Ursula Meer
· 09.03.2022
Mehr als 100 Jahre nach seinem Untergang wurde das legendäre Expeditionsschiff des Polarforschers Sir Ernest Shackleton in 3000 Meter Tiefe entdeckt
Einem internationalen Forscherteam ist gelungen, was als beinahe unmöglich galt: Das Expeditionsschiff „Endurance“ des britischen Forschers und Abenteurers Sir Ernest Shackleton wurde gefunden und konnte gefilmt werden. Es liegt in 3000 Meter Tiefe am Grund des Weddellmeeres östlich der Antarktischen Halbinsel.
Shackleton und seine Mannschaft waren 1914 mit der „Endurance“ aufgebrochen, um als erste Menschen die Antarktis zu durchqueren. Doch schon im Weddellmeer wurde das Schiff vom Packeis eingeschlossen. „Endurance“ – zu deutsch Ausdauer – bewies das Expeditionsschiff: Binnen 281 Tagen driftete es im Eis 570 Meilen Richtung Nordwesten, ehe der Rumpf dem Druck nicht mehr standhielt. Die „Endurance“ schlug leck. Nach langen, bangen Monaten des Verharrens in provisorischen Lagern auf treibenden Eisschollen musste die Besatzung das Schiff schließlich im Oktober 1915 aufgeben.
In einer beinahe übermenschlichen Kraftanstrengung kämpften sich die 28 Männer durch das ewige Eis: In Rettungsbooten erreichten sie die unwirtliche, unbewohnte Elefanteninsel (Elephant Island). Shackleton und fünf seiner Männer fuhren von dort 800 Seemeilen im offenen Boot nach Südgeorgien. Zu Fuß gelangte der Expeditionsleiter über die gebirgige Insel zu einer Walfangstation. Von dort aus gelang es Shackleton schließlich, die auf der Elefanteninsel wartenden Männer zu retten und sie ohne Verluste nach Hause zu bringen. Die spektakuläre Rettung machte Shackleton zu einem britischen Nationalhelden.
Die „Endurance“ sank im Tausende Meter tiefen Weddellmeer und galt seither als verschollen – mehr als 100 Jahre lang. Nun ist es im Rahmen der Expedition "Endurance22" einem internationalen Forscherteam gelungen, das Wrack aufzuspüren und zu filmen. „Dies ist bei Weitem das schönste hölzerne Schiffswrack, das ich je gesehen habe. Es steht aufrecht, ragt weit über den Meeresboden hinaus, es ist intakt und in einem hervorragenden Erhaltungszustand. Man kann sogar den Schriftzug ‚Endurance‘ quer über das Heck, direkt unter der Reling, sehen. Dies ist ein Meilenstein in der Polargeschichte“, zitiert der Falklands Maritime Heritage Trust den Expeditionsleiter Mensun Bound.
Möglich wurde dies durch die Zusammenarbeit der Experten an Bord des hochmodern ausgestatteten südafrikanischen Eisbrechers "S.A. Agulhas II", der seit dem 5. Februar in der Antarktis dem Schiffswrack auf der Spur war. Basis für die Suche waren sehr detaillierte Tagebuchaufzeichnungen des Kapitäns der „Endurance“ Frank Worsley.
Auch Forschende aus Deutschland waren an der Suche beteiligt. Die wissenschaftliche Leitung des Teams an Bord übernahm Lasse Rabenstein von der Firma Drift&Noise aus Bremen, die die Navigation im Eis mit hochauflösenden Satellitenbildern unterstützt. Eine Spezialistin für Meereis des Alfred-Wegener-Instituts und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) halfen, die Stärke und Driftrichtung des Eises zu prognostizieren, um eine sichere Route durch das gefährliche und sich ständig verändernde Gewässer zu finden. Mit hybriden autonomen Unterwasserfahrzeugen suchte das Forscherteam den Meeresgrund rasterförmig ab und fand nun die Endurance nur etwa vier Meilen südlich der Position, die Worsley zuletzt in seinen Tagebüchern verzeichnet hatte.
Die ganze Geschichte der Expedition hat Shackleton in seinem Buch „South“ niedergeschrieben. Es ist hier gratis online verfügbar.
Tauchfahrt in eisiger Tiefe. Das Wrack der "Endurance" liegt auf dem Grund der Weddellsee