Elan GT6Das Tourenschiff, das in keine Schublade passt

Michael Good

 · 04.05.2023

Prägnant. Das kontrastreiche Styling kaschiert die fülligen Formen von Rumpf und Deck
Foto: YACHT/A. Carloni

Elan Yachts aus Slowenien hat ein Tourenschiff entwickelt, das mit innovativer Gestaltung und neuen Lösungen überraschen kann. Die Elan GT6 im YACHT-Exklusivtest

Wow, die trauen sich aber was. So mag manch einer die Vorstellungsrunde für das Projekt GT5 von Elan Yachts im Jahr 2017 kommentiert haben. Tatsächlich präsentierte sich das Vorhaben der Yachtbauer in Slowenien zum Start einer neuen, dritten Werft­linie kühn und engagiert. Denn trotz des komplett neuen Konzepts für einen blauwassertauglichen Tourer hat sich die Werft dafür ganz einfach der bestehenden Rumpfformen des Performance-Cruisers E5 (ehemals Elan 400) bedient. Um das Mehrgewicht des gehobenen Innenausbaus zu kompensieren, hat die Werft den Rumpf etwas verlängert und die Freiborde leicht erhöht.

Letztlich ein zwar mutiger, aber doch erfolgreicher Plan, wie sich zeigen sollte. Vom Typ GT5 wurden innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren Marktpräsenz immerhin 20 Einheiten gebaut und verkauft, nicht zuletzt wegen seiner bekannt und vielfach geprüft guten Segeleigenschaften, insbesondere bei Wind. Das sind solide Absatzzahlen für ein Blauwasserschiff in einer recht speziellen Ausrichtung und für die eher kleine Werft.

Schon zur Markteinführung der GT5 hat Elan Yachts laut über Pläne zum Aufbau einer neuen GT-Linie und eines größeren Schiffs nachgedacht. Das Projekt GT6 wurde anschließend immer wieder mal thematisiert, allerdings ließ der konkrete Umsatz zunächst noch auf sich warten. 2020 war es dann so weit; die GT6 wurde gelauncht, und die YACHT ging als erstes Segelmagazin überhaupt an Bord. Hier der Eindruck aus dem damaligen Testbericht in der YACHT-Ausgabe 21/2020.

Ebenes Deck im Vorschiff auf Kosten der Stehhöhe

Schon gleich die erste Begegnung am Steg macht klar: Der Rumpf der von Rob Humphreys komplett neu konstruierten GT6 erscheint deutlich fülliger als derjenige der zwei Meter kleineren Schwester GT5. Die Freiborde sind im Vergleich höher gezogen bei einem ähnlichen Verhältnis von Länge zu Breite. Das enorme Volumen wird optisch aber recht geschickt durch ein langes Fensterband kaschiert, welches gleichzeitig den Übergang in die fast durchgehende Rumpfaufkimmung markiert. Zudem ist für die Fensterzeile im Rumpf ein auffälliger Rezess mit vielerlei Vorteilen eingeformt. Die Maßnahme streckt die Linien optisch, schützt die eingeklebten Fenster beim Einfahren in die Box und dient konstruktiv als Stringer zur Aussteifung der Rumpfstrukturen.

Der Hintergrund der üppigen Rumpfformen ist weiter im Bestreben der Werft zu suchen, das komplette Vorschiff als ein ebenes Deck ohne jede Aufbauten und mit bündig versenkten Luken zu gestalten. Die Elan GT6 sollte die kleinste Yacht mit einem sogenannten Flushdeck vor dem Mast sein. „Daran haben wir lange gearbeitet und mit Zentimetern und Millimetern gespielt, bis es dann letztlich gepasst hat“, blickt der Werft-CEO Marko Skrbin auf die intensive Planungsphase zurück. Der Kompromiss dafür zeigt sich in einer etwas eingeschränkten Stehhöhe im Vorschiff unter Deck. Dort beträgt die lichte Höhe im Standbereich nur 1,88 Meter, was im Vergleich wenig ist.

Vorn flach. Die GT6 ist die kleinste Yacht mit einem Flushdeck vor dem Mast. Alle Luken sind bündig  eingebautFoto: YACHT/A. Carloni
Vorn flach. Die GT6 ist die kleinste Yacht mit einem Flushdeck vor dem Mast. Alle Luken sind bündig eingebaut

Die Elan GT6 lässt sich schwer einordnen

Die Typenbezeichnung GT6 suggeriert eigentlich ein Schiff mit rund 60 Fuß Länge. Tatsächlich ist die Neue von Elan Yachts mit einer Rumpflänge von 14,30 Metern lediglich ein 47-Fußer. Gleichermaßen ist die kleinere Schwester GT5 nur 40 Fuß lang. Das müssen Interessierte wissen. Auch die Einordnung des GT-Konzepts ins Konkurrenz­umfeld gestaltet sich schwierig. Der Vergleich mit herkömmlichen Fahrtenyachten ist genauso wenig adäquat, wie Parallelen zu den gehobenen Booten mit Deckssalon oder den luxuriösen Fast-Cruisern zu suchen. Mit ihrer GT-Linie positioniert sich Elan Yachts irgendwo dazwischen.

