Michael Good
· 27.01.2023
Sie stammen aus demselben Haus, bedienen dasselbe Marktsegment und sind doch so unterschiedlich. Die Jeanneau Yachts 60 und die Oceanis Yacht 60 von Beneteau in einer Gegenüberstellung
Eins der vielen faszinierenden Dinge großer Yachten besteht darin, dass darauf genügend Raum und Platz zur Verfügung steht, um gute Ideen und ausgefallene Wünsche realisieren zu können, die auf kleineren Booten nicht umsetzbar sind. Während die Konstrukteure von kompakten Booten meist um jeden Zentimeter kämpfen, um die besten Kompromisse zu erlangen, haben es die Planer von großen Yachten mit freier Hand einfacher, ihre Vorstellungen umzusetzen. Wie breit das Spektrum aller Möglichkeiten im XXL-Segment sein kann, zeigen zwei neue große Yachten aus der französischen Serienfertigung, deren Konzepte heterogener kaum sein könnten. Und das, obwohl beide Schiffe aus der gleichen Großfamilie stammen, der mächtigen Gruppe Beneteau. Die gemeinsame DNA verleiht einem Vergleich zusätzliche Würze.
Ganz frisch auf dem Markt ist die Oceanis Yacht 60 von Marktführer Beneteau. Die Pläne entstammen der Kooperation von Konstrukteur Roberto Biscontini und Gestalter Lorenzo Argento. Typisch für ihre Handschrift ist das breite Heck mit dem flachen Spant und der weit eingezogenen Wasserlinie. Das Gespann aus Italien hat zusammen schon die größeren Boote der neuen, sportlichen First-Reihe von Beneteau entworfen, wie die First 44.
Außerdem die First 53 (YACHT 23/2019), deren schneller Rumpf auch als Basis für die Konstruktion der Oceanis Yacht 54 (YACHT 23/2020) übernommen wurde. Damit stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob Beneteau den modernen, ja fast radikal wirkenden Rumpf der Oceanis Yacht 60 auch als Grundlage eines neuen 60-Fußers für das First-Programm nutzen wird. Mit Blick auf die bisherige Strategie für den Linienaufbau bei Beneteau wäre dies folgerichtig. Vonseiten der Werft bleibt diese Frage unbeantwortet.
Das Pendant von Jeanneau zeigt sich derweil etwas gemäßigter. Die Konstruktion kommt von Philippe Briand in Zusammenarbeit mit Stylist Andrew Winch. Das Duo zeichnet für alle vier aktuellen Yachten aus dem gehobenen Yachts-Programm von Jeanneau verantwortlich. Der Rumpf ist konsequenter auf Volumen getrimmt als derjenige der Oceanis, was sich vor allem achtern zeigt. Die ausgeprägten Chines sind mittlerweile zwar etwas aus der Mode gekommen, erzeugen aber einen erheblichen Raumgewinn im Achterschiff, den Jeanneau für ein ungewöhnliches Layout unter Deck mit einer großen, durchgehenden Eignerkabine einsetzt.
Beide Yachten werden mit doppelten Ruderblättern sowie einem Gusseisenkiel in L-Form und zwei Tiefgangs-Varianten ausgestattet. Dazu sind auch die Riggs fast identisch. Im Standard erhalten beide Yachten einen Zwei-Saling-Rollmast von Sparcraft, dazu die Selbstwendefock. Ein einfacher Satz Amwind-Segel aus Dacron ist im Lieferumfang mit dabei. Nur als Option bieten beide Hersteller ihre Boote auch mit einem herkömmlichen Segelplan an, das heißt mit Pinhead-Großsegel und kurz überlappender Genua mit verstellbaren Holepunkten. In dem Fall sind die Masten rund 1,50 Meter höher.
Diese Leistungs-Upgrades gehen vernünftigerweise einher mit besseren Segeln aus Laminat. Die Werften haben für ihre Sport-Riggs entsprechende Ausstattungspakete zusammengestellt, inklusive hydraulischer Achterstagspanner und laufendem Gut aus Dyneema. Beide Testschiffe waren damit ausgerüstet.
Die Probefahrten haben allerdings zeitlich und örtlich getrennt stattgefunden. Ein direkter Vergleich bezüglich der Segeleigenschaften und des Leistungspotenzials ist deshalb nicht möglich. Allerdings waren die Windbedingungen bei den Tests zumindest streckenweise ähnlich, sodass eine vergleichende Einordnung der Leistungsdaten zumindest mit Vorbehalten möglich ist. Auch die Ausstattung der Testboote sowie deren Besegelung lässt die Gegenüberstellung zu.
Die Oceanis Yacht 60 zeigt im Test überraschend starke Leistungen und legt sowohl bei wenig als auch bei mehr Wind vor. Zudem kann die Beneteau eine sehr gute Höhe laufen. Bei nur zehn Knoten Wind kommt das Boot auf 7,0 Knoten hart am Wind und wendet über einen Winkel von nur 80 Grad. Bei halbem Wind mit ausgerolltem Code Zero zeigt die Logge bei Windstärke drei auch zweistellige Werte an.
