffen, damit sie das Design von Sparkman & Stephens bestmöglich in die Schönheit verwandeln, die nun vor dem Gewitter flüchten muss.

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Unverkäufliche ”Impala” zum Traumboot erkoren

Es donnert. Und kaum ist die „Nyala“ sicher vertäut und die Crew ins Hafenrestaurant gegangen, bricht die Apokalypse los: eimerweise Regen, Windstöße und ein nachtdunkler Himmel. Kaum 20 Minuten später ist der Spuk vorbei, das Gewitter abgezogen. Das Gute daran: Der Wind ist geblieben.

Während die 56-Fuß-Ketsch am Vormittag schon bei gerade mal 3 Beaufort rund viereinhalb Knoten am Wind und in besagten Böen auch mehr auf die Logge zauberte, sind es bei knappen 5 Beaufort nun auch mal acht Seemeilen in der Stunde. Keine Frage: Mister Stephens konnte solcherlei Boote – für Ozeanreisen gebaut, meist als Ketsch und der Zeit entsprechend als Langkieler. Die legendäre „Stormy Weather“ oder auch die noch berühmtere „Dorade“ war so eine. Und die „Impala“.

Diese wurde 1954 bei Abeking & Rasmussen gebaut und gehört seit den achtziger Jahren Alfie Sanford, dem Inhaber von Sanford Boat, sozusagen einem der Gralshüter der Yachtszene Neuenglands. Der wiederum fährt am liebsten mit seiner „Impala“ im Mittelmeer. Und genau dort sieht der heutige Eigner der „Nyala“, ein Niederländer mit viel Segelerfahrung, die Ketsch zum ersten Mal und ist sich sicher: Das ist mein Traumboot, die Krönung seiner Eignerkarriere. Doch er beißt auf Holz: Sanford denkt gar nicht daran, sein Schiff zu verkaufen. Denn auch er ist sich sicher: Auf der „Impala“ möchte er irgendwann über das Meer der Unendlichkeit segeln.

Für Bootsbauer ein ideales Projekt

Was also tun? Die feinen Linien der Yacht haben es dem Niederländer angetan. Dann muss es eben ein Neubau werden. Die Pläne werden von S & S gekauft und vom Schiffbauinge­nieur Arend Lambrechtsen aus Sneek digitalisiert sowie für moderne Anforderungen und Bauweisen angepasst. Auch eine Werft ist schnell gefunden. Ventis Scheepstimmerwerk in Enkhuizen soll es sein, denn sie haben zwar noch keine Erfahrung mit kompletten Neubauten, sehr wohl aber mit Totalrefits und anderen nautischen Großprojekten im Bereich klassischer Yachten.

Zudem befindet sich mit VMG Yachtbuilders ein renommierter Komposit-Betrieb in direkter Nähe zur Werft. Das ist entscheidend, denn die „Nyala“ erhält einen Wood­core-Rumpf. Will sagen: in der Mitte Holz, innen und außen Harz und Matten. Die bestehen aus einer Glas-Aramid-Mischung für extreme Beständigkeit gegen Zusammen­stöße. Selbstverständlich kommt nur das hochwertige Epoxidharz zum Einsatz.

Den Kern bilden Leisten aus Yellow Cedar, die über einem Hilfsmallengerüst und den Schotten mit Harz und Edelstahlstiften in Form gebracht werden. So entsteht ein steifer Rumpf, der zudem sehr beständig gegen Wasser ist. „Das ist für einen Bootsbauer ein ideales Projekt“, erklärt Baars. „Der Eigner wollte einfach die beste Lösung an jeder Stelle, da ging es nicht so sehr ums Geld. Vielmehr zeigt sich die Erfahrung aus vielen Jahren mit eigenen Yachten. So konnten wir sehr kompromisslos bauen“, freut sich der Chef weiter.

”Nyala” ist für Ozeanreisen gebaut

Genauso kompromisslos hatte Stephens seinerzeit gezeichnet. Die Drücker bereiten der 21-Tonnen-Ketsch keine Probleme. Durch die moderne Bauweise, die ohne aufwändiges Spantengerüst auskommt, ist der Rumpf rund eine Tonne leichter als das Original. Um die Schwimmwasserlinie und damit den ganzen Linienplan nicht zu ver­ändern, wurde der Kiel entsprechend schwerer, was für zusätzliche Stabilität sorgt. Ein leichtes Überholen, dann fährt sie los. Ohne dabei am Wind den Steuermann je zu über­fordern – zwei Finger am Rad sind genug, die Balance stimmt.

Der Rumpf legt sich in seine Welle, das Wasser fließt an den Rundungen entlang, als sei genau das seine schon ewig erwartete Aufgabe. Diese Grandezza, diese Selbstverständ­lichkeit und Souveränität strahlen nur Langkieler aus. Der Gedanke an ausgedehnte Ozeanpassagen mit dem Schiff, der Wunsch, diese an Bord der „Nyala“ zu absolvieren, will nicht mehr aus dem Kopf, schon nach nur wenigen Meilen auf dem IJsselmeer. Der Entwurf fasziniert.