Und dies auch preislich. Knapp 580.000 Euro brutto kostet die GT6 aktuell (Stand Mai 2023) in der Basisversion ohne die Segel. Bis zur segelfertigen Komfort­ausstattung gemäß YACHT-Definition addieren sich Extrakosten bis zum Endpreis von knapp 650.000 Euro. Zum Vergleich: Die Fahrtenyachten aus den großen Werftserien, etwa von Bavaria, Hanse, Jeanneau oder Beneteau, gibt es bereits ab etwa 400.000 Euro. Gehobene Angebote wie zum Beispiel von Wauquiez oder X-Yachts sind dagegen mit Basispreisen von gegen 700.000 Euro oder mehr schon wieder deutlich teurer.

Für die Elan GT6 arbeitete die Werft mit Porsche zusammen

An der langjährigen und vielfach bewährten Zusammenarbeit mit den Kon­strukteuren von Rob Humphreys Yacht Design in England hat Elan Yachts auch für das jüngste Neubauprojekt nicht gerüttelt. Neu für die Entwicklung ist hingegen die Zusammenarbeit mit dem Studio F. A. Porsche Design in Zell am See. Mit der GT6 haben sich die renommierten Designer in Österreich erstmals an ein Segelboot gewagt. Ihre Handschrift ist in vielen Bereichen am und im Schiff wahrnehmbar.

Zum Beispiel an den schon fast skulpturiert anmutenden Rumpfformen im Heckbereich, bei den Steuersäulen, welche mit ihrer Form an die Schwingen von Seemöwen oder Stachelrochen erinnern sollen, oder bei den formschön gestalteten Stauboxen hinten im Cockpit. Augenfällig haben die Gestalter von F. A. Porsche auch beim Innenausbau Akzente gesetzt, mit einer überaus modernen, ungekünstelten und gleichzeitig hochwertig erscheinenden Anmutung. Unter Deck hält man sich tatsächlich gern auf und genießt die Helligkeit durch die vielen Fenster im Rumpf und im Aufbau.

Schick. Die Formensprache der Stauboxen am Heck stammt aus dem Studio F. A. Porsche DesignFoto: YACHT/A. Carloni
Schick. Die Formensprache der Stauboxen am Heck stammt aus dem Studio F. A. Porsche Design

Steuern mit viel Gefühl

In der Bucht vor Portoroz in Slowenien hat mittlerweile die Schönwetterthermik eingesetzt. Diese liefert in der Regel zwischen 10 und 12 Knoten Wind ohne Wellengang. Die GT6 mag diese Bedingungen, kommt schnell und gut in Fahrt und kreuzt hart am Wind auf einem Winkel von 90 Grad mit 6,7 Knoten. Mit einem Gesamtgewicht von 12,4 Tonnen ist die Slowenin im Vergleich mit der ähnlich großen Konkurrenz recht leicht. Das Boot reagiert entsprechend agil und lässt sich vom Steuermann direkt und gefühlvoll an der Windkante halten, trotz der doppelten Ruderblätter.

Überhaupt ist die Steuerung bei der GT6 tadellos ausgeführt, auch technisch. Die Anlage von Jefa koppelt mit zwei getrennten Kabelzügen jeweils ein Steuerrad mit dem Ruderquadranten auf der entsprechenden Seite. Die Ruderwellen sind dann unter Deck nochmals mit einer kräftigen Schub­stange verbunden. Damit bleibt das Schiff manövrierfähig, selbst wenn eine der Steuerkomponenten ausfallen sollte. Diese Anlagen mit zwei getrennten Steuerzügen sind zwar aufwändig zu installieren und damit teuer, allerdings lohnt sich dieser Mehraufwand spätestens im Notfall.

