Nautor SwanWas die Schwäne von Sparkman & Stephens besonders macht

Fabian Boerger

 · 12.12.2025

Seglers Liebling: S&S-Swans gelten  als besonders seegängig und robust.
Foto: Fabian Boerger
Nautor Swan genießt seit je einen exzellenten Ruf. Ein Grund: die Entwürfe von Sparkman & Stephens. Noch immer schwört eine treue Gemeinde auf die Boote. Eine Spurensuche.

S​chwäne sind in Finnland etwas Besonderes. Sie gelten als heilig und werden auf Münzen geprägt, in Stein gemeißelt und auf Briefmarken gedruckt. Die großen, weißen Vögel mit ihren eleganten Hälsen und gelben Schnäbeln symbolisieren Eleganz, Reinheit und Unsterblichkeit. Der Ursprung dafür liegt in der finnischen Mythologie: Ein Schwan bewachte einer Legende zufolge den Übergang zur Unterwelt. Der Held Lemminkäinen sollte ihn töten, um die Tochter der Göttin Louhi zu heiraten. Doch er starb bei dem Versuch, nur die Liebe seiner Mutter holte ihn zurück ins Leben. Der Schwan aber blieb unversehrt – daher seine Symbolkraft.

Diese machten sich Künstler, Dichter und Denker des Landes zu eigen. Und 1966 auch ein findiger Unternehmer namens Pekka Koskenkylä. Im Norden, in Pietarsaari, gründete er eine Werft für besondere Schwäne: Nautor’s Swans.

Sparkman & Stephens hat Nautor große gemacht

Die Boote haben Kultstatus. Vor allem jene, die zwischen 1967 und 1979 vom New Yorker Konstruktionsbüro Sparkman & Stephens (S&S) gezeichnet wurden. Sie haben die Werft groß gemacht und nehmen, wie der Schwan im finnischen Nationalepos, eine besondere Rolle in der Geschichte des Segelns ein. Wie zum Beispiel die „Sayula II“, die erste Swan 65 der Werft. Mit ihr gewann der mexikanische Millionär Ramón Carlin 1973/74 mit einer Amateur-Crew völlig überraschend das erste Whitbread Round the World Race. Es war das damals prestigeträchtigste Rennen der Welt, später bekannt als Volvo Ocean Race. Eine Sensation.

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Ein anderes Beispiel ist die „Casse-­Tête II“. Die Swan 36 schrieb 1968 bei der Cowes Week Geschichte. Von sieben Rennen gewann sie sieben. Es war ein perfektes, bis dahin beispielloses Ergebnis. 1979 die nächste Bewährungs­probe: das legendäre Fastnet Race. Ein schwerer Sturm überraschte die Flotte. Von 303 gestarteten Booten erreichten nur 85 das Ziel, 15 Segler starben, 24 Boote sanken. Mehrere Swans waren mit dabei; sie trotzten den extremen Bedingungen.

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Es sind diese Geschichten, die den Ruf der S&S-Swans festigen – als nicht nur elegante, sondern auch leistungsstarke und unverwüstliche Boote. Wie der Schwan aus der finnischen Legende. Kein Wunder, dass auch nach fast 60 Jahren kaum ein schlechtes Wort über die Boote fällt. Die Faszination ist ungebrochen. Doch woher rührt sie, was ist das Geheimnis des skandinavischen Klassikers?

Boote von hervorragender Bauqualität

Die Spurensuche beginnt Ende September in der Flensburger Förde. Seit 15 Jahren treffen sich hier Liebhaber betagter Swans zum Baltic Rendezvous. Was einst als zufälliges Treffen zweier Schwesterschiffe begann, ist längst ein alljährliches Wiedersehen unter Freunden. Statt Clubblazer und Cocktailkleid gibt es Grillwürstchen und selbst gebackenen Kuchen. Es wird über Erfahrungen und Probleme diskutiert. Man geht von einem Boot zum nächsten, begutachtet neue Schaltpaneele oder penibel gesäuberte Bilgen oder berichtet vom Törn in den Bottnischen Meerbusen.