Das scheint der Eigner damals in den Linien der „Impala“ gesehen zu haben. „Er hat eine Menge Erfahrung auf See. Das ist so einer, der freitags sagt: ‚Ich bin dann mal nach Bergen zum Fischessen. Dienstag komme ich zurück.‘ Und dann fährt der wirklich nach Norwegen“, berichtet Baars. Daher, und wegen einer geplanten Weltumsegelung, also der Wunsch nach einem sehr seetauglichen Schiff. Und der wurde in großer Konsequenz umgesetzt.

Die Masten bestehen aus Alu. Um ein Haar hätte das dazu geführt, dass Ventis den Auftrag ablehnte. Denn zum Betrieb gehört auch Brasker Masten, ein Hersteller von exquisiten Rundhölzern für Yachten und Frachtsegler. „Holz wäre nicht mal schwerer gewesen. Ich habe sogar angeboten, dass wir einen Lackierer immer dorthin schicken, wo die Masten auf der geplanten Weltreise Pflege benötigen. Letztlich ist es doch Alu geworden. Das ist zwar schade, aber der Kunde hat natürlich das letzte Wort“, so Baars.

Anpassung der “Nyala” an moderne Gesichtspunkte

In anderen Punkten ist es jedoch den Werft­leuten gelungen, den Eigner von Anpassungen zu überzeugen, ein Bugstrahl­ruder etwa oder zwei elektrische Winschen im Cockpit. Am Mast, wo die Fallen gefahren werden, war das jedoch nicht durchsetzbar, „so einfach wie möglich“, sei das Credo gewesen. Und das, obwohl das Schiff künftig zu zweit von Menschen gefahren wird, die nicht mehr die jüngsten sind.

„Darum haben wir auch hier und dort Handläufe montiert“, grinst Bars. Alfie Sanford ist über 80 und segelt seine „Impala“ ebenfalls mit kleiner Crew. Sie sei so gut­mütig, dass kaum ein anderes Schiff altersgerechter sein könne, so der Eigner.

Eine Sache allerdings steht der ge­ri­a­trischen Vorbereitung, wie Baars es nennt, entgegen: Der Eigner hat unter Deck kaum Stehhöhe. Nur in seiner Achterkammer kann er sich gänzlich aufrichten, sonst heißt es, eine leicht devote Haltung einzunehmen. „Natürlich hätten wir die Stehhöhe hinbekommen. Da die Linien außen aber unangetastet bleiben mussten, hätten wir die Tanks unter dem Salonboden kleiner machen müssen, um den Boden tiefer zu legen und so mehr Höhe zu erhalten. Das wollte der Eigner aber nicht“, erklärt Baars.

Abgesehen vom Thema Innenraumhöhe hat man sich im Bauprozess eine Menge Gedanken zur Ergonomie gemacht, „Trockensegeln“ nennt der Werftchef das. Der Eigner musste mit seiner Crew antreten, und es wurden auf dem im Bau befindlichen Schiff Manöver simuliert: Schotwinkel, Platzierung der Winschen, Größe des Steuers, das Cockpit an sich. Baars: „So ist die Plicht gegenüber dem Gangbord tiefergelegt worden, das bietet mehr Schutz. Beim Original ist das nicht so, da ist alles auf der gleichen Ebene, mit einem Süllrand drumherum.“

Versteckte Edelstahlarbeiten für Flexibilität

Überhaupt das Cockpit: Die Lukendeckel schließen auf ein Edelstahlgerüst. Denn genau dort würden Holzschiffe zuerst anfangen zu verrotten, wegen des stehenden Wassers in den Zwischenräumen und Entwässerungsrinnen. Die sind aber auf der „Nyala“ aus feinem Stahl gefertigt und halten für die Ewigkeit. Um während des Baus Zeit zu sparen, wurden Gerüst und Deckel zugleich an verschiedenen Orten in verschiedenen niederländischen Betrieben gefertigt.

„Das geht nur, wenn das Schiff komplett in CAD vorgeplant ist. Da hat Arend Lambrechtsen einen super Job gemacht. Alles passte“, freut sich Baars – und erzählt von der wichtigen Hochzeit von Rumpf und Kiel. Beim ersten Anlauf kamen Bolzen und Löcher perfekt zusammen. Dafür sei man allerdings mehrfach bei den Bleigießern vorstellig geworden, um die erforderliche Genauigkeit zu gewährleisten.

Ein weiteres Schmankerl sind die versteckten Edelstahlarbeiten. So lässt sich der Salontisch in mehreren Positionen auf die jeweilige Lage einstellen. Und auch sonst ist dieses Gewerk getrost als makellos zu bezeichnen. „Wir arbeiten da mit einem kleinen Betrieb aus Friesland zusammen. Die haben ganz viel Ahnung von Booten und denken auch mit. Das macht einfach Spaß“, so Baars. Überhaupt könne man solch ein Projekt nicht allein stemmen, ein gutes Netzwerk von Fachleuten sei unverzichtbar.

