Pascal Schürmann
· 13.02.2018
Auflaufen, Mastbruch, Motorschaden – je nach Ernst der Lage müssen Crews die Seenotretter rufen. Aus deren Einsätzen lassen sich wichtige Erkenntnisse gewinnen
Jeden Herbst und dann gleich noch einmal zu Jahresbeginn berichtet die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) über ihre Tätigkeit in der abgelaufenen Saison. Die dann von den Publikums-, aber auch von anderen Segelfachmedien verbreiteten, meist nicht weiter hinterfragten Einsatzzahlen zu geretteten Menschen und Schiffen klingen regelmäßig gleichermaßen beeindruckend wie erschreckend hoch.
Bei einem genaueren Blick auf das vorgelegte Zahlenwerk und insbesondere auf die auf Nachfrage der YACHT vorgelegte Verteilung der Einsätze auf verschiedene Gruppen und Arten von Einsätzen offenbart sich hingegen ein ungleich differenzierteres Bild. Zählen zu den Gruppen der Geretteten doch nicht nur Segler, sondern vor allem auch Fischer, Berufsseeleute, Motorbootfahrer, Kiter und Surfer, Schwimmer und Badende, Kanuten sowie sogar Watt- und Strandspaziergänger bis hin zu Halligbewohnern.
Die Aufschlüsselung nach Einsatzarten wiederum zeigt, dass die Retter keineswegs immer nur dann ausrücken, wenn es draußen stürmt und sich die Wellen haushoch auftürmen, um sodann Segler in letzter Minute von ihren sinkenden Yachten zu retten. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht selten handelt es sich um Krankentransporte, Schlepphilfe oder technische Unterstützung. Und so ist das Bild, das sich nach Analyse der Einsatzzahlen ergibt, eines – und das ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis –, das mehr als deutlich zeigt, dass der Bootssport allgemein und die Segelei im Speziellen weitaus ungefährlicher ist, als so mancher Zeitungsbericht und auch die Veröffentlichungen der DGzRS selbst glauben machen.
Beispiel: Bis Ende Oktober vergangenen Jahres hatten die Seenotretter entlang der deutschen Küsten 1901 Einsätze gefahren. Davon entfielen aber nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich 1065 Einsätze, überhaupt auf Wassersportler. Und noch einmal deutlich geringer war die Anzahl der Fälle, in denen die Retter Seglern zu Hilfe geeilt sind. Sie belief sich auf 677 – und umfasste neben Yachtcrews im Übrigen auch Jollen- und Sportkatsegler.
Dass die Seenotretter kein allzu großes Interesse daran haben, dem Eindruck, den die Mehrheit der Medien auf Grundlage der zusammenaddierten Fallzahlen vermitteln, zu widersprechen, ist verständlich. Der Verein lebt von der Angst vor der Seenot, ist er doch auf Spenden angewiesen. Die aber fließen vor allem dann, wenn in der Öffentlichkeit das Gefühl besteht, Seefahrt, gleich welcher Art, sei riskant.
Hinter einer von der DGzRS als "Notlage" eingestuften Situation verbirgt sich jedoch keineswegs automatisch stets ein Einsatz, bei dem es um Leib und Leben für diejenigen ging, denen geholfen wurde. Vielmehr können darunter beispielsweise auch Crews fallen, die wegen eines Motorschadens Schlepphilfe in den nächsten Hafen erbeten haben. Damit soll und darf die Leistung der Seenotretter nicht infrage gestellt werden; ihre Arbeit, insbesondere die der vielen ehrenamtlich tätigen Retter, ist unverzichtbar – und manches Mal eben auch in der Tat lebensrettend.
Die Wirklichkeit indes sieht anders aus, weit weniger dramatisch, als auch von der DGzRS häufig dargestellt. Man halte sich nur die gern verbreiteten Fotos von den in aufgewühlter See heranpreschenden Seenotrettungskreuzern vor Augen.
In den vergangenen Jahren hat die YACHT regelmäßig die nach Einsatzarten aufgeschlüsselten Zahlen angefordert und diese dann ausgewertet. Wenngleich das von der DGzRS zur Verfügung gestellte Datenmaterial in vielen Punkten leider immer noch arg undifferenziert ist, lassen sich daraus dennoch grundlegende Ergebnisse ermitteln. Allen voran betrifft das die häufigsten Ursachen, weshalb Wassersportler die Seenotretter um Hilfe rufen (siehe Bildergalerie).
Die 10 häufigsten Ursachen, weshalb die DGzRS Yacht- und Jollenseglern, Motorbootfahrern, aber auch Surfern und Kitern sowie anderen Wassersportlern zu Hilfe kommt. Die Diagramme zeigen in den Balken von links nach rechts jeweils die Einsatzzahlen für die Jahre 2012 bis 2017.