„Alle teilen die Begeisterung für diese tollen Schiffe“, sagt Michael Seiler. Er ist Initiator des Baltic Rendezvous und das Bindeglied der kleinen Swan-Gemeinde in der Ostsee. „Gleichzeitig hat man die gleichen Sorgen, wenn doch mal was ist“, sagt er. Anfangs kamen ausschließlich 38-Fuß-Swans. Mittlerweile hat sich der Kreis erweitert. Neben zwei 38ern sind in diesem Jahr eine 40er und eine Swan 47 mit dabei. Weniger als sonst, doch dafür ist ein neues Eignerpaar vorbeigekommen. Ihr Boot steht noch an Land, also reisten sie mit dem Auto an. Neue Teilnehmer seien stets willkommen, sagt Seiler – allerdings unter einer Bedingung: Ihre Swans müssen von Sparkman & Stephens entworfen worden sein.


​Die goldene Ära der S&S-Schwäne

Ab 1967 wurden von Sparkman & Stephens gezeichnete Swans über zwei Jahrzehnte lang gebaut. 821 Yachten waren es insgesamt. Die letzte verließ 1989 die finnische Werft. Die Grafik zeigt die Boots­typen, Stückzahlen und Produktionszeiträume. Quelle: "Sparkman & Stephens Swan: A Legend", Matteo SalamonFoto: YACHTAb 1967 wurden von Sparkman & Stephens gezeichnete Swans über zwei Jahrzehnte lang gebaut. 821 Yachten waren es insgesamt. Die letzte verließ 1989 die finnische Werft. Die Grafik zeigt die Boots­typen, Stückzahlen und Produktionszeiträume. Quelle: "Sparkman & Stephens Swan: A Legend", Matteo Salamon

Doch was macht die Kombination so besonders? „Die Boote sind sehr seetüchtig und quasi unkaputtbar“, sagt Seiler. Ein Grund: das überdurchschnittlich dicke Laminat. Es ist ein Relikt aus den Anfängen des GFK-Baus. „In den 60er-Jahren hatte man mit dem Baustoff noch kaum Erfahrung. Deshalb hat man dicker laminiert, als man es heute tun würde“, sagt er.

„Boote von hervorragender Bauqualität“, meint Werner Schliecker. Er ist Eigner der Swan 40. „Es wurde immer ins oberste Regal gegriffen. Die Kosten spielten keine Rolle.“ Und auch für Achim Greiner ist das Rendezvous ein fester Termin im Segelkalender. Jedes Jahr kommt er aus Travemünde in die Flensburger Förde. Wind und Wetter halten ihn nicht ab – auch nicht sieben Beaufort, wie diesmal. Seine „Limaremca“, eine Swan 47 von 1979, mache das mit, sagt Greiner. Er schätzt die exzellenten Segeleigenschaften und das Robuste, das die Boote verkörpern.

Klassische S&S Swans – und die IOR-Formel

Zustimmung kommt von Michael Seiler: „Jede Kreuz ist eine Freude. Das sind keine Schiffe für den Hafen. Das sind Schiffe zum Segeln.“ Noch heute gelten sie als schnell, obwohl ihre Vermessung aus einer vergangenen Ära stammt. Bauchige Rümpfe, lange Überhänge, schlank auslaufende Hecks. Es sind die Erben der IOR-Vermessungsformel. Das Prinzip dahinter: Im aufrechten Zustand haben die Boote eine kurze Wasserlinie. Legen sie sich auf die Seite, verlängert sich diese durch die Wölbung, die nun ins Wasser taucht – infolgedessen steigt die Rumpfgeschwindigkeit.

Dazu kommen eine moderate Verdrängung, ein hoher Ballastanteil und ein großzügiger Segelplan. Zudem ist das Deckslayout funktional gestaltet: Auffällig sind die vielen Winschen an Deck. Die Fallen werden, wie früher üblich, am Mast bedient.​


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Von diesen Merkmalen klassischer S&S-Swans haben sich die moderneren Modelle mittlerweile sowohl technisch als auch optisch weit entfernt. Der IOR-Bauch ist verschwunden, die Hecks sind breit, die Steven negativ – die Ästhetik wirkt im Vergleich radikal. Auch die Bootslänge ist kontinuierlich gewachsen. Derzeit führt die Swan 131, dicht gefolgt vom neuen Aushängeschild, der Swan 128. In der Ära Sparkman & Stephens war bei 76 Fuß Schluss. Was wiederum die Jahre überdauerte, ist der spitze Pfeil am Bug – die klassische Ziergöhl. Sie ist zum unverwechselbaren Markenzeichen geworden

Beim Baltic Rendezvous fällt kaum ein Wort über die neue Linienführung. Die Teilnehmer konzentrieren sich aufs Altbewährte. Fragt man Michael Seiler danach, kann er darin auch Positives sehen: Die Neuausrichtung der Werft rücke die klassischen S&S-Designs wieder in den Fokus, als eine Art Gegen­entwurf. „Sie waren der Kern der Werft“, sagt Seiler. „Damit ist sie groß geworden.“ Ein Blick auf die Anfänge macht das deutlich.

