Am Samstagabend kollidierte das 90 Meter lange mexikanische Segelschulschiff "Cuauhtemoc" mit der Brooklyn Bridge in New York. Bei dem Unfall kamen zwei Besatzungsmitglieder ums Leben, 19 weitere wurden verletzt. Das Schiff war gerade dabei, den Hafen zu verlassen, als es gegen 20:20 Uhr rückwärts in die Brücke krachte. In der Takelage befanden sich zahlreiche Kadetten. Die oberen Stücke der Masten des Schiffes knickten bei der Kollision um. Die Nationale Verkehrssicherheitsbehörde hat Ermittlungen aufgenommen, die voraussichtlich mehrere Monate dauern werden. Dabei liegt ein Fokus der Untersuchungen auf der Rolle des Schleppers.
Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschten im New Yorker Hafen herausfordernde Bedingungen. Die Flut hatte gerade eingesetzt und eine starke Strömung drückte den East River hinauf, während gleichzeitig ein Wind von etwa zehn Knoten aufkam. Aufnahmen von Augenzeugen zeigen, dass beim Ablegemanöver die Hilfe eines Schleppers in Anspruch genommen wurde. Dieser drückt offenbar den Bug der "Cuauhtemoc" in Richtung See. Der Großsegler hätte nun eigentlich mit Vorausschub den Hafen verlassen können.
Doch auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie das Schiff mit viel zu hoher Geschwindigkeit rückwärts in die Brücke rast. Das kann an der auflaufenden Tide gelegen haben. Allerdings ist auch Heckwasser zu sehen, das in Richtung Bug strömt, also aus eingelegtem Rückwärtsgang mit vermutlich gleichzeitig Schub stammt. Dies deutet darauf hin, dass der Kapitän möglicherweise die Kontrolle über den Antrieb verloren hatte.
Experten stellen nun auch die Frage, ob der begleitende Schlepper zu früh abgedreht ist und ob er nicht bis zur Ausfahrt aus dem Hafen hätte angeschlagen bleiben oder das Schiff begleiten sollen. Offenbar wurde er aber nur als so genannter “Pusher” eingesetzt, der nur den Bug herumdrücken sollte und war nicht fest mit dem Boot verbunden.
In späteren Aufnahmen, nach dem Unglück, liegt derselbe Schlepper vertäut längsseits der "Cuauhtemoc". Warum er dort nicht früher auftauchte, ist unklar. Vermutlich handelt es sich um einen Schlepper mit Propellerantrieb und nicht um einen mit so genanntem drehbaren POD-Antrieb, der deutlich manövrierfähiger gewesen wäre. Für das eingesetzte Modell wäre so nicht ausreichend Zeit gewesen, bis zum Heck zu gelangen und von dort den Großsegler zu stoppen. Zumal auch niemand damit rechnen konnte, dass die "Cuauhtemoc" Probleme mit dem Antrieb bekommen könnte.
Nachdem die "Cuauhtemoc" durch die Brooklyn Bridge getrieben war und die Mastspitzen eingebüßt hatte, lief sie offenbar kurz vor der Manhatten-Bridge auf Grund und warf gleichzeitig die Anker. Per Schlepperhilfe wurde sie dann durch die Manhatten-Bridge gezogen und liegt nun am Pier 35. Die Küstenwache hat eine 46 Meter große Sicherheitszone um das beschädigte Schiff eingerichtet, um dem Strom der Schaulustigen fern zu halten.
Die Untersuchungen sowohl der US-amerikanischen als auch der mexikanischen Behörden sind angelaufen. Mit Ergebnissen wird erst in Monaten gerechnet. Die Schlepperfirma wollte sich bisher nicht öffentlich äußern. Der demokratische Senator des Bundesstaates New York Chuck Schumer fordert, dass im Rahmen der Ermittlungen auch untersucht wird, ob der von der Trump-Administration verhängte Einstellungsstopp Auswirkungen auf die Personalstärke, Sicherheitsverfahren und Unfallbereitschaft der US-Küstenwache hatte.
Unter den Todesopfern befindet sich die 20-jährige América Yamilet Sánchez aus Xalapa im mexikanischen Bundesstaat Veracruz. Offenbar ist sie von einem der Masten der "Cuauhtemoc" gefallen. Die junge Frau studierte Ingenieurwesen an der mexikanischen Marineakademie. Das zweite Todesopfer wurde als Adal Jair Marcos identifiziert, ein 22-jähriger Kadett aus Puebla. Marcos, der sich im dritten Jahr seiner Ausbildung an der Marineakademie befand, galt als vielversprechender Offizieranwärter. Seine Familie beschrieb ihn als leidenschaftlichen Seemann, der schon seit seiner Kindheit davon träumte, auf großen Schiffen die Weltmeere zu bereisen.