Michael Good
· 25.01.2024
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Besonders deutlich wird dies bei den Angeboten der großen Serienhersteller in der mittleren Längenklasse, also bei den Fahrtenyachten zwischen elf und zwölf Meter Rumpflänge. In diesem beliebten und absatzstarken Segment treiben sich die führenden Hersteller mit stets kürzer werdenden Produktzyklen, frischen Konstruktionsansätzen und oftmals durchdachten Detaillösungen gegenseitig zu immer neuen Höchstleistungen. Nur konstante Weiterentwicklungen und Konzeptanpassungen führen zum Erfolg. Gleichermaßen gilt es für die Unternehmen, an den eigenen Markenwerten festzuhalten und Linientreue zu wahren. Es ist eine schwierige Gratwanderung in einem anspruchsvollen und sehr dynamischen Marktumfeld.
Mit einem neuen Schiff für die wichtige Elf-Meter-Klasse liefert der Marktführer Beneteau ganz aktuell ein eindrückliches Beispiel einer äußerst konsequenten, aber auch innovativen Modellentwicklung und Programmpflege ab. Die Oceanis 37.1 kommt jetzt als Nachfolgerin für die 38.1, die es als einer der Bestseller der Franzosen auf eine stattliche Marktpräsenz von neun Jahren gebracht hat. Und mit der neuen Yacht komplettiert Beneteau die aktuelle, mittlerweile schon neunte Generation seines Fahrtenprogramms.
Marc Lombard hat die Konstruktion für die Oceanis 37.1 ausgearbeitet. Er ist mittlerweile für die gesamte Tourenlinie von Beneteau zwischen 30 und 40 Fuß Länge zuständig – und zudem für die Schiffe von Jeanneau. Die Sun Odyssey 380, die im letzten Jahr erschienen ist, zeigt optisch und auch konstruktiv auffällig viele Parallelen und kann gleichzeitig wohl als die Hauptkonkurrentin zur neuen Oceanis 37.1 genannt werden. Das ist umso spannender, als dass beide Marken zwar eigenständig auftreten, aber eben doch zur selben Firmengruppe gehören, zur übermächtigen Groupe Beneteau.
Die typische Lombard-Signatur ist bei beiden Booten unverkennbar: Prägend sind insbesondere der leicht negative Deckssprung, der extrem voluminöse Vorschiffbereich sowie die tiefliegende Kimmkante, die sich über die ganze Schiffslänge durchzieht und im vorderen Abschnitt für eine schlanke Wasserlinie hart abgesetzt ist. Gleichfalls zeigen die beiden Schwestern aber auch wesentliche Unterschiede. So verfügt das Boot von Jeanneau über das innovative Walkaround-Cockpit für barrierefreie Durchgänge vom Cockpit auf das Vorschiff. Bei der Oceanis 37.1 bleibt das Arrangement im Cockpit konventioneller, dafür aber auch geräumiger. Darüber hinaus ist das Boot von Jeanneau als Option mit einem Schwenkkiel erhältlich und kann trockenfallen. Beim neuen Schiff von Beneteau bleibt es beim Festkiel in L-Form.
Die Oceanis 37.1 kann im Vergleich mit ihrem ungewöhnlichen Layout unter Deck punkten. Die Pantry ist hier nämlich als langes Element seitlich in den Salon gebaut, was in der Längenklasse fast ein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Nur Dufour Yachts hat für die 390 ebenfalls die lange Küchenzeile im Angebot, wenn auch lediglich als Option. Ausbauversionen mit zwei oder drei Doppelkabinen sowie die Möglichkeit, den Eignerbereich im Vorschiff mit einer zweiten Nasszelle zu ergänzen, gehören derweil zum Klassenstandard. Alle aktuellen Wettbewerber bieten diese Varianz für ihre Boote der Elf-Meter-Klasse an.
Zur vergleichenden Einordnung darf natürlich auch die Preisgestaltung nicht fehlen. Im Fall der Oceanis 37.1 hat Beneteau bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe lediglich den Grundpreis kommuniziert. Dieser liegt bei 215.980 Euro brutto inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer. Damit ist die Oceanis 37.1 etwas günstiger als ihr Pendant von Jeanneau und liegt preislich nur unwesentlich über den Konkurrenzbooten von Bavaria und Hanse.