Suche nach einem passenden Design

Mitte der 60er-Jahre war der Norden Finnlands schwer zu erreichen und wirtschaftlich isoliert. Dort, in Pietarsaari, gründete der Papierfabrik-Vertreter Pekka Koskenkylä im September 1966 eine Werft. Kurz zuvor hatte er in seiner Freizeit ein elf Meter langes Holzboot gebaut, das ihm ein Bekannter abkaufte. Dieser Erfolg motivierte ihn zur Werftgründung – sie sollte den Namen Nautor’s Swan tragen.

„‚Nautor‘ klang für mich nautisch“, schreibt Koskenkylä in „Sparkman & Stephens Swan. A Legend“, dem Standardwerk über S&S-Swans, herausgegeben von Matteo Salamon. Der Name Swan sei ihm zufällig gekommen, sagt er. Ein Glücksfall. „Der Name transportiert die Werte, die das Unternehmen ausmachen: Eleganz, Stärke, Schönheit. Diese Konnotationen waren wichtig für den Erfolg.“

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Weil ihm Zeichnungen für seine Boote fehlten, fragte er im Yachtclub vor Ort, wer der beste Designer der Welt sei. Sparkman & Stephens, hieß es dort. Ein Brief an die New Yorker Adresse blieb unbeantwortet. Schließlich griff er zum Telefon und hatte Rod Stephens persönlich am Apparat. Der hatte ohnehin bald einen Termin in Finnland, und so verabredeten sie sich.

Robuste, widerstandsfähige Boote dank Akribie

Sparkman & Stephens war zu dieser Zeit bereits ein weltweit bekanntes Konstruktionsbüro. Die Brüder Olin und Roderick Stephens hatten es 1929 gemeinsam mit Drake Sparkman in New York gegründet und wurden mit America’s-Cup-Entwürfen wie dem der J-Class „Ranger“ (1937) berühmt.

Olin Stephens war das Design-Genie, der kreative Kopf am Zeichenbrett. Sparkman, ein weitsichtiger Bootsmakler, hatte ihn entdeckt und förderte das junge Talent. Doch Stephens war keineswegs nur Theoretiker: Er gewann prestigeträchtige Regatten wie das Transatlantikrennen 1931 und holte den America’s Cup 1937 und 1958.

Sein jüngerer Bruder Rod galt wiederum als der Praktiker. „Er war der Mann fürs Detail, dem nichts entging“, sagte Olin Stephens einmal in einem Interview. Zugleich habe er das seltene Talent gehabt, sich in allen Situationen schnell zurechtzufinden – als Segler und als Ingenieur. Rod Stephens’ Wissen sei essenziell für die Werft gewesen, schreibt Koskenkylä. Penibel habe er jedes Boot abgenommen, Mängel auf gelben Zetteln notiert und sie erst abgehakt, wenn sie behoben waren.

Lars Ström schildert diese Akribie im Swan-Standardwerk so: „Rod ließ sich bei seinen Inspektionen als Erstes in den Mast ziehen, um das Rigg zu überprüfen.“ Diese Präzision verschaffte den Swans ihren Ruf als robuste, widerstandsfähige Boote. Ström kennt die Werft von innen: Von 1973 bis 2005 war er als technischer Leiter in alle Produktionsphasen eingebunden. Gemeinsam mit Matteo Salamon arbeitete er die Geschichte und die technischen Details der S&S-Swans auf – dokumentiert im Swan-Standardwerk und auf der Internetseite der S&S Association.

Kunststoff soll es sein

Als Koskenkylä und Rod Stephens sich trafen, muss die Chemie auf Anhieb gestimmt haben. Obwohl Koskenkylä sowohl die Expertise als auch das Geld fehlte, bekam er die Zeichnungen für eine 36-Fuß-Slup. Es sollte die Grundlage für das erste Modell der Werft werden, die Swan 36.

