Alexander Worms
· 15.11.2024
Braun? Warum sind Zierstreifen, Aufbau und Decksflächen braun? Okay, über Geschmack lässt sich nicht streiten und natürlich war der zu Beginn der Achtzigerjahre ein anderer. Dieses Braun jedoch ist wirklich anstrengend. Dieser dunkle, wenig lebensbejahende Naturton in Kombination mit den umbrafarbenen Restflächen an Deck kaschiert die an sich recht gefälligen Linien der Duetta 86 wirklich gekonnt. Es gab sie auch in Blau-Weiß und da sieht sie auch heute noch wirklich nett aus. Aber braun?
Soziologen und Designer erklären, dass in den Siebzigerjahren mit Vietnamkrieg und Ölkrise die bunten und knalligen Farben der Hippies nicht mehr zum damaligen, eher realistischen Zeitgeist passten und somit deplatziert erschienen und dass daher der Trend zu natürlicheren, erdigen Farben einsetzte. Dem wollte sich Dehler seinerzeit offenbar nicht entziehen. Darum ist das Testboot in weiten Teilen nun mal, wie es ist: braun.
Wer sich aber durch die farblichen Irrwege hindurch näher mit dem Schiff befasst, findet mehr Erstaunliches. Eine Achterkabine mit zwei veritablen Betten zum Beispiel, ein Mittelcockpit mit Steuersäule, ein ungewöhnlicher, aber gemütlicher Innenraum samt separatem WC-Abteil. Und natürlich die Tatsache, dass es eine Dehler ist.
Die sind erfreulich robust und obendrein wohldurchdacht, mit vielen nützlichen Details. Damals waren die Duettas echte Fahrtenschiffe. Zwar von Cees van Tongeren, damals Angestellter und später Inhaber von Van de Stadt, jenem legendären Entwurfsbüro in Zaandam, schon mit erstaunlich breitem Heck gezeichnet. Aber eben mitten in der IOR-Ära so gar nicht IOR. Kein Minispiegel, keine Beule, sondern ein gestreckter Rumpf, achtern breit und gutmütig auch bei mehr Krängung. „Das war ein Verkäuferschiff. Wir fingen damals an mit der Delanta, aus der Georg Nissen die ‚Timschal‘ entwarf und erfolgreich Regatten segelte, auch über die DB 1 nachzudenken. Das fand mein Vater damals spannend: sportlicher segeln.
Die DB 1 war ein Vollblut- IOR- Dreivierteltonner. Da wurden die Verkäufer nervös. Zu sportlich ist ja nett, aber kauft das auch wer? Darum die Duetta 86 als echtes Fahrtenschiff, um die zu beruhigen“, erzählt Karl Dehler, Sohn des Werftgründers Willi Dehler. Und die Verkäufer hielten Wort. „So 1.000 Stück sind das sicher, die von der Duetta gebaut wurden“, erinnert er sich. Neben den Serien Delanta, Optima, Sprinta und der legendären Varianta 65 war die Duetta ihrerzeit die fünfte Linie der Werft.
Und die 86 kam gleich in drei Ausbauvarianten: Die „L“ hat eine Doppelkoje unter dem Vorschiff. Daran schließt der Salon mit L-förmiger Pantry an. Das Cockpit reicht bis an den Spiegel. Das Gleiche gilt für die Version „G“. Sie hat jedoch keine Liegemöglichkeit unter dem Vordeck. Dort sind von innen erreichbare Schränke und eine von Deck aus zugängliche große Segellast untergebracht. Geschlafen wird in zwei Hundekojen, die von innen her zu erreichen sind.
Die dritte Version „A“ ist die des Testbootes mit der abgetrennten Achterkabine. Dort befinden sich ebenfalls zwei einzelne Kojen. Das Cockpit rutscht nach vorne. Unter dem Vordeck finden sich wie bei der „G“ keine Kojen. Der Salontisch kann jedoch abgesenkt werden, sodass dort ebenfalls eine riesige Liegefläche entsteht, in der aber in der Mitte die Maststütze thront. Der Zusatz „S“ in den Bezeichnungen steht für eine luxuriösere Ausstattung, in der die Teak-Scheuerleiste, Teak im Cockpit, Treadmaster-Decksbelag und der Gaskocher enthalten waren.
