Das besondere BootSwede 41 „Sleipnir“ – der Schwedenkönig

Fridtjof Gunkel

, Marc Bielefeld

 · 25.09.2022

Das besondere Boot: Swede 41 „Sleipnir“ – der SchwedenkönigFoto: YACHT/M. Bielefeld
Lange Überhänge wie ein großer Drachen: die 12,45 Meter lange Swede 41

Schön alt, schön neu, schön schnell: Die Swede 41 „Sleipnir“ ist ein moderner Schärenkreuzer, der es in sich hat – klassisch auf ganzer Linie, ausgestattet mit modernstem Komfort. Ein Stück skandinavisches Kulturgut auf der Höhe der Zeit

Lemkenhafen ist ein beschauliches Örtchen auf Fehmarn, ehemals ein einsames Fischerkaff im Westwind, heute ein Ferienidyll, das sich in den letzten Jahren artig herausgeputzt hat. Radfahrer kehren im Restaurant „Samoa“ ein, Touristen stehen Schlange vor der „Aalkate“, die Ferienwohnungen und Parkplätze wirken brandneu, vor den Surfshops sortieren die Angereisten ihr Equipment oder sitzen mit einem Cappuccino in der Sonne. Und kaum weht hier oben mehr als Windstärke drei, mutiert die Bucht zur Rennpiste: Wie bunte Geschwader zischen die Kitesurfer über die flache Ostsee.

Eine Attraktion hätte das winzige Lemkenhafen noch zu bieten, doch die ist nirgends ausgewiesen. Dabei könnten die Einwohner über dem Eingang zum Yachthafen getrost ein großes Schild anbringen und dick draufschreiben: „Museum für schwimmendes schwedisches Kulturgut“. Der Eintritt wäre sogar frei und die ausgestellten Objekte gleich reihenweise zu bestaunen. Lemkenhafen ist nämlich auch ein Sammelpunkt für Schärenkreuzer: für jene berühmten Seenadeln aus Schweden, die zu den elegantesten, schlankesten, spitzesten, sportlichsten und schnellsten Yachten überhaupt gehören. Und das seit weit über hundert Jahren, nachdem im August 1896 die Entwicklung dieser ranken Flitzer ihren Ursprung nahm.

In der Marina liegen die raren Augenweiden in ihren Boxen, aufgereiht wie Schmuckstücke an der Dalbenkette. Gut zehn sind es mindestens. Gleich mehrere 15er-Schärenkreuzer schmücken das Bild, viele davon erbaut in der Hochzeit der Klassen zwischen 1933 und 1941. Die „Oj Oj“, die „Reed Wing“, die „Romance II“. Nebenan dümpeln 22er- und 30er-Schärenkreuzer, ebenfalls beste Jahrgänge, dazu gleich mehrere spätere „Swedes“, jener Bootstyp, der 1975 von Knud Reimers als größere Schwester des beliebten S30 entwickelt wurde. Lemkenhafen ist ein kleines Mekka für die Flitzer aus dem Schärenreich; nicht umsonst findet hier regelmäßig ein Treffen statt, das unter dem Rubrum „Schlank und rank“ läuft. Und wahrscheinlich müsste man heute selbst in Schweden lange suchen, um eine solche Ansammlung der typisch skandinavischen Boote zu finden.

Verschärfte Kombi aus Alt und Neu

Und dann liegt da noch so ein Schiff, das sich durch seine rassigen Linien auszeichnet. Was aber ist das? Was schwimmt da nun wieder geradezu pfeilgleich im Hafen? Alt sieht die Yacht aus, lässt man die Linien, den Rumpf, die ewig langen Überhänge, die flachen Aufbauten auf sich wirken. Nachgerade hochmodern wiederum mutet dieses Gefährt an, beäugt man einige der Details: neues Rigg, weißer Mast, weißer Baum. Die Beschläge blitzen in der Sonne, die selbstholenden Winschen sind aktuelle Generation. Auch das stehende und laufende Gut ist der letzte Schrei. Was denn nun, fragt der Betrachter unwillkürlich. Alt? Neu? Womöglich eine verschärfte Kombi aus beidem – aus den besten Ergebnissen, die aus den Epochen des Segelns hervorgegangen sind? Über das nagelneue Teakdeck tänzelt an diesem Morgen Richard Natmeßnig, 50 Jahre alt, Psychotherapeut und ein begeisterter Segler, der sich vor drei Jahren einen Traum wahrgemacht hat, der jede Therapie übersteigt. Der besagte Retro-Klassiker, der dort im grünen Wasser schwimmt, ist ein besonderes Stück unter Lemkenhafens schlanken Beautys.