Warum Stephens dem ambitionierten Finnen die Zeichnungen gab? Koskenkylä vermutet, dass er mit seinem Vorschlag, die Boote aus dem zu der Zeit neuartigen Kunststoff zu bauen, einen Nerv traf. Entscheidend war jedoch ein weiterer Punkt: Koskenkylä erfüllte eine zentrale Bedingung des Konstruktionsbüros. Noch bevor das erste Boot vom Stapel lief, musste er die ersten Exemplare verkauft haben. Das gelang ihm.


​Die S&S Association

Die Vereinigung bringt Besitzer klassischer, von Sparkman & Stephens gezeichneter Swans zusammen. Sie ermöglicht Mitgliedern freien Zugang zu einem umfangreichen Archiv. Zugleich ist sie ein Forum für Kauf, Pflege, Regatten und vieles mehr. Mehr Informationen: classicswan.org


Zurück in Pietarsaari suchte er umgehend geeignete Hallen und fähige Bootsbauer. Davon gab es viele. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts baut in der Region die Jakobstads Båtvarv Holzboote. Dazu zählt zum Beispiel die noch heute in Finnland populäre Hai-Bootsklasse. Mit Kunststoff hatten die Bootsbauer allerdings keine Erfahrung. Also musste sich die junge Werft die Expertise von außen einkaufen. Zusätzlich probierten sie vieles aus, experimentierten mit dem neuartigen, glasfaserverstärkten Kunststoff (GFK). Das war mühsam, hatte aber einen Vorteil: So konnten sie neue Wege gehen und waren nicht in starren Produktionsabläufen gefangen.

Ein weiterer prägender Umstand war die abgeschiedene Lage im Norden Finnlands. Sie zwang die Werft in weiten Teilen zur Autarkie. Fehlte eine Schraube oder ein Decksteil, hatte das umständliche Lieferwege zur Folge. Also fertigte man sie selbst, schreibt Koskenkylä. Als eines Tages ein Mast-­Lieferant in Schwierigkeiten geriet und die Auslieferung fertiger Boote zu verzögern drohte, beschloss die Werft kurzerhand, auch Masten selbst zu bauen. Bei den Propellern lief es ähnlich: Mehrere Kunden meldeten Probleme, die der Hersteller nicht lösen konnte. Also wurde der örtliche Schmied beauftragt, die Propeller zu fertigen – bis ein Kunde anbot, günstigere zu produzieren. Er gründete ein Unternehmen in Dänemark, das noch heute besteht: Gori.

Rolls-Royce der Meere

Beim Umgang mit dem Kunststoff half Ake Lindqvist, ein Vertreter des Lloyd’s-Schifffahrtsregisters in Finnland. Er hatte schon sein eigenes 43-Fuß-Boot aus Kunststoff gebaut und kannte als Lloyd’s-Mann die Materialeigenschaften zur Genüge. „Das war sehr nützlich, weil Lindqvist Wert auf Qualität und Robustheit legte. Dies brachte den Yachten den Ruf eines Rolls-Royce der Meere ein“, sagte Olin Stephens.

Dabei war Nautor nicht die einzige Werft, die Ende der 60er-Jahre auf GFK setzte. Verschiedene andere Hersteller bauten vor allem Motorboote oder Dingis aus dem neuen Material. Der Markt ab 40 Fuß war allerdings spärlich besetzt. Vergleichbar große Yachten gab es zwar in den USA von CAL oder Columbia – ihre Qualität überzeugte allerdings kaum.

Ein Großteil der Konkurrenz blieb beim Holzbau, denn viele Menschen konnten sich nur schwer mit Kunststoff arrangieren. Die vorherrschende Meinung war, dass große Boote aus Holz zu sein hatten. Das ist auch der Grund, weshalb die erste Swan 36 aussehen sollte wie ein lackiertes Holzboot, schreibt Koskenkylä. Doch mit der Zeit änderte sich diese Auffassung. Erst langsam, dann immer schneller setzte sich Kunststoff als Werkstoff durch.

