Michael Rinck
· 03.06.2025
Luxus definiert sich an Bord meist sehr individuell. Stellt auf einem Kleinkreuzer ein verschließbarer WC-Raum oder ein Kühlschapp, das auch bei langen Törns nicht zugunsten der Stromversorgung der Navi-Instrumente ausgeschaltet werden muss, schon einen gewissen Luxus dar, so verändert sich dieses Empfinden mit wachsender Bootsgröße. Schnell entsteht der Wunsch nach Annehmlichkeiten wie zu Hause an Land. Reichlich Stehhöhe, massig Stauraum, Heizung oder Kühlung auf Knopfdruck, kein Sparen bei Wasser oder Strom, riesiger Kühlschrank. Was an Land zur Normalität gehört, muss auf dem Wasser jedoch durch aufwendige Installation und große Tanks realisiert werden. Übersteigt der Komfort an Bord den in den meisten Häusern üblichen Standard, befindet man sich im Luxussegment.
Die Hanse 590 bietet diesen gehobenen Standard, ist in dieser Welt der Megayachten aber ein Zwerg. Mit 17,50 Meter über alles ist sie in dieser Sphäre ein kleines Einstiegsmodell. Um diesen hohen Anspruch an Komfort zu verwirklichen, reicht es aber nicht, nur viel Platz zu haben. So bietet Hanse Yachts aus Greifwald mit der 590 mehrere Optionen für die Gestaltung des Innenraums an, mit denen auch auf besondere Privatsphäre für die Eigner Rücksicht genommen wird.
Das Design von Berret-Racoupea löst damit die bisher größte Hanse 675 ab. Die neue 590 hat durch den voluminösen Rumpf, geschicktes Layout und massig optionale Komfortausstattung das Zeug zum neuen Flaggschiff. „Der Mehrwert der 675 ist, auch gemessen am höheren Preis, nicht mehr gegeben“ sagt Andy Unger, Produktmanager von Hanse.
Vorne im Bug kann wahlweise ein großer Stauraum oder eine Skipperkammer untergebracht werden. Letztere ist von oben über ein Luk zu erreichen und bietet Koje, Schrank, WC und Waschbecken. Dahinter im Vorschiff gibt es drei Gestaltungsvarianten: zwei Kammern mit jeweils eigener Nasszelle oder als Eignerkammer mit der Koje zentral, WC-Raum an Backbord und Dusche an Steuerbord. Die dritte Variante soll aber das höchste Maß an Nutzbarkeit und Privatsphäre bieten: Die Doppelkoje ist dann nach Backbord gerückt, aus der Sichtachse der an Steuerbord platzierten Tür. Zudem erstreckt sich das Bad zwischen Skipper- und Eignerkammer über die gesamte Breite des Bugs. So entsteht hier ein Schallschutz zu Ankerwinde und Skipperkammer. Außerdem bietet diese Layoutvariante noch einen kleinen Schreibtisch. Ein Extra, das laut Andreas Unger immer gefragter wird.
Hinter dem Hauptschott schließt sich der Salon- und Pantrybereich an. Gekocht wird an Backbord in einer L-förmigen Pantry, hier geht es eine Stufe nach unten. So bleiben die Arbeitsflächen auf demselben Niveau wie Salontisch und Navigation, die Höhe ist aber ideal, um daran im Stehen zu arbeiten. Ein fast deckenhoher Kühlschrank bietet jede Menge Kapazität, die aber noch erweitert wird durch einen Weinkühlschrank an der Steuerbordseite, einen Gefrierschrank im sogenannten Hauswirtschaftsraum (dazu gleich mehr) und einen Kühlschrank in der Wetbar am Heck. Backofen, Mikrowelle, Spülmaschine und sehr viel Arbeitsfläche sowie Stauraum machen die Pantry sehr gut nutzbar. Durch die Kücheninsel ist der Bereich gut zum Salon abgeteilt und bietet Halt bei Lage. In dieser Insel befindet sich auch der Fernseher, der auf Knopfdruck nach oben fährt und dann von der Salonbank aus gut zu sehen ist.