Die Swede 41 Sleipnir“ im Detail:

Die 12,45 Meter lange Swede 41 ähnelt einem übergroßen Drachen
Foto: YACHT/M. Bielefeld

Natmeßnig, in Österreich geboren, segelte als Jugendlicher auf dem Wörthersee, sein Vater nahm ihn regelmäßig mit auf Törns in die Adria, wo sie zwischen Dubrovnik und den Kornaten kreuzten. Schön warm war es da unten, doch Natmeßnig verschlug es beruflich und aus familiären Gründen später in den deutschen Norden. Der Onkel seiner Frau besaß eine Yacht, auf der er fortan segelte, es kamen seine drei Kinder, seine Karriere als Therapeut, es folgten immer wieder Segelsommer auf der Ostsee; Trips die deutschen Küsten entlang, in die Dänische Südsee. Natmeßnig liebte das den Charme des Nordens, die kleinen Häfen, das Klappern der Fallen in einem strammen Westwind. Allein: Er hatte noch nie ein Boot sein Eigen genannt.

Klassische Linien mit modernster Ausstattung

Das sollte sich nun ändern, 2016, um genau zu sein. Natmeßnig suchte ein Schiff. Eines, das irgendwie alt sein sollte, aber eben auch neu. Schnell sollte es sein, sicher, komfortabel, edel und vor allem: schön. Eines Tages stieß er auf eine Anzeige, las den Namen einer schwedischen Idee, googelte und stieß auf die Seite von Classic Swedish Yachts. Darunter stand das Motto: „A classic – reborn modern.“ Natmeßnig konnte kaum glauben, was er sah: eine Yacht, deren klassische Linien ihn auf Anhieb verzauberten; insgesamt ein Yachtkonzept, das jedoch gleichzeitig durch modernste Ausstattung bestach. Hier kam zusammen, was man erst mal zusammenbringen muss, Tradition, Historie, Performance, Technik, Eleganz – summiert zu blankem Segeln. Kurzum: Natmeßnig stierte auf ein Boot, bei dem wohl jeder Segler Beruhigungspillen braucht – vor allem bei dem Gedanken, sich so ein Gefährt auch noch höchstpersönlich zu ordern. Es folgte eine erste Mail. Ein erstes Gespräch. Ein erster Austausch mit jenen Herren, die da oben in Schweden Außergewöhnliches ausgebrütet hatten.

Natmeßnig lernte Olof Hildebrand kennen, den Firmengründer von Classic Swedish Yachts. Mit anderen hatte der sich zusammengetan, um das kulturelle Erbe der Schärenkreuzer in die Moderne zu überführen. Dazu beigetragen hatte auch Sven-Olof Ridder, ein Designer und Hydrodynamik-Experte, der schon Schiffe mit Knud Reimers entwickelte. Bereits in den 1970er Jahren hatte der berühmte skandinavische Yachtdesigner die klassischen Langkieler mit einem geteilten Lateralplan versehen, die Rümpfe breiter und voluminöser gezeichnet, die Kajüte vergrößert, um so den steigenden Ansprüchen der Tourensegler nachzukommen. Der Schärenkreuzer erhielt sein erstes Lifting und wurde fortan aus GFK gebaut.

Die dritte Auferstehung der Schärenkreuzer

Die Idee heute, im dritten Millennium: Der gute alte Schärenkreuzer sollte nach seiner ersten Modernisierung nun noch einmal neu auferstehen – mit allem Drum und Dran, das die Segelwelt heute zu bieten hat. Natmeßnig schlug tatsächlich zu, er konnte nicht anders. 2016 bestellte er seine nagelneue schwedische Rennschäre – 2018 holte er die Yacht vom Typ Swede 41 ab. „Der Lateralplan ist noch immer geteilt“, erklärt er und sitzt in seinem Cockpit, das rundherum mit einer hellgrauen Polsterung ausgekleidet ist. „Heute hat das Schiff eine Kielflosse mit einer Art kleinen Bombe drunter.“