Einfaches Segeln auf der Elan GT6

Das Segeln mit der GT6 ist auch mit kleiner Crew einfach. Die Großschot sowie alle Fallen und Trimmleinen sind über den Mastfuß in breiten Kanälen unter Deck zurück ins Cockpit auf die achteren Winschen geführt. Hier kommen beidseits recht viele Leinen an. Bis die Segel gesetzt und sauber getrimmt sind, ist also etwas Geduld und Übersicht gefragt. Unterwegs bleibt die doppelseitig nach achtern geführte Großschot auf der hinteren Winsch belegt und ist vom Rudergänger auch ohne Verrenkungen zu bedienen. Die Hahnepotführung auf dem Kajütdach verlangt bei Wind aber nach einem hohen Kraftaufwand, weil der Schotzug recht weit vorn am Baum angeschlagen ist. Auf Wunsch können sich die Kunden für einen Targabügel aus Kohlefaser über dem Cockpit entscheiden, über welchen die Großschot effizienter zu bedienen wäre.

Die vordere Winsch im Cockpit steht ausschließlich für die Schoten der Genua oder der zusätzlichen Raumwindsegel wie Gennaker oder Code Zero zur Verfügung. Als Alternative zur Standard-Genua mit 106 Prozent Überlappung könnte die Elan GT6 auch mit einer Selbstwendefock ausgestattet werden. Diese Option bietet sich nur für Starkwindreviere im Norden sinnvoll an, weil der Segelplan der GT6 schon im Standard nicht allzu üppig definiert ist. Die Segeltragezahl liegt trotz der vergleichsweise leichten Bauausführung bei einem lediglich mittleren Wert von 4,6.

Die Elan GT6 ist keine Deckssalon-Yacht, bietet aber dennoch gute Aussicht

Ein schön breiter und nicht allzu steiler Niedergang mit willkommenen Handläufen führt vom Cockpit in den weiten, offenen Salonbereich. Dort allerdings sucht man vergeblich nach Festhaltemöglichkeiten. Bei Wind, Wellen und Krängung fühlt man sich hier verloren und unsicher. Es fehlen an dieser Stelle Handläufe, auf die offenbar zugunsten des schlichten, schnörkellosen Designs verzichtet wurde. Schick, ja, aber leider nicht besonders seegerecht.

Das Layout im Salon ist recht ungewöhnlich. Elan platziert die Pantry über die ganze Schiffsbreite vorn am Hauptschott. Damit muss die Sitzecke um den Salontisch weit nach achtern zurückweichen. Auf der gegenüberliegenden Seite wird viel vom zur Verfügung stehenden Platz durch die ge­räumige Nasszelle eingenommen. Zwischen Toilettenraum und Pantry baut Elan eine Art Chaiselongue ein, eine kleine Sitzecke zum Entspannen und Lesen. Schön und gemütlich, aber zu kurz, um darauf zu schlafen. Dafür kann der mittlere Teil dieses Möbels als Kartentisch und Arbeitsfläche umgeklappt werden. Der Mechanismus ist technisch ausgereift, allerdings empfiehlt es sich, im Klapptisch nicht allzu viele Kleinteile zu lagern, da diese beim Umklappen schnell herausfallen könnten.

Variabel. Zum Ausbau mit hellem Eichenholz gibt es Alternativen. Das Schlichte dominiert innenFoto: YACHT/A. Carloni
Variabel. Zum Ausbau mit hellem Eichenholz gibt es Alternativen. Das Schlichte dominiert innen

Im hinteren Bereich des Salons ist der Boden leicht erhöht. Das macht aus der Elan GT6 zwar noch keine Deckssalonyacht, erlaubt aber trotzdem im Stehen ein schönes Hafenkino durch das fast umlaufende Fen­sterband im Kajütaufbau. Im Sitzen ist die Aussicht durch die langen Rumpffenster gewährleistet. Der Salontisch ist übrigens von der großen Tafel leicht und einfach in ein kleines Kaffeetischchen konvertierbar. Überdies lassen sich zusätzliche Klappstühle aus Teakholz dazustellen, damit am Tisch bis zu sieben Personen bequem sitzen können. Für die Stühle hat Elan sogar einen eigenen Stauraum im Salon vorgesehen.

Der Platz ist hier und da knapp

Das Inselbett im Vorschiff ist mit dem Kopfteil relativ weit in den Bug hineingebaut und deshalb auf Höhe der Schultern nur gerade 1,37 Meter breit. Dafür verfügt die Vorschiffskabine über ein eigenes Bad mit WC und Duschbereich. Wer allerdings vorn duschen will, muss sich schlank machen, um die faltbare Plexiglasabtrennung schließen zu können. Mehr Platz und bessere Möglichkeiten zum Duschen bietet der Nassraum achtern. In beiden Toiletten gibt es nur eine relativ kleine Decksluke zum Lüften. Ausreichend gut sind die Ventilationsmöglichkeiten dagegen in den Kabinen sowie im Salon.