Die einzige Variante zur Aufteilung des Salons ist, statt der Navi-Ecke ein Sofa einzubauen. Dahinter geht es variantenreicher weiter. Zwei Achterkabinen sind es immer, jedoch kann an Backbord davor die Nasszelle mit einer separaten Dusche, einem Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine und Gefrierschrank oder ohne Nasszelle, aber dafür mit zwei Stockbetten eingerichtet werden. Zwischen den Achterkammern befindet sich in der Verlängerung von der Maschine nach achtern ein Techniktunnel, wo auch der Generator untergebracht ist. Hier wird (optional) eine zusätzliche Lage Schallschutzmatte verbaut, um die Geräuschentwicklung in den Achterkammern zu reduzieren. Die Nasszelle an Steuerbord kann auch durch die separate Dusche vom Salon aus betreten werden. So können Gäste das Bad benutzen, ohne dafür in die Kammer gehen zu müssen. Auch dieses Detail soll für mehr Privatsphäre sorgen.
An Deck ist das markanteste Detail der Hanse 590 das cockpitüberspannende Hardtop (optional, 38.140 Euro). Vorne ruht es auf einem GFK-Bogen, achtern wird es von filigraneren Edelstahlstützen getragen. So entsteht von Weitem der Eindruck, dass es über dem Cockpit schwebt. Stattliche 18 Quadratmeter werden so überdacht und vor zu intensiver Sonnenstrahlung oder Regen geschützt. Mittig achtern lässt sich ein textiles Segment öffnen und erlaubt so gute Sicht von den Steuerständen ins Rigg. Unter der Überdachung befindet sich eine Sofalandschaft rund um zwei Cockpittische.
Besonders sind zusätzliche Sitzgelegenheiten direkt vor den Rädern, die Mitseglern freie Sicht nach vorne und dennoch gute Kommunikation mit der Person am Steuer ermöglichen. Zwischen diesen zusätzlichen Sitzflächen vor den Rädern geht es über zwei Stufen auf die Laufdecks. Durch diese Walkaround-Lösung kommt man bequem nach vorne. Zudem sind dort, auf dem achterlichen Ende des Cockpitsülls, die Fallwinschen montiert. Hier wird später auch die Gennakerschot geführt. Ein praktisches Detail sind die Fächer, in denen Fallen und Strecker unterkommen. Wird direkt an der Winsch gearbeitet, ergibt sich eine sehr geschützte Position, da man etwas tiefer vor den Stufen auf dem Laufdeck steht. Mit der (optionalen) erhöhten Reling ist hier eine sehr hohe Sicherheit gegeben. Die Winschen lassen sich auch per Knopfdruck vom Steuerstand aus holen.
Zum Testschlag geht es auf den Greifswalder Bodden. Der 150 PS leistende Yanmar schiebt die Hanse 590 bei Marschfahrt mit knapp über neun Knoten durchs Wasser. Das ist leider eine Geschwindigkeit, die sich bei flauen Windbedingungen unter Segeln nicht reproduzieren ließ. Über fünf Knoten stiegt die Logge am Wind mit leichtem Schrick in der Schot und damit nur etwas über die Hälfte der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit. Ein solider Wert, berücksichtigt man das einfache Rollgroß ohne Latten, welches zudem noch zehn Quadratmeter weniger Fläche hat.
Die Hanse 590 lässt sich sehr gut dirigieren. Die Räder steuern das zentrale Ruder sehr direkt an, dabei kommt noch ein wenig Rückmeldung in Form von Ruderdruck. 1,75 Umdrehungen braucht die Anlage von hart Steuerbord nach hart Backbord. Ganz außen an der Reling sitzt und steuert es sich mit gutem Blick nach vorne in die Selbstwendefock. Seitlich an der Steuersäule ist dafür eigens ein Multifunktionsdisplay mit Segeldaten angebracht. So muss der Kopf nicht verrenkt werden, um auf den Plotter zu schauen. Weiter mittschiffs am Rad kann durch den geöffneten textilen Teil der Cockpitüberdachung nach oben ins Großsegel geschaut werden. Groß- und Fockschot liegen auf den Winschen mittig neben den Steuerständen. Geholt werden sie bequem per Knopfdruck, zum Fieren reicht ein Griff zur Winde, ohne das Rad verlassen zu müssen. Anders sieht das bei den Fallwinschen am Durchgang auf die Laufdecks aus. Hier ist eine weitere Hand an Deck nötig, es sei denn, man lässt den Autopiloten steuern, dann lassen sich die Segel auch einhand setzen. Der Wind nimmt weiter ab, fünf bis sieben Knoten sind es mittlerweile nur noch. Unter Gennaker sind dennoch 5,3 Knoten möglich.