Aber Achtung: Der Preis versteht sich auch hier für das nur mager ausgestattete Schiff in der Basisausführung, das in der Form noch niemanden wirklich glücklich machen kann. Zwar wird die Oceanis 37.1 mit einem einfachen Satz Dacron-Segel ausgeliefert, jedoch gibt es Annehmlichkeiten wie etwa die große Heckklappe mit Badeleiter, Teakholz in der Plicht oder einen brauchbaren Cockpittisch nur als Optionen gegen entsprechende Aufpreise. Und die Oceanis 37.1 verfügt im einfachen Grundpaket lediglich über eine einzige Winsch auf dem Kajütdach für alle Schoten, Fallen und Trimmleinen.
Die Strategie des Weglassens entspricht durchaus einem generellen Trend, dem bisweilen auch die Wettbewerber folgen. So gesehen, bleiben die Grundpreise innerhalb der Konkurrenz immer noch mehr oder weniger vergleichbar. Und: Der Käufer hat mehr Möglichkeiten, sich das Boot nach seinen Wünschen, Bedürfnissen und finanziellen Verhältnissen selbst zu konfigurieren, natürlich gegen entsprechende Zuschläge. Weil die komplette Preisliste für die Oceanis 37.1 für den vorliegenden Testbericht nicht zur Verfügung steht, sind auch die vergleichenden Einordnungen zum Preis segelfertig sowie zum Komfortpreis nach YACHT-Definition vorerst hinfällig.
Der Test mit dem Prototyp findet in Les Sables-d’Olonne an der französischen Westküste statt. Bei 10 bis 12 Knoten und einem relativ hohen Schwell zeigt die füllige Lombard-Konstruktion ordentliche Segeleigenschaften beim Aufkreuzen. Auf einem Kurs von 45 Grad zum wahren Wind loggt das Schiff im Schnitt solide 6,4 Knoten, was für ein voluminöses Fahrtenboot ohne speziellen Leistungsanspruch schon recht gut ist. Und auch durch die Wellen kommt das Boot geschmeidig und ohne Stampfen. Das Testschiff ist mit einer größeren, 110 Prozent überlappenden Genua ausgestattet, die als Extra erhältlich und für die guten Leistungswerte im Test zweifellos mit verantwortlich ist. Standard ist die kleine Selbstwendefock, mit der das Potenzial bei einer Segeltragezahl von 4,1 bescheiden bleibt.
Neu ist das Rigg von Z Spars ohne Achterstag. Dafür sind die Salinge sehr lang und auch sehr stark nach achtern gepfeilt, um mit viel Riggspannung eine Mast-Vorbiegung zu erhalten und den Durchhang des Vorstags zu limitieren. Natürlich fehlt das Achterstag als wichtiges und effizientes Trimminstrument. Dafür hat der Steuermann mehr Platz, wenn er seitlich am Rad sitzt, und zudem keinen störenden Draht im Rücken – auch gut. Und es besteht die Möglichkeit, das Schiff ohne Weiteres mit einem leistungsstarken Performance-Großsegel mit Squaretopp auszurüsten.
Die Konstruktionen von Marc Lombard sind bekannt für ihre hohe Formstabilität. Das ist auch bei der Oceanis 37.1 der Fall. Das Schiff segelt auf allen Kursen spürbar steif und selbst in den Böen aufrecht, was nicht zuletzt den Reisekomfort steigert. Die Oceanis reagiert sehr lebhaft auf die Steuerbewegungen mit den doppelten Ruderblättern. Das Steuern am Wind ist allerdings keine Offenbarung. Die einfache Anlage ist trotz eingekoppeltem Autopiloten zwar sehr leichtgängig und hat nur wenig Schlupf, bietet aber für den Steuermann mangels Ruderdruck auch keine Rückmeldungen. Die Steuerung fühlt sich deshalb eher schwammig an. Bei Booten mit doppelten Ruderblättern ist das nicht selten auch eine Sache der Einstellung und kann über die Anstellwinkel der Flossen korrigiert werden. Die Steueranlage ist dazu durch die großen Staufächer in der Achterpiek leicht zu erreichen.