Die Jeanneau Yachts 60 segelt ebenfalls stark, kommt aber im indirekten Vergleich nicht ganz an die Leistungsdaten ihrer Antagonistin heran. Sie ist scheinbar etwas langsamer unterwegs und kann zudem die gute Höhe der Oceanis nicht ganz parieren. Die Wendewinkel liegen bei rund 90 Grad.
Sowohl die Jeanneau als auch die Beneteau zeigen im Cockpit das sogenannte Walkaround-Layout. Das innovative Arrangement wird von den beiden Marken nunmehr für alle Neuentwicklungen in den größeren Längensegmenten umgesetzt. Und sie haben dies gegenüber der Konkurrenz – weil mit Patenten gesichert – als Alleinstellungsmerkmal. Walkaround heißt: Die seitlichen Laufdecks fallen nach hinten auf die Höhe des Plichtbodens ab. Das ermöglicht einen barrierefreien Durchgang vom Cockpit auf das Vordeck.
Bei der Jeanneau ist der Niveauunterschied als gemäßigt abfallende Rampe gestaltet, dazu stehen weiter vorn die Ober- und die Unterwanten getrennt, was insgesamt eine einfachere Passage zum Bug zulässt.
Oceanis baut anstelle einer Rampe zwei Stufen im Laufdeck ein, dazu behindert das vom Mast nach außen an den Rumpf abgespannte Unterwant den Durchgang.
Das Walkaround-Cockpit bündelt generell viele Vorteile beim Handling in den Manövern, weil man auf dem vertieften Laufdeck seitlich in einer Art Kanal stehen und von dort aus auf guter Höhe die Winschen bedienen kann. Bei beiden Booten werden alle Schoten, Fallen und Trimmleinen bis auf die zwei großen Winschen direkt vor die beiden Ruderstände zurückgeführt, die auch vom Steuermann gut erreicht werden können. Weil bei der Jeanneau auf dem Achterdeck im Standard keine Sitze für den Rudergänger vorgesehen sind, kann er ungehindert um die Steuersäulen herumgehen und auch von außen an den Winschen arbeiten, sowohl in Luv als auch in Lee. Allerdings muss er dauerhaft stehen, was auf Dauer mühsam sein kann.
Auf der Oceanis dagegen darf der Skipper seitlich auf den verlängerten Cockpitsülls sitzen, hat dort aber weniger Bewegungsfreiheit, insbesondere zum Durchziehen der Schoten und zum Bedienen der Winschen.
Der Targabügel gehört auf der Oceanis bereits zur Grundausstattung ab Werft. Das sehr robuste GFK-Teil nimmt die Führung der Großschot aus dem Cockpit und dient zudem als Rahmen für eine mächtige Sprayhood. Bei der Jeanneau wird die Großschot ab Werft über ein Schotdreieck vor dem Niedergang gefahren. Das geht zwar auch, allerdings setzt der Zug sehr weit vorn am Großbaum an, was den Wirkungsgrad deutlich reduziert. So muss man zum Dichtholen des Großsegels mehr Kraft aufwenden. Einen Targabügel gibt es ebenso für die Jeanneau, allerdings nur als Option. Und für beide Schiffe steht ein festes Bimini mit Cabrio-Dach auf der Liste der Extras.
Die Werften bauen im Heck geschlossene Stauräume für ein Beiboot ein. In die Garagen passen auf der Jeanneau wie auf der Beneteau 2,90 Meter lange Schlauchboote in Fahrtrichtung, ohne dass daraus die Luft abgelassen werden muss. Die großen Badeklappen sorgen für ein einfaches Handling beim Aufholen und Zuwasserlassen. Auf Wunsch geht das auch elektrisch.
Auf der Jeanneau ist die Garage seitlich versetzt eingebaut, was speziell ist, aber einen guten Grund hat. Als Novum bauen die Franzosen achtern einen geräumigen Eignerbereich mit großem Doppelbett und eigenem Bad quer über die ganze Schiffsbreite ein, dies als Standard. Diese spezielle Anordnung ist eben nur mit einem asymmetrischen Layout möglich. Im vorderen Schiffsteil der Jeanneau ist das Layout ebenfalls besonders. Weil das Hauptschott relativ weit hinten steht, bleibt viel Spielraum für eine individuelle Gestaltung. Machbar sind etwa zwei Mittelkabinen, die mit einem ausziehbaren Längsschott räumlich getrennt und die Kojen entsprechend verbreitert werden können. Alternativ baut die Werft hier auch eine zweite Eignerkabine mit einem großen Doppelbett ein.
Je nachdem, wie dieser vordere Wohnbereich ausgebaut ist, bleibt davor Platz für einen sehr großen oder zwei kleinere Toilettenräume. Varianz gibt es zudem für die Vorpiek, die wahlweise als zusätzliche Doppelkabine, als Segellast mit Werkstatt oder als Kabine für den Skipper mit eigener Toilette ausgebaut werden kann. In Kombination aller Möglichkeiten für das Vor- und Achterschiff hat der Kunde bei Jeanneau die Wahl zwischen nicht weniger als 19 unterschiedlichen Ausbauvarianten.