Besonders war damals auch eine Marketingaktion. „Es war seinerzeit üblich, ein neues Modell vorher in der Werbung anzukündigen. Also zeigten wir eine Zeichnung der Version mit dem größten Innenraum; das war die ‚L‘ mit dem offenen Vorschiff. Nun konnten die Leute raten, wie viel Stück einer von uns definierten Segeltasche in den Innenraum passten. Wer am nächsten dran war, konnte eine Sprinta Sport gewinnen. Es kamen weit über 10.000 Zuschriften“, so Dehler. „Die Leute haben seitenlang gerechnet. Es mussten Anwälte kommen, damit alles gerichtsfest blieb. Sowieso gewann jeder Teilnehmer eine solche Tasche. Dann haben wir unter Aufsicht das Schiff vollgepackt. 630 Stück gingen rein.“ Und tatsächlich fällt auch heute noch der sehr üppige Stauraum auf: in Schapps, unter Bänken, zwischen den Kojen achtern oder auch ganz vorne im riesigen Schrank.
Im Cockpit der „A“-Version steht eine Steuersäule mit Rad, von wo die Lenkbefehle hydraulisch auf den Quadranten übertragen werden. Die anderen Versionen haben meist eine Pinne, einige jedoch sind ebenfalls mit Rad gebaut worden.
Die Version des Testschiffes mit Rad und Achterkabine bietet beidseits des achteren Niedergangs im Cockpit eine bequeme Sitzgelegenheit mit dem Rücken an die Kabine hinten angelehnt und den Beinen auf der Ducht. Die ist 1,96 Meter lang, sodass es sich dort gut ruhen lässt. Gemütlich angelehnt sind Rad und Vorschot genau in Griffweite, die Großschot ist allerdings leider schlecht erreichbar vor der Steuersäule auf dem Boden angeschlagen.
Die Genua wird auf dem Testschiff an Stagreitern gefahren, leider ist sie im Vorliek zu lang, um das Fall ausreichend weit durchzusetzen. Alternativ gäbe es eine Selbstwendefock. Für die rund zehn bis zwölf Knoten Wind am Testtag aber ist die Konfiguration mit vollem Groß und der mittelgroßen Genua ideal. Das Schiff fährt gut los. Agil ist es nicht, die Rückmeldung am Rad bleibt hydraulikbedingt leider aus. Es gelingt jedoch, rechte Winkel ins Kielwasser zu malen, trotz der wenig gut stehenden Genua. Dabei sind in den leichten Böen auch mal etwas mehr als fünf Knoten drin. Das geht in Ordnung.
Auf dem Weg zurück vor dem Wind fällt die starke Pfeilung der Salinge auf: Wirklich weit lässt sich das Groß daher leider nicht öffnen. Somit: Die Duetta 86 ist vor allem ein Fahrtenschiff, das mit seinem tiefen Cockpit und seinen bequemen Sitzduchten einen geborgenen und angenehmen Ort bietet, von dem aus es gefahren wird. Das gefällt.
Im Testboot nagelt ein 2GM20 von Yanmar vor sich hin. Der wird als sehr robust beschrieben, alternativ wurden auch Farymann-Motoren verbaut. Wie immer gilt: 40 Jahre alte, einkreisgekühlte Motoren haben den Großteil ihres Lebens schon hinter sich. Ein bereits erneuerter Antrieb ist mithin ein dicker Pluspunkt für die Suche nach einer Duetta.
Unter Deck zeigt sich das Testschiff recht frisch, die Holzoberflächen sind noch intakt. Eine sehr gemütliche Sitzgruppe bietet der Salon, hier passen locker vier Personen um den großen, drehbaren Tisch. Senkt man den ab, so entsteht dort eine Liegewiese von 2,06 Metern Länge, die achtern 2,03 und vorne noch 1,48 Meter breit ist. Hier lässt es sich sehr kommod nächtigen. Weniger geräumig geht es im WC-Raum zu. Die Türe muss offen sein, wenn man sich wieder ankleiden möchte.
Die Pantry kann mit einer Ablage abgedeckt werden und dient als Navitisch. Sie ist als Ganzes halbkardanisch aufgehängt. Wenn der Kocher mal nicht mehr funktioniert, gibt es hierfür jedoch keinen Ersatz mehr, dann müssen sich Eigner etwas einfallen lassen.
Das Besondere an der Aufteilung der Duetta 86 ist sicherlich die Achterkabine. Die sorgt zum einen für ein sehr tiefes und gemütliches Cockpit und zum anderen macht es die Duetta zu einem idealen Boot für Familien mit Kindern. Die dürfen sich zu gegebener Zeit in ihr eigenes kleines Reich verkriechen, während die Eltern im Salon noch etwas wach bleiben können. Die Idee zur getrennten Achterkammer kam Willi Dehler bereits vorher, als er die Optima entwarf. Sohn Karl und der Vater teilten, so sagt es die Legende, ihren Musikgeschmack nicht. Kurzerhand erfand der findige Sauerländer die Achterkammer.
