Ursula Meer
· 21.03.2022
Vier deutsche Segler sind am frühen Sonntagmorgen gerettet worden, nachdem ihre Yacht westlich der niederländischen Insel auf Grund gelaufen und gesunken war
Einmal mehr haben die von vielen Seglern zu Recht gefürchteten Seegatten eine Crew beziehungsweise deren Schiff ins Verderben gerissen. Gegen 5:15 Uhr ging am Sonntagmorgen bei der niederländischen Seenotrettung KNMR der Alarm eines GMDSS-Notsignals ein. Eine aus Emden kommende Bavaria 40 war westlich von Terschelling auf einer Sandbank festgekommen. Grundberührung und Wellengang führten dazu, dass der Kiel brach und kurz danach das Boot kenterte. Die Besatzung konnte sich in eine Rettungsinsel retten.
Zwei Rettungsboote von den Stationen Vlieland und Terschelling und ein SAR-Hubschrauber suchten nach der Crew der gesunkenen Yacht. Die Retter von Terschelling erreichten als Erste den Unglücksort, wie niederländische Medien berichten. Der Helikoptereinsatz konnte abgebrochen und die Besatzung von der KNRM auf die westfriesische Insel gebracht werden. Ein Crewmitglied musste wegen einer Unterkühlung medizinisch behandelt werden.
Das Unglück ereignete sich kurz nach Niedrigwasser etwa fünf Meilen nordwestlich von Terschelling auf den "Gronden van Stortemelk", einem Gebiet mit zahlreichen Untiefen. Zu dem Zeitpunkt herrschte frischer Wind mit 4 bis 5 Beaufort aus Ost mit stürmischen Böen. Die Yacht sei laut niederländischen Medien gerade erst von der Crew gekauft worden. Die Segler hätten demnach das Boot testen und zwischen den Inseln hindurch nach Harlingen segeln wollen.
Die Yacht konnte mittlerweile geborgen und in den Hafen von Harlingen gebracht werden, wie hier im Video zu sehen
Die Havarie in diesem Seegebiet ist kein Einzelfall. Insbesondere die Seegatten zwischen den West- und auch die zwischen den Ostfriesischen Inseln sind in der Vergangenheit schon häufig zur Falle für Schiffe geworden. Bei Wind-gegen-Strom-Situationen, Starkwind und Ebbstrom werden viele der Gatten schlicht unpassierbar. Dort bilden sich dann teils heftige Grundseen, in deren Wellentälern Schiffe unversehens auf Grund regelrecht aufschlagen können, obwohl die Karten zum betreffenden Tidenzeitpunkt ausreichend viel Wasser unterm Kiel vorgaukeln.
Revierkenner und YACHT-Autor Holger Peterson hat es selbst mit seinem Schiff erlebt. In einem Bericht, der in YACHT 20/2012 erschienen ist, schrieb er:
27. September 2008. Wir laufen von See in die Harle zwischen Wangerooge und Spiekeroog ein. Gute Sicht, Nordwestwind um vier. Laut Karte ist es auf der Barre vor den Inseln bei Niedrigwasser noch zwei Meter tief. Dort sind wir drei Stunden vor Niedrigwasser, so ist mit 3,50 Meter Tiefe zu rechnen. Der Langkiel der „Paloma“ geht 1,20 Meter tief.
Wir wissen aus Erfahrung, dass sich die Tiefe auf der Barre bei Tonne H4 innerhalb von 50 Metern von sechs auf zirka zwei Meter unter dem Kiel verringert. Doch dieses Mal ist es anders, und es geht rasend schnell: 2 … 1 … 0 ,2 … 0! Mit einem Rumms setzt die neun Tonnen schwere „Paloma“ in der kurzen See auf. Jede Welle lässt die Elf-Meter-Stahlyacht wieder auf den harten Sand krachen. Die Takelage zittert. Querschlag droht. Es rumpelt mehrmals heftig unter dem Kiel – dann sind wir drüber. Eine GFK-Yacht mit Kurzkiel hätte das nicht heil überstanden.
Okay, Anfängerfehler, bei ablaufendem Wasser hier durchzufahren. Aber das hat sonst bei der Tide immer geklappt – warum heute nicht? Ein Blick zurück: weiße brechende Wellen auf der Westseite der Tonnen, wo es tief sein müsste. Glattes und somit tiefes Wasser ostwärts der Tonnen, wo es flach sein müsste. Das war mit den Wellen nicht zu erkennen.
Wir wollen Klarheit und wenden. Tatsächlich: Auf der „falschen Seite“ des Tonnenstrichs ist es im flachsten Bereich noch 3,5 Meter tief! Eine Mindertiefe von rund drei Metern innerhalb eines betonnten Fahrwassers – das müsste doch der stündliche Revierfunk vermelden!
„Nachkontrolle“ zwei Wochen später bei gleichem Tidenstand. In der Nacht herrschte frischer Nordwest, zur Sicherheit passiere ich die Tonnen auf der „falschen“ Seite. Drei Meter Wasser, alles bestens. Aber schwere Grundseen im Fahrwasser. Gnade dem Skipper, der hier der Betonnung vertraut!
Petersens Grundregeln gegen Grundberührung:
Seegatten an der ostfriesischen Küste sind für Yachten ab Windstärke fünf aus nördlichen Richtungen tabu. Gleiches gilt für die nordfriesische Küste bei westlichen Winden. Auch alte See in die Bewertung der Lage einbeziehen! Anlaufen der Gatten erst bei halber Tide und steigendem Wasser. Vorsicht bei Wind-gegen-Strom-Situationen. Das Großsegel sollte man insbesondere auf raumen Kursen am besten ganz bergen. Denn Querschlagen mit Patenthalse droht trotz aller Vorsicht. Vorsegel stehen und Maschine mitlaufen lassen, denn von achtern anrollende Seen können die Fahrtgeschwindigkeit überschreiten, dann reißt die Anströmung am Ruder ab. Von der Ansteuerung langsam in den Tonnenstrich, Lot ständig beachten, konzentriert in der Rinne steuern!