​Babyboom an deutschen KüstenSeehund-Population wirft Fragen auf

David Ingelfinger

 · 14.12.2025

Ein junger Seehund robbt über den Strand auf der Ostfriesischen Insel Norderney.
Foto: dpa/pa
Im gesamten Wattenmeer wurden 2025 so viele Seehund-Welpen gezählt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Gesamtpopulation der Tiere ist in der gleichen Zeit jedoch kaum gewachsen. Wie sich das Ungleichgewicht von Nachwuchs und Population erklären lässt, ist Gegenstand des aktuellen Berichts des Common Wadden Sea Secretariat (CWSS).

Das CWSS zählte im Juni 2025 im gesamten Wattenmeer 10.044 Seehund-Welpen. Das entspricht einem Anstieg von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Den Geburtenzahlen nach befindet sich die Population damit auf einem historischen Hoch.

Ein anderes Bild zeigt sich bei der Zählung der Seehund-Gesamtpopulation. Insgesamt wurden 23.954 Tiere gezählt, eine Steigerung von rund einem Prozent im Gegensatz zu 2024. Während die Zahl der Geburten historisch stark angestiegen ist, konnte bei der Gesamtpopulation nur ein moderates Wachstum festgestellt werden. In Dänemark (-20%) und Schleswig Holtstein (-8%) ist die Population der Tiere sogar zurückgegangen. Die Anzahl der gezählten Seehunde ist also insgesamt niedriger, als es die Geburtenzahlen suggerieren. Gezählt wurde im gesamten Wattenmeer von Dänemark über die deutsche Küste bis zu den Niederlanden. Helgoland wurde als separater Standort ergänzt. Die Tiere wurden bei Niedrigwasser aus der Luft gezählt, wenn sie auf den trockenfallenden Sandbänken lagen.

Seehund-Population unter Druck

Laut Bericht des CWSS deutet die Kombination aus hohen Jungtierzahlen und einem gleichbleibenden Gesamtbestand auf eine erhöhte Sterblichkeit in der frühen Lebensphase der Seehunde hin. Daher erreichen viele Tiere oft gar nicht erst das Alter, bei dem sie in die regulären Bestandszählungen aufgenommen werden.

Laut CWSS-Bericht gibt es unterschiedliche Einflussfaktoren auf die Sterblichkeitsrate der jungen Seehunde: Klimatische Veränderungen und schwankende Fischbestände führen dazu, dass sie häufiger im Wasser sind und mehr Energie für die Nahrungssuche aufwenden müssen. Gleichzeitig konkurrieren Seehunde mit Schweinswalen und Kegelrobben um die verbliebenen Fischbestände. Kegelrobben treten dabei nicht nur als Konkurrenten auf, sondern machen vereinzelt sogar Jagd auf kleinere Seehunde.

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Ein weiterer Treiber dieser Entwicklung ist der Einfluss des Menschen. Offshore-Windparks, der Einsatz von Schleppnetzen und der starke Schiffsverkehr verändern marine Lebensräume nachhaltig. Gerade für junge Seehunde könnte es in Zukunft also noch schwieriger werden, sich an die neuen Umweltverhältnisse anzupassen.

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Regionale Unterschiede

In Dänemark sind sowohl die Bestände, als auch die Geburtenrate der Seehundpopulation zurückgegangen. Laut des CWSS-Berichts sank hier die Welpenzahl auf 727 Tiere, während auch der Gesamtbestand auf 1.721 Tiere (-20%) zurückging. Ein entgegengesetzter Trend zeigt sich in den Niederlanden. Hier stieg die Zahl der Welpen nach einem schwachen Vorjahr auf 2.809 Tiere. Das entspricht einen Anstieg von 44 Prozent. Die Gesamtpopulation vergrößerte sich um zehn Prozent.

In Deutschland wurde hingegen ein gemischtes Bild festgestellt. Schleswig-Holstein verzeichnete eine deutliche Steigerung der Seehund-Geburten, gleichzeitig aber einen Rückgang des Bestands. In Niedersachsen nahmen sowohl Welpenzahlen als auch Gesamtbestand leicht zu. Auf Helgoland wurden lediglich zwei Welpen und rund 100 Tiere gezählt. Dort sind Kegelrobben dominant.

Unsicherheiten bei der Hochrechnung

Die Autoren des Berichts schätzen die Gesamtpopulation des Wattenmeeres auf etwa 35.200 Seehunde. Diese Schätzung basiert auf einer Studie aus dem Jahr 1998. Damals gingen sie davon aus, dass im Sommer rund 32 Prozent der Tiere im Wasser sind und deshalb nicht gezählt werden können.

Die Autoren des aktuellen CWSS-Berichts weisen darauf hin, dass dieser Faktor unter heutigen ökologischen Bedingungen ungenau sein könnte. Sollten Seehunde beispielsweise aufgrund veränderter Nahrungsbedingungen länger auf See jagen, würde der Anteil der nicht sichtbaren Tiere steigen. In diesem Fall würde die Strandzählung einen stärkeren Rückgang anzeigen, als tatsächlich vorhanden ist. Der Bericht spricht sich daher ausdrücklich für eine Überprüfung und Aktualisierung dieser Annahmen aus.


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