Aufstieg zur Weltmarke

Das ist an den Wachstumszahlen der Werft abzulesen. Im ersten Jahr entstanden vier Boote. Die erste Swan 36 war noch aus Mahagoni gebaut und als Urmodell für die Negativform gedacht. Aus dieser wurden dann drei weitere in Kunststoff gebaut. Danach schnellten die Zahlen in die Höhe: Zwischen 1967 und 1970 verließen 90 Rümpfe die Hallen. 1969 kam ein neues Modell hinzu: die Swan 43. Ein Jahr später folgten die Swan 55, 40 und 37.

Zur gleichen Zeit, 1969, dann der Dämpfer: Ein Feuer zerstörte das Haupthaus und eine komplette Produktionslinie. Das eigentliche Pro­blem, so Koskenkylä, waren nicht die Zerstörungen, sondern die verunsicherten Zulieferer. Sie fürchteten um ihr Geld. Die Waren, die sie der Werft auf Kredit ausgelegt hatten, wollten sie nun sofort bezahlt bekommen.

Die Insolvenz drohte, doch Kosken­kylä fand Hilfe bei seinem alten Arbeitgeber, dem Unternehmen Schauman, Eigentümer der Papierfabrik. Das Unternehmen nahm ihm die finanzielle Last ab und investierte in die junge Werft – im Gegenzug musste Kosken­kylä Anteile an Schauman abtreten.

Für die Werft ging es von da an bergauf. Rund 100 Boote verließen jährlich die Hallen. Tendenz steigend. Immer neue Modelle kamen hinzu. Allein Sparkman & Stephens entwarf 15 unterschiedliche Modelle für Nautor. Bis 1989 wurden sie produziert. Insgesamt fertigte die Werft 821 Boote nach den Plänen der US-Amerikaner.

Werft versteht sich als technologischer Vorreiter im Bootsbau

Doch schon deutlich früher begann die Werft auch mit anderen Designern zusammenzuarbeiten. Zwischen 1978 und 1981 entwarf der Neuseeländer Ronald „Ron“ Holland fünf Boote. Anfang der 80er-Jahre folgten dann die ersten Entwürfe von Germán Frers. Bis heute prägen die unverwechselbaren Designs des Argentiniers die Swan-Entwicklung entscheidend.

Werftgründer Pekka Koskenkylä war zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr an Bord. Schaumans Einstieg habe zwar den finanziellen Druck genommen, erinnert sich Koskenkylä, doch die Entwicklung der Werft nahm eine andere Richtung als von ihm erhofft. 1973 verließ er schließlich das Unternehmen, das in den folgenden Jahren noch mehrfach den Besitzer wechselte.

Heute, fast 60 Jahre nach der Gründung, ist Nautor’s Swan längst zur Weltmarke aufgestiegen. Die modernen Swans brechen zwar in vielerlei Hinsicht mit den von Sparkman & Stephens etablierten Traditionen – doch eine entscheidende Gemeinsamkeit bleibt: Die Werft versteht sich weiter als technologischer Vorreiter im Bootsbau.

Pekka Koskenkylä setzte von Anfang an auf den neuartigen Kunststoff und überzeugte damit erst die New Yorker Konstrukteure, dann die gesamte Segelwelt. An dieser Vorreiterrolle knüpft Nautor’s Swan auch unter neuer Führung an – heute mit Prepreg-Kohlefaser und getemperten Vakuumverfahren. Dabei bleibt die Werft ihren Prinzipien treu und setzt bei ihren Booten weiterhin sowohl auf Eleganz als auch auf Stärke. Und so gilt noch immer die Botschaft der finnischen Legende: Auf einen Schwan ist Verlass.


​Interview mit Matteo Salamon, Gründer der S&S Swan Association

Der 61-jährige Mailänder Kunsthändler ist eine zentrale Größe der Szene. Er bringt seit Jahren S&S-Swan-Enthusiasten zusammen.Foto: Matteo SalamonDer 61-jährige Mailänder Kunsthändler ist eine zentrale Größe der Szene. Er bringt seit Jahren S&S-Swan-Enthusiasten zusammen.

​Herr Salamon, Sie sind Kunsthändler und gleich­zeitig Swan-Liebhaber. Wie passt das zusammen?

