Jager 37Harte Schale, weicher Kern – Eine Alu-Yacht wie Clint Eastwood

Alexander Worms

 · 27.07.2025

Mit viel Tuch am Carbonrigg ist der Alukreuzer durchaus flott unterwegs.
Foto: Bertel Kolthof
Die Jager 37 mixt eine robuste äußere Erscheinung mit einem warmweichen Interieur. Der Erstling ist dem Werftchef so ans Herz gewachsen, dass er das Boot nicht mehr verkaufen will.

Wäre die Jager ein Schauspieler, dann wäre sie Clint Eastwood. Der alte Hollywood-Haudegen verkörpert wie kaum ein anderer den außen brummig-abweisenden Antihelden, der sich jedoch geradezu liebevoll um die Menschen in seinem Umfeld kümmert, die es ihm wert sind. Harte Schale, weicher Kern.

Und seien wir ganz ehrlich: Die Schale der Jager ist wirklich hart. Rohes Aluminium, zwar in 400 (!!) Mannstunden auf eine feine Oberflächenqualität geschliffen, aber eben immer noch industriegrau, roh wirkend, archaisch irgendwie. Schleifen ist übrigens besser als Sandstrahlen, weil die Oberfläche feiner zurückbleibt und sich so weniger Schmutz ansammeln kann, nur dauert es eben deutlich länger.


Weitere besondere Boote:


Außer ein paar winzigen runden Luken im Aufbau zeigt die Jager keine Fenster, ein nüchtern geradliniges Cockpit, gepaart mit sehr dezentem und ebenfalls grau gestreiftem Esthec-Deck, sogenanntes fake teak. Ein Arbeitsboot, mit dem tagein, tagaus schlammige Aalreusen an Bord gehievt werden, sieht genau so aus. Sachlich. Schlicht. Schnörkellos. Ja: Abweisend. „Ich wollte sie außen genau so“, erklärt Emile Ruys, Eigner der „Willem Ruys“ zur Jager aus seiner Werft. „Das ist ein Boot für mich, um zu zeigen, was geht. Und ich habe nun mal keine Zeit, um ständig zu putzen. Das Boot muss funktionieren. Und das tut es“.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Symbiose aus Robustheit und Gemütlichkeit

Genau aber, wie es auch beim Film-Opa Eastwood etwas gibt, das seine wahre Natur, sein weiches Inneres schon beim ersten Blick ansatzweise durchscheinen lässt, hat auch die Jager in ihrem Auftritt diese freundliche Nuance. Bei ihr sind es die schon erwähnten kleinen Bullaugen. Die sind wirklich mini. Aber sie wirken freundlich, fast schon harmlos. Und deswegen fallen sie auch gleich ins Auge, beim Blick auf die Jager, die ansonsten eben eine typische Koopmans-Konstruktion ist: Hoher Freibord, niedriger Aufbau, nahezu freies Vordeck, nur unterbrochen durch eine leichte Erhöhung, die wenigstens beinahe für Stehhöhe unter Deck vorne sorgt. So sehen sie aus, die Victoires und Sentijns und die vielen anderen Entwürfe, die aus der Feder des fürs Stäbige bekannten holländischen Konstrukteurs stammen.

Die Jager aber hat obendrein eben diese freundlichen Augen. Und weil Emile Ruys unter Deck in eine sehr hochwertige Beleuchtung investiert hat, strahlen die Augen auch nach außen in warmem, gelben Licht, wenn sie so daliegt am Steg. Und der Weg unter Deck, der erste Eindruck, ein Blick auf das Pallisander-Interieur verrät sofort: Ja, das Innere der Jager ist so weich zu seinen Nutzern wie der Teddybär aus der Weichspülerwerbung. So einladend wie eine Skihütte mit offenem Kamin oder das Boxspringbett im Luxushotel. Hier will man sein.

Das fein gemaserte dunkle Edelholz kontrastiert ästhetisch vollendet mit den Off-White gehaltenen Wänden oder den eigentümlichen rosa Sitzbezügen. Dazu die hochwertigen Messinglampen, der Dieselofen im Salon und die sehr feine Verarbeitung, die einem allerorts entgegenprunkt. Das Innere einer Auster irgendwie. Denn außen gibt es diese harte Schale aus seewasserbeständigem Aluminium, vier Millimeter im Aufbau, um den Schwerpunkt niedrig zu halten und 5 bis unkaputtbare 20 (!!) Millimeter im Rumpf. Dazu 40 Zentimeter Spantabstand und klug angebrachte Extra-Versteifungen im Bereich des Kiels und natürlich mit wasserdichtem Abteil rund um das Ruder. Das alles schafft Sicherheit.