Wer eine Duetta sucht, sei es in der Version mit zwei Hundekojen oder mit Achterkammer, muss leider eine ganze Reihe von Punkten beachten: Auf dem Testschiff war im Bereich der Püttinge an Steuerbord durch Haarrisse im Gelcoat offenbar Feuchtigkeit ins Laminat eingedrungen. Der Bereich ist aufgequollen. Die Püttinge sind zum Glück unter Deck abgefangen mit Flachstahl, der mit dem Rumpf verbunden ist, sodass dem Rigg zunächst kein unmittelbarer Schaden droht, dennoch muss hier sorgfältig repariert werden. Viel Arbeit.
Ähnliches gilt für den Mastfuß, der ebenfalls einen Holzkern hat, der durch undichte Elektrostecker Schaden genommen hat. Und noch mal: Das gleiche Problem zeigt sich an den Enden der Selbstwendeschiene. Auch hier drang Feuchtigkeit ein, das Holz dehnte sich aus und zerstörte durch den dabei entstandenen Druck das Laminat. Etwas besorgniserregend sind auch die Stehrohre aus Kupfer, auf welche die Lenzschläuche des Cockpits aufgesteckt sind. Zwar reichen die Rohre bis über die Wasserlinie, Seeventile fehlen jedoch daher. Und wie dauerhaft die Verbindung der Rohre mit dem Rumpf ist, bleibt indes fraglich.
Die Dichtungen der Luken lecken mit der Zeit gerne. Ersatz jedoch ist erhältlich. Dazu wenden sich Duetta-Eigner am besten an das Marina-Team in Großenbrode, das viele Ersatzteile bereithält. Nicht mehr verfügbar sind dort jedoch die vielen ABS-Tiefziehteile, mit denen Dehler seinerzeit gearbeitet hat. Dabei geht es zum Beispiel um die komplette Innenschale, das Waschbecken im WC oder auch um die Lukgarage. Das Problem an ABS: Es lässt sich nicht reparieren. Dann heißt es das Ganze aufwendig in GFK nachbauen. Ein weiterer Punkt ist das auskreidende Gelcoat, das nur noch die Neulackierung als Option lässt. Dann vielleicht nicht in Braun. Die Teak-Scheuerleiste wird, wenn sie verschlissen ist, heute eher in Kunststoff ersetzt. Der Treadmaster-Decksbelag ist ebenso ein Bereich, auf den man genau achten sollte: Ihn zu tauschen, bedeutet viel Arbeit. Und es sind noch die Ruderlager zu nennen: Schlackert das Blatt in Motorfahrt, dann sind diese verschlissen.
Die Duetta 86 ist ein interessantes Schiff, sicher in der Version mit der Achterkammer. Die Segeleigenschaften gehen in Ordnung, auch wenn der Spaß wegen der Hydraulik am Ruder etwas hintenansteht, die Verarbeitung ist nicht vom Allerfeinsten, aber allemal ausreichend gut. Je nach Zustand, Besegelung und Motorisierung kostet so eine Duetta 86 heute zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Je nach Bastelaffinität ist das ein günstiger Zugang zum Segelsport. Alternativ zu betrachten wäre die Friendship 28, die Contest 28 oder eine Victoire 855. Alle kosten in etwa dasselbe, alle segeln ordentlich und haben ähnliche Wehwehchen. Nur die Achterkajüte, die hat die Duetta exklusiv.
Die Duetta wurde mit Balsakern zumindest im Deck gebaut, an neuralgischen Stellen in Volllaminat. Es gibt drei Versionen, ergänzt durch zwei Tiefgänge und die Ausstattungslinie „S“. Die Version „L“ mit L-Pantry kam etwas später.
Die Schiffe gehen noch lange nicht kaputt und es wurden viele gebaut. Darum ist das Angebot am Markt immer üppig. Das Schiff ist theoretisch trailerbar, daher ist es oft auf Binnenrevieren zu finden. Schwerpunkte sind aber die Küsten von Deutschland und den Niederlanden.
Der Balsakern darf keinesfalls feucht geworden sein. Der Decksbelag altert. Löst er sich, ist eine arbeitsaufwendige Erneuerung fällig. Die Ruderlager verschleißen, ebenso die Lukengummis und die Fenster. Alte einkreisgekühlte Motoren sind oft an ihrem Lebensende angekommen.
Ein gutes Touren- und Familienschiff. Besonders in der Version mit Achterkajüte geeignet, wenn Kinder mit an Bord sind. Ausreichende Segeleigenschaften, hohe Sicherheitsreserven
Geschütztes Cockpit
Viele Ausbauvarianten
Variabler Segelplan
Gutmütige Segeleigenschaften
Großschotführung
Hydraulische Steuerung
Kojen ausreichend groß
Viel Stauraum
Diverse ABS-Teile
WC-Raum sehr klein
Keine Seeventile (Plichtlenzer)