Vielleicht ist mir meine Vorliebe für schöne Dinge in die Wiege gelegt worden. Als ich mit 16 Jahren zum ersten Mal eine Swan sah, war ich sofort fasziniert von ihrer Schönheit. Vom Technischen verstand ich damals wenig, doch ihre Form und der Aufbau erschienen mir vollkommen. Ich muss ergänzen: Spreche ich von diesen Booten, meine ich stets jene, die von Sparkman & Stephens konstruiert worden sind.

Was ist daran so besonders?

Bevor ich meine eigene Swan kaufte (erst eine 38er, später eine 47er; d. Red.), hatte ich die Gelegenheit, Olin Ste­phens persönlich kennenzulernen. Durch ihn begriff ich, worum es bei S&S ging: Sie entwarfen nicht nur die Form, sondern konstruierten alles, was sich an Bord befindet. Jedes Detail wurde bis zur Perfektion durchdacht, von Rumpf, Deck, Segelplan bis hin zur Elektrik. Wenn sie ein Projekt vergaben, sollte es komplett sein. Das unterscheidet sich wesentlich von modernen Ansätzen, bei denen vieles von verschiedenen Designern erstellt wird.

Wie wurde dieses Vorgehen gewährleistet?

Teil der Vereinbarung war, dass jedes Boot vor der Auslieferung entweder von Rod Stephens oder von einer Person seines Vertrauens geprüft wurde. Sie können sich vorstellen, was das für ein Aufwand war! In den 70er-Jahren dauerte die Reise von New York in den Norden Finnlands rund zwei ­Tage.

Eine derart enge Zusammenarbeit zwischen Konstrukteuren und Werft wäre heute undenkbar.

Was zeichnete diese Zusammenarbeit aus?

Ich denke, es war das Vertrauen, das Rod Stephens, einer der angesehensten Segler seiner Zeit, in den Werftgründer Pekka Koskenkylä hatte – und umgekehrt.

Finnland war ja Mitte des 20. Jahrhunderts ein eher armes Land und Pietarsaari kaum auf der Landkarte des Yachtsports. S&S hingegen war weltweit gefragt. Wie passt das zusammen?

Ja, stimmt. Dieser Umstand führte dazu, dass die Werft bei vielem bei null anfing. Brauchten sie eine bestimmte Schraube, mussten sie diese selbst fertigen.

Auch die Serienproduktion mit GFK war Neuland.

Richtig, in dieser Zeit war die Arbeit damit noch ein großes Abenteuer. Die Zusammensetzung der Komponenten war ein völlig unentdecktes Feld. Anfangs führten falsche Mischverhältnisse zu Explosionen. Also zogen sie Hilfe von
Experten aus dem Ausland hinzu. Auf diese Weise konnten sie alles in-house produzieren. Dabei wurden die besten Materialien verwendet, was sich in der Qualität der Boote widerspiegelt.

Welche Rolle spielte Werftgründer Pekka Koskenkylä?

Pekka wollte, dass Finnland nicht nur wegen seines Papiers bekannt wird. England hatte seine Rolls-Royce, er wollte das Gleiche für Finnland, nur eben mit Booten. Rod Stephens glaubte an den verrückten Finnen. Und das, obwohl der kein Geld hatte, wie er feststellte, als sie 1966 aufeinandertrafen. Also war eine Bedingung für die Zusammenarbeit, dass Pekka die ersten Yachten im Voraus verkaufen musste. Das gelang ihm. In Italien sagen wir:

Er konnte Glas an die Inuit verkaufen.

Noch heute gilt die Bindung von Swan-Eignern und Werft als hoch. Warum?

Ich denke, das liegt daran, dass die Werft seit sechs Jahrzehnten Boote baut. Die Bindung gilt übrigens auch bei Eignern klassischer und moderner Swans. Das merkt man zum Beispiel bei den Swan-Treffen im Mittelmeer.

Dabei unterscheiden sich moderne und klassische Swans erheblich, sowohl technisch als auch optisch.

Ja, die S&S-Swans wurden konstruiert, um in rauer See und bei Wind jenseits der 20 Knoten sicher zu sein. Heute ist der Markt ein anderer. Die Leute möchten keine Ozeane überqueren oder bei starkem Wind segeln. Sie brauchen Platz zum Sonnen. Kein Wunder, dass man die modernen Boote kaum noch beim Fastnet oder Sydney Hobart Race sieht. Ich finde, dass sie an Poesie und Perfektion verloren haben.


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