Jager 37 ist ein echter Segler und schnell dazu

Das Fahrzeug sieht mithin nicht nur nach einem Go-anywhere-Boot aus, es ist auch eins. Entworfen hat Koopmans sie seinerzeit mal, um das Round Britain and Ireland Race zu segeln oder das Azores and Back Race, aber eben auch für Reisen etwa nach Spitzbergen. Dass man sich auch dort auf der Jager wohlfühlt, dafür sorgt die Schaumisolierung oberhalb der Wasserlinie, die zusammen mit dem Ofen wohlige Wärme gewährleistet. „Wir waren mit der Familie nach Weihnachten zwei Wochen mit dem Boot auf den Inseln hier im Watt, das war sehr gemütlich“. Wie groß muss da die Vorfreude auf den warmen Salon gewesen sein, auf dem Weg über das IJsselmeer und durch das Wattenmeer. Draußen nieselberegnetes Grau in Grau, passend zum Rumpf, drinnen wohlige Gemütlichkeit. Da freut sich auch der enthusiastischste Segler aufs Ankommen.

Die Jager ist durch den Gegensatz von kerniger, rauer Schale und gemütlichem Interieur geprägt.

Dabei hat die Fahrt auf die Insel nicht allzu lange gedauert. Denn ein träges Wohnschiff ist die Jager beileibe nicht, schließlich hatte Koopmans das Racen im Sinn. Und: „Ich bin Segler, wollte immer ein Segelschiff haben. Auch die Entwürfe von Dick Koopmanns hab ich immer gemocht, also hab ich mir vor ein paar Jahren eine Gebrauchte gekauft“, berichtet Ruys. „Die stellte sich aber schon auf der Überführung als zu behäbig heraus. Ein tolles Seeschiff, aber zu schwer, mit zu viel Fokus auf Komfort und darum zu langsam. Das ging nicht!“

Und so reifte die Idee in dem umtriebigen Mittdreißiger, sich von Koopmans eine besondere Jager entwerfen zu lassen: Ein echtes Segelboot, schnell musste es sein. Dazu mit einem Fat-Head-Groß, Carbonmast und tiefem, festen Kiel. Variable Tiefgänge schließlich zahlt man ja immer mit Einbußen bei der Segelperformance, es sei denn, man setzt auf einen teuren Hubkiel.

Sieben Tonnen lassen sich mit zwei Fingern steuern

Mit diesen Vorgaben machte sich Koopmans Junior ans Werk. Heraus kamen knapp zwei Meter Tiefgang, 2.250 Kilogramm Gewicht nur in der tiefen Kielbombe und besagter Mast aus dem sechsten Element. Bootsbauer Ruys tat sein Übriges, indem er konsequent leicht baute. So sind die Wände aus Schaumsandwich gefertigt, die Maschine steht im Salon direkt hinter dem Kiel, einen Warmwassertank gibt es nicht, ebenso wenig einen geschlossenen Spiegel. Das alles wäre freilich möglich, sollte der Eigner einer möglichen Baunummer zwei dies wünschen. Aber: „Je klarer man ein Konzept verfolgt, je weniger Kompromisse man eingeht, desto besser wird das Endergebnis“, ist sich Ruys sicher.

Und er hat recht: Während der Ausfahrt weht es mit 16 bis 18 Knoten, manchmal sind es auch 20. 4 in Böen 5. Besser geht es nicht, denn man bewegt sich genau an der Reffgrenze. Damit lässt sich der Grenzbereich prima ausloten. Und der ist groß. Das Schiff meldet zuerst sehr deutlich zurück, dass es findet, nun sei genügend Druck vorhanden. Auf Trimmbemühungen reagiert es dann auch äußerst folgsam: Bisschen Achterstag, Niederholer los und schon lüftet das Groß oben und der Druck passt wieder. Der wirkt übrigens auf eine Pinne.

