21 Meter lang, knapp sechs Meter breit und nicht weniger als 46 Tonnen schwer. Schon die nüchternen Daten sind ziemlich eindrucksvoll: Die Hallberg-Rassy 69 ist eine Yacht der absoluten Superlative, nicht nur für die Traditionswerft in Ellös auf der “Bootsbauerinsel” Orust.
Die YACHT-Testredaktion durfte schon jetzt auf einen ausgedehnten Testschlag an Bord der großen Schwedin gehen. Mit ihr schicken die Yachtbauer die Hallberg-Rassy 64 als bisheriges Flaggschiff in Rente. Die ausführliche Reportage ist für das Messe-Heft, Ausgabe 3/2024, vorgesehen, erste Bilder und Eindrücke vom Test gibt es schon jetzt.
Die HR69 hat ein großes, gut geschütztes Mittelcockpit mit zwei Steuerständen. Der vordere Teil wird bei der Baunummer 1 von einem Hardtop überragt, das schön knapp geschnitten ist und somit die Erscheinung nicht allzu sehr dominiert. Eine strikte Trennung in Arbeitsplicht und Gästebereich gibt es bei ihr nicht, anders als sonst üblich in der XXL-Luxusklasse. Und damit sind wir schon bei einer der prägendsten Besonderheiten dieses Bootes: Es ist, so die Eigner das wollen, für den Betrieb mit kleiner Crew konzipiert.
Alle Funktionen zum Setzen und Trimmen der Segel lassen sich direkt von den Steuersäulen aus bedienen, per Knopfdruck. So beherrscht, wer am Ruder steht, eine ganze Armada von hydraulischen Winschen, Rollanlagen und Streckern. Das funktioniert präzise, effektiv und anstrengungsfrei. Auf Wunsch lässt sich der Zug auf Fallen und Stagen messen und über ein Raymarine-Display anzeigen. Anhand der Werte kann man erahnen, welche Kräfte da walten. Drei Tonnen etwa sind es auf dem Kabel des Code Zero. Das vor dem Vorstag gefahrene Membransegel, laminiert aus feinster Epex-Ware von Elvström, lässt sich in 30 Sekunden wegnehmen; auch dessen Furler arbeitet hydraulisch.
In Verbindung mit den ausfahrbaren Bug- und Heckstrahlrudern ist der Betrieb dieser Majestät von einer Yacht tatsächlich frappierend einfach. Magnus Rassy, der die HR 69 zunächst einmal für sich selbst gebaut hat, wird sie in der kommenden Saison ohne Unterstützung eines Skippers oder bezahlter Crew segeln. Mit fast kindlicher Begeisterung dreht er sie im Hafen auf der Stelle - die Sleipner-Strahler, direkt betrieben von in unmittelbarer Nähe montierten Mastervolt-Lithium-Akkus, um die Kabelwege so kurz wie möglich zu halten - haben leichtes Spiel mit dem Boot und lassen es in einem Tempo rotieren, das deutlich macht: Auch bei strammem auflandigem Wind werden sie keine Mühe haben, das Boot auf Position zu halten oder von der Mole abzusetzen.
Wie alle aktuellen Konstruktionen von Germán Frers für die Yachtbauer in Ellös baut auch das neue Flaggschiff achtern recht breit bei gleichzeitig stark eingezogener Wasserlinie. Damit sind zwei Ruderblätter nötig, die in einem relativ großen Winkel vom Rumpf abstehen. Hinten in der Lazarette kann ein Highfield-Dingi mit Festboden von 3,40 Meter Länge mit Motor quer lagern. Ein auf Schienen installierter Drehmechanismus vereinfacht das Abfieren und Aufholen.
Für die Steuerung verbaut Hallberg-Rassy eine hochwertige, vollkardanisch funktionierende Ruderanlage von Jefa. Das Steuergefühl ist für eine Yacht dieser Größe und Machart sehr gut; allerdings produziert die HR 69 stets soviel Luvgierigkeit, dass man sie nicht mal eben sich selbst überlassen kann, ohne den Autopiloten bedienen zu müssen. Am Wind ist die Tendenz weniger ausgeprägt - da passt die Vorbalance der Ruderblätter; bei offeneren Kursen aber kann das ermüdend wirken.
Die Segelleistung ist nichts weniger als beeindruckend. Bei 4 bis 5 Beaufort und etwa ein Meter Welle im nördlichen Kattegat, frei von den vorgelagerten Schären, loggte die Rassy an der Kreuz zwischen 9 und 9,5 Knoten, halbwinds mit Code Zero beständig um die 11, in der Spitze 12,5 Knoten - und das so spielerisch, dass man fast anfängt, den Anzeigen auf Logge und GPS zu misstrauen. Fast noch frappierender aber ist, wie dieses Schiff Leichtwind in Leistung umsetzt. Selbst bei nur noch 6 bis 8 Knoten marschiert die 69er mit 6,5 Knoten hoch am Wind bei Wendewinkeln von 90 Grad. Wow!
Unter Deck kriegt man von all dem herzlich wenig mit. Dort bettet einen die Rassy in gewohnte skandinavische Gemütlichkeit. Selbst unter Press ist im riesigen Salon nur gelegentlich ein leises, kaum wahrnehmbares Knistern von den langen Schapps und den verschraubten Bodenbrettern zu hören - und das gut gedämpfte Rauschen des Wassers am Rumpf. Spektakulär ist der Blick aus den fast zwei Meter langen Rumpffenstern und den ebenfalls stattlichen Aufbaufenstern.
Und, nein! Dass wir das so positiv empfunden haben, lag nicht am angenehm temperierten Innenraum im Vergleich zur frostigen Außenwelt. Die Sichtachsen in der HR 69 sind einfach eine Wucht, wie auch das ganze Boot.
Mehr dazu in Kürze im Test. Hier noch der einzige echte Wermutstropfen: Rund 57 Millionen Schwedische Kronen kostet die neue Hallberg-Rassy 69 . Das entspricht nach dem aktuellen Umrechnungskurs einem Preis von 5.930.000 Euro inklusive 19 % Mehrwertsteuer. Man kann mit einigen Extras - wie auf der Baunummer 1 - aber auch leicht 7,2 Millionen draus machen. Da hilft kein Neid und kein Wehklagen. Isso!