Diese Fachmannschaft findet sich auch unter Deck wieder. Auffällig: Der Niedergang ist nicht mittig, sondern führt an Steuerbord am kleinen Aufbau vorbei hinunter. Dadurch hat Stephens seinerzeit eine große ungeteilte Eignerkabine achtern ermöglicht.

Durchdachte Details für Seegängigkeit

Unten angekommen, wartet direkt im Anschluss der große Navitisch auf Nutzung. Nahe am Niedergang gelegen, kann von ihm aus direkt kommuniziert werden. Über der großen Arbeitsfläche ein weiteres Beispiel für gutes Fachwerk: Die Schalttafel ist eine Einzelanfertigung, die sich nahtlos ins Erscheinungsbild der Yacht einfügt. Edelstahlknöpfe, die schwer klicken, wenn sie schalten, und eine Grundplatte mit eingefrästen Schalterfunktionen machen Eindruck.

Gegenüber ist die Nasszelle, das spart auf See lange Wege durchs Schiff. Ebenfalls der guten Kommunikation dienlich ist das Bullauge von der Eignerkabine ins Cockpit: Wird die Freiwache an Deck benötigt, genügt ein Ruf durchs Fenster. Durch die Aufteilung der Koje in zwei Teile kann auf jedem Bug in Lee geschlafen werden. Das kleine Sofa ist nicht nur ungemein bequem, es liegt in Schiffsmitte und erleichtert so das Ankleiden auf See.

Nach vorn schließt der urgemütliche Salon an. Überall Holzdetails, an denen der Liebhaber solcher Arbeit sich auch nach Jahren nicht sattsehen wird. Massivholz und perfekte Übergänge allerorten, ein Traum für Ästheten. Und: Lotsenkojen. Die wollen die Breite des Schiffs nutzen. Ob dort jemals jemand schlafen wird, ist indes ungewiss – sonderlich ausladend sind sie nicht. Egal.

Ungewöhnlich: Noch vor dem Salon schließt die Pantry an. Dort, im Zentrum der Schiffsbewegungen, lässt es sich gut kochen. Zunächst fragt man sich, ob der Mast nicht im Wege steht. Tatsächlich jedoch dient er als ideale Stütze beim Kochen, egal auf welchem Bug. Der Eigner hat zudem großen Wert gelegt auf enorme Kühlkapazitäten, da sein Ziel auch wärmere Gefilde sind. Im Vorschiff schließt eine Kammer mit Nass­zelle an. Hier ist die Koje an Backbord seitlich versetzt, das sorgt für Schrankraum an Steuerbord.

“Nyala” ist echte Type

Rund 1,7 Millionen Euro kostet so ein Neubau. Für die Fahrt um die Welt könnte man da auch Exquisites aus der Serie oder ähnlich Großes aus Aluminium kaufen. Doch allein der Gedanke ist ein Sakrileg. Der Eigner hat sich nun mal in die Linien verliebt, was zählt da die Vernunft? Und so unvernünftig ist die „Nyala“ nicht einmal. Die moderne Bauweise und penibel ausgeführte Oberflächen mit modernen Zweikomponenten-Lacken garantieren einige Jahre Pflegefreiheit.

Zudem hat der Eigner den Verlockungen von zu viel Technik widerstanden. Nur das Nötigste, dafür ein geteilter Segelplan, der so gerade noch hantierbar ist, auch mit kleiner Crew; und eben ein Entwurf, der für gut­mütiges Seeverhalten steht. Okay, die Stehhöhe fehlt, aber sind es nicht genau solche Entbehrungen, solche Makel, die die Liebe nur noch stärker werden lassen? Die den Charakter eines Schiffs ausmachen, es zu einer echten Type werden lassen? Natürlich polarisiert das – Lieben oder nicht. Im Falle der „Nyala“ werden wohl viele Menschen eher Ersteres empfinden, wenngleich das Anschauen noch eine ganz andere Sache als das Habenwollen ist.

Der Eigner wollte genau dieses Schiff. Und das ist sehr verständlich, denn: Im Preis inbegriffen ist auch etwas Unbezahlbares. Ein Gefühl, das Gefühl – das Traumyacht­gefühl. Bei dem jeder Blick, jeder Winkel, aus dem man sein Schiff betrachtet, einfach perfekt ist, und das gepaart mit makelloser Verarbeitung und guten Segeleigenschaften. Die Gewissheit, angekommen zu sein, auf dem ultimativen Schiff der eigenen Träume.

Technische Daten der “Nyala”

 | Illustration: Werft | Illustration: Werft
  • Design: Sparkman & Stephens
  • Konstrukteur: Arend Lambrechtsen
  • Rumpflänge: 17,27 m
  • LWL: 12,20 m
  • Breite: 3,81 m
  • Tiefgang: 2,30 m
  • Gewicht: 22 t
  • Segelfläche am Wind: 126 m²

Der Artikel erschien zum ersten Mal 2018 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.

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