Die mag der Eigner genauso sehr wie der Autor: „Es musste eine Pinne sein, ist viel direkter und macht einfach mehr Spaß“, so Ruys. Wie recht er hat. Und im Hafen wird sie einfach hochgeklappt und stört nicht mehr. Auf der bekannt unangenehmen IJsselmeerwelle ist das Ruderholz ein Joker: Mit zwei Fingern lässt sich die Sieben-Tonnen-Yacht perfekt durch die Wellen dirigieren. Das Schiff bleibt dabei eine echte Koopmans: Die sind bekannt für ihre Seetüchtigkeit. Wellen nimmt sie äußerst gelassen und trocken. Die Krängung bleibt auch am Wind moderat.

Die Quadratur des Kreises

Als die Böen immer öfter die 20-Knoten-Marke erreichen, länger andauern und die Achterstagkaskade immer kürzer wird, ist es irgendwann dann doch Zeit fürs erste Reff. Danach geht es hoch an den Wind: Etwas unter 90 Grad wird gewendet, dabei fahren wir 6,5 Knoten und mehr. Wohlgemerkt auf Leegerwall vor Andijk bei Nordwind. Will sagen: Die Wellen helfen nicht dabei, super Werte ins Wasser zu malen. Die Jager 37 aber bleibt dabei einfach angenehm und erreicht genau die Geschwindigkeiten, die sie laut den Berechnungen des Konstrukteurs schaffen muss. Dabei: mitteilsam, kontrollierbar, direkt. Die Mischung aus tiefem, eher schmalen Vorschiff, großer Breite und einem leicht einziehenden Heck passt einfach gut in die Wellen, kein Vergleich zu einem modernen, vorne platten U-Spant. Hier knallt und poltert nichts, auch größere Wasserhügel werden schlicht pariert. Dabei bleiben die Schiffsbewegungen einfach angenehm.

Das ist ein bisschen wie die Quadratur des Kreises: Ein steifes, direktes, mitteilsames Schiff, das einfach Spaß an der Pinne bietet. Dabei ist es schnell und in bewegtem Wasser gutmütig. Solche Kombinationen entstehen, wenn Koopmans Passion für seetüchtige Entwürfe auf den jugendlichen Drang zu Leichtbau und Geschwindigkeit des Eigners trifft. Das ist wirklich gelungen. Ungewöhnlich dabei sind die ins Cockpit umgelenkten Fallen. Die mochte der Konstrukteur gar nicht, weil er befand, dass Reibung das größte Problem auf einem Segelboot sei. Auf der Jager wurde dieses Problem schlicht durch gutes Material gelöst. Alles läuft prima.

Der Mast hat übrigens, falls es mal ganz dicke kommt, noch ein Kutterstag und entsprechende Backstagen zu bieten. Gepaart mit der großen Stabilität des Entwurfs kann es dann aber wirklich ordentlich wehen, bevor es ungemütlich wird auf der Jager. Ansonsten kommt der Mast mit kaum gepfeilten Salingen aus. Ideal für tiefe Kurse, da das Groß sehr weit geöffnet werden kann.

Unter Deck ist die Jager 37 vor allem gemütlich

Unter Deck wird es eigentlich nur an einer Stelle ungemütlich: Das ist die innere Koje in der Achterkammer. Denn hierüber befindet sich in 20 Zentimetern Höhe über der Matratze der Cockpitboden. Zu wenig, um darunter bequem zu schlafen. Somit bleiben von der an sich 1,60 Meter breiten Koje nur 1,32 Meter übrig. Das ist knapp, zumal die Kanten der Einbuchtung ziemlich eckig sind. Da wird man sich nächtens dran stoßen. Unschön.

Die Nasszelle auf der gegenüberliegenden Seite ist nur ein WC-Raum. Und der ist klein. Ein Waschbecken gibt es nicht. Das steht einzig in der Kücheninsel mitten im Salon zur Verfügung. Hier wird gespült, werden Gemüse und Zähne geputzt und sich gewaschen. Das ist sicher gewöhnungsbedürftig, zumal so bei der täglichen Hygiene jedwede Privatsphäre fehlt. Ebenso gewöhnen muss man sich an den plötzlich fehlenden Kopffreiraum auf dem Weg ins Vorschiff. Die Stehhöhe nimmt – koopmanstypisch– einfach ab. Eine Verneigung vor dem Schiff ist daher Pflicht, es sein denn, man ist kleiner als 1,60 Meter. Im achteren Bereich des Salons beträgt die Stehhöhe indes 1,92 Meter. Da steht aber die Kiste mit dem Waschbecken, unter der sich der Motor versteckt. Das Schöne dabei: Alle Seiten lassen sich demontieren, mehr Zugänglichkeit zum Antrieb geht nicht. Die Koje im Vorschiff ist übrigens wieder üppig: 2,15 Meter lang und 1,68 Meter breit. Passt.