Zurück im Hafen lässt sich die große Hanse sehr gut manövrieren. Mit gelegtem Ruder etwas Gas geben reicht, um die Drehung einzuleiten. Das wäre im Zweifel gar nicht nötig, denn das Testboot ist mit Bug- und Heckstrahlruder ausgestattet. Damit lässt sich nicht nur drehen, sondern auch längs versetzen. Zudem ist der Schub beider Propeller stufenlos regel- und per Tastendruck fixierbar. So kann die Yacht in der Manier einer Hafenfähre an die Pier gedrückt und in aller Ruhe festgemacht werden.
Unter Deck zeigt sich unter jedem Bodenbrett eine Menge Technik: Drei Klimaanlagen sind verbaut, jede mit Wasserkühlung und eigenem Kondenswassersumpf mit Pumpe. Zwei Dieseltanks, ein zusätzlicher Schwarzwassertank mit 180 Liter Volumen unter dem Salontisch. Dazu kommen zwei Hydraulikanlagen, eine für die Badeplattform und eine für die ausfahrbare Gangway (34.510 Euro). Die Tische im Cockpit und im Salon können auf Knopfdruck abgesenkt werden.
Die Technik dominiert nicht nur den Bereich unter und hinter dem Innenausbau, sie sorgt auch für Preissprünge. Kommt der Komfortpreis nach YACHT-Definition auf 1.072.607 Euro, so bringt es das Testboot auf etwa 1,5 Millionen. Hier schlagen Klimaanlagen, Entertainment, stimmungsvolle Beleuchtung, Bug- und Heckstrahlruder und der Dingikran deutlich zu Buche.
Stand 2025, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, lesen Sie hier!
Vergleichbare Yachten wie Jeanneau 60 und Beneteau Oceanis 60 kosten im Grundpreis etwas über eine Million Euro. Die Hallberg-Rassy 57 hingegen ist mehr als doppelt so teuer, ebenso wie die neue Y6 von YYachts, die bei zwei Millionen Euro startet. Die Hanse 590 ist also preislich geradezu attraktiv.
Hoher Individualisierungsgrad
Großes geschütztes Cockpit (auch Wetterschutz möglich)
/(+) Freibord 1,79 m
Cruisertypisches Potenzial
Hohe Rumpfgeschwindigkeit
Mit E-Winschen einhandtauglich
Großzügiges Platzangebot
Besondere Rücksicht auf Privatsphäre und Schallschutz
Stehhöhe meist über 2,0 Meter
Hochwertige Ausstattung
Große Autarkie
Viel Komfortausstattung sorgt für unübersichtliche Installation
Sandwich mit Balsakern, erste Lage mit Vinylestherharz. Hauptschott Vakuuminfusion.
Für den Bug (Skipperkammer oder Stauraum), Vorschiff, Salon und Achterkammern gibt es unterschiedliche Optionen, die frei kombiniert werden können.
Die Komfortausstattung mit diversen Kühlschränken, drei Klimaanlagen und Generator macht die Installation komplex.
Badeplattform und Gangway haben jeweils ihre eigene Hydraulik. Die Technik ist unter dem Steuerstand an Steuerbord installiert.
Der riesige Stauraum im Heck bietet einem 3,10 Meter messenden Tender Platz, der per Kran mit E-Winde gewassert wird.
Hanseyachts AG, Ladebower Chaussee 11, 17493 Greifswald; Telefon 0 38 34/57 92-2 00; www.hanseyachtsag.com
Händlernetz