Knapp vier Tonnen wiegt die Yacht, 1900 Kilogramm der Ballast, in dem auch gleich der 130 Liter fassende Wassertank untergebracht ist, in einer Edelstahlkassette. Die smarte Lösung lässt schon ahnen, worum es den Konstrukteuren heute geht: den letzten Zipfel für die Performance auszunutzen – und dabei doch nicht Bedienung und Komfort zu kurz kommen zu lassen. Und das sieht dann im Detail so aus. Vor allem, wenn Natmeßnig seine Augen über das Schiff wandern lässt und erklärt, was bei der Wahl seiner Ausstattung noch alles hinzugekommen ist. „Die ,Sleipnir‘ ist nun mal mein Lebenstraum“, sagt er. „Wenn schon, denn schon.“

Carbon, Holz, GFK die Swede 41 kombiniert alle Materialien

Das Rigg besteht komplett aus Carbon, der Baum, der 16 Meter hohe Mast. Die Wanten kommen als Rod Rigging daher, massiver Vollstahl, dünn, kaum Reck. Die Segel von North Sails sind 3Di-Membranen, laminiert und getempert, zudem hübsch und hell beschichtet. Mit dem Code Zero bringt die Yacht 87 Quadratmeter an den Wind – genug, damit die moderne Schäre problemlos mit acht Knoten segelt. Mit brettflach getrimmter Fock sind es immerhin 66 Quadratmeter, mehr als doppelt so viel Fläche, wie einstmals die alten Vorbilder vom Typ S30 trugen.

Die Rosättra Båtvarv, wo diese Swede 41 als eine von bisher nur drei Exemplaren gebaut wurde, realisierte aber noch ein paar weitere Schmankerl, auf die Natmeßnig Wert legte. Teakdeck. Aufbauten aus Mahagoni, inklusive 25 Lackschichten. Salon: Mahagoni, Eiche. Die Blöcke sind allesamt aus blitzendem Edelstahl, ebenso die kräftigen Winschen. Die Belegklampen lassen sich im Teakdeck versenken, wie die Decksluken sind auch sie aus Edelstahl gefertigt. Trimmleinen, Schoten, Fallen: Fast alles besteht hier aus Dyneema, teils schützend ummantelt. Der Rumpf hingegen ist aus GFK konstruiert, in Sandwich-Bauweise beidseits auf einen 25-Millimeter-Schaumkern laminiert. Auch das macht das Boot leicht, fest, schnell. Für einen Schärenkreuzer, der dennoch so klassisch anmutet, ist dies ein unsichtbares, aber bahnbrechendes Merkmal. Vergleichbar mit einem alten Sportwagen, den man heute komplett aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen baut. Anschaulich ausgedrückt: ein Wolf im modernen Schafspelz, bei dem den Bootsbauern von damals vor Staunen die Kalfateisen aus den Pranken gefallen wären.

Die Swede 41 lässt andere Segler stutzen

Natmeßnig steigt in seine Seestiefel, schiebt sich das Cappy zurecht. Er will segeln. Die Bedingungen vor Fehmarn sind gut, 5 Beaufort aus Ost wehen, genug, um die Swede 41 mit erstem, später mit zweitem Reff in volle Fahrt zu bringen. In der Bucht sind die Segel schnell gesetzt, schon geht es hoch an den Wind. Die „Sleipnir“ legt sich auf die Seite, über die Süllkante sprudelt das Wasser. Die Logge zeigt im Nu über sieben Knoten. Andere Segler schauen beim Passieren herüber. Stutzend. Fragend. Der alte neue Schwede zieht so hoch am Wind durch die Welle, dass man meint, die Yacht spaziere tatsächlich frontal gegenan. Und das beinahe mühelos.

An der Pinne: kaum Druck. Die Segel: dichtgeknallt wie Aluwände. Das Segeln: die reinste Freude, nah am Wasser, nah am Wind – nah an jenem Gefühl, um das es geht. Das Boot bis in die Fingerspitzen spüren, den Wind, die federleichte Macht des Vortriebs. Und doch kommt man hier in den Genuss, sich gefühlt noch immer überaus traditionell fortzubewegen und nicht auf einer hochgetunten Hightech-Rakete modernster Prägung zu sitzen.

„Die Schweden um Olof Hildebrand hatten eine gute Idee“, ruft Natmeßnig in den Wind. „Sie haben bei den neuen Swedes einfach die Aufbauten wieder abgeschnitten!“ Heißt: Sie haben die letzten Nachfolger der alten Schärenkreuzer wieder auf ihr klassisches Aussehen zurückgestutzt, indem sie die mächtigeren Kajütaufbauten der 1970er-Modelle wieder verflachten, verjüngten. Das sieht heute wieder schön elegant aus, mag sich aber auch nach einer Schmälerung des Komforts anhören. Doch dies ist nicht wirklich der Fall, begibt man sich ins Innere der Yacht. Trotz kleinem, flachem Raum hat die Moderne auch hier zu Detaillösungen geführt, die das Weilen an Bord äußerst kommod machen.