Die beiden Achterkabinen sind nicht identisch groß. Der trennende Technik­kanal, in welchem auch ein Generator Platz findet, ist seitlich nach Steuerbord um etwa 20 Zentimeter verschoben. Damit sind auch die Kojen hinten unterschiedlich groß. Das Doppelbett auf der Backbordseite ist mit einer Breite von 1,53 Metern ordentlich bemessen, steuerbords wird es bei einer Breite von 1,32 Meter bei Doppelbelegung eng.

Elan legt in Sachen Qualität weiter vor

Schon im YACHT-Test der GT5 wurde die überdurchschnittlich gute Ausbauqualität gewürdigt. Mit dem neuen Schiff GT6 scheint Elan diesbezüglich nochmals nachlegen und sich nachhaltig vom Qualitätsstandard vieler Großserienwerften absetzen zu können. Die Verarbeitung beim Innenausbau ist bis ins kleine Detail tadellos. Die schönen Holzarbeiten zeugen von akkuratem Bootsbauhandwerk, und die Bordtechnik ist nicht nur schön installiert, sondern auch materialtechnisch von bester Ausführung. Bezüglich der Qualität orientiert man sich bei Elan Yachts selbstbewusst an den gehobenen Marktsegmenten und nennt zum Vergleich Marken wie X-Yachts, Solaris Yachts oder Grand Soleil – nicht zu Unrecht.

Mit der Elan GT6 machen die Yachtbauer in Slowenien einmal mehr deutlich, dass sie es selbst mit den etablierten Premium-Marken jederzeit aufnehmen wollen und dies auch können. Das Konzept ist rund, die Segeleigenschaften sind gut, die Qualitäten stimmig, die Preispolitik ist attraktiv.


Messwerte Elan GT6

Segelleistungen, ohne Abdrift und Strom

Windgeschwindigkeit: 10 kn (3 Bft), Wellenhöhe: glattes Wasser, * Mit Gennaker

Potenzial STZ*

Trotz sportlicher Allüren ist die GT6 vor allem ein Tourenschiff. Die Segeltragezahl mit Genua ist nur leicht erhöht

* Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V).

Kojenmaße

Stehhöhe

Schalldruck

Gemessen in Marschfahrt (80 % der Höchstdrehzahl): 8,2 kn, 2.400 min –1


YACHT-Bewertung Elan GT6

Solide gefertigter und schön ausgebauter Tourer von Elan Yachts mit überraschend sportlichen Segeleigenschaften. Das eigenständige Boot lässt wenig Direktvergleiche zu. Trotz der hochwertigen Grundausstattung bleiben die Preise ansprechend

Konstruktion und Konzept

  • + Eigenständig und individuell
  • + Attraktive Preisgestaltung
  • - Wenig Stehhöhe im Vorschiff

Segelleistung und Trimm

  • + Solide Leistungen am Wind
  • + Einfaches Handling
  • + Feinfühlige Steuerung

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Schöner, wohnlicher Innenausbau
  • + Hohe Verarbeitungsqualität
  • - Schmale Koje im Vorschiff

Ausrüstung und Technik

  • + Redundante Steueranlage
  • + Targabügel als Option machbar
  • - Wenig effiziente Großschotführung

Technische Daten Elan GT6

Gesetzt. Der Ausbau mit drei Kabinen und zwei Nasszellen ist Standard ab WerftFoto: YACHT
Gesetzt. Der Ausbau mit drei Kabinen und zwei Nasszellen ist Standard ab Werft
  • Konstrukteur: Humphreys Yacht Design
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 14,32 m
  • Gesamtlänge: 15,14 m
  • Wasserlinienlänge: 13,49 m
  • Breite: 4,49 m
  • Tiefgang/alternativ: 2,45/1,99 m
  • Theoretische Rumpfgeschwindigkeit: 8,9 kn
  • Gewicht: 12,45 t
  • Ballast/-anteil: 3,9 t/31 %
  • Masthöhe über Wasserlinie: 21,9 m
  • Großsegel: 62,6 m²
  • Genua (106 %): 49,14 m²
  • Maschine (Volvo Penta): 44 kW/60 PS
  • Kraftstofftank (Edelstahl): 300 l
  • Frischwassertank (Kunststoff): 500 l
  • Fäkalientank (Kunststoff): 2x 70 l

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Sandwichkonstruktion gebaut im Vakuuminfusionsverfahren. Rumpf­laminat mit Vinylesterharz. Schotten am Rumpf und Deck anlaminiert

Grundpreis ab Werft (Stand Mai 2023)

  • 578.220 €, ab Werft, brutto inkl. 19 % Mehrwertsteuer

Werft und Vertrieb

Dieser Artikel erschien in der YACHT-Ausgabe 21/2020 und wurde für diese Online-Version überarbeitet.


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