Für den Ausbau unter Deck verwendet Beneteau beim neuen Schiff jetzt Furniere aus Walnussholz. Die dunklen Farbtöne kontrastieren gut mit den vielen hellen Oberflächen der Seiten- und Deckenverkleidungen. Das schafft optische Tiefe und ein angenehmes, heimeliges Wohnambiente. Hölzer mit helleren Farbtönen (Nordic Oak) stehen weiterhin als Option zur Auswahl.
Standard ist der Zweikabiner mit einer Achterkammer, die weit über die Schiffsmitte gezogen ist. Die Doppelkoje ist rechteckig und bei einer Länge von zwei Metern durchgängig über 1,80 Meter breit, ein Komfort, den in der Klasse nur die Konkurrentin Sun Odyssey 380 mit ähnlich großzügigen Abmessungen mitgehen kann. Beim Zweikabiner steht das Achterschiff auf der Steuerbordseite dann als riesige Backskiste zur Verfügung, die sowohl aus dem Cockpit als auch durch eine Tür von innen zugänglich ist. Eine Erweiterung der hinteren Nasszelle um einen geräumigen und komplett separierten Duschraum ist zudem machbar.
Die Pantry als lange Zeile im Salon bietet in ihrer Form mehr Stauräume als auf den Booten der Konkurrenz, wo die Küchen seitlich vom Niedergang meist kompakter arrangiert sind. Arbeitsflächen sind ebenfalls reichlich vorhanden, auch wenn eine Abdeckung über dem Herd fehlt.
Die Qualität und die Machart des Innenausbaus entsprechen im Wesentlichen dem üblichen soliden Großserienstandard. Besonders positive, aber auch negative Überraschungen bleiben aus. Störend ist fast nur, dass beim Prototyp die Bodenbretter knarzen, wie auf vielen anderen Booten auch. Die Werft will das mit Abstandshaltern künftig korrigieren. Auch sollten für die Serie noch mehr Handläufe eingebaut werden. Die fehlten beim Testboot noch.
Mit der neuen Oceanis 37.1 liefert der Marktführer Beneteau ein zwar einfaches, aber rundum solides und stimmiges Fahrtenpaket ab. Die Konkurrenz in der beliebten Klasse ist aktuell und stark, und die Angebote sind vergleichbar. Es wird sich zeigen, wer der neue Klassenprimus sein wird. Für die Oceanis 37.1 stehen die Chancen dafür nicht schlecht.
Voluminöses Fahrtenboot von Beneteau mit einer hohen Markenidentität. Das Handling ist einfach, die Segeleigenschaften sind gut. Der Ausstattungsstandard ab Werft ist bescheiden.
Rumpf: GFK-Massivlaminat, per Hand laminiert. Deck: GFK-Sandwichlaminat, hergestellt mit Vakuum-Injektion (RTM)
Motor, Schoten, Segel (Groß und Fock), Segelkleid (Lazy-Bag), Selbstwende-Einrichtung, Staufach für Rettungsinsel, doppelte Ruderblätter, Rohrkicker, Springklampen, Kühlfach (160 Liter), Druckwasser-System, Cockpitdusche, Warmwasser-Boiler
Als Variante zum konventionellen Standard-Rigg ist auch ein Rollmast erhältlich. Für mehr Leistungspotenzial kann das Boot mit einer überlappenden Genua (110 %) oder mit einem Performance-Großsegel mit Squaretopp ausgestattet werden
Standard ist der Einbaudiesel von Yanmar mit 40 PS Leistung. Auf Wunsch ist auch ein Elektro-Podmotor von Torqeedo mit 12 kW Leistung möglich
Ab Werft sind zwei AGM-Batterien verbaut. 95 Ah für Bordstrom, 50 Ah als Starterbatterie für den Diesel
Chantiers Beneteau, 85805 Saint-Gilles-Croix-de-Vie (Frankreich), www.beneteau.com
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