Optimale Raumausnutzung unter Deck

Nach vier Stunden Kreuzen, nach Kursen in alle Himmelsrichtungen und einem Abstecher unter die Fehmarnsundbrücke liegt die „Sleipnir“ wieder still im Hafen. Natmeßnig begibt sich in den hellen Salon, erklärt einige Details, die nicht sofort ersichtlich sind. Da wäre das Paneel für die Elektrik, hübsch versteckt hinter einer Schapptür. Da wäre der kleine Kartentisch, unter dem sich – man glaubt es nicht – eine Seetoilette versteckt, die auch noch elektrisch funktioniert. Zwei, drei Handgriffe, und man sitzt in einem kleinen Separee; hochpraktisch, hocheffizient. Und das auf einem gerade mal 2,50 Meter schmalen Boot.

Raumtechnisch optimal genutzt ist hier jeder Zentimeter. Auch die kleine Kombüse gegenüber, mit Staufächern und Spüle. Beim Gang ins Vorschiff öffnet sich weiterer Schrankraum, edles Holz. Der wahre Luxus aber dürfte sich erst dem offenbaren, der sich nach einem klitschnassen Herbsttag vorn auf die Doppelkoje fallen lässt. Dort ruht der müde Segler dann auf einer Taschenfederkernmatratze, die über ein kleines, fast lautloses Gebläse vorgeheizt und entlüftet werden kann. So lässt es sich kuschelig warm schlafen, und über Nacht bleibt null Feuchtigkeit stehen. Klimatisiertes Ratzen auf dem Wasser – warum auch nicht? Es ist Teil der ganzen Idee, den klassischen Schärenkreuzer in der Moderne stattfinden zu lassen.

  Schön, aber knapp: „Sleipnirs“ SalonFoto: YACHT/M. Bielefeld
Schön, aber knapp: „Sleipnirs“ Salon

Das Beste vom Alten und das Beste vom Neuen

Dazu gehört, man hätte es fast ahnen können, auch ein zeitgemäßer Elektromotor. Natmeßnig sitzt wieder im Cockpit, hebt die Bodenbretter an. Darunter sitzt – schier und ohne jeden Ölfleck – der schwarze Motor. Drei Akkus sind in der rechten Backskiste untergebracht, der vierte in der linken, gleich neben dem Kühlschrank, der als Toplader hier gar nicht erst auffällt, innen null Stauraum klaut und dennoch allemal ausreichend Platz bietet für ausreichend Manöverbiere. So kann es laufen. Eine 120 Jahre alte Idee – auf die Standards des dritten Jahrtausends gehievt.

Natmeßnig ist sichtlich glücklich mit seinem Traum. „Alles stimmt“, sagt er. „Ich wüsste nicht, was ich hier noch verbessern sollte.“ Ein perfektes Lebensgefühl unter Segeln, das einer Denkweise geschuldet ist, die nicht nur im Yachtbau funktioniert. Die Erfolgsformel dürfte prinzipiell ihre Reize haben: Man nehme das Beste vom Alten und kombiniere es mit dem Besten vom Neuen. Historie und Gegenwart, verschmolzen zu einer segelnden Sahneschnitte.

Nur bei der Namensgebung griff Richard Natmeßnig ausnahmslos tief in die Annalen zurück. Der Begriff „Sleipnir“ stammt aus der nordischen Mythologie und steht in den isländischen Vorzeit-Sagas für das achtbeinige Pferd des Gottes Odin. Seinen Namen erhielt das sagenhafte Fabelwesen, weil es regelrecht „dahinglitt“ – zu Lande, zu Wasser, in der Luft. Der dahingleitende Schwede? Der Österreicher würde sagen: passt.

Technische Daten Swede 41 „Sleipnir“

  • Konstrukteur: Ridder/Hildebrand
  • Rumpflänge: 12,45 m
  • Wasserlinienlänge: 9,70 m
  • Breite: 2,50 m
  • Tiefgang: 1,78 m
  • Gewicht: 3,8 t
  • Ballast/-anteil: 1,9 t/50 %
  • Großsegel: 38,0 m²
  • Rollgenua (110 %): 25,0 m²

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