Für die Oceanis Yacht 60 bleibt die Varianz für das Interieur dagegen äußerst bescheiden. Standard ist das Layout mit zwei Doppelkabinen achtern mit jeweils eigenen Nasszellen sowie der sehr geräumigen Eignerkabine mit Bad und Dusche im Vorschiff. Alternativen dazu sind allerdings keine vorgesehen. Eine Wahl haben die Käufer lediglich für die im Vergleich zur Jeanneau deutlich kleinere Vorpiek, die als Segellast oder als Kabine für einen Skipper mit bescheidenen Komfortansprüchen ausgebaut werden kann.
Für die Eignerkabine im Vorschiff hat sich Beneteau eine Besonderheit einfallen lassen. Das Doppelbett steht seitlich versetzt und fast komplett frei mit der Möglichkeit, darum herum zu gehen, fast wie zu Hause im Schlafzimmer. Das erleichtert das Zubettgehen erheblich. Eingesäumt wird die Liegefläche im Queensize-Format (1,60 Meter Breite) auf der einen Seite von einer ganzen Stauraumzeile in der Art eines Sideboards mit Schubladen. Auch das ist sehr speziell, bietet aber viele Vorteile und vor allem jede Menge Platz für Kleidung und andere persönliche Gegenstände. Besonderen Glanz bekommt der Eignerbereich im Vorschiff mit dem riesigen Bad und abgetrennter Dusche, wo sich zwei Personen gleichzeitig aufhalten können, ohne einander im Weg zu stehen.
Auf beiden Yachten ist die Pantry vor dem Salon über die ganze Breite direkt an das Hauptschott gebaut. Die Größe der Küchen ist vergleichbar, die Anzahl der Stauräume und deren Nutzbarkeit ebenfalls. Auf der Jeanneau gibt es allerdings nur wenig wirklich brauchbare Arbeitsflächen. Auf der Oceanis hingegen ist dies besser gelöst. Flächen zum Rüsten und Kochen und weitere Ablagen sind hier reichlich vorhanden.
Die Schiffe von Jeanneau und Beneteau kosten ab Werft etwas mehr als eine Million Euro, inklusive Mehrwertsteuer. Damit sind die Angebote aus dem Hause Beneteau vergleichbar, aber doch klar teurer als die möglichen Konkurrenzyachten von Bavaria, Dufour oder Hanseyachts, die mitunter jedoch deutlich kleiner sind. Der direkte Vergleich hinkt also.
Zur Einordnung nach oben ist in der Konkurrenzübersicht unten auch die Hallberg-Rassy 57 aufgeführt, die zwar vergleichbar groß, aber schon mehr als doppelt so teuer ist.
Jeanneau und Beneteau gehören zum selben Firmenkonglomerat, können Synergien nutzen und teilen sich die weltweite Marktführerschaft mit Abstand zur Konkurrenz. Gleichermaßen wollen die Werften unabhängig auftreten und entwickeln ihre Produkte mit bekannten Markenwerten. Das ist gut so, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.
Blauwasserkreuzer für Anspruchsvolle. Viel Volumen und eine große Vielfalt von Ausbaumöglichkeiten zur individuellen Gestaltung. Rumpf, Deck und Interieur sind gut und solide gebaut
Attraktives und leistungsstarkes Fahrtenschiff mit Blauwasser-Ambitionen. Für den Ausbau unter Deck zeigt das Konzept aber wenig Wandelbarkeit. Hübsches, helles und hochwertig gebautes Interieur
Das Flaggschiff von Bavaria Yachtbau ist etwas kleiner und leichter als die aufgeführte Konkurrenz. Kommt als Drei- oder Vierkabiner mit jeweils einer Nasszelle. Großer Stauraum für das Beiboot im Heck. Rumpflänge 16,16 m; Breite 5,28 m; Gewicht 18,1 t; ab 582.505 Euro
Die vielseitige Französin bietet Ausbaumöglichkeiten von drei bis zu fünf Doppelkabinen. Auch eine Kabine für den Skipper im Vorschiff ist möglich. Großzügige Sonnenliegen an Deck. Rumpflänge 16,30 m; Breite 5,05 m; Gewicht 17,6 t; ab 626.900 Euro
Exklusive Blauwasser-Yacht aus Schweden für eine lange, sorgenlose Fahrt. Das Schiff glänzt mit ausgezeichneten Segeleigenschaften und einem hohes Leistungspotenzial. Hoher Preis. Rumpflänge 17,44 m; Breite 5,15 m; Gewicht 28,0 t; ab 2,37 Mio. Euro
YACHT-Test: Heft 20/2018
Attraktive Yacht mit einem breiten Spektrum an Layout- und Ausstattungsmöglichkeiten. Das Boot segelt im Test sehr gut und ist einfach zu bedienen. Heller, offener und moderner Ausbaustandard. Rumpflänge 16,70 m; Breite 5,20 m; Gewicht 22,8 t; ab 719.830 Euro
YACHT-Test: Heft 1/2017