Wegfahren in kalte Gewässer will Emile Ruys übrigens mit seiner Jager 37 erst mal nicht. Dafür läuft seine Werft viel zu gut. Er baut Alu-Sloepen und Rundfahrtboote, meist mit E-Antrieb. Das Schiff ist für ihn und die Familie, gut segelnd, gemütlich und pflegeleicht. Er hat damit etwas ganz Besonderes geschaffen: eine Tourenyacht aus Aluminium, die zwei Tonnen leichter ist als die etwa gleich lange Bestevaer 36 und die eine Tonne weniger wiegt als die Hallberg Rassy 370. Die bietet freilich mehr Raum unter Deck und segelt auch gut, nur aus Alu ist sie eben nicht. Und auch bei Weitem nicht so individuell.

Ein Schiff für Individualisten

Und wer nun in Kenntnis all dieser Dinge sofort und nicht erst in anderthalb Jahren eine Jager 37, mit anderen Worten also diese erste, haben möchte, wird enttäuscht: „Ich glaube, die behalte ich lieber“, sagt Ruys. Das hat er quasi so am Heck verewigt: In aufgeschweißten Buchstaben prangt stolz der Name: „Willem Ruys“. Das war einst das Flaggschiff der Rotterdamsche Lloyd, einer Reederei, die vor allem die Niederlande mit Asien verband. Dieser Willem Ruys war der Gründer der Reederei und ein „entfernter Verwandter“ des heutigen Eigners. Beim Bau habe er im Interieur Elemente des Schiffes von damals übernommen, etwa die Türen oder die angedeuteten Bretter in den weißen Wandpaneelen oder die Messinglampen.

Das Schiff sei mithin eher ein Teil der Familie und soll das auch bleiben. Es wäre zu wünschen, dass diese „Willem Ruys“ mehr Glück hat als die Namensgeberin: Die wurde irgendwann in „Achille Lauro“ umgetauft und sorgte eine ganze Zeit lang für Aufregung in der Weltpolitik, als sie zunächst gekidnappt und dann zu einer Irrfahrt durchs Mittelmeer gezwungen wurde. Wenige Jahre später sank sie nach einem Brand im Maschinenraum. Das soll der Jager besser erspart bleiben.

Ab etwa 800.000 Euro würde man eine neue Jager 37 bekommen, dann allerdings nicht mit Palisanderausbau, denn da koste allein der Kubikmeter Holz drei bis viermal so viel wie einer etwa aus Eiche. Was aber bleibt, ist ein Schiff für Individualisten, eins, das nicht jeder hat. Da Alu immer auch Semi-Custom bedeutet, wäre zu Beginn eine genaue Absprache über die Wünsche des Eigners Pflicht. Im Anschluss setzen sich dann Werft, Eigner und Konstrukteur zusammen, um genau das Schiff zu Papier zu bringen, das sich der neue Besitzer wünscht. „Dann brauchen wir ein Jahr. Dabei planen wir jede Woche zwei Stunden Absprachen mit dem Eigner ein. So weiß der jederzeit, was ansteht und wir treffen alle Entscheidungen gemeinsam, so vermeiden wir Überraschungen und Nacharbeit“, beschreibt Ruys den Bauprozess.

Und so entsteht dann eben etwas ganz Besonderes, diese einzigartige Mischung, dieser Clint Eastwood des Wassers. Außen hart und innen ganz weich.

Technische Daten der Jager 37

Riss der Jager 37.Foto: Jager YachtsRiss der Jager 37.
  • Konstrukteur: Dick Koopmans
  • Rumpflänge: 11,20 m
  • Wasserlinienlänge: 10,25 m
  • Breite: 3,80 m
  • Tiefgang: 1,95 m
  • Segelfläche am Wind: 76,0 m²
  • Gewicht: 7,1 t
  • Segeltragezahl: 4,5

Meistgelesen in der Rubrik Yachten